Florence Foster Jenkins
Florence Foster Jenkins wurde am 19. Juli 1868 in den USA geboren und galt als schlechteste Sängerin ihrer Zeit.
Deutsch Litauische Beziehungen
Teresa Golovenkova ist eine engagierte Fremdenführerin in Vilnius. Geboren in Vilnius mit polnischem Familienhintergrund, Studium der deutschen Sprache in Polen, lebt sie heute wieder mit ihrer Familie in Vilnius und läßt uns an ihrer litauischen Heimat teilhaben.
Besichtigungen von Vilnius, aber auch Paneriai, Trakai, Kaunas und anderen interessanten Orten in Litauen werden angeboten. Sie spricht perfekt Deutsch (und Litauisch, Polnisch, Russisch und Englisch). Ihre Website: VILNIUSGUIDE
Deutsch-litauische Beziehungen von Teresa Golovenkova
“Das Litauertum braucht einen schweren und tief gegründeten seelischen Ausdruck als sein Gegenüber. Nur ein solches kann es zu einer Kraftentfaltung in Verbindung mit den Wirklichkeiten der Sinneswelt anregen. Und dazu ist wahrscheinlich unter den Völkern am ehesten das deutsche geeignet”
Wilhelm Storost – Vydunas
Deutschland und Litauen: das Spektrum der Beziehungen und gegenseitigen Wahrnehmung umfasst viele Aspekte, die hier nur ganz kurz angedeutet werden können. Der Deutsche Orden als kriegerischer Nachbar des heidnischen Litauens; die Reformation; die Ereignisse des 20. Jahrhunderts.
Die Geschichte der deutsch- litauischen Beziehungen währt schon fast 800 Jahre. Die ersten Kontakte arteten am Ende des 13. Jahrhunderts in einen regelrechten Krieg aus. Die Litauer nahmen unter den Nachbarn des deutschen Volkes eine Sonderstellung ein. Diese Nachbarschaft war zeitlich und räumlich eng begrenzt. Als im 13. Jahrhundert die Deutschen das erste Mal mit den baltischen Völkern zusammentrafen, war das für sie eine fremdartige, gefährliche Welt. Die deutschen Kreuzritter sahen in ihnen nicht nur Fremde, deren Sprache sie nicht verstanden, sondern Heiden, die man bekämpfen und bekehren musste.

Schlacht bei Tannenberg Deutscher Orden gegen Polen/Litauen
Zwischen Preußen und Livland lag das litauische Samaiten (Zemaitija), zwei Jahrhunderte lang Gegenstand der Angriffe des Ordens. Ziel dieser Angriffe war die Errichtung einer Landbrücke zwischen Preußen und Livland. Die Litauerkriege des Deutschen Ordens waren ein europäisches Phänomen. Nicht nur aus dem Deutschen Reich, sondern aus fast allen europäischen Ländern zogen nun Fürsten und Adlige nach Preußen, um ihr Rittertum im Kampf gegen die Heiden zu bewähren und um an den ritterlichen Festen teilzunehmen, die im Zuge dieser Kreuzzüge veranstaltet wurden. Der Zweck der Kriegsreisen der Deutschen war auch die Erstürmung von feindlichen Festungen und Erbauung von Burgen auf feindlichem Gebiet zur Sicherung ihrer Operationslinie und Gewinnung eines strategisch wichtigen Punktes. Dieser Krieg wurde mit Überlegung geführt. Der Orden bemühte sich um solche Deutsche, die den Boden bebauen wollten. So entstanden die Niederlassungen der Kaufleute, aus denen sich schließlich Städte entwickelten.
In der unfriedlichen ersten Epoche der deutsch-litauischen Beziehungen gibt es en interessantes Zwischenspiel: die Zeit des litauischen Königs Mindowe (Mindaugas). Der litauische König bot die Taufe als Gegenleistung für die Unterstützung des Ordens bei seinen innerlitauischen Kämpfen an. Er wurde von Christian, einem Priester des Deutschen Ordens, der im Jahre 1253 der erste Bischof von Litauen wurde, zum Christentum bekehrt. Mindowe übertrug dem Orden wahrscheinlich die Herrschaft über das litauische Stammland Samaiten. (Die Echtheit von Urkunden Mindowes für den Deutschen Orden ist umstritten.) Natürlich blieb eine Reaktion des "Heidentums" nicht aus. Es sammelte sich, und brachte dem Deutschen Orden im Jahre 1260 eine erschütternde Niederlage bei.

Gediminas Großfürst von Litauen ab 1316
Die Zeit nach 1263 war für Litauen eine Epoche der Zerrissenheit, in der jegliche zentrale Gewalt fehlte. Klug und erfolgreich schuf das litauische Großreich Gediminas (1316- 1341). Er holte deutsche Kaufleute, Handwerker, Bauern und auch Geistliche ins Land. Mit der Hanse und den nordbaltischen Städten pflegte Gediminas rege Handelskontakte. Das alles hinderte den Deutschen Orden aber nicht daran, nahezu jährlich einen ergebnislosen Feldzug gegen Litauen zu führen. Es ist dem Deutschen Orden nicht gelungen, Litauen zu missionieren. Litauen übernahm das Christentum aus Polen. Im Jahre 1386 wurde Jagiello getauft. Der Deutsche Orden war jedoch der Meinung, die Taufe sei nur eine Täuschung und es müsse weiterhin der Heidenkrieg gegen die Litauer geführt werden. Ein besonders bemerkenswerter Erfolg gelang dem Orden 1398 mit dem Vertrag von Sallinwerder. Einen Erfolg für den Orden stellten die territorialen Bestimmungen des Vertrages dar. Witold (Vytautas) trat dem Orden Samaiten ab. Die Abtretung von Samaiten war der Preis für die Unterstützung Witolds durch den Deutschen Orden. Auch der Orden verzichtete auf bestimmte Gebiete. Beide Seiten einigten sich in Bezug auf ihre Interessensgebiete.

Vytautas Großfürst von Litauen ab 1392
So wurde schon bald nach 1386 aus Litauen, dem Feind von gestern, ein Verbündeter Preußens gegen die polnische, später auch in Livland (mit dem Deutschen Orden) gegen die Moskauer Expansion.
Im Jahre 1399 hat der Orden am Krieg gegen die Tataren teilgenommen, erlitt aber eine Niederlage. Die Schlacht an der Worskla am 12. August 1399 änderte auch die Situation des Ordens. Polen und Litauen rückten wieder zusammen. Samaiten ließ sich nicht halten. Im Zuge eines Aufstandes wurde der Orden aus dem Lande vertrieben.
1409 führte der Deutsche Orden einen erfolgreichen Präventivkrieg gegen Polen und Litauen. Ein Jahr später jedoch, bereiteten Witold und Wladyslaw II. dem Deutschen Orden bei Tannenberg eine katastrophale Niederlage, die als ein zentrales Ereignis in der Geschichte, nicht nur Preußens, sondern auch noch Polens und Litauens angesehen wird. Die Wirkung dieses Schlachtausganges war ungeheuer. Von 1419 bis 1422 kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen der Union und dem Orden, bis mit dem Frieden vom Melnoer See die Grenze des Ordenslandes im Osten und Norden gezogen wurde, wie sie bis in das 20. Jahrhundert Bestand hatte. Sie war somit eine der beständigsten Grenzen Europas.
Noch um 1400 spürt man in Litauen einen starken deutschen Kultureinfluss. In keinem nichtdeutschen Land (ausgenommen den skandinavischen Ländern) war die deutsche Sprache im externen Schriftverkehr so verbreitet wie in Litauen. Aber der Deutsche Orden galt als der Träger einer sehr beschränkten, einseitigen Kultur. Dr. W. Pierson bemerkte: “Der einzige, freilich sehr dunkle Flecken an der Regierung des Ordens war das Unrecht, welches er durch gänzliche Vernachlässigung der geistigen Interessen seiner preußisch redenden Untertanen beging. Er sorgte väterlich nur für die Deutschen” (die Ansiedler). Nach dem Willen der Ordensbrüder sollte die Eigenart des Lebens der alten Bewohner von Litauen also untergehen.
2.1.2. Der neue Charakter der deutsch-litauischen Beziehungen
Der Frieden vom Melnoer See von 1422 veränderte den Charakter der deutsch- litauischen Beziehungen. Damit wurde die erste Etappe dieser Beziehungen beendet und es begann eine neue. Erst nach diesem Friedenschluss entstand eine wirkliche Nachbarschaft zwischen beiden Völkern. Wohl wurde in früherer Zeit schon etwas gehandelt: der Memelstrom war eine wichtige Handelsstrasse. Die Stadt Kauen, durch Witold 1408 gegründet, war das Haupttor für den litauischen Außenhandel. Hier entstand ein Kontor der deutschen Hanse, das im 15. und bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts einen Mittelpunkt des deutschen Handels in Litauen bildete.
In die politische Auseinandersetzung zwischen Litauen und Deutschland mischte sich nach 1422 das mittelalterliche Kaisertum. Der deutsche König Sigismund verfolgte das Ziel, Litauen und Polen zu trennen und Witold zum König von Litauen unabhängig zu machen. (Da der achtzigjährige Witold 1430 gestorben ist, ist es zur Krönung allerdings nicht mehr gekommen.) Bald änderte sich die politische Lage des Ordens gegenüber Polen. Der preußische Bund bot schon 1435 dem König des vereinten Litauen- Polen, Kasimir, die Herrschaft über Preußen an. So hatte der Orden gar im Innern einen Feind. Es kam zwischen dem Orden und Polen zum erneuten Krieg 1454- 1466, der mit dem II. Thorner Frieden vom 19.10.1466 endete. Litauen wollte sich an diesem Krieg nicht beteiligen, es blieb neutral. Der Orden verlor weitere seiner Gebiete (Pomerellen, das Kulmer Land, Ermland, sowie die Städte Danzig, Elbing und Marienburg). Der Sitz des Hochmeisters wurde nach Königsberg verlegt. Der Orden war jetzt finanziell ruiniert, das Land war im großen Maße zerstört. Es war nötig, das Land neu zu bevölkern und zu kultivieren. Das verwilderte Land wurde mit der Zeit wieder urbar. Hier wurde preußisch- litauische Heimat geschaffen (in neuer Zeit “Klein – Litauen” genannt).
Dem Litauertum gegenüber befand sich das Deutschtum in einer ganz anderen Lage als gegenüber den anderen Nachbarvölker. Das Großfürstentum Litauen war kulturell keine Einheit, sondern ein Vielvölkerstaat, in dem Litauer in der Minderheit waren. Die Kultur- und Bildungspolitik bezüglich der litauischen Bevölkerung war eine schwierige Aufgabe für die preußische Regierung. Sie musste auf unterster Ebene mit dem Aufbau eines Bildungswesens beginnen. So wurde die litauische Sprache in die kirchliche Literatur eingeführt, später dann Schulen gebaut. Das Ergebnis dieser Politik liegt noch heute vor. Einerseits haben die Schulen zur Eindeutschung der Litauer beigetragen, andererseits haben sie Ihnen den Zugang zu einer höheren Bildung geöffnet. Es gab bis zum 18. Jahrhundert nicht viele Schulen, die Bevölkerung auf dem Lande bestand meistens aus Analphabeten
2.1.3. Die Reformation und die Veränderungen, die sie mit sich brachte
Da die Meinung vorherrschte, man lebe im Ordensland Preußen besser als in Litauen, zogen viele Litauer nach Preußen. Auch Deutsche zog es vereinzelt in die großen litauischen Städte, was zur Entstehung eines zahlenmäßig geringen deutschen Bürgertums geführt hat. In dessen Kreisen fand die aus Deutschland kommende Reformation schnell ihre Anhänger und beeinflusste die weitere Entwicklung des Deutschtums in Litauen. So gehören z.B. im Jahre 1552 zu einer evangelisch – lutherischen Kirchengemeinde in Kaunas 124 Familien. Im Jahre 1547 hat Martin Mosvidus, an der Universität Königsberg den “Kleinen Katechismus” Luthers übersetzt. Herzog Albrecht vergab Stipendien an junge Adlige aus Litauen und hat damit zur Reformation in diesem Land beigetragen. Um das Jahr 1550 hatte die Reformation im ganzen litauischen Volk Aufnahme gefunden. Die Litauer zeichnete religiöse Toleranz aus; anfangs lebten Christen und Heiden problemlos nebeneinander, später Lateiner und Orthodoxe, jetzt Katholiken und Protestanten. Bemerkenswert ist die damalige große Zahl von Litauern in Königsberg. In den siebziger Jahren des 16. Jahrhunderts wurde die Lehre Martin Luthers in vielen katholischen Kirchen Litauens verkündet.
1558 konnte der deutsche Orden dem Angriff der Moskowiter nicht standhalten und so stellte er sich unter den Schutz der litauisch- polnische Union. Litauische Truppen übernahmen die Ordensburgen. Das rief einen Krieg mit Moskau hervor. Litauen suchte Hilfe bei dem polnischen Unionspartner (am 01.07.1569- Union von Lublin). Somit hatten Litauen und der deutsche Orden einen gemeinsamen Herrscher, eine einheitliche Währung und übten die gleiche Außenpolitik aus. Damit hat die Rekatholisierung Litauens begonnen.
Die seit 1568 durch den Jesuitenorden betriebene Gegenreformation führte den größten Teil des litauischen Volkes zur katholischen Kirche zurück. Das hat dazu geführt, dass schon bald die Stellung der Deutschen in den Städten erschüttert wurde. Jetzt fanden die Deutschen ihren Weg in die Kleinstädte und aufs Land. (1567 wurde in Tauroggen eine deutsche Gemeinde gegründet; 1572 siedelte Johann Chotkiewcz (Chodkiewicz ) auf seinem Gut Skudy Deutsche an; 1587 entstand der Ort Birsen)
Man sollte hier auch betonen, wie groß die Rolle der deutschen Gelehrten an der Wilnaer Universität war. Katholische Mönche aus Preußen waren die ersten deutschen Gelehrten an der Hochschule. (Z.B. Simon Behrendt, Thomas Klage, Andreas Rosenwald). Insgesamt sind die Namen von 34 deutschen Gelehrten bekannt, die in Wilna tätig waren: z.B. Georg Forster, Ferdinand Spitznagel, Peter Albricht, Benjamin Haustein, Johann Heinrich Abicht, Ernst Gottfried Groddeck u.A. Ihr Wirken war nicht nur für die Universität bedeutsam, sondern für das ganze Land.
2.1.4. Das schwache Litauen
Schon in der Lubliner Union von 1569 bekam das erheblich verkleinerte litauische Großfürstentum nur die Rolle des Juniorpartners in Doppelreich Polen- Litauen zugewiesen. Litauische Geschichte ist demzufolge in diesem Zeitraum weitgehend polnische Geschichte, was sich auch auf das Verhältnis Preußens zu Litauen auswirkt.
Ab Mitte des 17. Jahrhunderts wurde Litauen immer wieder von Konflikten erschüttert und geschwächt. Am 8. August 1655 wurde Vilnius von russischen Truppen eingenommen und sechs Jahre lang besetzt gehalten. Gleichzeitig, im Sommer 1655, wurden Polen und Litauen von Schweden überfallen. Schweden wurde schließlich 1660 besiegt; mit Moskau wurde 1686 Frieden geschlossen, jedoch nur unter schweren territorialen Verlusten. Aber die schlimmeren Folgen der Kriege sollten erst noch kommen: Die dadurch hervorgerufene Zerstörung brachte Hunger und Plagen mit sich. In der Zeit 1648 – 67 verlor das Großfürstentum Litauen 46% seiner Bevölkerung. Dazu noch folgte bald, durch die Anarchie und Sippenherrschaft des konservativen Adels bedingt, ein Bürgerkrieg zwischen den regierenden Magnaten und dem übrigen Adel, der das Land noch mehr schwächte und zu einer bürgerkriegsähnlichen Situation führte, die Österreich, Russland und Preußen nutzten, um Polen 1772, 1793 und 1795 zu teilen.

Polen wurde durch Preussen/Russland und Hohenzollern dreimal geteilt
Nur die dritte Teilung Polens von 1795 berührte das litauische Stammland unmittelbar. Während der Hauptteil des litauischen Siedlungsgebietes an Russland fiel, gelangten der größte Teil der Woiwodschaft Trakai und ein kleiner der Woiwodschaft Samogitien an Preußen und wurde dem Departement Neupreußen zugeschlagen.
Auch während die baltischen Gebiete unter dem Einfluss Polens, Schwedens und Russlands lagen, spielten die Baltendeutschen in der Oberschicht der Städte und als adelige Großgrundbesitzer weiterhin eine wichtige Rolle. Die Deutschen blieben zwar immer eine Minderheit, stellten jedoch weitgehend die Oberschicht der Gesellschaft.
Die private Kolonialisierungspolitik der litauischen und polnischen Magnatenfamilien führte auch noch im 18. Jahrhundert Deutsche nach Litauen. 1790 rief Fürst Nestor Kasimir Sapieha deutsche Handwerkerfamilien in das Städtchen Prenen. Weitere deutsche Siedlungen entstanden damals in Janow, Schaulen, Zvyren, Kedahnen und Godlewo.
Dr.Wilhelm Storost Vydunas beschreibt sehr interessant in seinem Buch “Sieben Hundert Jahre deutsch – litauischer Beziehungen” das Verhältnis zwischen Deutschen und Litauern: Jahrhunderte hindurch vermieden die Angehörigen beider Seiten, Verbindungen miteinander einzugehen, nicht nur weil die Landesherren sich das nicht wünschten. Selbst die Litauer waren durchaus nicht geneigt, Verwandtschaftsverhältnisse zu den Deutschen zu schaffen. Sie hatten eben eine ganz eigene stolze Selbsteinschätzung. Es war nicht immer möglich, die Litauer und die Eingewanderten von einander zu trennen. Deswegen kam es doch zu Verbindungen zwischen ihnen. Der Prozess, bis die meisten Deutschen mit den Litauern verwandt waren, vollzog sich zuerst im Süden, und langsamer im Norden. Die litauische Bevölkerung erscheint nach dem Geblüt litauisch zu sein, anders aber sieht es aus, wenn man auf die Anwendung in Namen und Bezeichnungen der deutschen Sprache achtet. (Z.B. wurde der Name Tevelis zu Thewellies u.s.w.)
Im Folgenden werde ich kurz die Geschichte Litauens im 19. Jahrhundert beschreiben.
1807 gründete Napoleon das Großfürstentum Warschau, auf dessen Gebiet die Leibeigenschaft aufgehoben und alle Bürger gleichgestellt wurden. 1812 kam Napoleon auch nach Vilnius und berief dort eine provisorische Regierung. Doch schon der gescheiterte Marsch auf Moskau beendete die halbjährige Existenz des Großfürstentums Litauen. Es folgten Massenverhaftungen und Verfolgungen der patriotischen Studentenschaft.

Im Namen Gottes für unsere und eure Freiheit Fahne vom Novemberaufstand
Ein Anstoß zu weiteren Repressionen wurde der gescheiterte Novemberaufstand in Polen, der sich 1831 auf Litauen übertrug und auch dort scheiterte. Auch der zweite polnische Aufstand von 1863/64 wurde brutal niederschlagen. Es folgten Druckverbote für Publikationen in litauischer Sprache bzw. sie mussten in russischer Schrift, der so genannten grashdanka verfasst werden. Tausende von litauischen Büchern wurden deshalb bis 1904 in Ostpreußen gedruckt. Dafür entfaltete die Untergrundopposition eine rege Tätigkeit. Sie führte zur Entstehung der litauischen Nationalbewegung, die sich 1883 aus den losen Organisationen herauskristallisierte. In diesem Jahr erschien im ostpreußischen Tilsit das erste Mal eine litauische Zeitschrift die “Aušra”. Wirtschaftliche und soziale Fragen gewannen an Bedeutung. Königsberg war zu dieser Zeit eine Zentrale für die Ausbildung litauischer Führungskräfte.
Zur Zeit der Jahreswende 1904/05 herrschte in Russland Revolutionsstimmung, begünstigt durch den russisch- japanischen Krieg. 1904 erhoben die Sozialisten in aller Öffentlichkeit die Forderung nach einer unabhängigen litauischen Republik. Im Oktober 1905 wurde diese Forderung durch ein Memorandum litauischer Nationalisten nochmals verstärkt. Anfang Dezember 1905 traten 2000 Delegierte in Wilna zum “Großen Litauischen Landtag” zusammen. Die russische Regierung hielt sich zurück.
Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges hatte das Traumziel eines souveränen litauischen Staates bereits tiefe Wurzeln geschlagen.
2.1.5. Das Erste Weltkrieg und seine Auswirkungen
Wird fortgesetzt..
Bilder: Wikipedia
Adolfas Ramanauskas
F
Adolfas Ramanauskas war ein wichtiger litauischer Partisanenführer mit dem Codenamen "Vanagas". Deshalb wird sein Name auch oft Ramanauskas-Vanagas geschrieben.
Er wurde am 6. März 1918 in den USA geboren. Seine Familie kehrte 1921 in das nun unabhängige Litauen zurück und kaufte etwas Land südlich von Vilnius. Er besuchte 1939-40 die Kriegsschule von Kaunas und schloss als II. Lieutenant der Reservekräfte ab. Seine Klasse von 1940 war der letzte Jahrgang des unabhängigen Litauens vor der sowjetischen Besetzung.
Gibt es in Litauen Werwölfe?
Javier Cercas Europa!
Plädoyer für Europa. Mal eine andere Sicht auf die heutige Krise in Europa. Von Javier Cercas, Journalist und Professor für spanische Literatur an der Universität Girona.
Verwendung mit freundlicher Genehmigung vom Author und der FAZ (Erschienen am 1.Juli 2012 in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung)

Die Walküre
Javier Cercas, Spanien
Die litauische Sprache
Die litauische Sprache war wirklich schön und wert, gesprochen zu werden. Und er kannte nun seine Lebensaufgabe: Sich stolz zu seiner Herkunft zu bekennen und das Litauentum zu Ehren zu bringen.
Vydunas 700 Jahre deutsch-litauischer Beziehungen (mehr von Wilhelm Storost über die litauische Sprache unten auf dieser Seite!)
Dewas dawe dantes, Dewas dos ir dones! Hat Gott Zähne gegeben, so wird er auch Brot geben!
Die litauische Sprache gehört zum baltischen Zweig der indogermanischen Sprachen. Sie wird mit den Sprachen der Letten, Kuren, Semgaller, Selen und der alten Preussen [Prussen] zu einer besonderen Gruppe zusammengefasst. Allerdings sind hier Unterschiede zu bemerken. Die lettische Sprache steht zur litauischen im Verhältnis einer jüngeren Schwestersprache, ist durch die nahe Berührung mit dem Deutschen stärker durchsetzt mit fremden Elementen und hat viele Altertümlichkeiten, die das Litauische treulich wahrte, verloren.
Das im grammatischen Bau noch altertümlichere Altpreussische hingegen schien zunächst, soweit man aus den wenigen erhaltenen Resten schliessen konnte, dem Litauischen erheblich näher zu stehen.
litauisch lettisch preussisch
Gott dievas dievs deivs
Hand rankas ruoka ranko
Kopf galva galva galvo
Eisen gel(e)zis dzelzs gelso
Stahl plienas pliens plainas
Ein Vergleich der prussischen Sprache mit der litauischen ist schwierig, weil kaum Aufzeichnungen in prussischer Sprache existieren.
Immerhin dürfen über solchen Ähnlichkeiten auch die grundlegenden Verschiedenheiten zwischen diesen Sprachen nicht vergessen werden, wie sie uns etwa im Wort: Brot- lit. duona, lett. maize und preuss. geitis- entgegentreten.
Sehr häufig findet man daneben den Fall, dass sich das Altpreussische schon in seinem Wortschatz deutlich vom Litauischen und Lettischen abhebt:
Litauisch Lettisch Altpreussisch
Butter sviestas sviests anktan
Milch pienas piens dadan
Die moderne Sprachwissenschaft nimmt daher an, dass sich die baltische Ursprache etwa zwischen dem 5. und 3. vorchristlichen Jahrhundert in zwei Äste spaltete-einem westlichen (preussischen) und einen östlichen, dem die Sprachen der Litauer, Letten, Kuren, Semgallen und Selen zuzurechnen wären. Aus dem östlichen Zweige gingen später-vermutlich im elften, zwölften Jahrhundert-die Sprachen der einzelnen Völker hervor.
Die litauische Sprache hat die Eigenart an Substantive ein -as, -is, -us, -a oder -e anzuhängen. So wird ein Bill Clinton zum "Bilas Klintonas" und Brad Pitt zum "Bradas Pittas". Schon ziemlich komisch, aber aus grammatikalischen Gründen scheinbar für die Verständlichkeit unverzichtbar.
Keine slawische Sprache: Es werden lateinische Buchstaben benutzt. Diese wurden mit Sonderzeichen an die litauische Aussprache angepasst.
- Ą (ą) : Immer ein langes [A] wie in [nach]. Ein [a] ohne Komma wird mal lang und mal kurz gelesen.
- Ę (ę) Ein langes, offenes [E], also fast schon wie das [ä] in [Ähre]. Ohne Komma wird es mal lang und mal kurz gelesen.
- C (c) Immer wie das deutsche [Z].
- Č (č) : Wie das [tsch] in [Matsch].
- ch Immer kehlig, wie das [ch] in [Bach].
- Ė (ė) Ein langes, geschlossenes [E], in etwa wie das [ee] in [Meer].
- Į (į) Langes [i] wie in [Mine]. Das [i] ohne Komma wird immer kurz gelesen (wie in Kinn).
- Y (y) Auch ein langes [i], also genau wie [ Į ].
- O (o) Wird zumeist lang und offen wie in [Ohr] gesprochen. Ausnahme: Fremdwörter, in denen es kurz gesprochen wird.
- Š (š) Wie das [sch] in [Masche].
- Ų (ų) Immer ein langes [U] wie in [Mut]. Das [u] ohne Komma wird dementsprechend immer kurz gesprochen.
- Ū (ū) Praktisch identisch mit dem [ ų ].
- V (v) Entspricht dem deutschen [w].
- Z (z) Stimmhaft, wie das englische [z].
- Ž (ž) Wie ein [dsch], also wie das [g] in [Gin].
Allerdings benutzen die Litauer für ihre Monate keine lateinischen Namen, sondern verwenden Bezeichnungen, die noch aus heidnischen Zeiten stammen. Der Monat November z.B. heißt Lapkritis, was "Fallen der Blätter" bedeutet.
Nähe zu Sanskrit:

Ähnlichkeiten zwischen Sanskrit und Litauisch
Auch in der kroatischen Sprache gibt es einige Worte, die der litauischen Sprache erstaunlich ähneln.
Ebenso eine Besonderheit der litauischen Sprache ist die Vielfalt an Diminutiven (Verkleinerungsformen). W.Kalwaitis zählt im "Litauischen Namensschatz" (Tilsit 1910) nicht weniger als 66 Verkleinerungsformen für das Wort "mama"-Mutter auf, darunter sogar ein fünffaches Diminitivum mamaitužužužėlė. Durch die Diminuierung heisst es im Litauischen "varliukštis" (varlé=Frosch), wogegen es im Deutschen einige Wörter mehr braucht (um das Gleiche auszudrücken) nämlich "kleiner armseliger Frosch".
Über die litauische Sprache zur Zeit der Staatsgründung durch Mindaugas ist wenig bekannt. Als Schriftsprache diente das sogenannte Kanzleislawische, eine ostslawische Sprache.
Im 16. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts war litauisch die Sprache des Landvolks. In den Städten und im Bildungsbürgertum wurde Polnisch gesprochen (litauisch- polnische Personalunion).
Als Litauen durch die Dritte Polnische Teilung (1795) unter russische Herrschaft geriet, wurde Russisch die dominierende Sprache und litauische Bücher wegen der Aufstände gegen den Zaren zeitweilig verboten.
Heute verstehen viele Litauer neben ihrer Landessprache noch Russisch, die Gebildeten (und jungen Leute) Englisch und manchmal Deutsch.
Ein weit verbreitetes Vorurteil ist, dass die litauische Sprache eine slawische Sprache ist. Slawische Sprachen sind z.B. Russisch, Tschechisch und Polnisch. Litauer ohne Russischkenntnisse können sich aber nicht mit diesen Landsleuten verständigen.
Lettisch und Litauisch
Für mich hört sich Lettisch im Vergleich zur litauischen Sprache an wie das Holländische zum Deutschen. Meine Frau protestiert aber bei diesem Vergleich und sieht das ganz anders.
Die Letten sagen zum Beispiel "Lab dien (Guten Tag) und die Litauer "Laba diena". Kein grosser Unterschied.
Litauische Akzente
Im litauischen selber gibt es wieder verschiedene Mundarten, wobei das Hochlitauische (Aukstaitija) und das Niederlitauische (Zemaitija) die wichtigsten sind. Niederlitauisch verhält sich zum Hochlitauischen etwa wie Plattdeutsch zum Hochdeutsch. Aber selbst im Hochlitauischen gibt es natürlich verschiedene Akzente. So kann man z.B. einen Birzaier anhand seiner Sprache seinem Heimatort zuordnen.
Der überraschende Reichtum an litauischen Mundarten auf einem kleinen Territorium wird auf die Abgeschlossenheit der einzelnen Gebiete zurückgeführt.
"Diese war eine Folge jahrhunderterlanger Zurückgebliebenheit und konservativer Beharrung auf ererbter Scholle". (Dr. V. Jungfer).
Quelle: Wikipedia und Dr. Victor Jungfer "Litauen-Antlitz eines Volkes" Nürnberg 1948
Von der George Mason Universität aus Virginia gibt es eine Sprachdatenbank, in der Menschen auf der ganzen Welt einen englischen Satz sprechen. Der Satz wird durch den natürlichen Akzent der verschiedenen Sprecher, von Afrikaans bis Zulu verändert. Die litauischen Sprachbeispiele findet man bei Litauen Akzent!
Die Datenbank benötigt Apple Quicktime und manchmal fragt der Browser um Erlaubnis
Litauiche Sprache
Aus: Wilhelm Storost "Litauen in Vergangenheit und Gegenwart" Tilsit 1916
Nun müßte wohl endlich begriffen sein, daß das Litauische mit dem Lettischen und dem untergegangenen Altpreußischen einen besonderen Zweig der indoeuropäischen Sprachfamilie bildet. So oft ist das in der jüngst vergangenen Zeit wiederholt. Allerdings wird der eine oder der andere, der etwa eine der älteren Grammatiken zur Hand nimmt, geneigt sein, sie als sehr nah verwandt mit den slavischen Sprachen anzusehen. So führt z. B. die Grammatik von A. Seidel neun Wörter an, um zu zeigen, daß mehrere derselben im Litauischen und Slavischen Vorkommen. Und doch weiß jeder auch nur halbwegs gebildete Litauer, daß vier von diesen Wörtern seiner Sprache Fremdwörter sind, nämlich knyga, ulyczia, bagotas, czystas. Man kann eine mindestens eben so nahe Verwandtschaft mit dem Griechischen, Lateinischen und Germanischen und eine viel nähere mit dem Sanskrit feststellen. Bekannt ist ferner, daß die litauische Sprache von allen lebenden die formenreichste ist. Sie unterscheidet bei der Deklination eine Ein-, Zwei- und Mehrzahl. Und die Zahl der gebräuchlichen Fälle beträgt 7. Dazu kommen noch zwei, die durch besondere Nachsilben gebildet werden, z. B. Dievas, Gott, Dievopi, d. h. zu Gott hin, giria, der Wald, girion d. h. auf den Wald zu.
Die Konjugation ist jedoch sehr einfach. Es gibt nur eine mäßige Zahl verschiedener Endungen. Zur Bildung des Aktivs und Passivs wird nur ein Hilfsverb benutzt. Den Unterschied gibt das Partizipium an, das im
Passiv ein anderes ist als im Aktiv und von jedem Verb in jeder Zeit gebildet werden kann. Die Zahl der Partizipien ist ziemlich groß.
Die Sätze haben den straffen und knapp gehaltenen Bau der antiken Sprachen. Sehr gern wird, um einiges zu erwähnen, der attributive Genitiv zwischen Adjektiv und Substantiv gesetzt; der Ablativus instrument! ist etwas sehr Gebräuchliches im Litauischen; das Hilfsverb wird sehr gern weggelassen; nach allen Verben des Sagens, Wollens u. s. w. wird stets die Möglichkeitsform gebraucht; ganze Märchen werden im Konjunktiv erzählt, für den allerdings die Partizipien eintreten, jedoch durchaus nicht als Notbehelf; die Anwendung von Präpositionen ist eine sehr sparsame und nur im verdorbenen Litauisch häufiger; die Unterordnung von abhängigen Sätzen unter den Hauptsatz ist eine viel engere als im Deutschen, die Nebenordnung wird nicht sowohl durch Bindewörter, als vielmehr durch den Sinn des Satzes bewirkt, u. s. w.
Einen ganz eigenen für die Gegenwart einzig dastehenden Charakter hat die litauische Sprache in rhythmischer Hinsicht. Sie bewegt sich nämlich unter einer Spannung von zwei parallelen Rhythmen, die gleichsam gegeneinander wirken. Der Grundrhythmus ist derjenige des Wechsels von langen und kurzen Läuten oder Silben. Dazu kommt der Wechsel zwischen höherem und tieferem Ton. Und zwar fällt der Hochton oft entgegen der Kraft des langen vollen Lautes auf den kurzen Vokal, z. B. bei einzelnen Wörtern: sūnus, der Sohn, upe, der Fluß. Der Ton wandert aber in den verschiedenen Fällen der meisten flektierten Wörter von einer Silbe zur anderen allerdings immer nur zwischen denselben zwei Silben. Doch hat der Rhythmus des Tones nur sekundäre Bedeutung. Er wird im Volke auch nicht lebhaft empfunden. Und Verstöße dagegen bemerkt man kaum, da der Ton
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im guten Litauisch nie besonders stark werden darf. Die Sprache bewegt sich vielmehr schwebend weiter wie ein Gesang. Deshalb hat sich auch der Formenreichtum bisher erhalten. Ein sehr starker Akzent, besonders wenn er irgendwo festgeworden wäre, hätte wohl die Abschleifung der Endungen zur Folge gehabt. Im Niederlitauischen hat er sich allerdings schon oft auf die erste Wortsilbe gesetzt und bedroht die Existenz der Endungen. Hier ist der Rhythmus des Tones wohl schon ganz zu einem Wechsel zwischen starkem und schwachem Ton geworden, wie auch in manchen anderen Dialekten.
Diese hier gekennzeichnete Eigentümlichkeit der litauischen Sprache wird oft nicht klar, erfaßt. Daher gibt man sich selbst seitens der Litauer ungeheure Mühe um die Betonung und zwar im Sinne einer Tonstärke, während die Länge und Kürze der Laute weniger oder beinahe gar nicht berücksichtigt wird. Man geht der Art der Aspiration sogar sehr genau nach. Und doch ist die verschiedenstarke Betonung durchaus nichts ursprünglich Litauisches.
Die litauische Sprache fällt auch durch ihren Wohllaut auf. Sie ist sehr reich an Selbstlauten. Besonders häufig kommt das a vor; an Doppellauten ist neben anderen uo bemerkenswert. Im Vergleich zur deutschen Sprache kann man in Bezug auf die Häufigkeit der verschiedenen Laute folgende Verhältnisse finden:
a lit. 5, deutsch 2, e lit. 1, deutsch 3, i lit. 2, deutsch 1,
o lit. 3, deutsch 2, u lit. 3, deutsch 2, j lit. 3, deutsch 1,
k lit. 5, deutsch 2, p lit. 2, deutsch 1, r lit. 2, deutsch 3.
n lit. 1, deutsch 2.
Die nicht erwähnten Laute kommen ungefähr gleich oft vor. Diese Beobachtungen machen Setzer in den Druckereien, in denen dieselben Lettern fürs Deutsche und Litauische gebraucht werden. Dem Litauischen
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fehlen f und h, im Deutschen hat inan von litauischen Mitlauten den nicht, der wie frz. j gesprochen wird.
In Bezug auf die Aussprache der Mitlaute ist für das Litauische die Verschiebung der Artikulationsstelle von vorn im Munde nach hinten und umgekehrt charakteristisch. Wohl verfährt der Deutsche bei g und k ebenso; aber er artikuliert beide Laute vorn stets nur vor hellen Vokalen, während der Litauer sie so auch vor dunkeln ausspricht. Dies nachzumachen ist der deutschen Zunge schwierig, und es wird daher der Vokal nach solch einem k meist verändert und in Grammatiken, die sich auf eine litauische Sprache mit deutschem Einfluß stützen auch so gebucht, z. B. sei kia wie kä auszusprechen. Das ist aber ganz unrichtig.
Ähnlich wie mit den erwähnten Lauten verfährt der Litauer auch mit anderen, wie 1, r, s u. s. w. Die Unterschiedewerden von dem deutschen Ohr kaum vernommen. In der Schrift werden sie aber von den Litauern durch ein i vor dunklen Vokalen nach jenen Konsonanten angezeigt: z. B. siūlas, varias.
Bei Zahnlauten hat die Neigung, möglichst vom zu artikulieren, die allmähliche Einschiebung eines halb- vokalischen i, dann eines ganz vorn artikulierten j bewirkt, und schließlich, unter dem Einfluß des Slavischen, zu der eines sch geführt, z. B. matiau ich sah wurde schließlich matschiau. Nach Lippenlauten drängt man gegenwärtig sehr stark auf das j zu, z. B. hat labiau im i einen Halbvokal, der konsequenterweise i zu schreiben ist, aber man versucht wahrscheinlich auch unter dem Einfluß des Slavischen j zu sprechen und zu schreiben. Der lautliche Charakter des Litauischen wird aber dadurch schon verwischt. Doch befindet man sich in litauischen Kreisen hierin durchaus auf dem Wege der Besinnung. Friedrich Kurschat hat mit Feingefühl hier bereits vor Jahrzehnten das Richtige getroffen.
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Im Laufe der letzten Jahrhunderte ist die litauische Sprache sehr wenig anders geworden. Nur ein paar Endungen sind gekürzt, nur ein paar Laute werden regelmäßig weggelassen. Doch ist die Aussprache in den verschiedenen Gauen eine sehr verschiedene. Man zählt im ganzen Litauen etwa 11 Dialekte. Unter ihnen gibt es manche, die einzelne Vokale wie a und o sehr stark trüben, andere, die sie auch nasalieren, andere wieder, die lange Vokale zu Diphthongen umwandeln. Die Sprache der Gebildeten hat aber seit je die reinen und vollen Vokale bevorzugt, wie sie in einer Reihe von Dialekten gesprochen werden. Die Unterscheidung von Hoch- und Niederlitauisch genügt nicht, um die von Litauern allgemein als schön anerkannte Sprache zu charakterisieren. Auch befindet man sich gegenwärtig mitten in einem Prozeß der Belebung des Litauischen, allerdings in erster Linie in Bezug auf seine Ausdrucksfähigkeit.
Dieser Prozeß umfaßt schon eine größere Spanne Zeit, wohl 40 und mehr Jahre. Er ging aus dem Bemühen einzelner gebildeter Litauer hervor, in der angeborenen Sprache das an seelischem Gehalt zum Ausdruck zu bringen, was über das innere Leben der großen Menge hinausgeht. Dabei entstand zuerst eine sehr starke Ablehnung aller Fremdwörter. Wenn sie sich auch nie zu den Späßen der Sprachreinigungs-Gesellschaften der Deutschen verstiegen hat. Man bemühte sich im Gegenteil nachzuweisen, wie viel andere Sprachen, besonders die slavischen aus dem Litauischen entliehen haben. Das scheint auch wirklich noch nicht genügend erforscht zu sein., und würde doch sehr dazu beitragen die Beziehungen dieser Sprachen und die kulturelle Bedeutung aufzuzeigen, die die in Betracht kommenden Völker für einander hatten. Doch wird das wohl eine Aufgabe der litauischen Wissenschaft bleiben.
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Mit der Verbreitung der periodischen litauischen Literatur trat ein neues Element in das Leben der litauischen Sprache. Der Ausdrucksvorrat der verschiedenen Dialekte strömte zusammen. Damit kam eine Fülle von Wörtern in die Sprache der Gebildeten und natürlich auch in die der Schrift. Verschiedene Ausdrücke waren allerdings in ihrem Sinne nicht ganz klar erfaßt. Manche hatten in den verschiedenen Dialekten auch eine verschiedene Bedeutung gewonnen. Für sehr viele Begriffe hatte man eine ganze Anzahl verschiedener Ausdrücke. Nun mußten dieselben in Bezug auf ihre Bedeutung gegeneinander abgegrenzt werden. Dieser Prozeß befindet sich gegenwärtig in vollstem Flusse.
Indessen hat man auch auf andere Weise versucht, dem zuweilen fühlbaren Mangel an Ausdrücken für feinere Innenzustände und auch für Dinge und Verhältnisse der äußeren Kultur abzuhelfen. Es wurden litauische Wörter nach dem Vorbild fremder Sprachen erfunden. Das geschah sehr häufig von Leuten, die gar nicht dazu berufen waren. Und geschieht wohl noch. Aber der Zustrom von Wörtern aus dem Volksmunde verdrängt jetzt ziemlich rasch die konstruierten Wörter. Der Reichtum an urlitauischen Ausdrücken, besonders für das gesamte Geistesleben, hat ja die Litauer selber geradezu überrascht. Die Sammlung und' Verwertung solcher Ausdrücke in der geschriebenen Sprache wird natürlich fortgesetzt. All dies brachte es mit sich, daß auch der Geist der Sprache, die Art litauisch zu denken, immer mehr erfaßt wurde. Slavisches und Germanisches werden im Satzbau bewußt vermieden. Aus der Wortbildung wird ebenfalls fremder Einfluß zurückgewiesen. Die Orthographie paßt man mehr dem Laut der Wurzeln und dem Sprachgeist an, wenn es vielen Litauern auch schwer fällt, über einige ganz grobe unorganische Abhängigkeiten vom Slavischen hinwegzukommen.
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Auf diese Weise entwickelt sich die wegen ihrer Klangfülle schon lange gepriesene litauische Sprache zu einem besonders wohllautenden Ausdrucksmittel des menschlichen Geistes. Auch die zuweilen behauptete Armut der Sprache an Wörtern hat sich als ein von manchen gehegter Traum erwiesen. Trotz der verhältnismäßig geringen Zahl von Menschen, die die litauische Sprache reden, ist sie wahrscheinlich doch diejenige, die von allen lebenden Sprachen die meisten ursprünglichen Wörter besitzt. Auch kann man bei sehr vielen von ihnen viel leichter als in einer anderen Sprache bis zur Grundbedeutung durchdringen.
Das Lied.
Bis vor wenigen Jahrzehnten hat sich die litauische Sprache keiner besonderen Pflege erfreut. Sie gedieh wie ein Naturgewächs. Um so wunderbarer ist die Volkspoesie, die aus dieser Sprache aufgeblüht ist. Es gibt eine unübersehbare Fülle von litauischen Volksliedern. Natürlich enthalten sie nicht alle wirkliche Poesie. Doch gibt es unter ihnen sehr viele von zartestem und tiefstem Empfinden. Wie schlicht sie auch manchmal sind, so gehören sie doch zu dem Schönsten, was ein Volk je an Poesie ersonnen. Der Gegenstand ist wie stets beim Volksliede in der Hauptsache das Verhältnis der Geschlechter zu einander. Dann aber werden auch alle anderen Fragen des ländlichen Lebens berührt. Immer geschieht das auf ungemein zarte Art. Und wenn irgend etwas, so ist das litauische Volkslied ein Lob auf das Gemüt der litauischen Nation.
ln der Form sind diese Lieder sehr einfach. Besonders original erscheint die drei- und fünfzeilige Strophe. Der Reim wird in ernsteren Liedern durchaus verschmäht. Was Robert Hamerling in Bezug auf ihn für die deutsche Sprache sagt, gilt in weit höherem Grade für die litauische. Mit ihrem wunderbaren Rhythmus verlangt sie geradezu den Verzicht auf den Reim. Aller-
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dings ist ein kunstgerechter Rhythmus im litauischen Lied ebensowenig wie im deutschen zu finden. (Eine kleine Studie über die litauischen Volkslieder, die Dainos, hat Dr. Franz Tetzner bei Reclam in Leipzig herausgegeben.)
Seit geraumer Zeit erklingt die Daina nicht mehr in alter Weise und bei weitem nicht mehr so häufig. Die neue Zeit mit ihrer materiellen Kultur ist auch in Litauen wirksam. Und wie sie anderswo schon längst das Volkslied erstickt hat, so nimmt sie auch hier dem Liede den Atem. Doch ist in Litauen ihm noch etwas anderes gefährlich geworden. Das sind die fremden, nämlich polnischen, russischen und deutschen Lieder. Sie zogen an, weil sie als etwas Neues reizten. Sie wurden gelernt und nachgeahmt. Dadurch aber wird die selbstschaffende Kraft, die dem Wesen des Sängers entspringt, abgeschnürt. Bei der Nachahmung kann sich die schöpferische Kraft nur unter bestimmten Umständen entfalten.
Indessen hat man angefangen litauische Volkslieder zu sammeln. Zuerst taten das Deutsche, später aber auch die Litauer selber, dann gar Polen und Suomen. Und eine ganz erstaunliche Menge von Texten und auch von Melodien ist so aufgeschrieben worden. Die größte Sammlung ist die von Anton Juschkewitsch. Die Melodien dazu sind von Sigmund Noskowski und Joh. Baudouin de Courtenay in Krakau 1900 herausgegeben. Eine andere größere Sammlung ist die von Chr. Bartsch, Heidelberg, Carl Winters Universitäts-Buchhandlung 1888. Bedauerlicherweise ist hier vom litauischen Texte stets nur die erste Strophe gedruckt. Eine sehr wertvolle Sammlung ist schließlich von dem suomischen Gelehrten Dr. A. R. Niemi und dem Litauer Pfarrer A. Sabalauskas veranstaltet und von der Suomalainen Tiedeakatemia (Finnischen wissenschaftlichen Ge-
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Seilschaft) 1912 herausgegeben. Dort findet man sehr interessante Bemerkungen über das litauische Lied. Die Vorrede ist auch in deutscher Sprache verfaßt.
Gleichzeitig mit diesen Bemühungen ging ein anderer Wandel im Leben des litauischen Liedes vor sich. Seit jeher sind die Dainos nicht nur von einzelnen, sondern auch von mehreren und zwar mehrstimmig gesungen worden. Während nun die Solisten sich immer seltener hören ließen, wurden die Terzette, Quartette und Chöre häufiger, In jedem Dorfe, jeder Stadt, auf jedem Gut gab es bald solche. Nun gewöhnte sich die Menge immer mehr ans Zuhören, die Chöre dagegen sangen um so fleißiger. Und in manchen Gegenden erlangten sie sogar einen bedeutenden Ruf.
Schließlich traten auch litauische Musiker auf, die in Leipzig, Paris, Mailand, Petersburg usw. musikalische Studien gemacht hatten. Sie schufen kunstgemäße Sätze für alte, halbvergessene und meist vernachlässigte Volksweisen. Sie komponierten neue Melodien, ja Operetten unter ausgiebigster Verwertung von Volksmotiven. Und sie leiteten jene Dorfchöre und schulten deren Sänger und Sängerinnen zu konzertmäßigem Vortrag. Russisch-Litauen hat eine Menge von solchen Chören. In preußisch Litauen war der litauische Gesang-Verein tätig, der in verschiedenen Städten und größeren Ortschaften jährlich bis zu zehn Konzerten veranstaltete, in denen ausschließlich Volkslieder und neuere Kompositionen mit Motiven aus den Dainos von einem gemischten Chore vorgetragen wurden. Der litauische Gesang-Verein erfüllte, was die Bemühungen von Eduard Gisevius in Tilsit, diesem Freunde litauischer Art und litauischen Liedes, schon mehr als 20 Jahre vorher erstrebt hatten.
Von bekannteren litauischen Komponisten seien genannt: M. Tschurlonis, T. Sasnauskas, Mikas Petraus-
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kas, St. Schimkus, Naujalis. Von Tschurlonis gibts eine Sammlung von Volksliedern für Schulen in zwei und mehrstimmigem Satz, erschienen in Warschau 1909, ferner verschiedene symphonische Werke, die noch der Herausgabe harren. Sasnauskas hat eine Reihe von Werken, polyphone Bearbeitungen von Volksliedern für gemischten Chor und auch eigene Kompositionen veröf-fentlicht. Petrauskas, der selber Sänger ist und noch vor dem Kriege nach Amerika übersiedelte und dort ein litauisches Konservatorium der Musik leitet, hat eine ganze Reihe von Werken geschaffen. Hierher gehört auch die schon erwähnte Hochzeit, ferner sei genannt das Singspiel Birutė, die Operetten: Schienäpiutis (Heuernte), Dümschlostis ir Malūnininkas (Schornsteinfeger und Müller). Von St. Schimkus gibt es eine Reihe von sehr anmutigen Liedern für eine Singstimme und eine äußerst glückliche Auswahl von Dainos für gemischten Chor. Naujalis hat verschiedene Kompositionen weltlichen und geistlichen Inhalts geschaffen.
Im preußischen Litauen ist eine Sammlung mehrstimmiger Dainos, bearbeitet von Albert Storost, von P. W. Wolff und Karl Janz bekannt unter dem Titel: Litauische Volksweisen, Tilsit 1904. Von P. W. Wolff und Richard Fricke sind einige litauische Dainos auch noch ausschließlich für deutsche Chöre bearbeitet worden. Eine Sammlung von 33 Liedern mit Volksmelodien oder Volksmotiven für 3 und 4 Stimmen sind auch von mir selber 1909 in Tilsit unter dem Titel Lietuvos Varpeliai herausgegeben.
Der Krieg hat all diesem Leben ein Ende gemacht. Aber aus den gegebenen Andeutungen ist mehreres zu entnehmen. Das litauische Lied ist aus engen Kreisen, in denen es zu ersterben schien, in die Öffentlichkeit getreten. Statt in stiller Beschaulichkeit wird es mitten im tatfreudigen Leben gepflegt. Schließlich ist es Ge
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genstand künstlerischen Schaffens geworden. Der litauische Kunstgesang war also eben dabei, sich ohne irgend einen merklichen Bruch aus dem Volksgesang zu entwickeln.
Auch das geistliche Lied besonders im preußischen Litauen ist, wie schon einmal bemerkt, in seiner Melodie echt volkstümlich und trägt durchaus einen eigenen Charakter. Man findet hier oft auch die sogenannten griechischen Tonarten wieder. Die Melodien sind wahrscheinlich ehemals solche von Dainos gewesen, denen man religiöse Texte untergelegt hat. Eines fällt jedoch sehr stark auf, nämlich daß sowohl diese jetzt kirchlichen Melodien wie auch diejenigen der Dainos im preußischen Litauen ein viel altertümlicheres Gepräge haben als die Weisen im russ. Litauen, trotzdem in beiden vielfach dieselben Motive zu finden sind. Eine ausgezeichnete kleine Studie über den Charakter der litauischen Volksmelodien hat Tschurlonis im zweiten Teil der Schrift seiner Gattin: Lietuvoje, Vilnius 1910 gegeben.
Älteres Schrifttum.
Man kann in Büchern über Litauen, auch in denen der letzteren Jahre fast beständig die Wendung finden, daß die litauische Nation nur einen Nationaldichter besitze, der Christian Donalitius (lit. Duonelaitis) heißt und von 1714—1780 unweit Gumbinnen gelebt hat. Das ist aber nicht ganz richtig. Donalitius hat didaktische Epen über die vier Jahreszeiten und ein paar Fabeln um die Mitte des 18. Jahrhunderts geschrieben, die aber erst 1818 mit einer deutschen Übersetzung von Rhesa herausgegeben sind. Von letzterem rührt auch die zusammenfassende Überschrift: Die Jahreszeiten, her.
Die Epen sind in Hexametern verfaßt, die leichter fließen als Goethes und Schillers Verse in griechischem Maß. Das liegt allerdings an der litauischen Sprache. Doch hat auch unser Dichter seinen Anteil daran. Er war ein
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Meister seiner Sprache und besaß die Gabe der poetischen Schilderung in ganz besonderem Grade. Die Bilder aus dem Natur- und Menschenleben während eines Jahrlaufes sind sehr lebendig und von packender Wirklichkeitskraft. Und seit Rhesa sind die Epen des Donalitius das Sprachstück, an dem man die litauische Sprache zu studieren pflegte. So gewannen sie aber auch an Bedeutung. So wurden ihre Schönheiten aufs genaueste betrachtet. Und schließlich waren dann die „Jahreszeiten“ die einzige litauische Dichtung, die erwähnt zu werden verdiente.
Dennoch gibt sie trotz der vornehmen Hexameter, trotz des Reichtums an poetischen Bildern dem gebildeten Litauer der Gegenwart nicht mehr viel. Ihre Sprache ist von slavischen Ausdrücken, für die man sehr gute altgebräuchliche litauische Wörter hat, geradezu überladen. Zu dem ist der behandelte Gegenstand völlig bar jeder höheren Idee, wenn auch nicht zu verkennen ist, daß die Darstellung von einer tiefen Empfindung getragen und die in Betracht kommenden Umstände von einem überlegenen, wenn auch beengten Geiste beleuchtet sind. Das Dichtwerk konnte auch seinerzeit keine größere Wirkung auf die Litauer ausüben, weil es ihnen nur wenig bekannt geworden ist. Seine Sprache und auch sein Inhalt haben darum fast nur kulturhistorische Bedeutung.
Über die litauische Sprache besagt aber diese Dichtung doch noch etwas Besonderes. Vor ihr gab es nichts Ähnliches im Litauischen. Sie ist gleichsam aus dem Nichts emporgestiegen mit einem wunderbaren Schimmer. Das ist für die litauische Sprache voll von Verheißungen. Aschenbrödel ist in Wirklichkeit doch Prinzessin.
Die Werke von Donalitius stehen aber durchaus nicht allein. Wohl sind andere noch kleiner an Umfang, an poetischem Gehalt aber bleibt z. B. die Dichtung Anykschtiü Schilelis (Der Hain von Anykschten) von Antanas Baranauskas hinter den „Jahreszeiten“ durchaus nicht zurück.
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Sie sind allerdings fast 100 Jahre später entstanden, jedoch kaum 40 Jahre später durch den Druck veröffentlicht und weit mehr hei den Litauern bekannt geworden, als die Jahreszeiten. Von Baranauskas gibt es außerdem noch eine Reihe größerer Gedichte, wie z. B. die „Erinnerung an die Vergangenheit“.
Baranauskas hatte wie auch andere litauische Dichter, auch solche der Gegenwart, eine sonderbare Eigentümlichkeit. Er bewahrte seine Dichtungen meist lange Zeit bei sich auf. Halb gezwungen nur las er sie vertrauten Freunden vor.
Erwähnt seien hier neben den Dichtungen von Baranauskas diejenigen von Dionysius Poschka (f 1831): Brief an Tadäus Czaskis, Mein Gärtlein, Der Bauer in Szemai- ten und Litauen; ferner die Dichter und Schriftsteller Antanas Drasdauskas, Simanas Stanevitschus, Simanas Daukantas, der dicke Bände über die Geschichte Litauens geschrieben hat, Laurynas Ivinskis, Motiejus K. Valanschus, der neben anderem als Bischof eine ganze Menge litauischer Schriften meist kirchlichen Inhalts und eine Geschichte des Bistums Samogitien verfaßt hat.
Im preußischen Litauen ist als litauischer Schriftsteller um die Mitte des 19. Jahrh. vor allem Friedrich Kurschat mit seiner Zeitschrift Keleiwis bekannt, der später der Anlaß wurde zur Gründung einer ganzen Reihe von Zeitungen, in denen meist einfache Landleute als Dichter und Schriftsteller zu Worte kamen.
Als älteste Schriften in litauischer Sprache werden die Übersetzung von Luthers Katechismus durch Martin Mosvidius (Maszvydas) Königsberg 1547 und die Postilla Katolicka des Mikalojus Daukscha, Vilnius 1599, genannt. Es gibt auch noch mehr Schriften aus jener Zeit. Sie alle dienten kirchlichen Zwecken. Im preuß. Litauen wurden Kirchenlieder in litauischer Sprache schon 1589 und 1591 eine Postille von Janis Bretkūnas herausgegeben. Von
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ihm ist auch zuerst die Bibel ins Litauische übersetzt, doch nicht gedruckt. Erst 1735 erschien die Bibel in litauischer Sprache.
Die bisher bekannte älteste litauische Aufzeichnung litauischer Worte zeigt bemerkenswerter Weise ein litauisches Gürtelband, eine Juosta, aus dem Jahre 1512. Sie gehört einem Herrn Poege in Dresden, in dieses Band ist eine sehr bekannte Daina eingewebt, die ins Deutsche unrhythmisch übertragen lautet: Ich wuchs bei der Mutter und kannte keine Mühen. Wandelte im Garten und wand mir den Rautenkranz. Ich ging aus dem Garten und öffnete die Pforte. Da fiel mir der Kranz vom Haupte. Diese Notiz in Dr. Gaigalat, Lietuvos Nusidavimai, Tilsit.)
Liest man darüber, wie sehr man sich im preußischen Litauen in Theologenkreisen bemüht hat, den Litauern Kirchenlieder, Predigten und die Bibel in ihrer Sprache zu geben, so kann man sich kaum des Gefühls erwehren, daß alle diese Leute unter der Sugestion gestanden haben, die litauische Sprache sei zum Tode verurteilt. Kaum ist auch nur bei den Litauern unter jenen Autoren das hoffnungsvolle, lebendige Quellen litauischer Sprachkraft zu spüren.
Anders geht der Weg, der vom Volksliede weiter führt. Seit jener ersten Aufzeichnung auf der litauischen Juosta gibt es wiederholt kleine Sammlungen litauischer Volkslieder. Eine besonders glückliche, wenn auch kleine Sammlung ist die von L. Rhesa, Königsberg 1825. Wie Rhesa gesammelt haben mag, ist aus seinen deutschen Gedichten in Prutena, Königsberg 1809 und 1824, zu ersehen, in denen er das Schicksal des altpreußischen (litauischen) Volkes in rührender Weise besingt. Volksliedersammlungen der verschiedensten Art, wie die erwähnten und noch andere, z. B. Rūtų Lapeliai von Vilius Kalvaitis, sind dann lange Zeit die eigentliche litauische
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Literatur gewesen. Auch muß durchaus beachtet werden, daß die Volkslieder, die gedruckt waren, noch im Gedächtnis des Volkes fortlebten, daß also die Aufzeichnungen nur Beweise waren, daß das Volk Sprachschätze besaß, die es sich selber immer wieder schuf.
Neueres Schrifttum.
Eine sehr verhängnisvolle Zeit fing für das litauische Wort im russischen Litauen mit den 60 er, im preuß. mit den 70 er Jahren des 19. Jahrhunderts an. Die letzte polnische Revolution, an der sich auch Litauer beteiligten, war von der russischen Macht mit Leichtigkeit überwunden. Aber während die Polen ihr Schrifttum weiterpflegen durften, wurde den Litauern untersagt, mit gewohnten, lateinischen Lettern ihre Schriften zu drucken. Dem gegenüber fingen die Litauer erst recht an, selbständig zu sinnen und zu schreiben. Und sie achteten weder Kerker noch Sibirien. Ja von dort her kamen Lieder in Briefen und gingen von Mund zu Mund. Sie wurden gesungen und reizten zu weiteren Schöpfungen, die nun aber nicht mehr wie die alten Volkslieder bloß auf einen engen Kreis von Erlebnissen beschränkt blieben, sondern das Schicksal der Heimat und der Muttersprache zum Gegenstand hatten.
Der russische Zwang hörte nicht auf. Zu ihm gesellte sich polnische Verachtung und polnischer Spott. Trotz allem aber sangen, dichteten und dachten die Litauer nur um so lebhafter in ihrer Sprache. Doch mußte heimlich gedruckt, und heimlich mußten die Schriftwerke verbreitet werden. Wie man früher den Liedern lauschte und sie lernte, so nahm man jetzt das gedruckte Blatt und las und prägte sich das Gelesene ein. Dieses war aber durchaus volkstümlicher Art. Nur war der Gegenstand größer, umfassender geworden.
Immer sind es auch Litauer von Bildung, die sich an einem solchen Schrifttum beteiligten. Und sehr viele Na-
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men gewinnen heute noch immer mehr Klang bei den Litauern. Es seien nur genannt Petras Arminas, Visztalus, Jonas Schlüpas. Im preußischen Litauen war der Name des deutschen Litauerfreundes Dr. Georg Sauerwein, des Lehrers und Freundes von Carmen Sylva, bestens bekannt. Ihm verdanken die Litauer manches sinnige Lied. Schließlich kam man dazu 1883 in Ragnit ein Literaturblatt erscheinen zu lassen, die Auschra (Morgenröte). In Form von Heften wanderte sie in die Häuser der russischen und auch der preußischen Litauer.
Später erschienen auch Bücher verschiedenen, sogar wissenschaftlichen Inhaltes, die zum Teil im preuß. Litauen, zum Teil in Amerika gedruckt und in ganz Litauen verbreitet wurden. Bald sind die Namen verschiedener Schriftsteller bekannt. Unter ihnen steht an erster Stelle Vincas Kudirka. Und es berührt eigentümlich, wenn man 1899 in Zweck, Litauen S. 194 lesen konnte: „Heute sind die in litauischer Sprache erscheinenden Zeitungen die einzigen literarischen Kundgebungen von dem geistigen Leben der Nation“, während die gebildeten Litauer auch in Preußen neben verschiedenen Originaldichtungen Schillers Teil, Jungfrau von Orleans, Byrons Kain u. s. w. bereits in ihrer Sprache lasen und Alexander Guszutis eine Reihe von Dramen herausgegeben hatte. Und das etwa 10 Jahre, bevor jenes Wort geschrieben war.
Guszutis nimmt bewußt Bezug auf Sagen und geschichtliche Überlieferungen. Das religiöse Moment ist von Bedeutung in seinen Dichtungen. Seine Personen treten häufig mit Gesang auf und schreiten in Reigen. Man sieht den Dichter gleichsam aus seinem Volkstum hervortreten.
Aus jener Zeit gibt es auch ein Lustspiel mit stark satirischem Gehalt. Es ist dies Amerika Pirtyje (Ame-
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rika im Badehaus) von Keturakis, Tilsit 1895. Auch hier merkt man sehr deutlich den Puls des Volkstümlichen.
In jener Zeit beginnen auch meine eigenen schriftstellerischen und dichterischen Versuche in litauischer Sprache Allerdings haben sie nicht die Bedeutung, die meinen späteren Arbeiten zuerkannt worden ist.
Neben Kudirka treten noch andere Namen auf. So werden vor allem einige Frauen bekannt. Szemaitė, Bitė, Schatrijos Ragana u. a. In ihnen haben wir aber auch wie in Kudirka bereits bewußt schaffende Schriftsteller. Szemaitė zeigt in ihren Erzählungen bei ihren realistischen Naturschilderungen und Darstellungen von Scenen aus dem Dorfleben sehr starke Verwandtschaft mit Duonelaitis. Und die anderen legen mit allem, was sie schreiben, durchaus Zeugnis ab von einem feinen hochkultivierten Innenleben. Das ist bedeutsam. Meist sind es die Frauen und Mädchen in Litauen, welche die Dainos singen und zum Teil wohl auch ersinnen. Wieder sind es Frauen, die im Schriftum mit im Vordergründe stehen.
Als Lyriker werden um jene Zeit vor allein Maironis und dann der früh verstorbene Vaitschaitis bekannt. In beiden haben wir Dichter, die schon weit ab vom Volkstümlichen stehen. Aber sie sind Dichter von Gottes Gnaden.
Neben ihnen gibt es noch mehrere, die das litauische Wort ebenfalls mit tiefer Empfindung zu sprechen wußten, doch müssen sie hier unerwähnt bleiben.
Etwas Neues für das litauische Schrifttum brachte das Jahr 1904. Die russische Regierung erklärte, daß das Verbot litauischer Schriften mit lateinischen Lettern zu Unrecht erlassen sei. Und nun begann in Litauen zu schreiben, wer nur die Feder zu führen gelernt hatte.
Ganz unheimlich schnell wuchs die Zahl der litauischen Schriften. Besonders wurde viel übersetzt, leider fast nur wertloses Zeug aus der deutschen, polnischen,
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russischen Literatur, dann aber auch aus der französischen und englischen. Hierbei waren besonders die Litauer in Amerika geschäftig.
Ein ganz sonderbares Spiel. Leute, die vielleicht sonst eine Dainä mit mehr oder weniger Empfindung einem kleinen Zuhörerkreis gesungen hätten, glaubten nun auch durch ein Geschreibsel anderen etwas bieten zu können. Und so viele Sänger und Dainos Litauen gehabt hatte, so viele Schriftsteller konnte es jetzt aufweisen. Nur konnten diese ihren Volksgenossen nichts weiter zeigen als ihre Eitelkeit, Beschränktheit und Unwissenheit. Aber es waren auch nicht jene alten Sänger der Dainos, die jetzt schrieben. Es waren wenigstens in der Mehrzahl Leute, die ihrem Volkstum bereits entsagt und sich anderswo zu betätigen versucht hatten, nun aber bemerkten, daß sie daheim eine Rolle spielen könnten ohne wirkliches ernsthaftes Streben, ohne lebendige Ideale im Busen. So sind denn völlig wertlose Sachen auf den Büchermarkt gebracht, die keinen Heller wert sind. Und Litauen hat sie nach Tausenden gekauft und gelesen, als ob es danach heißhungrig gewesen wäre.
Sehr bezeichnend ist es nun, daß wiederum eine Frau dagegen Stellung nahm. Im Jahre 1910 erschien die bereits genannte Schrift: Lietuvoje (In Litauen) von Sofia Tschurlonis geb. Kymantas, in» welcher die Verfasserin mit hinreißendem Schwung gegen diese wertlose Literatur und gegen alle die Flachheit in der neuen „nationalen“ Bewegung eifert. Und auch tiefer greift. Ihre Kritik geht bis zur Forderung sittlicher Persönlichkeiten. Auch will sie, daß der Zusammenhang mit dem Volkstümlichen überall, im Schrifttum wie in der Kunst gewahrt bleibe.
Die Schrift ist vielfach als eine zu herbe Kritik aufgefaßt und getadelt worden. Aber sie scheint doch Eindruck gemacht zu haben. Nur Amerika blieb mit seinem Geschäftemachen unempfindlich. Die Verfasserin hatte
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aus der Seele herausgeschrieben. Und sie ist selber eine Dichterin. Ihre Schöpfungen sind nicht umfangreich. Aber wer ihre Jura (Das Meer) gelesen hat, die allerdings erst während des Krieges im Pirmasai Bäras veröffentlicht ist, der muß dieser Dichtung eine ganz besondere Stelle und Bedeutung zuschreiben. Die Jūra trägt allen Zauber der Dainos. Sie ist nur in der Form von ihnen verschieden. Und doch ist die Verfasserin eine Frau mit Hochschulbildung. ln ihr sehen wir also das bewußte Festhalten an dem Volkstümlichen, an dem Urlitauischen. Und diese Bewußtheit hat durchaus nicht zu Künsteleien geführt, sondern zu einem wirklichen Dichtwerk.
Doch es sei nochmals gesagt: es ist die prinzipielle Bedeutung, die dieser Schriftstellerin diese auffallende Stellung verschafft. Neben ihr steht eine ganze Reihe von Erzählern und Sängern. Manche von ihnen haben ebenfalls in sehr glücklicher Weise die Überlieferung der Volkspoesie ins künstlerische Schaffen übernommen. Und ihre Zahl ist durchaus nicht klein. Erwähnt seien von Erzählern Vincas Krėvė, von Lyrikern Liudas Gira. Doch gibt es noch sehr viele, die ebenfalls erwähnt zu werden verdienten. Und nur um die für Weiterungen uninteressierten Leser nicht zu ermüden, muß darauf verzichtet werden.
Abseits von dieser geraden Linie, die sich aus dem Fundament des Volkstümlichen erhebt, stehen die schon erwähnten Schriftsteller, die in der Mehrzahl noch leben und schaffen. Doch ist ihre Wirkung durchaus der eben erwähnten Richtung gleich. Und sie haben ihren Kreis auch noch um manche fruchtbare Kraft vermehrt.
Erwähnt sei Lazdynu Pelėda, die in ihren sehr anschaulichen Erzählungen zuweilen ein dramatisches Talent offenbart. Sie ist insofern noch besonders bemerkenswert, als sie durchaus an litauische volkstümliche Vorstellungen und Stoffe anknüpft. Auf psychologische Vertiefung ist
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allerdings bis jetzt noch nicht viel Gewicht gelegt. Nur der Roman Bludas von J. Dobilas macht eine sehr beachtenswerte Ausnahme, wenn auch die Komposition des Werkes nicht ganz befriedigt. Gewisse bekannte litauische Charaktertypen sind jedoch mit viel Liebe herausgearbeitet.
In der dramatischen Literatur sind es nur wenige, die an eine Zeichnung litauischer Charaktere gehen. Genannt sei hier Blinda von Szemkalnis. In Blinda haben wir einen in vielen Erzählungen und Überlieferungen bekannten litauischen Charaktertyp. Nur mangelt es dem Werk an dramatischer Kraft.
In meinen eigenen Dichtungen habe ich litauische Stoffe aus der Volkssage und Geschichte verarbeitet und Volkstypen wiederzugeben versucht, besonders in den kleinen Lustspielen.
Zeitschriften.
Im preußischen Litauen hat es seit 1832 eine litauische Zeitung gegeben. Damals fingen die „Nusidäwimai“, ein Missionsblatt, an zu erscheinen. Das Blatt existiert noch. Seit 1849 wurde der „Keleiwis“ (Wanderer) in Königsberg von Friedrich Kurschat herausgegeben. Er brachte auch politische Nachrichten. Um 1880 erschienen verschiedene Zeitschriften, die jetzt zum Teil drei Mal wöchentlich, andere, die wöchentlich, vierzehntägig und monatlich einmal herausgegeben werden. Sie sind in der Hauptsache politische Zeitungen, zum Teil verfolgen sie kirchliche und nur eine Monatsschrift hatte allgemeine, besonders ethische Bildungszwecke. Es war dies der von mir herausgegebene „jaunimas “ (Jugend). Die meisten dieser Zeitschriften sind mit gotischen Lettern gedruckt.
Die erste litauische Zeitung in Amerika begann 1885 zu erscheinen. Es ist dieses die „Vienybė Lietuvninku“.
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Sie erscheint noch. Anfangs hieß sie anders. Gegenwärtig gibt es 35 litauische Zeitungen in Amerika.
Im russischen Litauen hat man ebenfalls seit den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts litauische Zeitschriften. Sie wurden fast ausnahmslos in Tilsit gedruckt und mit Einsetzung des Lebens über die Grenze gebracht und übers Land verteilt. Sehr viele von den dabei beteiligten Personen haben dafür lange Kerkerstrafen, manche auch den Tod erlitten.
Seit 1904 aber nahm die Zahl dieser Zeitschriften sehr rasch zu. Nun wurden sie im russisch. Litauen selber gedruckt. In Vilnus erschien sogleich gar eine Tageszeitung, die Vilniaus Szinios (Vilnuser Nachrichten). Sie konnte sich aber auf die Dauer nicht halten. Doch wurde die Zahl der wöchentlich, halbmonatlich und monatlich erscheinenden Zeitschriften immer größer. Und vor dem Kriege gab es bis zum September 1915 sogar zwei Tageszeitungen, die in Vilnus erschienen, die Viltis und die Lietuvos Szinios. Die Zahl der Abonnenten war verschieden. Doch war sie bei manchen Zeitungen recht bedeutend. Der in Seinen erscheinende Schaltinis machte einmal bekannt, daß er über 50 000 Leser habe.
Die Gesamtzahl der vor dem Kriege erschienenen Zeitungen betrug 25 (falls nicht eine oder die andere übersehen ist). Unter ihnen befand sich auch eine illustrierte Halbmonatsschrift der „Vairas“ (das Ruder).
Grigory Kanovich

© Grigory Kanovich
Bei jüdischen Litauern ist die richtige Schreibweise des Namens häufig sehr schwer. Nimmt man die litauische Schreibweise des Namens, die jüdische, russische oder gar, wie es hier nahe liegen würde: die Deutsche? Kanovich selber benutzt auf seiner Webseite alle Schreibweisen. Er hat im unabhängigen Litauen gelebt, in Russland, im besetzten Litauen und seit 1993 lebt er in Israel. Ein Weltbürger.
Wo liegt der Mittelpunkt Europas?
Victor Nikitin singt in Berlin 1948
Wunderschönes Volkslied gesungen vom russischen Sänger Victor Ivanovich Nikitin bei einer Friedensfeier im August 1948 in Berlin.

Weiterlesen: Nikitin: Im schönsten Wiesengrunde (1948) Berlin
Die beste Reisezeit für Litauen
Reisezeit: Die großen Städte Kaunas, Vilnius, Riga und Tallinn kann man das ganze Jahr über besuchen. Da spielt das Wetter keine so große Rolle. Für Fahrradtouren, Reisen mit dem Motorrad oder Wanderungen (oder ein Besuch im Belmontas) empfiehlt sich natürlich der Sommer, der durchaus schöner als bei uns sein kann.
Achtung: es kann auch Mitte Mai zu Kälteeinbrüchen und Schneefällen kommen. Es kann aber auch wunderbar schön sein. Am 10. Mai 2017 hat mich ein Schneeschauer erwischt. Die Strasse war plötzlich voll Schnee und das Motorrad fahren musste eingestellt werden. Die Fahrrad Fahrer, die eine Tour auf der Kurischen Nehrung machten, werden ihre Reise bei 3 Grad wohl auch nicht vergessen.
Allerdings kann es eben auch wochenlang regnen, wie bei der Motorradreise von Jörg Rittmeister.
Auch in der kalten Jahreszeit ist das Baltikum eine Reise wert. Bei Schnee und sehr tiefen Temperaturen hat Litauen einen besonderen Reiz. Einmal hatte es bei einem Besuch minus 27 °C. Unser Flugzeug in Riga bekam seine Tür nicht mehr zu. Da die Luft trockener ist, macht einem die Kälte aber bei entsprechender Kleidung nichts aus. Man kann ohne Probleme nach einem Saunagang durch den Schnee laufen.
Wenn im Winter das Kurische Haff zugefroren ist, kann man von Ventes Ragas (Windenburger Ecke) bis zur Kurischen Nehrung laufen.
Mein erster Besuch auf den Sanddünen der Kurischen Nehrung war im Winter 1992. Der kalte Wind fegte über die Dünen und mir war klar, hier musst du wieder hin. Da war Litauen noch wilder als heute.
Vermeiden sie die Tauperioden! Außerdem sind die Straßenverhältnisse zu bedenken. Bei den Massen an Schnee kann nicht so gut geräumt werden wie bei uns.
Kann man verschiedene Grenzübergänge nach Kaliningrad nutzen?
Weiterlesen: Kann man verschiedene Grenzübergänge nach Kaliningrad nutzen?
Humor
Der Steuerberater

Goldgrube für wen, den Berater oder seinen Kunden?
Wirtschaftskrise Deutschland
Die Wirtschaftskrise macht erfinderisch!
(Links Schuldnerberatung rechts ein Beerdigungsinstitut, Marl) Das Fingernagelstudio und der Handyladen sind nicht auf dem Foto..
Litauische Kultur
Litauen ist kulturell durch polnische, russische und deutsche Einflüsse geprägt. Außerdem hat Litauen als letztes europäisches Land die christliche Religion angenommen. Es soll auch heute noch eine grosse Fangemeinde des Paganismus geben.
Die deutschen Einflüsse sind beschränkt auf das Gebiet von Kleinlitauen, dem ehemaligen Memelland. Kommt man aus dem litauischen Kernland an die Küste, so fällt dem Betrachter sofort der andersartige Baustil auf. Es gibt in Kleinlitauen noch viele Gebäude aus der deutschen Zeit, die aus Backsteinen gebaut sind.
Vilnius dagegen ist polnisch und jüdische geprägt. Es gab in Vilnius nie einen großen Einfluss der Deutschen Hanse, anders als in Riga und Tallinn. In den großen Städten, wie etwas Kaunas, gibt es orthodoxe Kirchen, die aus der Zeit der Besetzung durch das Zaristische Russland stammen.
Typisch litauische Kulturmerkmale findet man in den litauischen Gesängen, den Dainos (Volkslieder), die nicht nur mythologische Inhalte haben, sondern oft auch an historische Begebenheiten erinnern. So gibt es neben romantischen Liedern auch Hochzeits- Arbeits- und Kriegslieder. Das berühmte Liederfest, das alle fünf Jahre in Litauen stattfindet, erinnert an diese Kultur der litauischen "Dainos".
Die europäische klassische Kultur ist dem "Nationalen Litauischen Oper und Ballett Theater" in Vilnius vorbehalten. Das Haus genießt einen guten Ruf und ein Besuch lohnt sich. Im Sommer finden klassische Open Air Konzerte in der mittelalterlichen Burg von Trakai statt. Ein unvergessliches Erlebnis. In Litauen gibt es 12 Staatstheater sowie viele private Bühnen.
Ganz besonders stolz ist Litauen auf den außergewöhnlichen Künstler und Komponisten Mikalojus Konstantinas Čiurlionis. Čiurlionis ist der bekannteste litauische Musiker (geb. 1875). Er verband die Malerei mit der Musik und schaffte Bilder, die er mit Allegro, Andante, Fuge und Sonate beschrieb, ebenso Musikstücke die wie Gemälde Landschaften darstellen. Interessant ist, dass er zu Beginn der litauischen Nationalstaatsbewegung erst litauisch lernen musste. Seine Muttersprache, nicht ungewöhnlich bei Litauens Intellektuellen, war Polnisch.

M.K. Čiurlionis
Čiurlionis wird heute in Litauen als Nationalheld verehrt.
Er schuf in seinem kurzen Leben (er starb 35 jährig) etwa 300 Bilder und komponierte unter anderem Opern, Vokalstücke und Bearbeitungen für Volkslieder.
Hier einige Beispiele bei Youtube:
Oper Jura (Meer)
Miskas (Wald)
De Profundis (Kantate für Chor u. Orgel)
Eine umfangreiche Website von Osvaldas Grigas über Čiurlionis (Musik und Bilder) gibt es hier
In Kaunas gibt es ein Ciurlionis Museum
Der litauische "sozialistische" Poet Julius Janonis (Statue in Birzai)
Julius Janonis wurde von den sowjetischen Besatzern als sozialistischer Poet aufgebaut. Zur Zeit gibt es in Birzai, der Heimatstadt Janonis, eine Diskussion über ihn. Janonis ist nämlich nur 21 Jahre alt geworden und hat nicht viel geschrieben. Und mit 21 eine sozialistische Ikone?
Es gibt in Litauen viele einheimische Autoren. Bücher werden gerne und viel gelesen. Der litauisch-polnische Autor Czeslaw Milosz hat 1980 den Literatur Nobelpreis gewonnen.
Hier eine Diskussion zwischen Milosz und und Tomas Venclova über das "polnische Problem". Bekannt sind außerdem der Exillitauer Tomas Venclova, Balys Sruoga, Jonas Avyzius und Marius Ivaskevicius, dessen Bücher und Theaterstücke auch außerhalb Litauens bekannt sind.
Als Gründer der weltlichen litauischen Literatur gilt der deutsche Pfarrer aus der Kleinstadt Tollmingkehmen, dem ehemaligen Ostpreußen (heute Kaliningrad) Christian Donalitius. Litauisch Kristijonas Donelaitis. Donalitius (wie er sich selber nannte) sprach und schrieb Gedichte in mehreren Sprachen. Nur wenige Texte sind überliefert, darunter das Gedicht "Metai" (Jahreszeiten). Es beschreibt die litauisch-bäuerliche Kultur. Die "Jahreszeiten" werden in litauischen Schulen gelesen und analysiert.
Die litauische Malerei besteht nicht nur aus Bildern des berühmten Čiurlionis, sondern es gibt viele Künstler, die auch international ausstellen. Besonders viele Galerien gibt es natürlich in Vilnius.
Die volkstümliche Kultur ist in Litauen sehr weit verbreitet. Überall im Land gibt es Künstler, die die Schätze des Landes zu großen und kleinen Kunstwerken verarbeiten.
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Skulpturen auf der Kurischen Nehrung (D. Bartminn)
Das viele Holz in Litauens Wäldern inspiriert Bildhauer zu Skulpturen meist christlicher Orientierung. Überall im Land, aber auch in der litauischen Diaspora, erinnern teils riesige Holzstatuen an die litauische Kultur, mit christlicher aber auch heidnischer Symbolik. Besonders oft wird auch an die litauischen Großfürsten erinnert, oder an eine der vielen litauischen Sagen (z.B. Sage der Neringa).

Holzskulpturen auf der Kurischen Nehrung- hier die Legende von Neringa
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Figuren auf der Kurischen Nehrung (D.Bartminn)

Statue vor dem Balys Sruoga Haus
Eine sehr schöne Webseite über litauische Holzkunst, Volksmeister, sakrale Holzkunst und heute tätige Bildhauer gibt es als Kooperation der grenznahen Landkreise Lettlands und Litauens unter www.wood-craft.eu
Neben der Verarbeitung von Holz, wird viel aus Ton hergestellt (z.B. Bierkrüge) und in Souvenirläden und auf Festen verkauft. Außerdem wird auch heute noch in Litauen Leinen produziert. Am Astravas Herrenhaus in Bizai gibt es eine Leinenfabrik, aus deren Stoff die traditionelle litauische Kleidung gefertigt wird.

Liederfest in Litauen 2009 Im Hintergrund der Fernsehturm von Vilnius (Foto Wikipedia)
Im ganzen Land finden regelmäßig große und kleine Sängerfeste statt. An den größten nehmen bis zu 30.000 Menschen aus aller Welt teil. Mein erstes Sängerfest war 1993 in Palanga. Dort traten Künstler aus vielen Ländern auf und ich registrierte mit Erleichterung, dass die russischen Künstler genauso gefeiert wurden, wie die aus Irland, Indien und Amerika. (Erst im August 1993 sind die letzten verhassten russischen Truppen aus Litauen abgezogen).
Oft wird noch die Tradition hochgehalten, so wie hier von der Birzaier Folkloregruppe Siaudele
Folkloregruppe Siaudele im Schloss von Birzai Sommer 2012
Dank der Ostsee (und den Abbaugebieten in Kaliningrad) gibt es sehr viel Bernstein, der zu Schmuck und Bildern verarbeitet wird. Besonders groß ist das Angebot an Bernstein in Klaipeda auf dem Marktplatz (neben dem Ännchen von Tharau Brunnen), in Kaunas und Vilnius.
Das Bernsteinmuseum in Palanga ist übrigens immer einen Besuch wert).
Litauische Trachten und Bernsteinschmuck
Baumkuchen
Sprichwörtlich in aller Munde ist in Litauen der Baumkuchen. In jedem Supermarkt wird er angeboten.
Im Aukstaitija Nationalpark kann man ihn in der Firma Romnesa unter Anleitung selber herstellen. Unser Tipp!!
In Litauen wird häufig Leinen verarbeitet. Einige Nähereien arbeiten für westliche Firmen.
Bekannt sind die baltischen Länder natürlich auch für ihren Reichtum an Bernstein.
Litauischer Bernstein vor der Verarbeitung Inklusien: Bernstein mit Einschlüssen
Wunderschöner Bernsteinschmuck
Die litauischen Künstler machen aus dem in der Ostsee gefundenen Bernstein Ketten, Anhänger, Ringe, Ohrringe, aber auch Bilder und viele andere Sachen.
Besonders selten und entsprechend teuer sind sogenannte "Inklusien", Bernsteinstücke mit eingeschlossenen Tieren. In den Geschäften ist wirklich guter Bernsteinschmuck ziemlich teuer. Billiger ist es bei den " freien" Händlern (z.B. in Klaipeda am Markt). Nur kann ein Laie Bernstein von Kunststoff nicht unterscheiden.
Es gibt einige Tricks um Bernsteinfälschungen zu erkennen. Da aber nicht jeder Aceton oder Salzwasser zum Shoppen mitnimmt, bleibt nur der gesunde Menschenverstand, eine gute Nase zum riechen und diese Seite zum durchlesen: http://www.ambertop.de/
Viele Litauen Besucherinnen erkennt man später an ihrem Bersteinschmuck. Produziert wird vom Babyarmband als Zahnungshilfe für 2 Euro bis zur Luxuskette mit sehr großen Bernsteinen für mehrere tausend Euro alles was das Herz begehrt.
Gartenhaus von Balys Sruoga
Überall im Land erinnern Wegweiser an lokale litauische Künstler und weisen auf kleine Museen und Geburtshäuser hin.
Einen Überblick über die vielen Museen, privat und staatlich, gibt es auf der Website der Litauischen Museen. Dort unter Litauen und z.B. private Museen schauen.
Künstler in Birzai, der seine Kunstwerke auch gleich im eigenen Garten ausstellt.
Viele Litauer haben eine künstlerische Ader.

Basketballfest in Biržai am 15. Juni 2012- heute ist das T-Shirt in Houston USA Foto: A.Seibutis
In einer Kunst sind die Litauer auch besonders gut: Basketball. Zu Recht (international spielt das kleine Land im Basketball ziemlich weit oben mit) sind sie auch sehr stolz darauf.
"Litauen hat nur drei Millionen Einwohner aber unter dem Korb sind sie eine kleine Großmacht" Bericht der FAZ
Nicht verschweigen wollen wir am Schluss, dass auch in Litauen die traditionelle Kultur immer weniger aktive Anhänger hat. Zwar wird sie von der älteren Bevölkerung (als Beispiel nenne ich die Bewahrung der Wirkstätten von vielen lokalen Künstlern) hochgehalten, aber die Jugend ist in Litauen eben genauso wie in allen anderen europäischen Ländern an anderen Dingen interessiert. Aber auch bei uns ist nicht jeder im Trachtenverein.
Zusätzlich blutet das Land aus, weil viele junge Menschen aus wirtschaftlichen Gründen im Ausland arbeiten (müssen).
Eine sehr interessante Seite über litauische Dichter mit deutscher Übersetzung und im Originalton gibt es bei litauischer Lyrik !
Fotos: Wikipedia, Dieter Scheliga, Daiva Bartminn, A.Kuck
Antanas Sniečkus

Antanas Sniečkus (*25.12.1902-22.1.1974) war ein litauischer Politiker und Chef der Litauischen Kommunistischen Partei (LKP) von 1940 bis zu seinem Tode 1974.
Baumkuchen..wo kann man ihn in Litauen selber machen?
Weiterlesen: Baumkuchen..wo kann man ihn in Litauen selber machen?
Maren Eggert
Für die Fans von Maren Eggert ( sie spielte die Frieda Jung im Kieler Tatort) hier ein Video der Band Erdmöbel.
Ist lange her...etwas Nostalgie
Das polnische Problem - umstrittenes Vilnius
Zugegeben, eine provokante Überschrift.
Vilnius (1919 bis 1939 poln. Wilno) war immer eine Vielvölkerstadt. Juden, Polen und Litauer waren hier heimisch und das macht den Charakter der Altstadt von Vilnius mit seinen verwinkelten engen Gassen aus (siehe dazu auch die Zitate weiter unten).

Durch die ehemals enge Verbindung zwischen Litauen und Polen leben viele Polen (oder polonisierte Litauer) in der Stadt. Um 1900 lebten in Wilna etwa 30 % Polen, 40 % Juden, 20 % Russen und 2 % Litauer.
Die Stadt wurde von Litauen und Polen beansprucht und noch heute klagen die polnischen Einwohner über Diskriminierungen. In der "Dekade der Gewalt" 1939-1949 wurde die Stadtbevölkerung beinahe komplett, nämlich zu 90 %, ausgetauscht. (Tauber und Tuchtenhagen: Vilnius, kleine Geschichte der Stadt)
Warum war Vilnius umkämpft? Ein kurzer Klärungsversuch.
Litauen wurde 300 bis 200 Jahre vor Christus von baltischen Stämmen besiedelt. Der Name Litauen taucht in schriftlichen Quellen
aus dem Jahre 1009 auf. Als offizielle Staatsgründung gilt aber das Jahr 1253.
Der litauische Großfürst Mindaugas bekämpft die deutschen Kreuzritter, die sich zu dieser Zeit in litauischen Gebieten
ansiedeln und die heidnischen litauischen Stämme christianisieren wollen.
Mindaugas lässt sich taufen, um von der katholischen Kirche anerkannt zu werden. Damit erreicht er den Frieden mit den
Kreuzrittern und erhält den Titel eines Königs des Heiligen Römischen Reiches.
Diese Krönung wird von Historikern als Beginn des Großfürstentums Litauen angesehen. Nach Mindaugas Tod konnte Litauen sich
unter Algirdas und Kestutis bis zum Schwarzen Meer ausbreiten und war damals die beherrschende Kraft Osteuropas.

Jogaila Hedwig von Anjou
1385 schloss Litauen mit Polen eine Allianz (Vertrag von Krewo) indem sich Jogaila (Sohn des Algirdas) mit Jadwiga Andegawenska
(Hedwig von Anjou, Enkelin des verstorbenen polnischen Königs Kasimir) vermählte und als König Wladyslaw II. Jagiello den
polnischen Thron bestieg.
Lange Rede, kurzer Sinn: das Bündnis zwischen dem kleinen Litauen und dem viel größeren Polen wurde immer enger und mündete im Jahre 1569 (nach Schwächungen Litauens u.a. im Livländischen Krieg) in der Realunion von Lublin. Das einst mächtige Litauen war nun Teil Polens.
Trotz anfänglicher Privilegien wurde der litauische Adel schnell polnisiert. Polnisch wurde immer mehr vom Klerus (meist sowieso aus Polen kommend) und dem Adel gesprochen.
Im 18. Jahrhundert geriet Polen/Litauen auf den Wunschzettel der nun mächtigen europäischen Staaten: Russland, Preußen und Österreich und es erfolgten drei Teilungen von Polen.
1772 erweiterte Russland sich um einen Landstreifen von Daugavpils (Dünaburg) bis fast nach Kiev. Österreich bekam Südpolen, Preußen bekam Land von der Reichsgrenze bis nach Elbing (dort ist die Marienburg, schönes Reiseziel!).
1793 kam es zur zweiten polnischen Teilung. Russland nahm sich Weißrussland und die Ukraine, Preußen ein Stück von Polen
südlich der ersten Beute.
1795 erfolgte die dritte polnische Teilung. Russland bekam Litauen bis Palanga und den Rest von Weißrussland und die Ukraine.
Preußen nahm sich Territorium um Kleinlitauen.
Litauen wurde also komplett (außer Kleinlitauen) Bestandteil des Russischen Reiches und blieb es, trotz einiger Aufstände, bis zum Ende des I. Weltkriegs.
1915 besetzte das Deutsche Reich Litauen und fasste es unter General Ludendorff zum Verwaltungsgebiet "Ober-Ost" zusammen.
Nachdem Deutschland den Krieg verloren hatte, versuchte man Litauen in die Unabhängigkeit zu entlassen, allerdings als Satellit des Deutschen Reiches.
Die Litauer wollten aber nicht so wie die Deutschen. Sie erklärten sich im Dezember 1917 für unabhängig (mit Bindung ans Deutsche Reich) und im Januar, als Deutschland Litauens Anerkennung verzögerte, für komplett unabhängig.
Und das blieben sie auch, meist mit Antanas Smetona als Präsident, bis der unselige Hitler-Stalin Pakt Europa wieder auf die Hölle vorbereitete.
Josef Pilsudski
Neben Litauen nahmen auch Finnland, Lettland, Estland, die Tschechoslowakei und auch Polen die Gelegenheit nach dem ersten Weltkrieg wahr und erklärten ihre Unabhängigkeit. Polens Unabhängigkeit mit Grenzverlauf zur Curzon-Linie wurde in den Pariser Vorortverträgen von Deutschland und Österreich anerkannt.
Die Curzon-Linie vermied es zu viele Nichtpolen unter polnische Herrschaft zu stellen. Allerdings blieben Gebiete mit polnischer Bevölkerungsmajorität außerhalb dieser Grenze. In unserem Beispiel das Gebiet von Polen bis nach Vilnius.
Anstatt den Frieden zu bewahren, kam Polen unter Jozef Pilsudski (Chef der polnischen Streitkräfte und Staatspräsident, hier ein tabellarischer Lebenslauf von Dikigoros [Anmerkung zu Dikigoros siehe unter Weblinks link ist zur Zeit weg]) auf die Idee, die schwierige Lage Russlands (Bürgerkrieg zwischen der Weissen Armee (den Zaristen) und den Bolschewiki) auszunutzen und die eigene Position gegenüber Preußen, Österreich und Russland (also den Verantwortlichen für Polens Teilungen) zu stärken.
Als historisches Vorbild schwebte Pilsudski ein Staatengebilde vor, wie die polnische-litauische Realunion, mit Weißrussland und der Ukraine als Puffer gegen ein erstarkendes Russland.
1918 sagte er zu einer litauischen Delegation, dass er auch nichts gegen einen unabhängigen litauischen Staat hätte. Er forderte allerdings, dass die Litauer ihre Ansprüche auf das ethnographische Litauen beschränkten, weil zum historischen Litauen unzweifelhaft polnische Gebiete gehörten. (P.Lossowski Das Wilna Problem, Pilsudksi Gesammelte Werke)
Etwas weiter im Osten war man mit dem Verlauf der Geschichte auch nicht zufrieden.
Lenin ahnte, zu Recht, dass Russland als einziges kommunistisches Land nicht überleben konnte und wollte der Weltrevolution nachhelfen, die von Russland aus (über Polen) auf die westlichen Industrienationen übergreifen sollte.
Aus einem Grenzkonflikt (Winston Churchill spottete: " Der Krieg der Giganten ist zu Ende, der Hader der Pygmäen hat begonnen")

entwickelte sich somit der "Polnisch-Sowjetische Krieg" (1919 bis 1921).
Polen und Russland (das weiterhin im Bürgerkrieg mit den Weissen-Armeen war) begannen Kämpfe in der Ukraine und an der Memel. Der Konflikt (Trotzki warnte: "Gegen uns operiert zum ersten Mal eine reguläre Armee, die von guten Technikern geführt wird") kostete beide Seiten ca. 630.000 Tote.
Mal hatten die Polen mehr Glück, mal die Sowjets. Kiev und Wilna wechselten mehrfach die Besitzer.
Am 1. August 1920 eroberte die Rote Armee Brest-Litowsk und standen somit nur noch 100 km vor Warschau. Je weiter die Russen unter General Tuchatschewski ins polnische Kernland eindrangen, umso motivierter waren die Polen ihr Land zu verteidigen.
Außerdem kam die Rote Armee unter Jegorow, die in der Ukraine stand Tuchatschewski nicht zu Hilfe, sondern ihr wurde der Angriff auf Lwow (Westukraine) befohlen.
Pilsudski griff die Russen mit einer Zangenbewegung von zwei Seiten an und fügte der Roten Armee schwere Verluste zu.
Diese Verteidigung der polnischen Hauptstadt ging als "Wunder an der Weichsel" in die Geschichte ein.
Die polnischen Truppen nutzten die Gunst der Stunde und rückten im Oktober 1920 in Minsk und (entgegen vorher geschlossener Verträge durch einen Trick) in Pidulskis Heimatstadt Vilnius ein.
Der Kommandeur der in Vilnius einmarschierenden Einheit, Lucjan Zeligowski, proklamierte einen neuen Staat mit dem Namen Mittellitauen. Dieser wurde dann 1922 nach einer Volksabstimmung an Polen angeschlossen.
Da die Polen sich von einem weiteren Krieg im Winter nichts versprachen und die Sowjets wirtschaftlich am Boden waren, kam es im September 1920 zu Friedensgesprächen in Lettlands Hauptstadt Riga, die im März 1921 als "Friede von Riga" formell besiegelt wurden.
Polen hatte sein Staatsgebiet damit ordentlich nach Osten vergrössert und ist seinem Ziel, die Staatsgrenzen von vor der "Ersten Polnischen Teilung" wieder herzustellen, ein gutes Stück näher gekommen.
Natürlich waren die Litauer, die ihrer historischen Hauptstadt verlustig gegangen sind, das Gegenteil von begeistert. Als Hauptstadt diente nun Kaunas. Der Verlust von Vilnius kann man ebenso wie die Deportationen durch die Sowjets 1941 als "Litauisches Trauma" bezeichnen.
Vilnius kam durch die geheimen Zusatzprotokolle des Molotow-Ribbentrop Vertrages an Litauen
Auch die Sowjetunion konnte die Schmach nicht vergessen und handelte 1939 im geheimen Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin-Pakts die Übernahme der 1920 von Polen eroberten Gebiete (u.a. Vilnius) mit Hitler-Deutschland aus. Stalin übergab das Gebiet (immerhin 7.100 Quadratkilometer und 457.500 Menschen) dann im Oktober 1939 großzügig an Litauen und bekam dafür Stützpunkte für die Rote Armee (Bloodlands, T. Snyder S.202). Litauen war happy, bis es von Stalin im Juni 1940 besetzt wurde.
Denkmal in Kernave : Hallo Welt! Ohne Vilnius werden wir niemals ruhig sein.
Die gewaltsame Einnahme von Vilnius durch Polen entgegen bestehender Verträge und der hohe polnische Bevölkerungsanteil im Gebiet von Vilnius ist für Litauen das "Polnische Problem".
Beide Seiten kann man verstehen. Vilnius Reiz besteht aus der kulturellen Vielfalt - aus der Vergangenheit (die große jüdische Kultur besteht fast nur noch in architektonischer Erinnerung) und Gegenwart - mit Russen, Polen, Weißrussen und Litauern.
Hardliner auf beiden Seiten gönnt man keinen Erfolg, im Sinne eines friedlichen Zusammenlebens.
Als die Litauer in einem Referendum 1991 über ihre Unabhängigkeit abstimmten, machten gleichzeitig viele Polen an einer sowjetischen Abstimmung über das Fortbestehen der UdSSR mit. Als sogar eine Rote Fahne vor einem Rathaus im polnisch besiedelten Salcininkai gehisst wurde (gerade während des Moskauer Putsches in Vilnius), hatten die Litauer den Papp auf und setzten die polnischen Lokalpolitiker ab.
Mittlerweile sollen die Polen zugeben, dass sie sich von Warschau haben aufhetzen lassen, in der Hoffnung, die polnisch besiedelten Gebiete Polen zuschlagen zu können. (Spiegel 8.6.1992)
Ein sehr ausführlicher Bericht über den Minderheitenschutz in Litauen stammt von Carmen Schmidt von der Uni Köln Litauen (Link geht leider nicht mehr).
Zu den Spannungen zwischen Warschau und Vilnius Warschau-Vilnius
Die Vielvölkerstadt Vilnius vor dem Zweiten Weltkrieg
Ausschnitt aus einem Brief von Czeslaw Milosz (litauisch-polnisch-amerikanischer Dichter *1911 im litauischen Sateiniai) an den litauischen Dichter und Literaturkritiker Tomas Venclova (*1937), beide emigriert in die USA. Hier geht es um die Ansichten des polnischen Vilniuser Milosz an den litauischen Vilniuser Venclova.
Lieber Tomas,
Zwei Dichter, Litauer der eine, Pole der andere, sind in der gleichen Stadt aufgewachsen. Das dürfte eigentlich Grund sein, daß sie über ihre Stadt sprechen, und das sogar öffentlich. Zwar gehörte die Stadt, die ich kannte, zu Polen, hieß Wilno, und auf den Schulen und in der Universität wurde polnisch gesprochen: Deine Stadt war die Hauptstadt der Litauischen SSR [A.K.: Sozialistischen Sowjet Republik], hieß Vilnius, und Du hast die Schule und Universität in einer anderen Epoche, nach dem Zweiten Weltkrieg besucht.
Dennoch ist es ein und dieselbe Stadt, und ihre Architektur, die Landschaften ihrer Umgebung und ihr Himmel haben uns beide geformt. Gewisse, sozusagen tellurische [A.K.: die Erde betreffend] Einflüsse sind nicht auszuschließen. Außerdem habe ich den Eindruck, daß Städte ihren Geist und ihre Aura haben, und manchmal, wenn ich die Straßen von Wilna entlanggegangen bin, kam es mir so vor, spürte ich diese Aura auf beinahe sinnliche Weise.
(...)
Im 20. Jahrhundert war das Programm der polnischen Nationalisten für die ethnisch nichtpolnischen Gebiete dumm, da Wilna oder Lemberg [A.K.: heimliche Hauptstadt der Ukraine] Enklaven waren.Ich denke, daß es jungen Leuten heute recht schwer fällt, diesen Enklaven-Charakter des Vorkriegs-Wilna zu verstehen: das war weder Polen noch Nicht-Polen, weder Litauen noch Nicht - Litauen, weder Provinz noch Hauptstadt, obwohl doch vor allem Provinz.
Und natürlich war Wilna, wie ich es aus der Perspektive sehe, absonderlich, eine Stadt mit vermischten, einander überlappenden Gebieten wie Triest oder Czernowitz.
Dort aufgewachsen war nicht das gleiche wie in ethnisch einheitlichen Gebieten aufzuwachsen. Die Sprache selbst wurde anders empfunden. Es gab keinen volkstümlichenstädtischen oder dörflichen Dialekt mit rein polnischen Wurzeln, es gab die "hiesige" lustig wirkende Sprache, die vielleicht dem Geist der weißrussischen näher war als dem der polnischen, obwohl sie freilich viele polnische Worte bewahrt hatte, die im 16. und 17. Jahrhundert üblich, in Polen jedoch aus dem Sprachgebrauch verschwunden waren. Die Grenze zwischen der "hiesigen" Sprache und der Sprache der adligen Gemeinde (die Mickiewicz sowohl in der Kindheit als auch später in Paris mit dem inneren Ohr hörte) war natürlich fließend, genauso wie die zwischen der Sprache des Kleinadels und der des Hofes oder auch der vom Hof kommenden Intelligenz. All das war jedoch dem polnischen Bauern-Dialekt wirklich fremd.
In der "hiesigen" Sprache sprach das Proletariat von Wilna, sie hatte keine Ähnlichkeit mit der Warschauer Volkssprache, wo sich wahrscheinlich ein gewisses bäuerliches Substrat erhalten hat. Für mich ist zum Beispiel ein Dichter wie Miron
Bialoszewski exotisch. Diese Sprachquellen habe ich nicht. Ich riskiere die Feststellung, daß unsere Sprache empfänglicher war für Korrektheit und auch für rhythmische Prägnanz, deshalb empfinde ich das klare Polnisch der Dichter des 18. Jahrhunderts wie Krasicki oder Trembecki als "das meine". Es ist schwierig, das zu analysieren. Was mich betrifft, so würde ich sagen, meine Sprache wurde davon beeinflußt, daß ich der Versuchung der ostslwischen Sprachen, in erster Linie des Russischen, widerstanden und ein Register gesucht habe, in dem ich - in Bezug auf die rhytmische Modulation - mit den ostslawischen Elementen wetteifern konnte.
Ich weiß nicht, wie sich der Widerstand gegen das Russische auf Dein Litauisch ausgewirkt hat. Ich weiß, daß es für mich und für jeden, der ein empfindsames Ohr für das Russische hat, schädlich ist, dem starken Beat des russischen Jambus
nachzugeben, und daß dies nicht die Hauptrichtung des Polnischen ist.
Der Provinzcharakter Wilnas. Er hat mich bedrückt, und ich habe mich danach gesehnt, in die Welt zu entfliehen. Deshalb ist es nicht nötig, einen Mythos von der geliebten Stadt zu schaffen, wenn ich es dort kaum noch aushalten konnte, und - als der damalige Wojewode [A.K.: Chef der Verwaltung], Bocianski, vom Polnischen Rundfunk in Wilna forderte, mich als politisch verdächtigen zu entlassen - die infolgedessen zwangsweise Abreise nach Warschau mit Erleichterung aufnahm.
Denn Wilna war ein Kaff, eine unvorstellbar enge Basis, wenn Du die jiddisch oder russisch sprechenden und lesenden Juden abrechnest und die "hiesige" Bevölkerung, die gar nicht las. Was blieb über? Etwas Intelligenz adliger Herkunft, im allgemeinen ziemlich stupide.
Und damit ist die Nationalitätenfrage verbunden. Denn wenn wir uns für Litauer gehalten hätten, wäre Wilna unsere Hauptstadt und unser Zentrum gewesen. Ein sehr schwieriges Problem, wie Du weißt. Logisch wäre die finnische Lösung. Ich kenne diese Probleme nicht näher. Ich weiß nicht, wie das die Finnen aus schwedischsprechenden Familien gelöst haben, aber Helsinki war wohl ihr Zentrum und nicht Stockholm. Grundsätzlich hätten wir uns für Litauer mit polnischer Muttersprache halten müssen - und
Mickiewisz "Litauen, du meine Heimat"
unter neuen Bedingungen fortsetzen, was bedeutet hätte, litauische Literatur in polnischer Sprache zu schaffen als Parallele zur litauischen Literatur in litauischer Sprache. Doch das wollte niemand - weder die Litauer, die sich fest gegen die
polnische Kultur als eine ihre eigene Kultur gefährdende sträubten, noch all diejenigen, die polnisch sprachen, sich selbst einfach als Polen ansahen und ein verächtliches Verhalten gegenüber den "Klausiuks", dem Volk der Bauern, an den Tag legten.
Es gab nicht viele Kreise, die anders dachten, dafür aber interessante und wertvolle und energische. In meinem Wilno waren es die sogenannten "krajowcy" (Vertreter der Heimatidee), die von der Bewahrung der Traditionen des Großfürstentum Litauen als einzigem Gegengewicht zu Russland träumten, das heißt, von einer Förderation der Völker, die einst zum Großfürstentum gehört hatten. Diese Kreise deckten sich mehr oder weniger mit denen der Freimaurer in Wilna. Die Geschichte dieser eigentümlichen Ideologie müßte irgendwann einmal geschrieben werden, doch wenn ich sage, daß das interessant, ja sogar fszinierend ist, so sage ich das jetzt, ex post, denn als junger Mensch mit allen avantgardistischen Neigungen, der sich mit moderner Poesie, der französischen Intellektuellen-Bewegung usw. beschäftigte, habe ich dem, was in der Stadt vorging, keine größere Aufmerksamkeit geschenkt. Im übrigen war das eine schon damals verlorene Bewegung, die letzten Nachklänge. Von litauischer Seite konnte sie noch nicht einmal mit einer Spur von Sympathie rechnen, weil sie als Verlängerung der "jagiellonischen Idee" [A.K.: litauisch- polnische Realunion unter Jagiello] empfunden wurde. Und zweifellos verbarg sich bei vielen gebürtigen Krautjunkern [A.K.: Großgrundbesitzer] hinter der sentimentalen Verbundenheit mit der Idee des Großfürstentums der Traum von der Vorherrschaft.
Ungeachtet dessen waren Ludwik Abramowicz und ein paar andere Vertreter der Heimatidee tiefgründige und ehrliche Menschen in ihrem Widerstand gegen den polnischen Nationalismus. Das waren die Erben des umfassenden Denkens, in der Art der Aufkärer der einstigen Republik des 18. Jahrhunderts. Ich denke nicht, daß es auf litauischer Seite irgendeine Entsprechung gegeben hat - dort war mehr oder weniger alles ein neuer, zwangsläufig spasmischer Nationalismus. So oder so waren die Vertreter der Heimatidee die einzigen unter den polnischsprechenden Wilnaern, die Wilna als Hauptstadt und nicht als Provinz betrachteten.
Ich denke heute, daß jeder, der es mit dieser Stadt gut meint, ihr den Hauptstadt-Status wünschen soll, was automatisch irgendwelche polnischen Ansprüche an ein "polnisches Wilna" ausschließt. (...)
Wichtig, wenn wir über Wilna sprechen, ist, daß es in beträchtlichem Maße eine jüdische Stadt war. Auf eine völlig andere Weise als Warschau. Das jüdische Viertel in Wilna war ein Labyrinth enger, ganz mittelalterlicher Gässchen, die Häuser durch Arkaden verbunden, das holprige Pflaster zwei, vielleicht drei Meter breit. In Warschau dagegen waren es Straßen mit scheußlichen Mietshäusern aus dem 19. Jahrhundert.
Das jüdische Elend fiel in Wilna weniger ins Auge, was nicht heißt, daß es das nicht gegeben hätte. Doch nicht darin besteht der Unterschied.

Gaon von Vilnius
Wilna war ein starkes jüdisches Kulturzentrum mit Traditionen. Ich erinnere daran, daß eben hier an der Basis der jüdischen Arbeiterschaft, die jiddisch sprach, vor dem Ersten Weltkrieg der "Bund" entstand. Seine Führer, Alter und Ehrlich, wurden später von Stalin erschossen. Wilna hatte ein jüdisches Historisches Institut, das dann nach New York verlegt wurde. Und ich denke, daß Wilna besonders zum Wiederaufleben der hebräischen Sprache in Israel beigetragen hat. Als jemand, der in dieser Stadt lebte, hätte ich eine bestimmte Kenntnis von dem erlangen müssen, doch dem standen die Sitten und Gebräuche entgegen.
Das jüdische und das nichtjüdische Wilna lebten getrennt voneinander. Beide bedienten sich auch in Wort und Schrift einer anderen Sprache. Als Student war ich sehr international eingestellt, was ziemlich oberflächlich war. Ich wußte nichts über die Geschichte der Juden in Polen und Litauen, über ihr religiöses Gedankengut, den jüdischen Mystizismus, die Kabbala.
Das sollte ich erst viel später, in Amerika, lernen. Das zeigt das Ausmaß der Trennung der beiden Gemeinschaften, denn was soll man über andere Städte im Vorkriegspolen sagen, wenn ich in einer solchen Nachbarschaft ein Ignorant geblieben bin. Soweit ich weiß, hat sich in Polen niemand gewagt vorzuschlagen, daß Hebräisch in den Schulen als eine der "klassischen" Sprachen unterrichtet wird, daß die intellektuelle Geschichte der polnischen Juden gelehrt oder zumindest das Alte Testament gelesen und kommentiert wird: er wäre gesteinigt worden. Und wenn mich auch der Haß der Juden auf die Polen, bei merkwürdiger Vergebungsbereitschaft gegenüber den Deutschen und Russen, sehr trifft und schmerzt, so muß ich zugeben, daß einem der kleinliche Antisemitismus - auf englisch würde ich petty, auf französisch mesquin sagen - genauso arg zusetzen kann wie ein Verbrechen, weil er etwas tägliches ist.
Quelle: Brief von C.Milosz an T.Venclova in M.Klecel "Polen zwischen Ost und West" (1995)
Fotos Wikipedia
Augustinas Voldemaras

Augustinas Voldemaras Foto: Wiki
Augustinas Voldemaras (1883-1942) war ein litauischer Philologe (Soziologische Studien, Römische Geschichte, Sprachen), Historiker und Politiker.
Lohnt sich eine Fahrradtour in Vilnius?
Gesundheit Litauen
Litauen ist ein recht armes Land. Dementsprechend sehen die einfachen Krankenhäuser aus.
Auch wenn die Litauer das nicht gerne hören, das litauische Krankenhaussystem ist nur in den grossen Städten auf deutschem Niveau.
Da die meisten Litauer nicht viel einzahlen, gibt man für größere Eingriffe oft unter der Hand etwas. Je größer die Operation / Behandlung, desto mehr.
Eine Leserin schreibt:
"Jedoch etwas anderes kann ich auch aus meiner Sicht mitteilen. In den Jahren, die ich jetzt in Litauen verbringe, habe ich kein einziges Mal irgend jemandem Geld gegeben. Keinem Arzt und keinem Beamten. Die Krankenhäuser sind wirklich nicht so toll und das Essen auch nicht ausreichend. Auch wenn man nicht so sterbends krank ist, bei der Verpflegung im Krankenhaus nimmt man ganz schnell einige Kilos ab. Also muss man zusehen, dass man öfters Besuch bekommt, die etwas Essbares mitbringen:) Was das Bezahlen fürs operieren oder andere Behandlungen angeht, ist es so, geben die, die Wunder erwarten. Jedoch auch ohne das du dem Arzt was in die Tasche steckst, wird man genau so gut behandelt und operiert wie alle anderen. Das kann ich ruhig aus eigener Erfahrung sagen, da meine Mutti im vergangenen Jahr eine neue Knieprothese bekommen hat und vor ein paar Monaten an der Wirbelsäule operiert wurde. Laut ihren Worten, am Anfang war ihr gar nicht wohl, so nichts zu geben.Aber sie hat auch verstanden, dass man ohne zusätzliche Bezahlung nicht weggestoßen wird . Jetzt wird auch in den Zeitungen immer wieder hingewiesen, dass die meisten Leistungen beim Arzt oder im Krankenhaus von der Krankenkasse bezahlt werden. Also, wer gibt ist selbst Schuld!"
Nicht das die litauischen Ärzte schlecht sind: es ist einfach zu wenig Geld da. Im privaten Sektor (besonders in Vilnius, Klaipeda und Kaunas etc.) gibt es Kliniken und Privatärzte die einen Vergleich mit Deutschland nicht scheuen müssen. Augen- Zahn- und Herzkliniken buhlen um betuchte Kundschaft auch aus dem Ausland.
Touristen müssen also keine Angst haben, sie müssen mit der Standardversorgung nicht vorlieb nehmen.
Klingt irgendwie nach Privatpatient.
Apotheken (Vaistine) gibt es an jeder Ecke. Schliessen sie auf jeden Fall eine Auslandskrankenversicherung ab.
Die Telefonnummer des Notrufes ist: 112
Meist wird die deutsche Krankenversicherungskarte akzeptiert (das ist heute in der Regel die EHIC- Europäische Krankenversicherungskarte mit dem Euro Symbol hintern drauf).
Da das EHIC Verfahren aber noch nicht überall bekannt ist und Privatärzte sowieso sofort abrechnen, denken sie an die Auslandskrankenversicherung
Wir wurden bisher entweder umsonst behandelt oder die Abrechnung erfolgte über die Auslandskrankenversicherung gegen Vorkasse. Lassen sie sich auf jeden Fall eine unterschriebene Quittung geben.
Für die Sommermonate ist eine Impfung gegen die von Zecken übertragene FSME empfohlen.
Infos auch vom Auswärtigen Amt
Nachman Dushanski

Nachman Dushanski, oder litauisch Nachmanas Dušanskis, wurde am 29.12.1919 in Siauliai geboren.
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Geld Litauen
Unten ein paar Scans von Litas Scheinen. Ganz unten die Talonas der Jahre 1991 bis 1993. 
Die Währung in Litauen hieß von 1918 (dem Jahr der ersten Unabhängigkeit) bis zum russischen Einmarsch 1940 Litas.
Nach der erneuten Unabgängigkeit 1990 gabe es nach der Übergangswährung Talonas wieder den Litas. Der Wechselkurs war fest an den Euro gebunden (davor bis 2002 an den Dollar) und betrug 1 Euro = 3,45 Litas.
Seit Januar 2015 hat Litauen als 19. Land den Euro eingeführt. Die EU Finanzminister haben ihr OK dafür im Sommer 2014 gegeben. Die Litauer selber scheinen mehrheitlich gegen die neue Währung zu sein und führen Lettland als negatives Beispiel an. Die Letten haben den Euro seit Anfang 2014.
Die in Litauen beliebte Symbolik der Eigenstaatlichkeit zeigt sich mit der Euro Einführung nur noch auf den litauischen Euro Münzen Hier ist der litauische Ritter Vytis mit Schwert auf einem Pferd abgebildet.

Historische Entwicklung: Geld in Litauen seit 1900 (© Tomas Baranauskas) grün: "eigenes" litauisches Geld
Die Menschen in Litauen haben Angst vor höheren Preisen und sehen den Litas (die litauische Währung der Zwischenkriegszeit und nach der Unabhängigkeit ab 1993) als Zeichen ihrer Unabhängigkeit. Genau wie in geschichtlichen Fragen, gibt es auch hinsichtlich der litauischen Symbolik eine starke, sehr konservative Bewegung, die jegliche Aufgabe nationaler "Identität" bekämpft. So wird die Union von Lublin (Vereinigung Litauens mit Polen 1569) als positives Beispiel angeführt, weil selbst in dieser "Realunion" die Litauer ihr eigenes Geld behielten. Natürlich sagt keiner dieser Konservativen, dass mit der Personalunion Polen/Litauen die damalige Amtssprache Litauens (Ruthenisch, eine russische/ostslavische, oder besser, weissrussische Sprache) durch die polnische Sprache ersetzt wurde. Um 1900 sprachen in Vilnius vielleicht 4 % der Bevölkerung Litauisch, der grosse Rest Jidddisch und Polnisch. Historiker wie T. Venclova, die diese Tatsachen beschreiben, werden als (jüdische) Nestbeschmutzer und Litauenhasser verunglimpft. (Zu diesen litauischen Strömungen gibt es einen schönen Artikel von Saulius Suziedelis).
Wie litauische Nationalisten gegen den Euro hetzen und was sie für ein politisches Verständnis haben kann man hier sehen: Litas wird begraben (gelöscht. Mittlerweile wird überall gehetzt...lassen wir das).

Die litauischen Euro Münzen. Oben die lettischen Euros. Unten schmückt, etwas kriegerisch, der litauische Ritter Vytis die Münzen, oben ist die lettische Stilisierung einer Dame in Landestracht "Milda" zu sehen.
Daneben das lettische Staatswappen.

Die alten Litas. Unten eine Sonderprägung: der Litas als Basketball!
Neugierig haben wir im Sommer 2014 einige Letten und Litauer befragt, was natürlich nicht repräsentativ ist. Vor der Währungsumstellung wurden die Preise in Lettland so angepasst, dass die Umstellung zum Euro leichter ging. Das Gleiche stellt man in Litauen fest. Eine generelle (exorbitante) Preiserhöhung kann man nicht feststellen. Wir haben auch keine Massen von Letten in litauischen Supermärkten gesehen. Erstens gibt es seit Jahren einen festen Umrechnungskurs Litas/Euro von 3,45 Litas/1 Euro und zweitens gibt es wegen den niedrigen Löhnen auch nicht die nötige Kaufkraft um höhere Preise durchzusetzen.
Die meisten Letten waren auch gegen den Euro. Ältere Leute hatten Probleme mit dem Umrechnen, Junge haben sich aber schnell zurecht gefunden.
Das Lohnniveau in Litauen ist sehr niedrig, ein Herrenhaarschnitt, um einen Vergleich zu nennen, kostet ausserhalb der großen Städte 3 Euro. Dafür sind Lenbensmittel oft teurer als bei uns und Kraftstoff kostet nur etwas weniger als in Deutschland.
Der Durschnittslohn betrug 2010 450 Euro (Netto). Oft wird den Angestellten weniger ausgezahlt. Die hohen Energiepreise machen vielen Städtern zu schaffen.
Der letzte 10 Litas Schein klicken zum vergrößern
Steponas Darius und Stasys Girenas waren Litauer mit US-Pass, die mit ihrem Flugzeug Lituanica 1933 nonstop von den USA nach Litauen fliegen wollten.
Etwa 636 km vor ihrem Ziel (die damalige litauische Hauptstadt Kaunas) stürzte das Flugzeug ab. Interessant hier wieder die unterschiedlichen Wikipediaseiten. Während die deutsche berichtet, dass die litauische Kommission, die den Unfall aufklären sollte, von einem technischen Defekt - einem Pilotenfehler oder dem Wetter als Unglücksursache ausgeht, berichtet die englische Seite über eventuelle deutsche Schüsse auf die Lituanica, weil es für ein Spionageflugzeug gehalten wurde und nahe eines Konzentrationslagers flog (am 17. Juli 1933 war es für viele in Deutschland ungemütlich, aber "auskundschaftswerte" Konzentrationslager gab es erst später).
Bei der Beerdigung in Kaunas nahmen 60.000 Menschen teil.
Benzin und Diesel ist etwas billiger als in Deutschland, angesichts der niedrigen Einkommen aber sehr teuer.
Hotelübernachtungen kosten entsprechend dem gewünschten Niveau. Die Spitzenhotels sind hier genauso teuer wie in anderen Ländern.
Auf dem Land und den kleineren Städten sind Übernachtungen und Verpflegung günstig und gut.
Der letzte 20 Litas Schein
Gezeigt wird hier der Dichter der Romantik Maironis, der im 19. Jahrhundert gegen die Russifizierung seiner Heimat kämpfte..
Auf der Rückseite ist die Freiheitsstatue in Kaunas abgebildet. Kaunas war wegen der polnischen Besetzung von Vilnius eine Zeitlang Litauens Hauptstadt.
Visa und Mastercard werden flächendeckend angenommen. Mit der EC Karte kann man sich Geld besorgen oder auch an der Supermarktkasse bezahlen. Alle gängigen Währungen kann man in Banken gegen den Euro einwechseln.
Geldautomaten gibt es überall.
Während der Wirtschaftskrise 2012 und 2012 sind manche Banken ins Schleudern gekommen.
Der 50 Litas Schein
Hier ist Jonas Basanavicius zu sehen. Er unterschrieb 1918 die litauische Unabhängigkeitserklärung und wird als Vater der Nation geehrt.
Schon 1928 war er auf dem Litas Schein abgebildet. Die Rückseite zeigt die Kathedrale des Heiligen Stanislaus und den Glockenturm in Vilnius.
Erklärtes Ziel der litauischen Politik war die Aufnahme in die Euro Zone. Die Aufnahmekriterien wurden 2007 aber minimal überschritten, die Einführung des Euros in LItauen also gestoppt. Nach unter 3 % Inflation gab es im Jahr 2009 schon 11 % Prozent Inflation und eine Aufnahme in den Euro Raum ist damit in weite Ferne gerückt. 2015 wurde der Euro eingeführt.
Gezeigt wird der Historiker Simonas Daukantas
Überall begehrt sind die litauischen Sammlermünzen aus Silber und Gold, die limitiert von der Litauischen Nationalbank herausgegenben werden und oft eine hohe Wertsteigerung erfahren. https://monetos.lb.lt/en/
Der 200 Litas Schein
Gezeigt wird hier der Phylosoph Vydunas
Der 500 Litas Schein.
Hier ist der Schriftsteller Vincas Kudirka abgebildet. Die Rückseite zeigt die Freiheitsglocke aus einem bekannten litauischen Gedicht.
Alle hatten grossen Anteil am Enstehen des litauischen Nationalgefühls zum Ende des 19. Jahrhunderts.
Ausserdem gab es noch ein, zwei und drei Litas Scheine.
Kurz zur Geschichte des Litas:
1922 führte der junge Staat den Litas ein. Er diente als stabile Währung bis 1941, als die Sowjetunion die Litauer überzeugte, daß der Rubel besser sei (Achtung Ironie).
Am 5. August 1991 wurde als Übergangswährung der Talonas (litauisch Gutschein) eingeführt. Das auch als Tiergeld (in schlechter Papierqualität) wegen seiner Tierabbildungen bezeichnete Papiergeld und als vagnorkes ( nach dem damals amtierenden Ministerpräsidenten Gediminas Vagnorius) war bis zum Juni 1993 im Umlauf. Es wurde dann vom Litas abgelöst. Der Wechselkurs 1993 war 100 Talonas zu einem Litas!
Die Talonas wurden später in der Grigiskes Papierfabrik zu Toilettenpapier recycled.
Oben ein paar Scans von heutigen Litas Scheinen. Unten die Talonas der Jahre 1991 bis 1993.
0,1Talonas klicken zum vergrößern
0,2 und 0,5 Talonas. Die Vorderseite ist gleich der 0,1 Note (oben links)
1 Talonas
Andere Version von 1 Talonas
5 Talonas
10 Talonas Version 1
10 Talonas Version 2
25 Talonas
50 Talonas
100 Talonas
200 Talonas
500 Talonas. Ob hier der russische Bär abgebildet ist?
Da ich in meinem Fundus noch einige lettische, russische und ukrainische Scheine gefunden habe, hier die Scans für Interessierte:
1 lettischer Rubel von 1992
2 lettische Rubel
Ukraine 1991 Ukrainischer Kupon oder Karbowanez genanntes Übergangsgeld
Bei Interesse finden sich weitere Kupons hier
20 lettische Rubel von 1992
Vytautas Putna

Vytautas Putna Bild: Wikipedia
Vytautas Putna war ein litauischer Aktivist, der während seines Studiums an der Rigaer Handelsschule eine Marxistische Gruppe leitete.
Litauische Persoenlichkeiten
Kategorie in der litauische Persönlichkeiten vorgestellt werden sollen




































