Herrenhaus Astravas
Astravas Herrenhaus vom See gesehen
Die Gegend von Birzai gehörte einem Dominik Hieronim (1786-1813). Der beteiligte sich an den Kämpfen Napoleons gegen Russland. Bekanntermassen verlor Napoleon den Krieg und als Dank entzog Zar Alexander I. unter dem Vorwand der Nichtzahlung von Krediten Hieronims Ländereien.
Ein Gäubiger des Vorbesitzers konnte die Ländereien billig kaufen. Józef Ignacy Graf Tyszkiewicz (1724-1815), Oberstleutnant in der litauischen Armee, Hetman von Samogitia, Ritter des St. Stanislaus Ordens, Starost von Wielatyk, war somit der erste Tyszkiewicz in Birzai.
Sein einziger Sohn (die Tyszkiewiczs hatten noch drei Töchter) Michał (1761-1839), erbte das Gut Birżai, das wiederum auf seinen Sohn Jan überging.
Jan Konstanty Graf Tyszkiewicz (1802-1862) gründete das Familiengut der Tyszkiewicz in Astravas bei Birzai.
Zu dieser Zeit umfasste das Landgut Birżai 17 Schlüssel, 36 Gutshöfe, 77 Hinterhöfe sowie rund 80.000 Hektar Ackerland und 31.000 Hektar Wiesen und Weiden.
Kein Wunder also, womit der Adel seinen Lebenswandel bestreiten konnte. Land und Leibeigene.
Aussichtsturm (beim genaueren schauen, sieht man noch viele Schäden)
Das Herrenhaus, das er in den 1850er Jahren errichtete, war ein zweistöckiges Backsteingebäude mit einem neunachsigen Hauptkörper und zwei dreiachsigen, nach hinten versetzten Seitenflügeln.
Eine breite Treppe führte zum Haupteingang unter dem Säulengang, der auf beiden Seiten von einer Mauer mit zwei Steinlöwen flankiert wurde. Über dem Hauptgebäude befand sich auf der Seite des Gartens ein viereckiger Turm mit einer Aussichtsgalerie. Nach einigen Jahren wurden auf beiden Seiten des Palastes zwei dreiachsige, einstöckige Pavillons errichtet, die durch Arkadengänge mit den Seitenflügeln verbunden waren.
Eingangshalle Astravas Herrenhaus
Durch die Haupteingangstür betrat man das zweistöckige Vestibül, dessen Decke von vier Säulen getragen wurde und dessen Wände mit einer holzgeschnitzten Galerie getäfelt waren. Im Erdgeschoss befanden sich die Repräsentationsräume und eine Bibliothek mit einer reichen und wertvollen Büchersammlung, die mehr als 4.500 Bände umfasste, darunter alte Drucke, Manuskripte und Archive, die nicht nur die Familie Tiškevičius, sondern auch die Radziwiłłs, die Familie Sapieha und mehrere andere mächtige litauische Familien betrafen. Zu den wertvollsten Bänden gehörten: Eine Bibel von Jakub Wujek von 1584, Bibliotheca Fratrum Polonorum von 1656, Religiosae Kiovienses Cryptae von Jan Herbinius von 1675. Die in der Pochaiv Lavra und im Suprasl-Kloster gedruckten Bücher waren ebenfalls von großem Wert, ebenso wie die Sammlung von Karten und Zeichnungen prominenter Autoren der damaligen Zeit, die mehr als 1000 Exemplare umfasste. Gesonderte Sammlungen wurden für ethnografische Exponate, Rüstungen und alte Militäruniformen, Mineralien und Muscheln, Orden und Medaillen, Wandteppiche, Stiche, Gemälde berühmter Maler, Skulpturen und andere Kunstwerke angelegt.
Astravas Herrenhaus Vorderseite Die beiden Löwen waren aus Eisen. Die Originale stehen heute vor dem Militärmuseum in Kaunas.
Neben dem Astravas Herrenhaus gab und gibt es eine Leinenfabrik. Damit die Arbeiter aus Birzai zur Fabrik kommen konnten, liess Graf Tyczkiewicz eine wackelige Brücke über den Sirvena See bauen. Da es immer wieder zu Todesfällen kam, die Brücke war als Drahtseilbrücke wohl nicht so sicher, folgte eine feste Holzbrücke, die es auch heute noch gibt. Sie ist 525 Meter lang und 2,45 Meter breit.
Holzbrücke nach Astravas
Jan Konstanty Tyszkiewicz heiratete nicht und hatte keine Kinder, womit Birzai an seinen jüngeren Bruder Michał Tyszkiewicz (1828-1897), verheiratet mit Maria Radziwiłłówna (1830-1902), überging.
Unter der katholischen Kirche gibt es eine Familiengruft, in der Jan Graf Tyszkiewicz beerdigt ist, sowie ein Baby seines jüngeren Bruders Michal. Tyszkiewicz Gruft
Michal Tyszkiewicz war ein Antiqiutätensammler und Hobby Ägyptologe. Er besuchte Birzai selten und lebte in Rom. 1940 mit dem sowjetischen Einmarsch, wurde das Anwesen verstaatlicht und nach dem Krieg diente das Herrenhaus, das den Krieg unbeschadet überstanden hatte, als Büro für die Leinenfabrik "Siulas". Da es auch noch heute im Besitz von Siulas ist, schein die Birzaier Verwaltung Schwierigkeiten mit der Renovierung und Instandhaltung des Anwesens zu haben.
2021 fanden aber weitreichende Verschönerungen des Anwesen im Seebereich statt.
Parkanlage vor dem Herrenhaus (Blick vom See)
Der Ausflug nach Astravas ist einer der Höhepunkte von jedem Birzai Besuch. Unbedingt über die Holzbrücke laufen! Und nicht weit hinter dem Herrenhaus ist die Gedenkstätte "Astravas", die an die hier im August 1941 ermordeten Birzaier Juden erinnert. 2400 Juden, darunter 900 Kinder wurden erschossen und verscharrt.