Die Rote Armee
In ihr kämpften, oft unfreiwillig, Menschen vieler Nationen. Sie hatte für die Ziele Josef Stalins einzutreten, brachte viel Leid über Europa (Ukraine, Hitler-Stalin Pakt) und hatte im Kampf gegen die Wehrmacht sehr viele Tote zu beklagen (siehe auch die Schilderungen der 215. Infanteriedivison im Kurlandkessel im Text ganz unten). Trotzdem war sie, auch wenn das System hinter ihr nicht viel besser war als der Nationalsozialismus, Teil der Alliierten, Befreier Europas.
In der Roten Armee kämpften anfänglich 5 Millionen Soldaten, von denen etwa 500.000 Juden waren. Die kämpften nicht nur für ihr Land, sondern auch für ihr Leben. Die Hälfte von ihnen ist gefallen.
(Insgesamt sind 11,4 Millionen russische Soldaten gestorben, davon 3 Millionen in Gefangenschaft. Bei den Deutschen war das Verhältnis 2,7 Millionen zu 1,1 Millionen).
Im Herbst 2006 wurde eine Idee von Hermann Simon, Direktor der Stiftung Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum, verwirklicht. Jüdischen Veteranen der "Roten Armee" sollte eine Stimme gegeben werden.
Durchgeführt haben es Schüler von vier Berliner Gymnasien. Sie interviewten (in Zusammenarbeit mit dem Verband der "Jüdischen Veteranen in der Roten Armee" und der Geschichtswerkstatt "culture and more") 13 jüdische ehemalige Soldaten der Roten Armee, die heute alle in Berlin leben. Herausgekommen ist eine Ausstellung mit Fotos und Geschichten betagter Menschen, die im Krieg gegen das Deutschland Adolf Hitlers nicht nur ihr eigenes Leben verteidigten, sondern auch ein Hoffnungsschimmer für die von den Nazis Drangsalierten und Eingesperrten waren.
Lew Wilenski z.B. hatte sich als 16-jähriger freiwillig als Soldat gemeldet und war 1945 bei der Befreiung Auschwitz dabei.
Die Sowjetunion unter Stalin war dem System des Nationalsozialismus nicht unähnlich. Lebhafte Diskussionen werden auch heute noch geführt, welcher "Sozialismus" denn mehr Menschen auf dem "Gewissen" hat.
Die Verbrechen der Rotarmisten an deutschen Zivilisten, besonders Frauen, waren furchtbar.
Für Gegner des Nationalsozialismus, Juden und Demokraten waren die russischen Soldaten die Rettung.
Hermann Simons erzählte bei der Ausstellungseröffnung von seiner Mutter, die die den Krieg in einem Versteck überlebte, dass ihre Hoffnung beim Anblick eines sowjetischen Panzers in Zuversicht umgeschlagen sei.
(Empfehlenswert ist dazu das Buch von Heinz Droßel: "Zeit der Füchse")
In einem Interview mit der "Zukunft", Informationsblatt des Zentralrats der Juden in Deutschland, äußerte Simon sein tiefstes Bedauern darüber, dass unter den befragten Veteranen kein einziger war, der bei den Partisanen gekämpft hat. Es gab nämlich spezielle jüdische Partisanenbrigaden mit oft aus den Gettos geflüchteten Juden. (Z.B. die Bielski Partisanen).
Die Ausstellungstafeln kann man nach anklicken der Bildminiaturen als PDF Dateien sehen.
Zwischen Sowjetstern und Davidstern
"Knapp 100 jüdische Veteran/Innen der Roten Armee leben heute in Berlin. Sie wuchsen einst in einer Sowjetunion auf, die es nicht mehr gibt. Diese Menschen vermochten es, ihre jüdische Identität trotz aller Diskriminierungen zu bewahren.
Als Offi ziere oder Soldaten kämpften sie gegen die deutschen Nationalsozialisten und ihre Helfer, die den Zweiten Weltkrieg begannen und in der Schoa Millionen Juden ermordeten.
Für wen kämpften sie? Für das eigene Überleben, für das Überleben von Verwandten und Freunden. Musste man, durfte man dabei auch Patriot sein?
Schließlich waren der sowjetische Diktator Josef Stalin, die sowjetische Gesellschaft auch im Krieg nicht frei von Antisemitismus. Diese Fragen stellten sich Männern wie auch Frauen, die in der sowjetischen Armee kämpften. Menschen, die auf ein reiches Leben zurückblicken, erhalten eine Stimme. Ein Stück jüdischer, sowjetischer, deutscher, ja europäischer Geschichte wird bewahrt. Wir danken vor allem den Veteran/Innen sehr herzlich für Ihre große Hilfe.
Ohne sie gäbe es dieses Projekt nicht."
UdSSR, Rote Armee, Zweiter Weltkrieg
"Etwa 30 Millionen Menschen kamen in diesem Krieg um, davon ca. acht Millionen sowjetische Soldaten. Der Sieg der UdSSR 1945 ging mit schrecklichen Verlusten einher."
Judentum und Antisemitismus in der UdSSR bis 1941
»Leider wurde meinem Großvater seine Frömmigkeit fast zum Verhängnis … Eines Tages – das war vor dem Krieg – wurde er auf dem Rückweg vom Gebetshaus von bösen Menschen angegriffen. Sie zogen ihn am Bart, riefen antisemitische Parolen. Nur dank der Einmischung von Passanten kam mein Großvater heil davon, denn die Angreifer hatten ihm offensichtlich nach dem Leben getrachtet, und das im Zentrum der Stadt.«
"Joine Goldgar wurde 1914als jüngstes von acht Kindern in der polnischen Kleinstadt Staszów, nahe Krakau, geboren. Obwohl er aus einer religiös geprägten Familie stammte, spielte für ihn die jüdische Religion keine zentrale Rolle. Goldgar war Kommunist.
Er arbeitete als Lehrer am Gymnasium. Kurz nach Kriegsbeginn 1939 fl oh Goldgar vor den Deutschen in die Sowjetunion."
"Jewgenija Smuschkevitsch wurde 1925 in der litauischen Stadt Kaunas geboren. Ihre Familie wahrte die jüdischen Traditionen. Jewgenija Smuschkewitsch fl oh sofort nach Kriegsbeginn an den Ural. Ihre Familie wurde im Ghetto von Kaunas ermordet."
»Als ich mich freiwillig zur Roten Armee meldete, bekam ich zunächst ein Gewehr mit durchgeschossenem Lauf, so dass das Bajonett eigentlich das Einzige war, was an diesem Gewehr funktionierte. Es gab keineWaffen.
Die Deutschen hatten sich auf den Krieg vorbereitet, die Russen nicht ... «
"Gegen die Deutschen zu kämpfen, bedeutete nicht nur als Sowjetbürger sein Vaterland zu verteidigen, selbst, wenn es einen zuweilen als Juden ablehnte. Um als Jude zu überleben, musste man den Feind schlagen, der die jüdische Bevölkerung umbrachte."
»Wenn eine Krankenschwester den Annäherungs versuchen ihres Vorgesetzten nicht nachgab, wurde sie aus dem Regimentsstab in den Bataillonsstab versetzt, wenn sie sich auch dort unnachgiebig zeigte, kam sie in eine der Kompanien, wo sie nach ein bis zwei Monaten starb.«
Kriegsende, Sieg und Rückkehr in die Heimat
»Meine Eltern, ein Bruder und eine Schwester mit ihrer Familie kamen 1942 in Auschwitz um. Ein weiterer Bruder und eine Schwester, die in der Westukraine lebten, sind verschwunden. Ihr Schicksal ist mir nicht bekannt.«
»1943 trat ich in die Partei ein, aus Dummheit natürlich. Obwohl ich sagen muss, dass ich damals überzeugter Kommunist war. Dann kam das Jahr 1946, die Kampagne gegen Kosmopoliten … die Ärzteverschwörung. – Das hat mir die Augen geöffnet, denn für all das war die Partei verantwortlich.«
Wege nach Berlin - Leben in Berlin
»Natürlich gehe ich in die Synagoge, aber den Sabbat halten – nein, das tue ich nicht. Überhaupt muss ich sagen, dass ich überzeugter Atheist bin. Es wundert mich, wie die Juden nach dem Holocaust, nach all den Leiden, die ihnen zuteil wurden, an Gott glauben können. Wofür sollten wir denn Gott dankbar sein?«
Copyright Centrum Judaicum und "culture and more"
Kurze Nachbemerkung: Viele Menschen der Sowjetunion waren mit dem Stalinistischen System nicht einverstanden.
So entstand (etwas vereinfacht gesagt) eine Russische Befreiungsarmee unter General Wlassow, meist aus russischen Kriegsgefangenen gebildet.
Wäre der Gastgeber nicht noch schlimmer als der ehemalige Oberbefehlshaber, hätte die Wlassow Armee durchaus positiv in die Geschichte eingehen können.