Detention Center Museum
"Lenin (Marx und Engels) haben immer Recht. Sie sind immer bei uns!"
Die Ausstellung in der ehemaligen Haftanstalt (Detention Center) handelt vom Leben in Litauen von 1965 bis 1993. Obwohl Litauen schon 1990 unabhängig wurde, begann die wirkliche Freiheit erst mit dem Abzug der letzten sowjetischen Soldaten 1993.
Ausgestellt sind typische Lebensbeispiele im sowjetischen Litauen. Die verschiedenen Währungen der Übergangszeit, Rubel, Talonas und Litas. Die eigentliche Währung, der Wodka. Sammelbilder des Sozialismus. Nachgemachte westliche Mode. Viele litauische Besucher werden sich an ihr eigenes Leben erinnern. Westliche Touristen müssen Litauen schon lange kennen, um Bekanntes zu sehen (außer vielleicht, man hat in der DDR gelebt).
Neben der interessanten Ausstellung (die meiner Meinung nach hervorragende Texte hat, für die die Kuratoren großes Lob verdienen), ist natürlich auch das alte Gebäude der Haftanstalt sehenswert. Bis 2019 wurden hier Menschen eingesperrt. Wenn Sie die Chance haben, besuchen Sie auch das Lukishkes Gefängnis. So viel Sowjetunion gibt es in Litauen bald nicht mehr.
Die sowjetischen Besatzer gaben folgende Richtlinien zum litauischen Geschichtsverständnis heraus. Besonders möchte ich auf Punkt 4 hinweisen. Władysław II. Jagiełło war Großfürst von Litauen und durch Heirat König von Polen. Er verbündete Litauen mit dem katholischen Polen und konnte Litauen so besser vor seinen Feinden, besonders dem Deutschen Ordensrittern verteidigen. Durch die polnische Bevölkerungsmehrheit stülpte sich quasi die polnische Kultur auf die litauische. Litauisch wurde bald nur noch in den Dörfern gesprochen. Auch heute ist Jagiello in Litauen noch sehr unbeliebt. Interessant wäre, was aus Litauen ohne ihn geworden wäre.
Noch ein Hinweis: Litauen geriet in Folge der 3. Polnischen Teilung 1795 unter russische Kontrolle. Erst 1918 wurde Litauen wieder frei (1. Weltkrieg) um 1944 wieder russisch besetzt zu werden (genauer wäre sowjetisch, aber ich glaube, federführend waren da die Russen).
"ANWEISUNGEN FÜR FABRIKANTEN DER LITHAUISCHEN GESCHICHTE (Übersetzung der Tafel)
Die wichtigsten Regeln für diejenigen, die in der Sowjetzeit öffentlich über die Geschichte denken und schreiben wollten, lauteten wie folgt:
- Die gesamte litauische Geschichte ist nichts anderes als eine Einführung in die Phase des "kommunistischen Abfalls".
- Die Erörterung der Entwicklung der litauischen Staatlichkeit ist zwecklos, und der Schwerpunkt muss auf die Entwicklung der Arbeitsbeziehungen und des Klassenkampfes gelegt werden.
- Die westliche Zivilisation und ihre Ideen und Werte müssen ständig und in jeder Hinsicht verunglimpft werden, und die Geschichte des Christentums in Litauen muss kritisch dargestellt werden.
- Ein verhängnisvoller litauischer Fehler war der Anschluss an Polen, der für den Untergang des alten litauischen Staates mitverantwortlich war.
- Während der Zeit des Großfürstentums Litauen gab es nur wenige gute und sinnvolle Dinge.
- Der litauische Staat, der zwischen den beiden Weltkriegen bestand, war ein historisches Missverständnis.
- Der russische Faktor war ein universelles Gut in der litauischen Geschichte.
- Die Zugehörigkeit Litauens zum Russischen Reich im späten 18. Jahrhundert und zur UdSSR im 20. Jahrhundert brachte dem litauischen Volk neue Möglichkeiten. Als Teil der sowjetischen Welt hat Litauen ein goldenes Zeitalter erlebt.
- Dieses goldene Zeitalter muss im Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit stehen, wobei jeder Moment des sowjetischen Lebens mit großer Hingabe beschrieben wird. Schließlich ist ein sowjetischer Tag so viel wert wie Jahrhunderte der alten Geschichte!
Das gefährlichste Buch für den homo sovieticus war in den Augen der Ideologen, die versuchten, die litauische Geschichte in dieses prokrustes Bett (ein Bett, in das man nicht reinpasst) zu zwingen, eine von Adolfas Šapoka verfasste und 1936 im Kaunas der Zwischenkriegszeit veröffentlichte Synthese der Geschichte des Landes. Der Gegenpol zu diesem Buch war die von Juozas Žiugžda herausgegebene "schwarze" dreibändige Geschichte Litauens, die 1957, 1963 und 1965 in Vilnius in einer Reihe veröffentlicht wurde - ein hässliches Gefasel voller ideologischer Klischees, das mit wissenschaftlicher Forschung wenig zu tun hatte. Mit anderen Worten, ein wahres Beispiel für roten sowjetischen ideologischen Lärm."
Kleine Anmerkung: Was wäre, wenn Litauen nicht wie Polen, dem großen Gegner Russlands Katholisch geworden wäre? Serbien ist da ein Beispiel. Interessante Gedanken.
Zwischen 1958 und 1962 wurde der einst größte jüdische Friedhof Litauens platt gemacht und die Grabsteine für den Bau von Treppen verwendet. Einer dieser Treppenstufen sieht man hier.
Ein Grabstein vom größten jüdischen Friedhof als Treppe zweckentfremdet
"REPRESSIVES VERGESSEN ALS AUSLÖSCHUNG DER GESCHICHTE (Übersetzung einer Ausstellungstafel):
Die westliche Gesellschaft durchlief mehrere Phasen des Holocaust-Bewusstseins, von einer Periode des "Schweigens", die mit dem Beginn des Prozesses gegen Adolf Eichmann in Jerusalem 1962 zu Ende ging, bis zur allmählichen Herausbildung einer globalen Erinnerungskultur an den Holocaust ab den 1970er Jahren.
Im Litauen der Sowjetzeit verlief die Entwicklung der Bemühungen, den Holocaust absichtlich zu vergessen, dann zu gedenken und ihm einen Sinn zu geben, anders. Die Einzigartigkeit und der Ausnahmecharakter der Massenmorde des Zweiten Weltkriegs wurden in der Sowjetzeit verdrängt, und die Opfer des Holocaust wurden einfach mit der Gesamtzahl von 20 Millionen sowjetischen Kriegsopfern zusammengelegt und nur als Verbrechen des Faschismus und als Tod "friedlicher Sowjetbürger" im Rahmen des "Großen Vaterländischen Krieges" erwähnt. Die Tatsache des Holocausts wurde auf diese Weise durch die Einfügung ideologischer Bedeutungen verändert, indem der Völkermord als Klassenkampf zwischen den "friedlichen Sowjetbürgern" und den "faschistischen deutschen Okkupanten" interpretiert und die jüdischen Holocaust-Opfer jeglicher nationaler oder ethnischer Identität beraubt wurden.
Ein Symbol für diese selektive Erinnerung war die Neunte Festung in Kaunas, die von den sowjetischen Behörden in einen zentralen Ort des Gedenkens an den "Großen Vaterländischen Krieg" verwandelt wurde. Die sowjetische Geschichtspolitik und Ideologie verhinderte auch die vollständige Erforschung der dunklen Vergangenheit von Paneriai (Ponary), dem größten Massenmordort des Holocausts in Litauen. Das Gedenken an die schrecklichen Verbrechen dort wurde zu einem komplexen und kontroversen Prozess.
In Wahrheit war ein großer Teil der litauischen Gesellschaft der Sowjetzeit mit einem solchen Gedenken zufrieden, da es keine Auseinandersetzung mit einer der dunkelsten Seiten der litauischen Geschichte erforderte und niemanden dazu zwang, sich der unangenehmen Frage zu stellen, welche Rolle die Litauer beim Massenmord an den Juden spielten."
Typische Wohnzimmervitrine im sowjetischen Litauen
Details der Haftzellen
Reise in die Vergangenheit
Treppenhaus der Haftanstalt
Sammelbilder
Ein Besuch im Lukishkes Gefängnis wird von mir sehr empfohlen.
Hinweis: wenn jemand in meinen Anmerkungen einen Fehler feststellt, bitte Bescheid sagen.