Paneriai
Ohne Navi hätte ich die Gedenkstätte nie gefunden. Ponary, wie der Ortsteil von Vilnius auf Polnisch heisst, liegt im Wald versteckt und ist durch die Eisenbahnschienen und eine Paneriai Strasse in Vilnius (die verwirrt) nicht so einfach erreichbar.
Links von der Firma "Stonelita" liegt die Gedenkstätte Auf der Geländekarte sieht man das rote Dach des Museums
Sie liegt am Ende einer Sackgasse, mitten im Wald an einer Bahnlinie, also ideal für die Pläne der Nazis.
In Paneriai wurden zwischen 1941 und 1944 an die 100.000 Juden, Polen und russische Kriegsgefangene von den Deutschen und ihren litauischen Helfern ermordet und verscharrt. Die Sowjets hatten vor dem deutschen Einmarsch hier Gruben ausgehoben, um Öltanks zu installieren. Trotz der Lage mitten im Wald, gab es Zeugen, die ziemlich gut mitbekamen , was hier im Wald geschah.
Christina Eckert beschreibt (im Buch "Holocaust in Litauen" den Ort Paneriai bei Vilnius, bei dem der größte Teil der litauischen Juden in noch von den Sowjets ausgehobenen Gruben ermordet wurden (waren für Öltanks gedacht). Bis zu 70.000 Juden, 20.000 Polen sowie Russen und Roma wurden getötet. Davon "viele, wenn nicht die überwältigende Mehrheit der jüdischen Opfer in Litauen unter Beihilfe oder direkt von Litauern".
Die Besatzungsmacht versuchte die Morde geheim zu halten, konnten aber Beobachtungen, z.B. durch die Paneriai Nachbarn nicht verhindern. Der polnische Augenzeuge Kazimierz Sakowicz hat über die Morde ein Tagebuch geführt. Darin heißt es etwa im Juli 1941, dass nur eine Frau ermordet wurde (anfänglich wurden vorwiegend jüdische Männer ermordet. Diese "Hemmschwelle" fiel aber sehr schnell.
"Für die tödliche Schnelligkeit und Effizienz, mit der die Juden in Paneriai ermordet wurden, waren die Arbeitsteilung der Täter und eine strikte Organisation die entscheidenden Voraussetzungen. Die Opfer wurden zuerst im Lukiskes-Gefängnis gesammelt und dann von dort zu Fuß, mit Lastwagen oder mit der Eisenbahn nach Paneriai gebracht. Die 4.861 Quadratmeter große Erschießungsstätte war abgesperrt, das Gelände vermint, zudem waren 100 litauische Schützen um das Waldstück postiert".
Sakowicz schrieb in sein Tagebuch, dass am 19. August in Paneriai auch Frauen und viele Jugendliche ermordet wurden. Eckert hält die Opferzahlen von Karl Jäger sogar für zu niedrig angesetzt, die Zahl der ermordeten Juden in Paneriai hätte viel höher gelegen.
Die Kleidung der Ermordeten wurde der weiteren Verwertung zugeführt (blutige Kleidung war auf polnischen Märkten billig zu kaufen). Das führte zu Gerüchten, die auch ins Ghetto drangen.
Trotzdem glaubten noch viele Juden an Umsiedelungen.
(siehe Christine Eckert: Die Mordstätten von Paneriai (Ponary) bei Vilnius).
1989 wurde ein Denkmal für die ermordeten Juden errichtet (gespendet von Sh. Epstein, früher ein Einwohner von Vilnius, heute Israel). Davor gab es keine Nennung der Ermordeten. Alle waren friedliche Sowjetbürger.
In den 1990er Jahren wollten die Juden die Gedenksteine umbenennen. Bisher stand auf dem Denkmal, das die Juden von den Faschisten ermordet wurden. Der gewünschte Zusatz: "...und ihren lokalen Helfern" fand bei den Vilniuser Behörden keine Freunde. Man einigte sich dann darauf, den Text in jiddisch und hebräisch zu ändern, die litauische Inschrift so zu belassen. (Gitelmann "Bitter Legacy)
Im Juni 2016 wurde auf dem Paneriai Gelände ein Fluchttunnel gefunden, den im Frühjahr 1944 etwa 36 Juden gruben, die in Paneriai die Spuren des Holocaust beseitigen sollten (die sogenannten Leichenbrenner). Sie flüchteten durch den Tunnel und die elf Überlebenden schlossen sich den Partisanen an. Ein ähnliches Ereignis gab es im 9. Fort in Kaunas. Hier flüchteten sich die Juden ins Getto nach Kaunas oder versuchten die Partisanen zu erreichen. Interessanterweise überlebten nur einige der Getto Flüchtlinge (siehe Alex Faitelson). Danke für die Info an Dr. Ekatherina Makhotina.
Paneriai
Weg zur Gedenkstätte Museum
Orte der Massaker sind markiert Mahnmal für die ermordeten Juden
Erinnerung an die ermordeten sowjetischen Kriegsgefangenen
Denkmal für die ermordeten Polen
Für jede Opfergruppe gibt es ein eigenes Denkmal. Für die größte Gruppe, ca. 70.000 Juden wurden gerötet, gibt es mehrere. Laut Wikipedia ist das polnische Denkmal nicht ausgeschildert, eine etwas seltsame Behauptung, da es klar den polnischen Opfern gedenkt. Das sowjetische Denkmal spricht (statt von Juden) noch von sowjetischen Bürgern.
Denkmal für die ermordeten LTDF Soldaten
Außerdem gibt es eine Erinnerung an die im Mai 1944 getöteten Litauer der "Lithuanian Territorial Defense Forces" (Lietuvos vietine rinktine), also der "Litauischen Heimatarmee". Diese in der Spätzeit der deutschen Besatzung gegründete "Heimatarmee" unter General Povilas Plechavicius sollte die anmarschierende Rote Armee abhalten, litauisches Territorium zu betreten. Weil die Front aber noch entfernt war, half die LDTF den Deutschen, Litauen zu befrieden (in Kämpfen mit den sowjetischen Partisanen und der Polnischen Heimatarmee AK). Als der deutsche Druck zunahm, die LTDF auch an der Front außerhalb Territoriallitauens einzusetzen und die Litauer einen Eid auf Hitler ableisten sollten, befahl General Plechavicius den Soldaten die Kämpfe gegen die AK (Polnische Heimatarmee) einzustellen und den Dienst zu verweigern. Die Litauer sollten ihre Waffen nehmen und sich in die Wälder zurückziehen. Zu den daraufhin folgenden deutschen Repressalien gehörte die Gefangennahme des Stabs von General Plechavicius mit Deportation ins lettische Salaspils. Soldaten des LTDF wurden ins Konzentrationslager Stutthof und nach Oldenburg verschleppt. Viele Soldaten wurden von den Nazis erschossen, teilweise öffentlich. In Paneriai, wo 1941 die Vilniuser Juden ermordet wurden, mussten 86 Soldaten der LTDF sterben.
Die räumliche Nähe eines Denkmals für die mit den Deutschen kooperierenden Litauer (1944 war der mit litauischer Hilfe begangene Massenmord an der jüdischen Bevölkerung längst abgeschlossen) mutet makaber an.
Neben den Denkmälern gibt es ein kleines Museum (hatte zu) und mehrere im Wald verteilte Gruben, in denen die Massaker verübt wurden. Am Museum ist eine Übersichtskarte angebracht.
Die ungefähr 80 Leichenbrenner in Paneriai (im Neunten Fort in Kaunas waren auch jüdische und russische Gefangene für die Beseitigung der Jahre vorher Ermordeten eingesetzt. Ein Befehl Himmlers um die Spuren des Holocaust zu vertuschen, weil sich der Endsieg nicht einstellen wollte(Sonderbefehl 1005). Die Leichenreste mussten ausgegraben werden, wurden verbrannt und die Knochen anschliessend in Knochenmühlen gemahlen(Faitelson)) buddelten einen 30 Meter langen Gang und einige konnten sich durch ihn retten. Leider schafften es nicht alle Gefangenen zu entkommen, da die ersten Geflüchteten laut Augenzeugen durch Minen getötet wurden und einige Leichenbrenner lieber in den Gruben blieb. Nur wenige erreichten die Linien der Partisanen.
Danke für die Information an Zigmas Vitkus (Chef der Paneriai Gedenkstätte)
Liegt sehr einsam: Paneriai
Paneriai Gedenkstätte
Agrastu Gatve 17
02243 Paneriai
Paneriai liegt etwa 10 km süd-westlich von Vilnius. Es gibt auch eine Paneriai Strasse nahe (auch südlich) von Vilnius.
Website der Gedenkstätte Ponary
Die geheimen Aufzeichnungen des Kazimierz Sakowicz, Rezension des Buches