Die geheimen Notizen des K. Sakowicz

Dokumente zur Judenvernichtung in Ponary (Paneriai) 1941-1943

Kazimierz Sakowicz


Kazimierz Sakowicz war polnischer Journalist und Mitglied der Polnischen Heimatarmee „Armia Krajowa“. Vor dem Krieg besaß er die Zeitung "Przeglad Gospodarczy"  (Wirtschaftswoche), während der deutschen Besatzung arbeitete er als Händler für Rinderleder (Dieckmann, Besatzungspolitik).

Er bewohnte ein Haus direkt an einem der schlimmsten Massaker-Orte in Litauen, dem Örtchen Ponary, litauisch Paneriai, in dem von 1941 bis 1944 100.000 Menschen bestialisch ermordet wurden. Meist Juden, aber auch viele sowjetische Kriegsgefangene, Roma und Polen.

Sakowicz schrieb seine täglichen Beobachtungen vom Dachboden seines Hauses auf kleine Zettel und versteckte sie, der dauernden Gefahr durch seine Umgebung bewusst, in Limonadenflaschen in der Umgebung seines Hauses. Die Flaschen wurden nach dem Krieg von Sakowicz Bruder gefunden, der Text 1990 katalogisiert von Dr. Rachel Margolis, (die auch einen Teil des Vorworts schrieb) entschlüsselt und in Reinschrift abgeschrieben.
Die Aufzeichnungen sind in mehreren Sprachen erschienen. Die Notizen vom November 1943 bis zu Sakowicz Tod im Juni 1944 fehlen. Auf dem Weg nach Vilnius geriet er in einen Hinterhalt von Unbekannten und wurde erschossen.

Notizen Kazimierz Sakowicz

Zettel mit Notizen von K. Sakowicz (Haus der Geschichte, Vilnius)

Sakowicz geheime Notizen gehören zu den erschütterndsten Dokumenten über den Holocaust, die ich gelesen habe. Sicher sind die Gräuel in den Konzentrationslagern vor und neben den Gaskammern noch viel schlimmer, aber mir reicht da meine Fantasie.  
Die Einleitung schrieb die litauisch-polnische Holocaust Überlebende Dr. Rachel Margolis und der Filmemacher und Journalist Jim G. Tobias. 

Boris Shapiro Vilnius

Ein Pass von Boris Shapiro. Sakowicz erwähnt seine Flucht und den Pass in seinen Aufzeichnungen.

In der Einleitung wird die Geschichte Litauens, der litauischen Juden, die sowjetische Besetzung und der deutsche Angriffskrieg erläutert. Und dann geht es los mit der Beschreibung der Gräuel, die die deutsche Kulturnation in Litauen angerichtet hat. 
Kurz gesagt: es wurden alle Juden aus Vilnius und Umgebung nach Paneriai gebracht (polnisch Ponary, bis 1940 gehörte Vilnius zu Polen und hatte auch eine polnisch-jüdische Bevölkerung) gebracht und hier in noch von den Sowjets 1940 ausgehobenen Gruben erschossen oder erschlagen. Das ganze Buch handelt von Schilderungen, wer gebracht wird, wer schießt, wie die „Verurteilten“ angezogen waren, ob sie nackt oder in Unterhosen erschossen wurden und wer die Kleidung der Opfer wem verkauft. 

Aufschlussreich ist Sakowicz Satz: „Für die Deutschen bedeuten 300 Juden 300 Feinde der Menschheit, für die Litauer sind es 300 Paar Schuhe, 300 Hosen usw.“ S.53 
Sakowicz Aufzeichnungen sind trotz der Wiederholungen im täglichen Ablauf (Mord, Mord, Mord) spannend zu lesen und rütteln auf, appellieren an den Leser, nicht den Forderung „Irgendwann muss auch mal Schluss sein“, „Die Juden hatten auch selber Schuld“, „Was haben wir denn damit zu tun“ nachzugeben.

Als ich das Buch in Litauen las, fragte man mich tatsächlich, warum ich von „unserer Verantwortung“ (also der Deutschen) sprach. Als ob die Verantwortung für den Holocaust nicht bei ‚uns‘ Deutschen liegt, sondern bei irgendwelchen entfernten Vorfahren oder nur bei Hitler. Seltsamerweise sind Gediminas und Vytautas, obschon sie vor 6- bis 700 Jahren lebten und wahrscheinlich nicht mal litauisch sprachen, natürlich integraler Bestandteil der litauischen Kultur. Überhaupt war meine Reise im Januar 2023 nach Litauen eine Enttäuschung hinsichtlich des Geschichtsverständnisses von vielen Litauern (natürlich habe ich das nicht empirisch geprüft). Es waren angeblich nur Juden, die Litauer gefoltert haben (als Mitglieder der sowjetischen Sicherheitsorgane, was Schwachsinn ist, da über die Religion der hier gemeinten Morde in Rainiai keinerlei Informationen vorliegen), fast kein Litauer hat den Deutschen geholfen und Litauer, die in hohen litauischen Verwaltungspositionen die deutschen Befehle ausführten, können durchaus litauische Helden sein, Hauptsache sie kämpften gegen die Sowjets. Es ist erstaunlich wie einseitig die litauische Geschichtsauffassung ist, wie wenig Verständnis für die Opfer da ist. Es kommt mir bei nicht wenigen Gesprächspartnern vor, als sei man insgeheim froh, die Juden los zu sein. Harte Worte, es folgen noch härtere Ausschnitte aus dem Text. Deutlich wird nämlich die unentbehrliche Hilfe für die deutsche Mordmaschinerie durch die litauischen Mitglieder des Schützenverbandes, die im Buch Szaulisi – Schützen - genannt werden.

Zur „Schuld“ ist folgender Satz im Vorwort ausreichend:
„Bei den Bewohnern des Ghettos galten Weiss und Hering als »die eigentlichen Chefs des Ghettos« und somit als die »Herren über Leben und Tod«.94 Die SD-Männer befehligten u. a. auch die regelmäßig von deutscher Polizei und litauischen Hilfskräften im Ghetto Wilna durchgeführten Razzien. Dabei wählten sie »in zahllosen Einzelfällen persönlich die Menschen aus, die den Erschiessungstransporten zugeteilt« wurden und begleiteten den Zug der Todgeweihten auf ihrem Marsch nach Ponary. Hering und Weiss nahmen »als speziell vorgesehene Überwachungsorgane des SD« an zahlreichen Massenexekutionen teil, wobei der »Angeklagte Weiss insgesamt der Erschießung von mindestens 30000 Menschen, der Angeklagte Hering von mindestens 4 000 Menschen« beiwohnte. Nach Erkenntnissen des Gerichts erteilten sie überdies »dem litauischen Sonderkommando die für die Exekutionen erforderlichen Befehle«"!“ S.38

Zitate aus dem Buch
Vorwort:
Die Hinrichtung wurde von Karl Jäger angeordnet. In seinem geheimen Bericht bestätigte er, dass an diesem Tag »8-10 bewährte Männer« des Einsatzkommandos 3 und die ihm unterstellten litauischen Hilfskräfte 3700 Juden (864 Männer, 2019 Frauen, 817 Kinder) getötet hatten.“ Die 16-jährige Pesia Szlos und die 11-jährige Judyta Trojak überlebten dieses Massaker. Sie wurden durch Schüsse verletzt, stellten sich tot und konnten später nach Wilna entkommen. S.15

„Die Menschen konnten es sich nicht vorstellen, dass die Kulturnation Deutschland alle Juden töten wollte; sie waren fest davon überzeugt, dass Ponary ein Arbeitslager sei. Erst als die jüdischen Widerstandskämpfer um Abba Kovner im Januar 1942 ihren berühmten Aufruf »Laßt uns nicht zur Schlachtbank gehen wie Schafe!« veröffentlicht hatten, setzte sich bei den Bewohnern des Ghettos Wilna langsam die grausame Wahrheit durch. »Wo sind die von der Polizei verhafteten vielen Hundert Männer, die angeblich irgendeine Arbeit tun sollten?«, fragten die jüdischen Partisanen. »Diejenigen, die aus dem Ghetto weggebracht wurden, werden niemals zurückkehren, denn alle Wege der Gestapo führen nach Ponary. Und Ponary heißt Tod!«1“ S.16

„Am 4. Juli1941 übernahm der Befehlshaber des Einsatzkommandos 9 aus der Einsatzgruppe B, SS-Obersturmbannführer Alfred Filbert, die Leitung der Mordaktionen in Wilna,27 wobei er die ihm unterstellte litauische Polizei beauftragte, »laufend Namenslisten der Wilnaer Juden, zuerst die Intelligenzschicht, politische Aktivisten und wohlhabende Juden, aufzustellen«28. Gleichzeitig ord-nete er an, die Effizienz der Tötungen zu erhöhen und untersagte das wilde »Abknallen der Opfer mit Maschinengewehrgarben«. Stattdessen sollten die Litauer »gezielte Schüsse mit Karabinern oder Maschinenpistolen« abgeben. Damit war es nach Auffassung der SS gewährleistet, »innerhalb einer Stunde mehrere hundert Menschen umzubringen«.29  …
Drei deutsche Soldaten einer Kraftwagenkolonne, die in der Nähe der Hinrichtungsstätte einquartiert waren, wurden Zeugen einer dieser Massenerschießungen. »Ich kann nicht sagen, ob wir am 5. Juli oder 10. Juli 1941 nach Paneriai gekommen sind. Wie ich bereits vorher angegeben habe, habe ich während unseres Aufenthaltes im dortigen Waldgebiet Judenerschießungen in größerem Umfange erlebt. Ich kann nicht mehr sagen, ob es am ersten oder zweiten Tag unseres Aufenthaltes war, als ich während der Fahrzeuginstandsetzung plötzlich eine Kolonne von etwa 400 Mann, aus Richtung Wilna kommend, auf der Straße in den Kiefernwald gehen sah. Die Kolonne, die ausschließlich von Männern im Alter von 25—60 Jahren bestand, wurde unter Bewachung von litauischen Zivilisten in den Wald geführt. Die Litauer waren mit Karabinern ausgerüstet.« Neugierig geworden, folgten Soldaten dieser Kolonne und standen schon bald vor den Gruben von Ponary. »Als wir an der Stelle ankamen, sahen wir Litauer - daß es sich um solche handelte, erfuhren wir etwas später, als wir mit dem Leiter des Kommandos sprachen —, die dabei waren, massenweise Juden zu erschießen. ... Vor dem MG am Grubenrand standen 10 Delinquenten, die von der MG Bedienung regelrecht in die Grube geschossen wurde.“ S.28

„Unter der Leitung des Einsatzkommandos 9, das bis zum 20. Juli 1941 in Wilna stationiert war, haben bis zu diesem Tag etwa 15034 litauische Freiwillige an die 5 000 jüdische Männer exekutiert.35 Wie viele Juden bereits vor dem Eintreffen der Deutschen durch Litauer in Ponary ermordet wurden, ist nicht bekannt.“ S.28

„Es war der höchste jüdische Feiertag, an dem die Nazis und ihre litauischen Helfer ins Ghetto marschierten und die Bewohner brutal zusammentrieben. »Das Geschrei der Frauen und Kinder, die mit Gewehrkolben und Gummistöcken geschlagen wurden, war fürchterlich. Um die Schreienden zum Schweigen zu bringen, begannen die litauischen Soldaten ziellos und unkontrolliert zu schießen, bis die zu Tode erschrockenen Menschen tatsächlich aufhörten zu schreien. Alle Festgenommenen wurden auf die Straße gebracht und dann von litauischen Soldaten umringt«, notierte der Zeitzeuge Grigorij Schur in seinem Tagebuch,52 Bei dieser Razzia wurden insgesamt 3 90053 Juden zur Hinrichtung nach Ponary gebracht.“ S. 30

„Unter dem Vorwand einer Evakuierung in das Ghetto Kowno wurden am 5. April über 4000 Juden zusammengetrieben und in zwei Sonderzügen mit jeweils rund 40 Güterwagen verladen und nach Ponary gebracht.69 Als die Gefangenen aus dem Zug getrieben wurden und die Hinrichtungsstätte erblickten, »revoltierten sie und versuchten zu entkommen. Ihre Leichen lagen auf einer Strecke von mehr als einem Kilometer Länge«, … .“  S.33

»Um sieben Uhr kamen die Gestapoleute mit der litauischen Sondereinheit, und es begann ein wildes Gemetzel.« Eine Frau, die versuchte, ihr Kind zu retten, schrie dem Leiter der »Aktion« Martin Weiss ins Gesicht: »Du Mörder und Henker, du wirst mein Kind nur über meine Leiche bekommen!« Weiss erschoss die Mutter kaltblütig, schritt über den Leichnam und ergriff ihr Kind.78   S.34

„Hier wurde zum ersten Mal deutlich, daß die Banditen ihre Opfer alle auf die gleiche Art und Weise erschossen hatten - von hinten ins Genick. ... Kaum eine der Kinderleichen hatte Schußwunden. Den herausgestreckten Žungen nach zu urteilen, waren die Kinder offensichtlich lebendig begraben worden.« “ S.36

„Nachdem wir zum Ort der Erschießung zusammen mit dem Erschießungskommando, bestehend aus den SD-Angehörigen, litauischen Soldaten und einigen Polizisten, kamen, begannen wir um 9 Uhr morgens zu erschießen. ... Insgesamt wurden an diesem Tag ungefähr 300 sowjetische Bürger erschossen. ... Anfang Oktober 1941 wurden an demselben Ort Ponari ungefähr 800 sowjetische Bürger, worunter auch Kinder waren, von einigen Polizisten, SD- Angehörigen und litauischen Soldaten erschossen.“ S. 42


„Wenngleich die Zahl der jüdischen Opfer in Ponary bekannt ist, bleibt die Zähl der zur Verantwortung gezogenen litauischen Täter im Dunkeln. Zwar hatten die sowjetischen Behörden sofort nach der Befreiung Wilnas mit den Vernehmungen130 der wenigen Überlebenden der Vernichtungsaktionen begonnen und manchen Mörder identifizieren können,131 doch wird es die Aufgabe zukünftiger Forschungen bleiben, herauszufinden, wie viele der »hochqualifizierten Berufsmörder«132 letztlich zur Verantwortung gezogen wurden. Denn allein in Litauen dienten im September 1942 16 600 Einheimische in den so genannten Schutzmannschafts-Bataillonen, die direkt oder indirekt am Morden beteiligt waren. »Damit dokumentiert sich der hohe Grad an Verläßlichkeit, den die Besatzer den litauischen Kollaborateuren insgesamt beimaßen.« S.43


Als die Deutschen im Juni 1941 in Litauen einfielen, waren dort (einschließlich des Wilnaer Gebiets) rund eine viertel Million Juden ansässig. Davon lebten Ende des Jahres nur noch 40000, innerhalb von sechs Monaten wurden somit über 80 Prozent der jüdischen Bevölkerung »unter tätiger Teilnahme litauischer Helfer zwar, aber in deutscher Verantwortung« erbarmungslos abgeschlachtet. Mit der massenhaften Ermordung kompletter Familien in Ponary, »einem der ersten provisorischen Vernichtungslager«, durch mobile Tötungskommandos und stationäre SD-Einheiten war das letzte Tabu gebrochen. Daher konnten die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD in Litauen schon im Januar 1942 in ihrem Tätigkeits- und Lagebericht melden, dass »das flache Land und die kleineren Städte vollständig von Juden gesäubert« worden waren.’43 Im Vergleich zu anderen von den Nazis besetzten Ländern war die exzesshafte Steigerung der Mordrate in Litauen einzigartig und ist daher als Auftakt der »Endlösung« anzusehen.“ S.43


Zitate aus den Notizen des Kazimierz Sakowicz:

„Auf der Grodzienka1 erfahre ich, dass man viele Juden in den Wald getrieben hat. Und plötzlich schießt man [auf] sie.
Es war der erste Tag der Erschießungen. Ein belastender Eindruck. Die Schüsse verstummten nach acht Uhr abends, danach gab es keine Salven mehr, sondern nur einzelne Schüsse. Es wurden 200 Juden gesehen. Auf der Grodzienka steht ein litauischer Militärposten, der die Passanten überprüft.  …
Es schießen Szaulisi, [AK: litauische Schützen] junge Burschen zwischen 17 und 25 Jahren. Im Haus von Juchniewicz hat sich ein Militärposten eingenistet, der die Gegend bewacht. Eine Gruppe von Juden (5 Personen) geht zum Posten, holt sich Schaufeln. Es zeigt sich, sie werden die gestern Erschossenen [mit Erde] bedecken. So geht es die ganze Woche. Dann wird der Militärposten bei Juchniewiczs geräumt. Nur Szaulisi schießen und halten Wache.“ S. 51

[Ich bin mir nicht sicher, ob mit Szaulisi Mitglieder des litauischen Schützenverbandes gemeint sind, oder einfach nur Schützen. In Rainiai sind 1941 von den abziehenden Sowjets 76 Mitglieder des Schützenverbandes brutalst ermordet worden.]


Seit dem 14. Juli zieht man die Leute bis auf die Unterwäsche aus, der Handel mit der Kleidung blüht. Fuhrwerke aus dem Dorf Gorale [sieht man] am Bahnübergang (Grodzienka).  …
Handel auf Hochtouren. Man kauft Kleider für 100 Rubel und findet [im Futter] eingenähte 500 Rubel! Szaulisi [AK: litauische Schützen] mit vollgestopften Rucksäcken voller Uhren, Geld usw. [Tausch]handel auf Hochtouren.“  S.52


„Seit dem 22. August nehmen die Deutschen [den Delinquenten] alle Wertgegenstände ab und überlassen den Litauern nur die Kleidung usw.“ S. 56

 


Vergewaltigung:
…“Die erste Gruppe - junge Jüdinnen — wurde von Litauern erschossen. Kiejzik prahlte vor der Tochter von Hawel damit, dass sie, als sie sich nackt ausgezogen hatten, sehr schön ausgesehen hätten.
Die zweite Gruppe, die einige Stunden später ankam, wurde nicht mehr von Szaulisi, sondern von den Deutschen ermordet.
Es scheint, als ob die Deutschen [die nächste Gruppe] nicht an die Szaulisi übergeben hatten, sondern [die Leute] selbst töteten, als sie feststellten, dass die [Jüdinnen] nackt waren.
Dies hatte vermutlich zur Folge, dass die Litauer verärgert waren und sich an den Deutschen rächten, indem sie ihnen unterstellten, »ihre Rasse mit den Jüdinnen besudelt zu haben«. Denn, nachdem die Jüdinnen hergebracht wurden, wurden die Szaulisi von den Deutschen von der Stelle des Tumultes bis zu den Toren fortgejagt und es verging fast eine Stunde von der Ankunft [der Frauen] bis zu den ersten Schüssen.
Dass Kiejziks die Wahrheit über die Nacktheit [der Jüdinnen] sagte, wurde durch die Tatsache bestätigt, dass am nächsten Tag Seidenstrümpfe verkauft wurden.“  S.56


„Die Leute wurden geschlagen, bevor sie erschossen wurden (laut Jankowski), [Die Szaulisi] straften auf grausame Art und Weise sowohl Männer als auch Frauen. Die Männer wurden separat erschossen, die Frauen mussten sich bis auf die Unterwäsche ausziehen. Viele Sachen, Pelze und Wertgegenstände [hatten die Juden mitgenommen], da sie dachten, dass sie ins »Ghetto« gehen würden.
Ein litauischer Unteroffizier ging in einem Damenpelz auf die Straße (laut Kalinowski). Er war betrunken. Bei den Hinrichtungen ging man so vor, dass sich die [zur Erschießung vorgesehene] Gruppe auf die Körper der vorher Getöteten stellen musste. Sie [die Opfer] gingen und gingen [buchstäblich] über die Leichen! Die Gräber wurden gleich am nächsten Tag zugeschüttet.
Es gab viele Verletzte. Eine Frau flüchtete nach Dolna. Ihre Hand war durchschossen. Sie konnte im Graben neben sich ihre zwei getöteten Kinder sehen, und in einer weiteren Grube kam ihr Mann um.
Heniek und seine Frau trafen am gleichen Tag 5 blutbefleckte Jüdinnen, ihre Kleidungen waren vom Draht zerfetzt.
Am nächsten Tag, dem 3. September (Mittwoch) kam eine Jüdin aus Wilna bei den Jankowskis vorbei; ein Litauer, Szaulis bemerkte sie. Er stürzte auf die Veranda und fragte: »Bist du Jüdin?« Als sie antwortete, ja, sie sei Jüdin, begann er sie brutal zu schlagen, zerrte die Frau in den Wald und erschoss sie dort.“ S. 58


„Die Erschießungen [der Juden] dauerten den ganzen Tag. Danach betranken sich die Szaulisi, ebenso am folgenden Tag. Viele Wertsachen nahmen Litauer an sich, da man den ins Ghetto »geschickten« [Juden] sagte, sie könnten [alles] mitnehmen. Also nahmen sie Wertgegenstände sowie warme Kleidung usw. mit. Die Litauerinnen waren angekommen, um die Kleidung zu holen.“ S. 60


… „Bemerkenswert war, dass die litauischen Soldaten, die in den Lastwagen zurückfuhren schon die Sachen [der Ermordeten] aufteilten. Wie hatten die dies so schnell fertig gebracht?“ S. 61


Eine andere junge Jüdin, 19 oder 20 Jahre alt, [Angehörige der] Intelligenz, gekleidet in einen grauen Mantel mit schwarzem Pelzkragen, neben sich einen Knaben, ca. 3 oder 4 Jahre alt in einem dunkelblauen Mantel, stürzt sich zu Boden (dieser war sehr matschig) und küsst die Füße eines Unteroffiziers und fleht um ihr Leben. Sie umklammert die mit Schlamm
bespritzten Schuhe und fleht. Um sein Bein loszubekommen, stößt er ihr mit der Schuhspitze an den Kiefer und gleichzeitig reißt er das Bein aus ihrer Umarmung heraus; [dadurch] platzt die Haut ihrer Wange auf; es fließt Blut mit Schlamm gemischt. Die Jüdin liegt auf dem Boden und fleht auf der Straße vor dem Eingang zur Hinrichtungsstätte [die Henker] krampfartig schluchzend an, ein anderer Soldat schlägt sie mit dem Gewehrkolben. Sie ergreift den Gewehrkolben und ... sie küsst ihn kniend. Dann ergreift der Soldat den weinenden Knaben, holt Schwung, und wirft ihn dann wie ein Stück Holz über den Stacheldraht. Dort hebt er wiederum den Gewehrkolben hoch, um das Kind zu schlagen. Die Jüdin
stürzt nach vorne, auf die andere Seite des Stacheldrahtes. Sie schützt den Jungen [mit ihrem Körper]. S. 62

“30. Oktober31
Ein schönes sonniges Wetter. Um 9 Uhr morgens kommen 4 Lastwagen mit litauischen Soldaten und Offizieren an. Bald [folgen ihnen] 4 LKWs mit alten Frauen und Kindern. Die Schießerei beginnt. Um 10 Uhr taucht ein langer Zug [der Todeskandidaten] in der Nähe der Kapelle auf. Als [die Gefangenen] zur Straße nach Grodno kommen, versuchen einige Personen zu flüchten. Schüsse.“  S.64

„Eine Jüdin erkannte, nachdem sie durch das Tor hereingekommen war, wohin man sie gebracht hatte. Sie überredete ihre Kinder (ihren kleinen Sohn) zur Flucht. Der Junge passte den richtigen Augenblick ab und rannte los. Ein litauischer Offizier bemerkte dies. Er schrie, der Kleine solle anhalten und schoss mehrmals [auf ihn]. Das Kind blieb stehen. Der Offizier lief zu ihm und tötete es mit einigen Schüssen (mit einer Serie von Schüssen). Das Kind brach zusammen. Die Mutter stürzte zu ihm, aber der Soldat [der Offizier] stach sie mit dem Bajonett nieder. Sie fiel zu Boden. Andere Juden bekamen den Befehl, die Frau wegzutragen.“ S. 64

„1. November
Man schoss [auf] Juden, Jüdinnen und Kinder.
Es scheint mir, dass der 6. November wird fallen ... der Massenmorde. Am 1. November beseitigten fromme Vertreter der katholischen litauischen Nation 4 Lastwagenladungen mit Juden. Sie schossen jetzt schon in ihren militärischen Uniformen. Der 1. November (Samstag) war Feiertag - Allerheiligen. Das hinderte sie nicht daran, Erschießungen durchzufuhren.“ S. 65

„19. November
Es wurden über 200 Frauen und Kinder hergebracht.34 Es war kalt, kühler Wind. Da die [Soldaten] keine Patronen mehr hatten, gingen sie in eine Hütte35, um sich aufzuwärmen. Doch anstatt die Munition zu holen, nahmen sie den Müttern ihre Babys weg und erschlugen sie mit Gewehrkolben. Es scheint mir, dass es (früher) Fälle gab, dass die [Soldaten] sich nicht die Mühe machten, jeden »Bengel« einzeln zu erschießen. Sie warfen sie einfach in die Gruben.“  S. 66

„Seit einiger Zeit wurde das Notieren der Tage der Erschießungen durch zwei Umstände erschwert: Erstens: die Litauer bringen keine Kleidung mehr für die Bauern auf die Landstraße, sondern liefern sie bei Jankowski ab, der seit dem Frühling in der Nähe des Stützpunktes im Wald wohnt; zweitens: ab und zu werden die Gruben mit Erde zugedeckt (diesmal gründlicher), wegen des Geruchs“  S. 70

„„Es hieß, dass es 6 Personen waren, darunter 5 Männer und ein sehr schönes junges Mädchen. Sie flohen in den Wald. Man jagte sie, feuerte mit Pistolen auf sie (angeblich schossen diesmal Deutsche). Maryla sah einen der Flüchtenden. Die Schießerei war heftig. Offensichtlich musste man [die Flüchtlinge] im Wald suchen, um sie zu ergreifen.“  S.70

„Nach Ponary kamen 2 Szaulisi. Sie brachten einen Schafspelz und boten ihn zum Kauf an. Sie gingen Richtung Czarna Krynica. In der letzten Zeit beraubten die Szaulisi immer öfter Leute auf der Straße. In Wilna erzählt man sich, dass litauische Militärs spezielle Abzeichen aus Ponary hätten. Es ist nicht wahr, es schießen auch Soldaten mit anderen Abzeichen und ..., darunter auch Kavalleristen!“ …
Enge Beziehungen zu den Szaulisi (eigentlich sind es keine Szaulisi, sondern Militärs) pflegen litauische Eisenbahner, Polizisten, das Fräulein vom Postamt und überhaupt die gesamte »litauische Kolonie« aus Ponary.
... die nach den Misshandlungen — einer der Soldaten beschwerte sich, dass ihn das Schlagen mehr [als das Erschießen] ermüdet hätte - erschossen wurden. Angeblich wurden viele Schwerverletzte [lebendig] begraben, da [den Soldaten] die Arme von den Schlägen und Erschießungen wehtaten, und sie deshalb nicht mehr schießen, nicht mal mehr einen Fangschuss
 [den Verletzten] geben wollten.“ S.71

„25. August, Dienstag
Es wurden 8 Personen umgebracht, wer [sie waren], ist nicht bekannt. Man hörte nur Weinen, und dann zahlreiche Pistolenschüsse. Es schossen wie üblich die Litauer.“ S. 72

„10. September, Donnerstag
Am Nachmittag gegen 5 (17) Uhr, an [diesem] sonnigen Tag, war ich im Häuschen46. Unerwartet tauchte ein Auto mit abgedeckten Fenstern auf. Die Deutschen fuhren zum Stützpunkt und hatten eine Person bei sich. Sie schickten die Litauer vom Stützpunkt weg, erschossen die Person selbst und vergruben sie. Als die Litauer zurückkamen, gruben sie die Leiche aus, um ihr die Kleidung wegzunehmen um sie dann zu verkaufen. Man konnte nicht erfahren, wer diese Person gewesen war, ob Jude oder Christ?“  S. 73

„Um 8.30 kam ein Lastwagen von der strategischen Landstraße her; Schüsse. Das Auto fuhr nach Wilna zurück und war eine Stunde später wieder [hier], mit einer weiteren Gruppe von Verurteilten. Angeblich [er]schoss man die sog. »Partisanen« aus dem Kreis Wilna. Einer war aus Molodeczno. Warum [hat man sie] bis nach Ponary [gebracht]? Die Litauer nahmen die Sachen der Opfer mit, um sie in Nowosiolki und Chazbijewicze zu verkaufen. Man erzählte sich, dass in einem Anzug ein an die »Ehefrau« gerichteter Zettel gefunden wurde, [auf dem stand], dass sie ihn retten solle. Er [der Delinquent] schrieb, er wisse nicht, warum er inhaftiert worden sei.“  S.74

„14. November, Samstag
2 Wagen mit Polen aus dem Gefängnis in Lukiszki. Sie versuchten zu flüchten, doch die Litauer jagten sie und schossen [auf sie]. Die Verwundeten wurden jedoch nicht erschossen, um sie nicht zu den Gruben schleppen zu müssen, [man ließ sie] selber ... kriechen ...“  S. 74

„Fast pünktlich um 8.30 morgens tauchte auf der Landstraße von Wilna der bekannte, mit einer Plane bedeckte Lastwagen auf. Neben dem Fahrer saß der vom Sehen »Bekannte«, der Gestapo-Offizier mit Brille [im] geschwollenen, hässlichen, dicken (roten) Gesicht [AK: Martin Weiss]. Die Ladefläche des Wagens war gedrängt voll mit Litauern, die so saßen, dass sie die Gefangenen im Wageninneren [durch ihre Körper] verdeckten. …

Als der Verurteilte weglief, war er schon verletzt von einem Durchschuss! in der Brustgegend, wovon Blutspuren an seiner Brust und dem Rücken zeugten. Als er die Landstraße überquerte und in den Wald auf der anderen Seite des Stützpunktes hineinlief, kam er dann (nach den Spuren im Schnee zu urteilen) auf der Landstraße heraus, wo sich der litauische Wachposten befand. Als er die Litauer gewahrte, machte er kehrt und stieß auf 14-15 Litauer aus dem Stützpunkt und auf zwei Deutsche. Die Litauer eröffneten heftiges Feuer! Der Flüchtige stürzte zu Boden. Einer der Litauer kam angelaufen und schlug mit großer Wucht mit dem Gewehrkolben auf den Kopf des Liegenden. Dann hielten sie ein Fuhrwerk an, legten die Leiche hinein (der Kopf - eine große Masse von Gehirn und Blut) und brachten sie zum Stützpunkt.“  S. 75

„Neulich meldete London, einer Nachricht aus Stockholm zufolge, dass Į der Bischof aus Kowno sagte, es sei für die Litauer keine Pflicht, Juden / und Polen zu töten. Auf jeden Fall habe er [die Morde] verurteilt und verboten. Ich glaube nicht, dass dem so war. Warum verurteilte der Bischofs dann nicht auch die [Übergriffe der] Litauer, als sie mit den Deutschen die Priester töteten, den Erzbischof verschleppten, Polen misshandelten und töteten? Aber jetzt, wenn es in Libyen und Tripolis eine Niederlage gibt, wenn Stalingrad, Rostow, Kursk, Charkow fallen, im Kaukasus die Deutschen umstellt werden und auch auf der Krim droht ihnen [die Niederlage], erst jetzt »verurteilt« der Bischof diese Taten weil ... er den Vorgeschmack der Niederlage der Deutschen spürt und gleichzeitig die Niederlage der Litauer, die so viele Massenmorde auf dem Gewissen haben wie keine andere Nation. Vorher verbot er die Morde nicht, denn damals kamen sie ihm gelegen, weil es eine Säuberung der Kirche von den Polen war.“ S. 79

„Da nur ein Teil der Litauer zurückkam, bedeutete dies, dass die, [die wegfuhren] noch einmal kommen würden. So war es auch. Diesmal stiegen aus dem Auto gut gekleidete Männer, in Hüten, Skimützen, teuren Wintermänteln und Pelzen aus, also [kamen sie offensichtlich] nicht aus dem Gefängnis. Auch sie waren gefesselt. Hinter jedem von ihnen ein Litauer. Wieder marschierten sie zum Stützpunkt. Wieder [hörte man] einzelne gedämpfte Schüsse. Wieder kam nur ein Teil von den Henkern zurück. Was das bedeutet: Ich möchte mich nicht wiederholen. Zum dritten Mal kam der Wagen! Es stiegen nur Frauen aus, die meisten von ihnen jung und nicht gefesselt. Ein Litauer deutete Richtung Wald; sie gingen los! Die Frauen gingen im Gänsemarsch, die Henker bilden die Nachhut. Stille, doch bald peitschten Schüsse, kurze Salven. Es verging mehr als eine Stunde. Die Litauer, beladen mit Sachen der Ermordeten, kehrten zurück, legten die Sachen ins Auto hinein und fuhren zusammen mit den Deutschen ab. Ende?
Bald erscheint in dem Bahnwärterhäuschen ein Litauer, Wladyslaw Klukas, ein routinierter Mörder. Er erzählt von seinen Sorgen; er hält Schuhe (polnische Stiefel) in der Hand - er möchte viertausend Rubel dafür. Die Schuhe sind noch warm. Er erzählt uns, dass die Männer einzeln, mit Pistolen, von den Deutschen erschossen wurden. Der eine schoss, und ein anderer schob [das Opfer] mit einem Stock in die Grube. Die Frauen (überwiegend Jüdinnen und sowjetische Frauen) ...
Die Männer wurden in der Kleidung erschossen. Die Litauer zogen die Getöteten aus, versteckten die Kleidung im Schnee unter den Büschen. Das Gleiche geschah mit den Gefangenen des zweiten Wagens. Nur den Frauen befahl man, sich auszuziehen.“ S. 80

Wechsel der Befehlsgewalt: Jetzt befiehlt den Henkern nicht nur ein Litauer, sondern dies tun zwei [Personen]: ein Deutscher und ein ihm unterstellter litauischer Offizier.“ 

Jetzt sind auch die Litauer dran: 

„Freitag, der 19. März
Ich stand auf der Landstraße und plötzlich gegen 12 Uhr mittags tauchte von der Kapelle her das bekannte Taxi auf. Darin saßen der Fahrer und vorne der ebenfalls bekannte Offizier mit Brille; hinten irgendwelche zwei Zivilisten.
Mein erster Gedanke war: anscheinend eine Inspektion. Das Auto bog in die Zufahrtsstraße ein, und von da in den Stützpunkt. Wollen wir abwarten, bis die Inspektoren zurückkommen [dachte ich], aber bald knallten drei Maschinengewehrschüsse vom Stützpunkt her. Also war es keine Inspektion. Kurz danach kam das Auto zurück und darin saßen nur noch der Chauffeur und der Offizier mit Brille. Der Rücksitz war leer.
Wer waren diese Leute? Man kann vermuten, diese zwei Verurteilten waren Litauer. Man musste nämlich wissen, dass die Deut-schen während der letzten Tage, hauptsächlich seit Montag, dem 15. März, in Wilna und in ganz Litauen besonders viele litauische Würdenträger verhaftet hatten. [Dies war eine Reaktion auf] die litauische Kampagne gegen die Einberufung [der Litauer zum Militär]. Diese Kampagne wurde hervorragend durchgeführt. Gegen die Einberufung arbeiteten alle Litauer, vom untersten Provinzangestellten bis zu Prominenten in Wilna.
[Sogar] die litauische Polizei schickte alle, die zur Einberufung bestimmt waren, zurück nach Hause.“ S.83


„Das Jüngste Gericht
Am 25., 26. und 28. März strich die Gestapo in Ponary herum. Alle [Einwohner] hatten Angst. Einer der Deutschen kam an die Bahnstation und fragte, wie viele Güterwagen auf ein Nebengleis passen würden. Die Leute in Ponary hatten den Verdacht, dass diese Frage den eigentlichen Zweck des Besuchs [der Deutschen in Ponary] verschleiern sollte.
Der 4. April, Sonntag, 5 Uhr nachmittags - mit 4 Lastwagen kamen aus Wilna litauische Polizisten, in folgender Verkleidung:
1.    in »Smetona«-Uniformen64, d. h. in dunkelblauen oder grünen Mänteln und Mützen mir roten Bändern
2.    in schwarzen Mänteln und schwarzen Schiffchen (Piroggen)65, d. h. in deutschen Uniformen und
3.    in Gestapo-Uniformen.
Sie brachten 2 Kisten mit Wodka mit. In den Wagen waren deutsche Gestapo-Leute, unter ihnen der Hauptschütze mit der Bril-le66.
Es herrschte [in Ponary] allgemeine Panik, man warnte sich gegenseitig, versteckte »belastende« Sachen. Manche [Einwohner] übernachteten hier [in Ponary] nicht, sondern gingen aus Ponary weg. Die Gestapo-Leute gingen zum Stützpunkt, wir sahen, dass sie die nächste Grube begutachteten. Dann gingen sie tiefer ins Gelände des Stützpunktes, um sich noch etwas anzusehen. Durch Ponary spazierten einige Litauer; unter den Ankömmlingen fiel die große Menge (Anzahl) der Polizeioffiziere auf.
Die Litauer vertrieben sich die Zeit, indem sie sich Ponary anschauten, Spaziergänge machten oder versuchten, ein Gespräch mit Einwohnern anzuknüpfen. Letzteres meist ohne Erfolg, denn jede Frage auf Litauisch wurde mit »ich verstehe nicht« auf Polnisch beantwortet. …“ S. 85

[Über die Mordaktionen am 5. April 1943 schreibt Christoph Dieckmann: Mordschützen waren das 1. litauische Schutzmannschaftsbataillon, deutsche Polizisten der KdS-Außenstelle Vilnius und sechs Polizisten aus Kaunas."  Deutsche Besatzungspolitik S. 1266]


„Gegen 6 Uhr kamen Autos mit Gestapo-Offizieren. 4 Güterwagen wurden entriegelt und man hieß die Juden ohne ihr Gepäck aussteigen. Eine dichte Kette von Litauern und Gestapo-Männern umgab sie. …

Die Juden, die nur Lumpen anhaben, ziehen sich nicht aus. Man treibt sie in die Grube und die am Rande stehenden Litauer fangen an zu schießen. Dann schleppt ein Mann, der sich bereits halbwegs entkleidete, eine anscheinend ohnmächtige oder vielleicht am Herzanfall verstorbene Frau an den Füßen in die Grube, dem Befehl eines Deutschen gehorchend. Nachdem er die Frau in die Grube gestoßen hat und sich umdreht, schießt ihm ein Litauer aus unmittelbarer Nähe in den Kopf.“ S. 86

„Die Litauer werfen die Kleidung auf einen Haufen, plötzlich zieht einer der Litauer ein Kind unter der Kleidung hervor, er wirft es in die Grube hinein. Wieder ein Kind, noch eins und noch eins. Auf die gleiche Weise - in die Grube. Einer der Litauer stellt sich über die Grube und schießt augenscheinlich auf diese Kinder.
Was war das [eigentlich]? Verzweifelte Mütter versuchten ihren Kindern das Leben zu »retten«, indem sie die Kleinen unter den Kleiderhaufen versteckten. Wahrscheinlich hofften sie, dass wenn man die Kleider aufsammeln werde, die auf diese Weise verborgenen Kinder gerettet würden. Leider war dem nicht so. …

Weinen, Stöhnen, Flehen. Eine Frau zeigt vor den Litauern auf ihr Kind, anscheinend noch ein Baby. Ein Litauer greift nach der Frau und stößt sie mit dem Kind in die Grube hinein.“ S. 87

Die Zitate lassen sich bis zum Ende des Buches weiterführen lassen. Litauer in großer Zahl, 50-60, eskortieren die Verurteilten und erschießen, erschlagen oder begraben die Menschen bei lebendigem Leib. Eher selten berichtet Sakowicz von deutschen Schützen.
Kazimierz Sakowicz Aufzeichnungen vom Holocaust in Vilnius sind ein grausamer Tatsachenbericht über die Gräuel der Deutschen und der litauischen Kollaborateure. Sie machen mehr als die bloße Zahl 6 Millionen deutlich, was unsere Großeltern angerichtet haben. Der Widerstand Litauens gegen die Nazis begann erst, nachdem die litauischen Juden fast alle tod waren. Und wie Raul Hilberg schrieb, wären die Litauer nach den Juden und Slawen die nächsten Opfer auf der Rassenleiter gewesen (ab März 1943). 


Absolute Kaufempfehlung!

 

Mein Bericht über die Gedenkstätte in Paneriai / Ponary: https://alles-ueber-litauen.de/ziele-in-litauen/vilnius/paneriai-holocaust-gedenkstaette

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wir benutzen Cookies
"Alles über Litauen" verwendet Cookies und Google Analytics. Außerdem bieten wir Litauen Karten von Google Maps und Videos von Youtube an. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie dem zu.