Gotische Johannes der Täufer Kirche in Zapyškis

Johannes der Täufer Kirche in Zapyškis

Johannes der Täufer Kirche in Zapyškis 2021 (A.Kuck)

Die alte Kirche am Südufer des Nemunas ist etwa 20 Kilometer von Kaunas entfernt.
Nicht unbedingt im Zentrum der touristischen Ströme gelegen, fiel mir die Kirche in einem Buch aus dem Jahre 1895 (Lithuania "The Awakening of a Nation" von Age Meyer Benedictsen auf.
In Zapyškis befand sich einer der größeren heidnischen Tempel der baltischen Stämme. Jonas Sapiega bekam die Gegend von Großfürst Alexander geschenkt und baute auf dem heidnischen Tempel die Johannes Kirche.
Age Meyer Benedictsen Litauen

Age Meyer Benedictsen war 1895 in Litauen (damals Russland und Deutschland) unterwegs


Bis zum Jahre 2008 war sie in einem desolaten Zustand und wurde dann langsam renoviert.

2019 wurde die Johannes der Täufer Kirche mit Geldern der EU und der Stadt Kaunas erneuert und der Standpunkt der ehemaligen Stadt Zapyskis kenntlich gemacht.

Zapyskis Sapischken Wilhelm Storost

Bild der Zapyskis Kirche in einem Buch von Wilhelm Storost (Vydunas) aus dem Jahre 1916. Interessant der eingedeutschte Namen "Sapyschken"

Seit 2020 kann man sie auch innen besichtigen.
Die erste Erwähnung der Kirche von Zapyškis stammt aus dem Jahre 1562. In den alten Schriften steht, dass der Gutsbesitzer vom Hof Paštuva in der Kirche beerdigt wurde.
Erbauer der Kirche war Jonas Sapiega, Herrscher von Zapyškis (und Bojar von Smolensk sowie Adliger des Litauischen-Polnischen Staates) geweiht wurde sie vom Bischof von Žemaitija, Jonas Jeronimas Krišpinas-Kiršenšteinas.

Ende des 16. Jahrhunderts wurde die Kirche, wahrscheinlich wegen einer Pestepedemie, aufgegeben.

Im 17. und 18. Jahrhundert wurde die Kirche mehrfach renoviert. Im 18. Jahrhundert wurde ein hölzerner Glockenturm an die Hauptfassade angebaut.

Während Napoleons Russland Feldzug gegen Moskau 1812 wurde die Kirche als Pferdestall benutzt und beschädigt.
Nach 1850 gab es Pläne für eine Vergrößerung der Kirche, da nicht mehr alle Gemeindemitglieder Platz während des Gottesdienstes in ihr hatte.

1901 wurde die Kirche geschlossen und eine neue in Zapyškis gebaut.

Im 1. Weltkrieg wurde die Orgel von den Deutschen demontiert und sie nahmen Teile mit.

Durch Überschwemmungen des Nemunas (Memel) kam es immer wieder zu Zerstörungen. Umliegende Hausbesitzer zogen deswegen weg und bauten entfernt vom Fluß neu.

Im 2. Weltkrieg wurde ein Frachthafen angelegt und mit einer Schmalspurbahn Torf verladen. (Siehe die Karte unten). Sowjetische Kriegsgefangene und litauische Juden wurden in Sklavenarbeit gezwungen in Torfgebieten wie Ežerelis Torf für das Reich aber auch für Kaunas als Brennmaterial abzubauen. Die Umstände waren katastrophal. (Dieckmann S. 675 und 869).

1946 kam es zu einer verheerenden Flut und die Eisschollen zerstörten Teile der Kirche, die Kapelle des Friedhofes und das alte Dorf Zapyskis.
 Litauen Johannes der Täufer Kirche in Zapyškis

2021 (A.Kuck)

Obwohl die Kirche im Laufe der Jahrhunderte viele Male renoviert wurde, gilt sie immer noch als eines der einzigartigsten Beispiele der gotischen Architektur in Litauen. Die Kirche bewahrt die charakteristischsten Merkmale der Gotik: den fast quadratischen, einschiffigen Raum, die Massivität, das überwiegend hohe, rote Satteldach mit bescheidenen Schmuckelementen.


Die Kirche in Zapyškis ist ein einschiffiges Gebäude, 11,6 m lang und 10,2 m breit. Das Presbyterium ist durch einen Rundbogen vom Kirchenschiff getrennt. Der gesamte Innenraum ist mit einem flachen Holzdach bedeckt, unter dem sich offene Balken befinden. Die Architektur der Kirche spiegelt die Ambitionen der örtlichen Grundherren wider, denn Backsteinbauten aus dem 16. Jahrhundert gingen selten über die Grenzen der großen Städte hinaus. Es wird angenommen, dass die Kirche von einheimischen Maurern unter der Leitung eines Handwerksmeisters gebaut wurde, der die Prinzipien der gotischen Komposition kannte. Sie bauten bis zu 1 m dicke Mauern. Der größte Teil der Kirche ist in spätgotischer Backsteinbindung gebaut. Die Ziegel sind handgefertigt, mit einigen überlagerten Feldsteinen, und der Grundriss ist verzerrt, mit einer Menge Asymmetrie. Das gotische System des Mauerwerks wurde an einigen Stellen nicht befolgt, und die Ziegel wurden in einer unordentlichen Weise verlegt. Die Fassaden haben fast keine durchgehenden horizontalen und vertikalen Linien, keine rechten Winkel. Die Fassaden sind voll von Formziegeln, die für die verschiedenen Kompositionen von Portalen, Fenstern, Nischeneinfassungen, Bändern und Gesimsen verwendet werden. Die Hauptfassade gliedert sich in drei Phasen: den Sockel, den Mittelteil und den Giebel. An der linken Ecke ist ein kleiner Treppenhausanbau angebracht. Die Fassade wird durch hohe Nischen gegliedert, die den gotischen Aufwärtsschub zeigen: spitz im Sockel und rechteckig im Mittelteil und im Giebel. Es wird vermutet, dass der Giebel früher gestuft war.

Besonders diese Nischen machen den Reiz der Kirche aus.


Bis 1939 befand sich hier ein Ensemble von drei hölzernen Barockaltären aus dem späten 17. Jahrhundert. Bemerkenswert ist auch die hölzerne Renaissance-Kanzel von 1581, die mit Ornamenten und Bildern der vier Evangelisten verziert ist.

Forscher haben Argumente gefunden, dass die Gründer der Kirche ein spezielles astronomisches Symbolprogramm in Auftrag gegeben haben könnten und es auf den Fassaden der Kirche reproduzieren ließen. Das untere Stockwerk der Kirche hat 56 Nischen, die mit 3 Türöffnungen 59 Elemente bilden. 56 tropische Jahre entsprechen 59 drakonischen Jahren. Diese Zahlen stellen den jahreszeitlichen Zyklus der Finsternisse dar. Darüber hinaus beträgt die Anzahl der Nischen in den Fassaden 18-19, was der Regressionsperiode des Mondknotens (18,6 Jahre) entspricht, die mit der Wiederkehr von Finsternissen verbunden ist.

Die Kirche wurde am Ende des 16. Jahrhunderts von den Sapiegas dekoriert. Die Orgel oder ähnliche Instrumente wurden installiert: Positiv, Regal oder Portativ. Von den frühesten Orgeln gibt es keine Aufzeichnungen mehr, von den letzten sind nur noch Fotos und Erinnerungen der Einheimischen bekannt. Diese Orgel wurde an der traditionellen Stelle, über der Haupteingangstür, installiert. Da der Singbereich klein war, stand der Chor während des Gottesdienstes auf beiden Seiten der Zentralorgel. Der äußere Teil des Heiligtums war außerdem mit einem Dutzend kleiner Orgelpfeifen ausgestattet. Der Organist saß dem Altar gegenüber. Hinter dem Rednerpult, an der Stirnwand der Kirche, befand sich ein kunstvoller barocker Orgelprospekt, der wahrscheinlich von örtlichen Volkskünstlern angefertigt wurde. Im Mittelteil des Kirchenschiffs befindet sich eine Skulptur des stehenden Königs St. David. Auf beiden Seiten des heiligen David sitzen Engel. Dutzende von Orgelpfeifen aus Metall und Holz in verschiedenen Größen sind in sechs symmetrischen horizontalen Feldern angeordnet. Während die Orgel spielte, wurden die Skulpturen von König David und den spielenden Engeln durch mechanische Vorrichtungen bewegt, wobei der heilige David mit dem Kopf nickte und die Engel ihre Glocken läuteten. Die Zapyškis-Orgel, früher als "König der litauischen Orgeln" bekannt, war von sehr guter Konstruktion, mit 105 Zinkpfeifen, und wurde während des Ersten Weltkrieges zerstört, als die Deutschen etwa 480 Teile der Orgel mitnahmen.


Kirche in Zapyškis Litauen Kaunas

Idyllisch aber gefährlich nahe am Nemunas (Memel)

 

Kirche in Zapyškis Litauen Kaunas Innen

Links und rechts sieht man die Überreste der Krypten  (Die Fliesen stammen von 1955. Sie sind gestempelt).

Die Krypten unter den ehemaligen Altären waren vor Beginn der archäologischen Untersuchungen im Jahr 2018 nicht bekannt. Weder bei den Reparaturen im 20. Jahrhundert noch bei anderen Untersuchungen wurden diese Orte erfasst. Schon die frühesten erhaltenen Fotografien und Zeichnungen zeigen Altäre an diesen Orten, die später versetzt und Kanzeln auf den Podien aufgestellt wurden. Die Krypten sind gut erhalten. Ihr Inneres war mit Schutt gefüllt, aber es gab auch interessante Funde aus dem 15. und 19. Jahrhundert (Teil eines Tuches mit Metallfäden, Teil eines Rosenkranzes mit Kreuz, Teile von Kerzenständern). Die Gruften wurden möglicherweise Ende des 17. Jahrhunderts während der Kämpfe mit Russland und Schweden geplündert und seitdem nicht mehr benutzt. Es wurden keine erhaltenen Gräber gefunden. Die Gruften waren wahrscheinlich für sehr verdiente Bewohner der Gegend bestimmt. Als die Restaurierungsarbeiten fortgesetzt wurden, entdeckte man die gleiche Krypta im gegenüberliegenden Teil des Kirchenschiffs. Sie wurden nun vollständig vom Schutt befreit, verstärkt und ausgestellt.

Zapyškis Litauen Kaunas Treppe      Zapyškis Litauen Kaunas Treppe 

Interessantes, enges Treppenhaus zur Empore bis aufs Dach

 

Zapyškis Litauen Kaunas Treppe

"Treppenhaus" auf dem Dachboden

 

Dachboden Zapyskis Kirche

Der Dachboden

Tipp: Wenn man von Zapyškis zurück nach Kaunas fährt, kommt man in Ringaudai an einer "šašlykinė" vorbei. Von vorne siehts nach nicht viel aus, aber es gibt tatsächlich "nur" Schaschlikspieße und hinter dem Haus gibt es einen grossen Garten. Sehr zu empfehlen!!

 

In Kaunas gibt es mit der Šv. Gertrūdos bažnyčia (Gertrudenkirche) eine fast ähnliche Kirche wie die hier in Zapyškis. Ebenfalls aus der Zeit von Großfürst Alexander.
 

Adresse:

Muziejaus g. 1, Zapyškis
+370 608 34591
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Sie können aus der Karte zoomen, um die Lage besser zu sehen. Südlich kann man die erwähnten Torfmoore sehen.

 

Und noch eine Drohnenaufnahme:

 

 

 

Es besteht eine Fährverbindung von Kaunas aus bis zur Kirche.

Bitte nach Informationen auf der Webseite der Betreiber suchen:

Keltas „Nevėžis"

Aus Kaunas mit dem Auto kommend, liegt am Ortseingang der alte jüdische Friedhof von Zapyskis. Ein paar Fotos in einem Video:

https://alles-ueber-litauen.de/ziele-in-litauen/zapyskis-gotische-kirche/zapyskis-jewish-cemetary