Judenmord in Telsiai

 

Sehen Sie auch Telsiai (Bilder der Stadt und die Kapelle in Rainiai sowie der Ort des Massakers an den Juden).

Rainiai Massaker 1941

 

Die Deutschen erreichten Telsiai am Mittwoch den 25. Juni 1941, drei Tage nach Ausbruch des Krieges. Die Litauer hatten die Stadt schon seit Kriegsbeginn unter ihrer Kontrolle gebracht. Die Sowjets flüchteten vor der Wehrmacht, aber auch vor dem litauischen Aufstand, der zeitgleich mit dem deutschen Angriff begann.  Seitdem ging es den litauischen Juden an den Kragen. Inhaftierungen, Raub, Prügeleien, Vergewaltigungen und weitere Demütigungen wurden zum Alltag.

 

Der Einmarsch der Wehrmacht in die Stadt beruhigte die Situation zunächst. Gefangene wurden entlassen und die Belästigungen der Juden liessen nach. Die Juden hatten sich von den Deutschen eine Wiederherstellung der Ordnung erhofft, doch gingen die Quälereien und Verhaftungen bald wieder los.

 

Während dieser Tage versuchten die Telsiaier Juden Hilfe durch Bischof Staugaitis zu bekommen. Staugaitis war ein Führer der Christdemokratischen Partei und Vorsitzender des Seimas (litauisches Parlament) während der litauischen Unabhängigkeit gewesen. Seine Antwort lautete: "Das ist der Preis den ihr dafür zahlt, dass ihr die Bolschewisten nach Litauen gebracht habt" (Confronting the Holocaust in the USSR, Z.Gitelman).

 

Am Freitag den 27. Juni 1941 begannen litauische "Aktivisten" (siehe LAF), zusammen mit Deutschen, die Telsiaier Juden von Haus zu Haus einzusammeln und auf den Marktplatz zu bringen. Von dort ging es zum Mastis See, wo die Juden in Hütten eingesperrt wurden. Nachts durften die Frauen und Kinder zurück in ihre Häuser, die sie geplündert vorfanden.

 

Ein paar Tage später kam das nächste Unheil über die Juden. Das Grab der von den Sowjets ermordeten Häftlinge des örtlichen Gefängnisses wurde im Wald von Rainiai gefunden. (Es hält sich in Litauen die Legende, dass die Juden der bolschewistischen Sicherheitsdienste alleine an diesem Massaker schuld waren. Das die Sowjets eigentlich Atheisten waren, Juden nur eine Minderheit darstellten und mir nicht klar ist, ob überhaupt Juden an dem Massaker beteiligt waren, wird in dem Rainiai Artikel beschrieben).

 

Die litauischen Verantwortlichen mit Bischof Staugaitis an der Spitze, hatten die Sündenböcke für das Massaker schnell gefunden (obwohl natürlich unter den in den Hütten eingesperrten Juden keiner in Rainiai dabei war). Die Inhaftierten Juden mussten die Leichen in Rainiai ausgraben und in Särge legen. Details erspare ich mir hier, bei Interesse kann man das in den Quellen nachlesen. Tageland wurden sie in Rainiai gequält und dort auf einer Farm gefangen gehalten.

 

Der Tag der Bestattung der Ermordeten Gefängnisinsassen am 13. Juli, wurde von Staugaitis zum "Heiligen Sonntag" erklärt, zum Sieg über die Sowjets. Jüdische Männer wurden während der Beerdigungszeremonie zum Friedhof gebracht, wo Litauer sie anspucken und schlagen durften.

 

Ab dem 14. Juli holten die litauischen Aktivisten zusammen mit den Deutschen die Juden von der Farm und führten sie zum Wald von Rainiai. In Paaren mussten sie zu den ausgehobenen Gruben gehen, sich ausziehen, und wurden dann von den Deutschen und Litauern erschossen.

 

Nach wenigen Tagen strömte aus den Gruben ein schrecklicher Gestank. Die noch nicht getöteten jüdischen Frauen und Kinder mussten in ein Lager bei Geruliai gehen. Sie wurden durch Hunger und Typhusepidemien dezimiert und die Überlebenden im August und September bei Telsiai ermordet.

 

 

Die sowjetischen Sicherheitsorgane töteten in Rainiai etwa 76 Litauer auf bestialische Weise. Für die von den Nazis aufgewiegelten Litauer waren die Telsiaier Juden die Verantwortlichen. Etwa 2.600 Juden mussten sterben.

 

Frauen, Kinder, Männer und Alte. 

 

Nicht nur mir kam die Diskrepanz der Erinnerungskultur der Litauer in Telsiai/Rainiai sonderbar vor. Auch Silvia Foti bemerkte den Unterschied zwischen der Märtyrerkapelle und dem schlichten Granitstein:

"The harsh contrast between the two memorials—the dignified Chapel of Torment honoring seventy-four Lithuanian men and the simple stone marking the burial site of 7,500 Jews from the same area—could not have been more telling. This was a country of gravesites, where everyone compared their family members’ headstones and cemetery-plot  maintainance to that of their neighbors. Simon wondered aloud, “Why does our government spend so much money for seventy-four Lithuanians and so little for 7,500 Jews?” The question went straight to the heart of the matter. And the answer was self-evident: Lithuanians refused to recognize their role in the deaths of Jews, and they refused to accord Jews—in death as in life—the same honor and dignity shown to their “own” dead. 

The Jews, despite having been Lithuanian, were eternally “the other.” The lack of will even to acknowledge this obdurate antisemitism meant that there was no guilt or shame, either—without which there could be no self-knowledge, no remorse, and no atonement."
Silvia Foti "Nazi's Granddaughter" S. 310  Fotos von Kirche und Grabstein gibt es unter Telsiai:

https://alles-ueber-litauen.de/litauen-geschichte/telsiai-judenmord/kapelle-juedischer-grabstein-rainiai

 

Quellen:

Z.Gitelman: Confronting the Holocaust in the USSR

Gordi Zionfelder Blog

Juden in Telsiai von J. Rosin

Rainiai Massaker

 

Keinesfalls möchte ich die deutsche Verantwortung für den Holocaust reduzieren. Deutschland ist uneingeschränkt für die Ermordung der europäischen Juden verantwortlich. Nazi Deutschland hat die litauische LAF vor dem Einmarsch instruiert und instrumentalisiert. Leider haben nicht wenige Litauer mitgemacht.

(Arunas Bubnys in Holocaust in Litauen S.128: "Als Zwischenfazit bleibt festzustellen , dass praktisch alle 1941 aufgestellten Polizeibataillone am Judenmord beteiligt waren, wobei der Grad ihrer Involvierung variierte. ... Das 1. und 2. Bataillon pervertierten zu regelrechten Killerkommandos, die in Litauen und Weissrussland Zehntausende von Juden ermordeten".

 

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