Ab durch die Mitte - Mit dem Motorrad durch den Mittelpunkt Europas (Reisebericht)
Jörg Rittmeister machte mit seinem Kumpel Kalle eine ausgedehnte Motorradtour durch das Baltikum.
Er schrieb einen der ausführlichsten Reiseberichte, die es von Motorradreisen in den baltischen Staaten gibt.
Die Anfahrt erfolgte über Polen nach Litauen. Danach wurde Lettland erkundet. Nach einer ausgiebigen Fahrt in Estland (Saaremaa, Tallinn, Narva und der Peipussee), ging es mit der Fähre über Helsinki zurück nach Deutschland.
Und das mit dem Motorrad im Zelt bei viel Regen. Respekt!
Eine erkleckliche Quelle von Anregungen für die eigene Tour.
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors. Jörg Rittmeister hat seinen Bericht bei Wikibooks veröffentlicht.
Kapitelübersicht
-Polen- Die Anreise (Tag 1 - 3)
-Litauen- Der Mittelpunkt Europas (Tag 4 - 10)
-Lettland- Mucken oder Regen (Tag 11 - 16)
-Estland- Mittsommer anders (Tag 17 - 27)
-Rückreise- Langeweile auf der Ostsee (Tag 28 - 30)
Vorwort
So um das Jahr 2005 sah ich einen Beitrag über die baltischen Länder und musste feststellen, dass dieser Teil Europas noch ein absoluter weißer Fleck auf meiner persönlichen Landkarte war.
Mir waren Litauen, Lettland und Estland aus dem Geografieunterricht zwar als sowjetische Teilrepubliken bekannt, aber für die Sowjetunion hatte ich mich nie interessiert.
Das lag wohl daran, dass wir genug "Russen" im Lande und damit öfter mit ihnen zu tun hatten.
Aber nun hatte ich da diesen Beitrag gesehen und fand, dass ich mir diese Gegend genauer ansehen musste. Als ich mir mal die neue Karte Europas vornahm, fand ich auch den Peipussee zur Hälfte in Estland liegen. Aus dem Geschichtsunterricht wusste ich, dass hier die Ritter des Deutschen Ordens durch die Slawen im wahrsten Sinne des Wortes auf's Eis geführt und geschlagen wurden. Und damit war das Baltikum doppelt interessant geworden, denn das Mittelalter ist ein Steckenpferd von mir.
Die Expansion des Deutschritterordens in diesem Gebiet versprach also auch eine kleine Reise in die Geschichte.
Bucher, Reiseführer, Bildbande wurden studiert und das Internet befragt. Es entstanden Plane für eine Tour, natürlich mit dem Motorrad. 2007 sollte sie starten. Vier Wochen wollte ich mir dafür Zeit nehmen. Für jedes Land eine Woche und dazu noch eine Woche für die An- und Abreise. Die Reise sollte im Juni stattfinden, so dass die Tage mit jedem Tag der Tour langer wurden, bis es gar nicht mehr dunkel wird und ich mich irgendwo zum Ende der Reise in Estland bei einer Mittsommerfeier mit ans Feuer setzen konnte.
Nun bekam ich 2007 meinen Urlaub nicht so, wie ich ihn für diese Reise gebraucht hatte und 2008 kam ein Krankheitsfall dazwischen.
Nach fünfjahriger Planung sah es 2009 nun so aus, als konnte die Reise beginnen. Mein Urlaub war genehmigt, alle waren gesund, die Maschine befand sich nach einer Durchsicht mit neuem TUV im Top-Zustand. Im Herbst 2008 hatte ich meinem Kumpel Kalle von dem Vorhaben berichtet und er schloss sich an. So machte ich diese Fahrt also nicht allein, was durchaus von Vorteil ist.
Ich fuhr auf meiner Enduro DR650RSE (SP43B) von Suzuki mit einem Koffersystem von Hepco&Becker sowie einem Tankrucksack. Kalle fuhr seine Suzuki VS-800 Intruder mit Ledertaschen und großen Gepäckrollen.
Das vorliegende Buch erhebt keinen Anspruch, ein Reiseführer zu sein. Es ist ein Reisebereicht, der aus meinen Tagebuchaufzeichnungen wahrend der Reise entstanden ist. Ich habe es in die Kapitel "Anreise", "Litauen", "Lettland", "Estland" und "Ruckreise" unterteilt. In den Kapiteln findet man jeden Tag der Reise. Ich hoffe, das erleichtert das Zurechtfinden, einmal beim Überblick über die Reise, als auch beim Wiederfinden, wenn man mal eine Lesepause gemacht hat.
Für jeden Reisetag habe ich die Tagestour als ein Link zu Google-Maps hinterlegt, so dass man die jeweilige Strecke nachverfolgen kann und einen Eindruck bekommt, wo wir uns gerade befinden. Die Hauptstationen der Tagesstrecke sind mit ihrer Wiki-Seite verlinkt, sofern es einen Wiki-Eintrag gibt. Das erspart mir größere Ausführungen über die jeweiligen Orte und ich kann mich auf Eindrucke und Erlebnisse konzentrieren. Habe ich für eine Station keinen Wiki-Eintrag gefunden, dann ist wieder ein Link zu Google-Maps hinterlegt, wo man bei "Gegend erkunden" auch noch Bilder und Informationen findet.
Ich wünsche mindestens so viel Spaß beim Lesen, wie wir auf der Reise hatten, auch wenn es nicht immer lustig war.
Die Karte für die gesamte Übersicht über die Tour ist recht ungenau, sie gibt aber einen ersten Eindruck über die Strecke wieder. Die genaue Streckenführung ist bei den jeweiligen Tagestouren abgebildet.
Polen- Die Anreise
Polen - Die Anreise
Die ersten zwei Tage (29./30.05.2009)
557 Kilometer
Die Reiseroute bis Polen
Halberstadt – Schönebeck – Möckern – Loburg – Ziesar – Kirchmöser – Plaue (Havel) (1) – Nauen – Oranienburg
– Stettin – Labes – Schivelbein – Kolberg
Gestern sind wir also gestartet. Erstes Ziel sollte bei meinem Kumpel Andi in Plaue bei Brandenburg sein, um dann keinen so weiten Weg bis an die polnische Ostseeküste zu haben. Außerdem haben wir bei dieser relativ kurzen Strecke viel Zeit, uns an unsere gut bepackten Maschinen zu gewöhnen.
Kurz vor halb zwei war ich bei Kalle. Er hatte seine Maschine schon fertig gepackt und wartete auf den Start. Noch eine kurze Verabschiedung von seiner Freundin und dann ging es auf die Piste. Wir wollten touren, also haben wir uns für die kürzere Strecke über Schönebeck, Loburg und Ziesar nach Plaue entschieden, die auf Grund der vielen Ortsdurchfahrten und schmalen Straßen, aber keinen Zeitvorteil bringt. Landschaftlich ist sie auf jeden Fall die schönere Alternative, als über Magdeburg, Genthin, Burg zu fahren oder gar die A2 zu nehmen.
Zum Abschied hat uns Halberstadt noch mal an allen Ampeln, die wir passieren mussten, anhalten lassen. In Loburg haben wir dann zum ersten mal Pause gemacht. Ein reizvolles kleines Städtchen, das sicher irgendwann mal eine Tagestour wert sein wird.
Halberstädter Dom Schönebeck Friedrichstrasse
Schloss Wendgräben in Möckern Rathaus von Lohberg
Um Kirchmöser herum haben wir uns in die DDR zurückversetzt gefühlt. Die Straßen, Häuser, Zäune, Siedlungen ... alles so, wie ich es von damals in der Erinnerung habe.
Bei Andi war, als wir ankamen, schon alles vorbereitet. Ich glaube, er hatte sich über meine Idee, bei ihm zu rasten, sehr gefreut. Die Fische hingen schon im Räucherofen, die Garage war für unsere Maschinen frei geräumt, Tische, Bänke, Kiste Bier, Feuerschale .... alles da und fertig. Wir mussten uns also nur noch hin setzten und genießen.
Heilig KreuzKirche Ziesar Kirchmöser Seegartenbrücke
Schloss Wendgräben in Möckern Plaue, das Schloss an der Havel
Nach dem ersten Bier mußte ich unser Kartenmaterial aus Andis Vorrat auffüllen. Ich hatte mein Navi zu Hause nicht finden können. Habe es wohl verliehen und noch nicht zurück bekommen. Auf der Rücktour von Rostock wollen wir noch eine Nacht in Beckerwitz bei Freunden aus Braunschweig bleiben, die dann dort zelten werden, um am letzten Tag über Schwerin und Wittenberg zurück fahren.
Außerdem musste Andi mir noch ein Taschenmesser mit Korkenzieher leihen, weil auch das bei mir unauffindbar war. Allerdings hat die Weinflasche, die ich mir heute geholt habe, einen Schraubverschluss. So ist das ... sollten die alle haben, finde ich!
Bevor die Fische oder auch „toten Kameraden“, wie Andi sie nennt, richtig fertig waren, haben wir noch die Tour für die Anfahrt nach Polen besprochen. Ursprünglich wollte ich bei meinem Kumpel Mario Station machen, der nördlich von Berlin wohnt, da der aber keine Zeit hatte, würde die nächste Etappe nicht so nah an Danzig heran führen wie geplant, wodurch die folgende nach Masuren etwas länger werden würde. Aber auch das werden wir überleben und bei Andi ist eh alles super.
Und dann waren die Fische soweit. Gold vom Rauch lagen sie vor uns auf dem Tisch. Andi hatte noch leckeren Salat gemacht und ich ein selbst gebackenes Brot dazu mitgebracht. Lecker! Zur Verdauung gab es den Askanier aus Aschersleben. Den hatte sich Andi gewünscht und ich ihn besorgt.
Zum Glück wurden wir noch von Andis Freund Nils verstärkt, sonst wäre am Schluss noch etwas vom guten Fisch übrig geblieben.
Nach dem Essen machten wir es uns an der Feuerschale gemütlich. Habe mir auch gleich ein Loch (Löchlein) mit etwas Glut in meinen Kombi gebrannt. Das würde in den nächsten Wochen dafür sorgen, dass ich bei Regen einen nassen Hintern bekam, wenn ich nicht die Regenkombi drüber zog.
Nachdem sich der Askanier verabschiedet hatte, musste noch Slibowitz probiert werden. Irgendwann wurde ich dann auch ganz müde und legte mich ins vorbereitete Lager in Andis Wintergarten.
Der Morgen wurde mit einem guten Frühstück begangen, bevor wir uns auf die erste „große“ Etappe begaben. Nauen und Oranienburg erreichten wir noch über die Landstraße. Dabei passierten wir auch Fontanes Ribbeck, das mit dem Birnbaum.
„Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, ein Birnbaum in seinem Garten stand ...“ Birnenzeit war allerdings noch nicht, so hielten wir uns auch nicht lange auf. Außerdem führte uns diese Strecke auch am guten alten Wandlitz vorbei, welches wir aber links liegen ließen.
Kirche in Ribbeck im Havelland Wasserturm in Nauen
Schlosspark in Oranienburg Wandlitz ehemalige sowjetische Kommandantur
Auf der A11 machten wir ein paar schnelle Kilometer bis Stettin. Ein Stück dieser Autobahn ist noch original wie früher alle Autobahnen bei uns waren, nur dass wir sie damals mit 100 km/h befahren durften. Heutige Stoßdämpfer halten das wohl nicht aus?!
Bei Stettin ist auch noch die Originalautobahn, die ein gewisser Gefreiter aus dem ersten Weltkrieg bauen ließ, der später zu zweifelhaften Ruhm gelangte. Auch mit den Wegweisern nehmen das die Polen nicht so genau. Jedenfalls lernten wir noch so schöne Orte wie Lobez und Swidwin kennen, die eigentlich nicht auf unserem Tourenplan standen. Und über die Orientierung nach Sonne und Uhr hatten wir uns gestern ja erst unterhalten.
In Lobez füllten wir unsere Vorräte auf. Mal sehen, wie lange die halten..... haben nicht daran gedacht, dass Montag (Pfingsten) vielleicht nichts auf hat, wo wir nachfassen können. Aber egal, dann gehen wir halt teuer essen ...
Hinter Kolberg haben wir uns einen Zeltplatz an der Ostsee gesucht. Die wollen zwar erst morgen eröffnen, lassen uns aber trotzdem hier campen. Schaun wir mal, ob sich da nicht am Preis was machen lässt.
Stettin Basilika von Kolberg
Nachdem wir die Zelte aufgestellt hatten, waren wir erst mal am Wasser. Scheiß Wind! Aber ein erstes kurzes Bad zur Erfrischung habe ich mir trotzdem nicht nehmen lassen. Außerdem funktionieren auf dem Zeltplatz die Duschen noch nicht.
Dann lecker Campingabendessen: Brot, Käse, Tomaten, Zwiebel und dazu ein trockener Roter. Leider wird es morgen wohl nicht ganz so üppig ausfallen, weil der Hunger heute schon so groß war ... und morgen ist Sonntag!
Naja, an solche Planungen werden wir uns die nächsten Wochen auch noch gewöhnen.
Für heute ... gute Nacht!
Zelten in Kolberg
Der dritte Tag (31.05.2009)
666 Kilometer (hat diese Zahl etwas zu bedeuten?)
Der Transit durch Polen
Kolberg – Köstin – Stolp - Gdingen – Danzig – Elbing – Paslek – Wormdick – Heilsburg – Bischofstein – Rössel –
Heiligelinde – Rastenburg – Lötzen – Treuburg – Suwalki – Sangruda (PL/LIT) – Kalvarien – Simnas – Meteliai
„Fahren bis es weh tut“, das war heute das Motto. Da es sich unsere Zeltplatzbetreiber nicht nehmen ließen, nach einem langen Arbeitstag die Nacht hindurch Party zu feiern, gab es für uns keinen Schlaf. Damit stand auch der Preis fürs Zelten fest. Jedenfalls für mich. Ich bin gegen 4:30 Uhr aufgestanden und habe angefangen, meine Sachen zu packen. Kalle kroch kurze Zeit später auch aus seinem Zelt. Wir machten uns Kaffee, wobei die letzten Partygänger sich langsam zur Ruhe legten. Kein Problem, denn kurz darauf dröhnten unsere Maschinen. Der Typ von der Truppe, den ich aus dem Bett schmiss, um uns den Torweg zu öffnen, war gleichzeitig perplex, übermüdet und noch so voll, dass er um kurz nach sechs gar nicht dazu kam, uns nach Geld zu fragen. Versucht hat er es. Kam aber nicht weit.
Ein kurzes Heulen der Motoren, ein freundliches GOODBYE und wir waren im wahrsten Sinne des Wortes „vom Acker“.
Nach einigen Kilometern in Richtung Köslin oder auch dahinter, machten wir Frühstück auf den Stufen einer alten Kneipe. Überhaupt waren an diesem Pfingstsonntag viele Leute unterwegs. Einige hatten schon früh am Morgen die
Hucke voll; andere, viel jüngere, liefen rum, als sollten sie geopfert werden. Jedenfalls sah das für mich als Heide so aus. Wir jedenfalls überschlugen mal so die Zeit, von der wir ja nun heute mehr zur Verfügung hatten, und kamen auf die Idee, dass wir es heute schon locker bis Litauen schaffen könnten und so die Polen noch einmal um das Entgelt für eine Zeltplatzübernachtung bringen können. So als Ausgleich, weil die uns doch um unseren Schlaf der letzten Nacht gebracht haben ...
Also war es beschlossene Sache: Der Fahrriemen kommt runter! ... und aua! ... das war er dann auch .... Aber damit war auch das gesamte Kulturprogramm im Eimer. Da Polen, jedenfalls bei dieser Reise, nur für den Transit gedacht war, ist das eine Sache, die wir in Kauf nehmen konnten. Obwohl ich mir schon gern mal die Orte besehen hätte, wo „das kleine Oskarchen“ (Matzerath) sein Unwesen trieb. Auch die Westerplatte mussten wir links liegen lassen. Und die deutsche technische Meisterleistung des Oberlandkanals bei Elbing blieb auch unbeachtet.
Post von Köslin Dominikanska von Stolp
Gdingen Danzig Milchkanntor
Nur die Kilometer zählen blieb und das Rechenbeispiel, wie man mit der minimalen Anzahl an Zloty durch ganz Polen kommt. Tankstellen, an denen man hier mit EC-Karte bezahlen kann, kamen auch nicht häufig vor. Und Leute an Tankstellen, die mal ein bisschen Englisch können, auch nicht. Wer halt in der Schule nicht aufpasst wird Tankwart ... oder wie auch immer die weibliche Form von Tankwart heißt ... vielleicht: Tankwarze ...
In Elbing mussten wir uns dann aber doch für den Geldautomaten entscheiden. Die zweihundert Zloty reichten dann auch genau soweit, dass wir kurz vor der litauischen Grenze noch mal volltanken konnten, Kalle noch mal Kippen bekam und noch ein paar kleine Münzen übrig blieben, die wir als Spielgeld fürs Knack gut gebrauchen konnten. Ein kleiner Zeitvertreib, dem wir uns am Abend vorm Zelt immer noch mal gern hingaben. Aber so weit sind wir noch nicht. Bis hinter Elbing mussten wir immer so etwas wie bei uns die Fernverkehrsstraßen fahren.
Hier herrscht Krieg!
Und zwar erbarmungslos. Muss man mit geklauten Autos so fahren? Jedenfalls wurde die Straße durchaus dreispurig genutzt, wenn auch nur Platz für zwei Autos war. Bei Preußisch Holland (Pastek) bogen wir dann von der AC/DC-Straße (Highway to Hell) ab, hinein in die schönsten Tourenstrecken, die ich mir vorstellen kann. Alleen vom feinsten! Gesäumt, ach was sage ich, umrahmt von Linden und Eichen. Es ist dasselbe Erlebnis für den Motorradfahrer, wie für den Surfer, der die Welle im Tunnel reitet. Nur das mein Tunnel grün ist.
Neben der Straße waren Pferde und Kühe auf den Weiden und der Duft von blühenden Gras stieg uns in die Nase. In den Laubwäldern wiederum war es die kühle frische Waldluft und in Abschnitten mit Nadelwald der Geruch von Tannen und Kiefern in der Hitze des Mittags. Dieser Landstrich heißt Masuren. Ein herrliches Hügelland, durch das sich die Straße windet und dessen Täler Teiche und Seen beherbergen. Hier freue ich mich auch das erste Mal über die Wahl meiner Reifen. 80 % Straße und 20 % Gelände gibt der Hersteller dafür an .... und genau so sind die Straßen hier. Kalle hat das nicht so gemocht. Er hat auch keine Enduro.
Elbing Paslek katholische Kirche
Alleen durch Masuren Rathaus von Wormdick
Zwei Dinge sind mir ganz positiv aufgefallen. Zum einen muss man in Polen nie Angst haben, jemals ohne Sprit liegen zu bleiben, denn es gibt hier in jedem Dorf eine Tankstelle. Und auch an Sonn- und Feiertagen muss man nicht an Hunger sterben, wenn man nicht vorgesorgt hat. Solange man ein paar Zloty auf Tasche hat, bekommt man in Läden, auf denen SKLEP steht, auch am Pfingstsonntag noch Lebensmittel zu kaufen. Darum kamen auch wir noch dazu, unsere Vorräte aufzufüllen und konnten so, nach einer langen Tour, einem üppigen Abendessen entgegen sehen.
Es fuhr sich auch gleich viel besser. Viele Leute waren an diesem Pfingstsonntag zu Fuß unterwegs. Sicher Pilger, die zu den Kirchen hier unterwegs waren. Und richtig. In Swietka Lipka, das wir über Vorndick, Heilsberg, Bischhofstein und Reszel erreichten, strömten die Pilger zur und von der dortigen Basilika. Ein architektonisches Kleinod aus dem 17. Jahrhundert.
Auch hier gab es keinen langen Aufenthalt, sie ist aber auf jeden Fall ein Ziel, wenn ich mir mal eine Tour durch Masuren vornehme. Nicht weit davon, in der Gegend zwischen Rastenburg und Lötzen, war für heute eigentlich eine Übernachtung geplant. Der „zeitliche Vorsprung“ würde uns heute aber noch den Süden Litauens erreichen lassen.
Ordensburg in Heilberg Bischofstein
Ordensburg von Rössel Basilika von Swietka Lipka
Über Treuburg und Sudauen beendeten wir unseren Transit durch Polen und fuhren unter Schmerzen, aber glücklich es geschafft zu haben, ins Baltikum ein. Leider, für uns, haben die Litauer noch keinen Euro. So mussten wir wieder Geld tauschen, bevor wir uns auf Zeltplatzsuche begeben konnten. Zum Glück gab es gleich an der Grenze eine Wechselstube.
Hier konnten wir uns erst einmal mit ein paar Litas versorgen. In Simnas fragte ich dann einfach eine Frau, die vor ihrem Haus stand, nach einem Zeltplatz. Unter Mithilfe der Nachbarfamilie, in der sich dann auch eine junge weibliche Person fand, die Englisch sprach, konnten wir an einem riesengroßen See in der Nähe von Meteliai einen schönen kleinen Zeltplatz finden, auf dem sich außer uns nur noch zwei Wohnwagen befanden. Wir wurden sogar freundlich in unserer Muttersprache begrüßt und stehen jetzt mit unseren Zelten ganz einsam am grasbewachsenen Ufer des Dusio-Sees.
Morgen wollen wir weiter nach Trakai, wo wir voraussichtlich zwei Nächte bleiben werden, um von dort aus auch Vilnius zu besuchen. Aber heute Nacht genießen wir das leise Zirpen der Grillen, das sanfte Schlagen der Wellen und dazwischen ganz viel RUHE .... Das mit den Weißen Nächten geht übrigens schon langsam los. Ich war gerade mal draußen. Es ist kurz vor Mitternacht und der Horizont ist immer noch hell....
Zelten in Meteliai Litauen
Litauen
Der vierte Tag (01.06.2009, Kindertag)
166 Kilometer
Die Fahrt nach Trakai
Meteliai – Seirijai – Alytus – Vaisodziai – Punia – (Nemajnai) – Birstonas - Aukstadvaris – Trakai
Wen es deprimiert, jeden Morgen beim Aufsetzen des Helmes in die toten Augen der Insekten vom Vortag zu sehen, sollte eine solche Reise nicht unternehmen oder jeden Abend auf Regen hoffen.... Nach dem vielen Touren fahren der letzten Tage war heute ein Tag für die Enduro. Heute musste das Material das erste Mal zeigen, was es aushält.
Nicht, dass wir es darauf angelegt hatten, aber plötzlich wollten es die „Straßenverhältnisse“ so. So musste auch die 800ter Intruder von Kalle zeigen, welche Geländemöglichkeiten in ihr stecken.
Nur ausgereizt hat Kalle sie bestimmt nicht. Anfangs nahm sich alles ganz „normal“ aus. Wir starteten am Dusio-See nach einem langsamen Morgen mit Kaffee, Frühstück und morgendlichem Bad so gegen halb elf Richtung Süden, so dass wir eine schon gefahrene Strecke nicht noch einmal fahren mussten. Dabei passierten wir nun auch Metaliai und hielten uns von Sairijai in Richtung Alytus. Motorräder sieht man hier offensichtlich nicht sehr oft. Überall wurden wir staunend betrachtet und immer freundlich gegrüßt.
nichts Sehenswertes, Alytus die östliche Grenze Deutschlands, die Memel
ganz "normale" Straße im Baltikum
Alytus durchfuhren wir ohne Aufenthalt. Laut Reiseführer sollten sich hier außer Industrie keine Sehenswürdigkeiten befinden. Aber da hatte er mal Unrecht. Überall rechts und links der Straße liefen doch welche herum.... Hier kamen wir auch zum ersten Mal an die Memel, den östlichsten Grenzfluss des alten Deutschlands. Wir wollten sie auch noch einige Kilometer begleiten, denn uns war sie doch bisher nur aus der Nationalhymne bekannt.
Letztlich sollte das mit Unterbrechungen bis zu ihrer Mündung an der Kurischen Nehrung sein. Wir folgten ihr in Richtung Norden, denn in Punia erhebt sich eine Festung über den Ufern der Memel, die von den Rittern des Deutschen Ordens den damaligen Bewohnern in schweren Kämpfen abgerungen wurde. Leider war die direkte Zufahrt zum Ort von der östlich gelegenen Landstraße wegen der darüber geschriebenen Ortsbezeichnung auf meiner Karte nicht zu erkennen. Aus diesem Grund folgten wir dem Flusslauf auf einer nicht so komfortablen Strecke. Bei der Rallye Paris – Dakar kommen solche Streckenabschnitte eher kurz vor Dakar vor, als in der Nähe von Paris: neun Kilometer kurzgerippte Buckelpiste. Der Enduro gefiel das und auch die 800ter Intruder hielt zusammen mit Kalle gut durch, konnte aber nur Schritt fahren, wo die Geländemaschine mit siebzig über die Buckelköpfe flog.
Nur in tiefen sandigen Abschnitten oder mit Schotter gefüllten Löchern schwamm sie gefährlich. Hinterher hätten wir locker das doppelte Gepäck in den Seitenkoffern unterbringen können. In Punia, wo die Punele in die Memel fließt, fanden wir einen imposanten Ort, an dem die besagte Feste gestanden haben soll. Hoch über dem Fluss erhebt sich ein Hügel, aufgeschüttet aus Steinen, der eine Festung aus Holz getragen hatte und einen wundervollen Blick in das Tal der Memel bietet. Ich konnte mir gut vorstellen, wie die Kreuzritter gegen das Bollwerk angingen, doch der Sage nach sollten sich die Verteidiger lieber den Flammen hingegeben haben, als sich den Eroberern zu ergeben und zündeten ihre Festung an.
Die Kirche von Punia Festungsanlage von Punia, diese Hügel trugen die Wehrtürme des
Burgtors
Gedenkstein, der an die "Selbstverbrennung" erinnert
Die Memel unterhalb des Festungshügels bei Punia
Aber bekanntlich schreibt ja der Gewinner die Geschichte. Ich könnte mir auch gut vorstellen, dass die Angreifer die gut verteidigte Holzfeste einfach in Brand steckten und niemanden entkommen ließen. Burgen und Schlösser, die später an dieser Stelle errichtet wurden, brannten immer wieder nieder. Vielleicht ein Fluch? Bevor wir unsere Fahrt fortsetzten, kam der Schulbus und unsere Maschinen hatten noch einen Fototermin bei ein paar jungen Mädchen, die dann den Dorfplatz entlang kamen. Meist ist es zuerst der Chrom an Kalles Intruder, der die Blicke und die Aufmerksamkeit auf uns zieht. Es weiß ja keiner, wie die Karre bei diesen Schotterpisten loost. Unbeeindruckt von den Schwierigkeiten der Anfahrt auf Punia entschieden wir uns, den Weg auf selbiger Strecke in Richtung Nemajunai fortzusetzen, um die im Reiseführer beschriebene Schönheit und Einzigartigkeit der dortigen Umgebung in den verschlungenen Windungen der Memel zu erleben. In Nemajunia kamen wir nie an. Wir wurden zwar von der im Reiseführer beschriebenen Urigkeit der hiesigen Wälder überwältigt, aber als wir dann das erste Stück Asphalt erreichten, wurde diese Unternehmung durch Kalle sofort abgebrochen und wir kehrten auf die Landstraße zurück, die auch die Intruder mit 70 km/h beherrschte.
Heilquelle in Birštonas, leider verschlossen
Der Bade- und Kurort Birstonas stand als nächstes auf dem Programm.
Er bietet bis auf die Kuranlagen keine besonderen Sehenswürdigkeiten, aber die Memel verbreitert sich hier, befreit von ihrem schmalen Bett durch die Berge, sehr und fließt gemächlich dahin. Auch wollte ich, schon mal in der Nähe, das (Heil)Wasser kosten, weil auch schon die alten Ritter das taten und die heilende Wirkung beurkundeten. Was ich noch nie in einem Kurbad erlebt habe, weder in Karlsbad, noch Marienbad oder Bad Pyrmond, hier gibt es Öffnungszeiten für die Zapftempel und ich komme genau fünf nach zwei. Bis zwei war offen und dann erst wieder halb sechs ... zu dumm, aber so bin ich um das eklige Zeug herum gekommen. Zumindest hat es mir noch nie geschmeckt, ganz egal aus welcher Quelle ich diese „Heilwässerchen“ kostete. In der ortsansässigen Pizzeria schlemmten wir zu Mittag.
Dabei lernten wir einen Landsmann aus der Gegend um Bremen kennen, der nach Litauen geheiratet hatte. Er erzählte uns, dass er eine Sammlung von Simson habe und sagte uns, dass der Wetterbericht für den Nachmittag schlechtes Wetter angekündigt hatte.
Abendliche Ankunft an der Inselfestung von Trakai
Er behielt recht. Auf unserer Anfahrt auf Trakai sahen wir schon wie Elektrizität vom Himmel zuckte und kurze Zeit später waren wir nass.
Zeltplatzfinden macht im strömenden Regen überhaupt keinen Spaß und darum stellten wir uns an einem Bauzaun mit Überdachung unter.
Genau neben der Straße mussten wir erfahren, dass es in Litauen wohl keine entsprechende Regelung geben muss, nach der ein Fahrzeugführer nicht einfach Leute, die sich am Wegesrand befinden, nass spritzen darf. Wenn sich nur die Möglichkeit ergab, wurden hier wahre Wasserwände gegen Fußgänger aufgebaut.
Als der Regen etwas nachließ, fanden wir nördlich von Trakai am Galve-See bei Totoriskes den Zeltplatz, der auch ganz gut ausgeschildert war. Für litauische Verhältnisse zwar teuer, aber dafür standen uns hier warme Duschen zur Verfügung, solange das warme Wasser reichte. Da wir morgen nach Vilnius wollen, haben wir uns für zwei Nächte eingemietet. Ansonsten ist es ein ruhiger, sauberer Platz, auf dem nicht viel los ist. Ein paar Wohnmobile und nicht viele Zelte. Zimmer und Hütten kann man auch mieten, die sind aber kaum belegt. Wir lernten Andreas kennen. Ein lustiger Geselle, der in Hamburg Taxi fährt und uns gleich freundlich angesprochen hat. Weniger lustig fand es Nikolaj, dass wir uns neben ihm aufbauten. Der ist hier zum Angeln und Saufen. Einfach mal Frei machen vom Familienleben. Wie ich zusammen mit seinem Namen später erfuhr, ist sein jüngstes gerade ein paar Wochen alt, da kann der geschlauchte Familienvater schon mal Ferien vertragen. Aber noch waren wir nicht soweit, dass wir uns freundschaftlich über unser Privates austauschten. Noch war uns Nikolaj böse. Zuerst versuchte er, uns mit der Hausmacht von „seinem“
Mit dieser Übersichtskarte fanden wir den Zeltplatz
Platz zu vertreiben, aber in den Augen des Platzwartes war alles in Ordnung. Dann rief er einen Freund an, der uns sein Anliegen vortragen sollte. Der Freund musste ihm wohl mal erzählt haben, dass er deutsch kann, versagte am Telefon aber völlig. Dabei sprach Nikolaj ausreichend verständlich Englisch, welches durch den Alkohol auch locker von der Zunge kam. Und Nikolaj musste feststellen, dass wir gar keine so gefährlichen Deutschen sind. Ich sagte ihm dann noch, dass wir Deutschen schon sehr gefährlich wären, wir haben immerhin den zweiten Weltkrieg angefangen. Das sei aber alles halb so wild, wir haben ihn dann auch verloren. Schließlich war Nikolaj der Meinung, ich solle mal Bekanntschaft mit seiner Frau machen, von der er sich gerade eine Auszeit gönnte. Vielleicht würde sie mir die Leviten lesen, da hatte er sicher seine eigenen Erfahrungen, mit ihrem Erscheinen hatte er auch schon gedroht. Also baute er mit seinem Handy wieder eine telefonische Verbindung auf.
Diesmal eine angenehme Frauenstimme und Kinderrabatz im Hintergrund. Ich unterhielt mich mit Rasa. Ganz im Gegensatz zu dem Bild, was Nikolaj von ihr bei mir gezeichnet hatte, schien er eine sehr nette Frau zu haben. Gemeinsam stellten Rasa und ich fest, dass es für Nikolaj wohl das Beste sei, für heute langsam in den Schlafsack zu krauchen, um seinen Rausch auszuschlafen. Dieses „Langsam“ dauerte bei N. aber noch eine ganze Weile. Irgendwann habe ich ihm auch mal meine eMail-Adresse gegeben. Bin mal gespannt, ob da was kommt. Andreas hatte sich inzwischen ein üppiges Nachtmahl zubereitet und kam an unseren Tisch, um in unserer Gesellschaft zu essen. Wir taten es ihm kurze Zeit später gleich. Den Rest des Abends verbrachten wir beim Skat, mit Andreas hatten wir ja nun einen dritten Mann.
Nikolaj kam von Zeit zu Zeit mal vorbei, trollte sich aber immer recht schnell wieder, als er merkte, dass er keine Aufmerksamkeit mehr erregen konnte. Wir drei spielten jedenfalls so lange Skat, bis wir nichts mehr sehen konnten.
Andreas hatte als „Wessi“ zwar ein wenig Probleme mit dem deutschen Blatt, aber wir hatten sehr lange viel Spaß.
Beim Spiel unterhielten wir uns über alles mögliche und so war es ein sehr kurzweiliger Abend, der zum Glück auch trocken blieb.
Der fünfte Tag (02.06.2009 )
82 Kilometer
Der Tag in Vilnius
Trakai - Vilnius - Rykantai
Heute Morgen verabschiedeten wir uns von Andreas, der erst nach Vilnius und dann zu den Seen im Norden weiter fahren will.
Wir hatten auch vor nach Vilnius fahren, aber vorher wollten wir uns noch Trakai ansehen. Nikolaj war am frühen Morgen schon Angeln. Er grüßte freundlich, als er uns sah, und war sonst ganz friedlich und zurückhaltend.
Das Wetter verbreitete am frühen Morgen noch viel Zuversicht, zog sich aber kurz vor der Abfahrt etwas zu.
Eigentlich ist das nicht schlecht, wenn man den ganzen Tag in der Motorradkombi durch die Gegend laufen möchte, denn dann brezelt einen die Sonne nicht so auf. Trotzdem ist es warm, hell und trocken und man kann sich viel Zeit nehmen, um alles zu besichtigen und auch mal in einem Café an der Straße zu verweilen und Leuten nachzuschauen.
Die Inselfestung von Trakai
In Trakai war das dann auch alles so. Eine sehr schöne Inselfestung, deren Werden, Vergehen und Wiederentstehen gut dokumentiert ist. In der weitläufigen Burganlage sind auch noch weitere Ausstellungen untergebracht, welche vielfältiges Kunsthandwerk der Gegend zeigen.
So habe ich in der Pfeifensammlung gelernt, was eine Meerschaumpfeife ist, das Material aus dem die Pfeife des Lehrer Lempel aus Max und Moritz bestand. Es ist ein Magnesiumsilikat, welches sich wegen seiner Großporigkeit sehr einfach bearbeiten lässt. Dies ist auch der Grund, warum man sich an diesen Pfeifenköpfen nicht verbrennt. Meerschaum wird geschnitzt und glatt poliert. So entstehen wunderschöne kleine Kunstwerke. Die Pfeife wird dann noch mit einem Schaft und dem Mundstück komplettiert. In Litauen bestanden diese sogar oft aus Bernstein, der hier häufig vorkommt.
Trakai als Ruine
Im Ort Trakai selbst gibt es zwei Festungen, die ursprünglich, wie alle Burgen hier, aus Holz bestanden. Von der zweiten Feste sind aber nur noch Ruinen übrig. Aber auch diese sind noch sehr imposant.
Unser Interesse galt aber vor allem der Inselfestung, das nationale Wahrzeichen Litauens. Sie kann nur über eine Brücke erreicht werden und hatte natürlich militärischen Charakter. Dieser ging aber nach der Schlacht bei Tannenberg (1410), bei der der Deutschritterorden empfindlich geschwächt wurde, verloren. Dieses Schicksal teilte sie mit vielen Burgen der Gegend. Nachdem die Inselfestung von Trakai militärisch bedeutungslos geworden war, nutzte man sie jedoch noch als Jagdsitz und baute sie auch weiter aus. Irgendwann hatte man aber auch dazu kein Interesse mehr an ihr und sie geriet in „Vergessenheit“. So wurden kaum noch Reparaturen und Instandhaltungen vorgenommen und die Burg zerfiel langsam. Im Krieg mit Russland (17. Jh.) beschossen Kosaken die Burg zu Übungszwecken, was sie endgültig zur Ruine machte. Auch die Brücke zerfiel und so waren die Ruinen auf der Insel nur noch mit dem Boot zu erreichen.
Vytautas
In der Neuzeit entdeckte man Trakai für den Tourismus und als Symbol von nationaler Bedeutung und baute die Burg wieder auf. Denn hier wurde der 1350 Vytautas als Sohn Kęstutis und Birutes (Sage der Birute, Palanga) geboren. Vytautas wurde wie sein Vater Großfürst Litauens und war an der Zurückschlagung der Ritter des Deutschen Ordens beteiligt.
Vilnius empfing uns mit Regen. Wir stellten die Maschinen im neuen Zentrum ab und hielten uns erst mal im Einkaufstempel auf. Hier war es wenigstens trocken. Der Regenerdichtete sich zum Gewitter. Wir entschieden uns, es beim Chinesen „auszusitzen“. Es gab gebratenes Huhn mit Reis und Nudeln. Dazu Sojasoße und eine Tasse grünen Tee.
Dem Regen machte das gar nichts. Es hörte einfach nicht auf. So war die Freude am Stadtbummel reichlich getrübt.
Kalle zog sich seine Regenkombi über. Aber dann wird man auch nur nass, von innen heraus und fängt dazu noch an zu kochen. Außerdem sieht man aus wie ein Michelinmännchen. Ich hatte keine Lust, so durch die Gegend zu laufen und verzichtete darauf. Meine Motorradkombi ist da auch etwas komfortabler als die Lederklamotten von Kalle.
St. Casimir
Die Altstadt von Vilnius ist sehr sehenswert. Allerdings lösen sich wundervoll erhaltene Gebäude mit Baulücken oder ruinösen Häusern ab. Auch viele Hinterhöfe haben ein gemütliches Ambiente. Meistens jedoch sieht es recht bescheiden aus, wenn man hinter die schönen Fassaden schaut.
St. Nicholas Orthodoxe Kirche in Vilnius
Das Wetter machte mir keine Lust darauf, die ganzen interessanten Details zu erkunden und schon gar nicht zu fotografieren, obwohl ich mich schon sehr darauf gefreut hatte.
Wir besuchten vor allem die Kirchen der Stadt. Da ist man wenigstens für den Moment trocken und kann sich auch mal setzten. Vilnius ist mit Gotteshäusern gut bestückt und man findet sie von aufwändig renoviert bis geschlossen und dem Verfall anheim gegeben. Wir fanden sogar eine, die zum Funkturm umfunktioniert wurde.
In St. Casimir, die wir zuerst besuchten, überlegte ich kurz, ob ich mal um besseres Wetter bitten sollte. Bevor ich es tat, fragte ich mich allerdings ob es denn tatsächlich schon so schlimm ist, dass ich irgendwelche Götzen dafür anbeten müsste. Nein, als eingefleischter Heide musste ich das nicht. Als wir aus der Kirche herausgingen, zeigte ich Kalle die Opferkerzen und machte ihm den Vorschlag, dass er da für 0,5 Lita ein Teelicht für besseres Wetter anzünden könne. Daraufhin erzählte er mir, dass er gerade für besseres Wetter gebetet hat. Ist halt alles eine Frage der inneren Einstellung ....
Auf dem Weg zur russisch orthodoxen Kirche und der Kathedrale von Vilnius durchstreiften wir noch die Altstadt ein wenig, aber es machte keinen richtigen Spaß. Das gotische Ensemble hätte ich mir schon noch gerne angesehen, aber das lag leider etwas abseits unseres Weges. Ich wollte nur raus aus dem Regen. Schlafsack und gut!
Als wir die Kathedrale erreichten und von hier den Rückweg zu unseren Maschinen antreten wollten, hatte doch jemand Kalles Fürbitten erhört und berücksichtigt. Vielleicht trat diese Anfrage auch mehrfach auf an diesem Tag.
Der Himmel lichtete sich, die Sonne kam heraus und Kalle fing in seinem Ganzkörperkondom vollends an zu kochen. Die Zeit war nun aber schon recht fortgeschritten und eigentlich wollten wir diese wohlwollende Phase, welches für gutes Wetter auch immer zuständigen Gottes ausnutzen, um trocken nach Trakai zurück zu kommen.
Aber nun standen wir gerade neben dem Burgberg und so entschieden wir uns, doch noch dort hinauf zu klettern, um wenigstens einen Blick über die Dächer der Altstadt von Vilnius zu bekommen. Dies war eine gute Entscheidung und so konnten wir diesen kleinen Lichtblick der Freude bei schönsten Sonnenschein genießen.
Kathedrale von Vilnius Gediminasturm auf der Burg
In der Altstadt von Vilnius Die St. Anna Kirche im gotischen Ensemble
Sogar nach Trakai kamen wir trocken zurück und leisteten uns den Rückweg über Rykantai. Nikolai war inzwischen zu seiner Familie zurückgekehrt. Dafür war Andreas noch da, der sägte in seinem Zelt aber schon fleißig die Bäume ab. Auch wir machten nicht mehr lange. Wir hatten an diesem Tag viel erlaufen. Abendessen und noch ein Paar Bierchen und ab in den Schlafsack.
Mal sehen wie es morgen wird. Wir wollen in den Aukštaitijos Nationalpark im Nordosten an der Weißrussischen Grenze fahren. Dabei werden wir durch den geografischen Mittelpunkt Europas fahren. Werden wir auch das Atomkraftwerk bei Ignalina sehen?
Der sechste Tag (03.06.2009)
296 Kilometer
Zeltplatz Totoriskes - Maišiagala - Mittelpunkt Europas - Nemenčinė - Pabradė - Švenčioniys -
Ignalina - Aukštaitija Nationalpark (Paluse) - Meironys - Ginučiai - Tauragnai - Utena - Rubikiai See
Durch den Mittelpunkt Europas in den Aukštaitija Nationalpark
„Drei Mücken auf dem Visier sind noch kein Dauerregen“
Die Feuchtigkeit geht nirgends mehr richtig raus. Heute Morgen gegen fünf war offensichtlich alles Fürbitten und sämtliche Opferkerzen von gestern aufgebraucht.
Andreas verabschiedete sich ganz betrübt im strömenden Regen und mit gesenktem Haupt, weil er eigentlich auch in den Norden zum Aukštaitija Nationalpark bei Ingalina wollte, um ein wenig zu wandern, bevor er nach Riga weiter reist. Aber Andreas hatte in sein großes Auto keine Regensachen eingepackt. Auch ein Grund, warum ich mir den Juni für die Tour ausgesucht habe ist, dass die Niederschlagsstatistik für das Baltikum den Juni als regenärmste Zeit ausweist. Da ich solche Statistiken aber nicht selber fälsche, ist Regenausrüstung zum Fahren und Wandern Standardausstattung in meinem Gepäck.
Nun will Andreas also über Kaunas, um da das ethnologische Freilichtmuseum zu besichtigen, direkt nach Riga und dann über die Kurische Nehrung und Königsberg den Rückweg antreten. Auch Marienburg, dem Haupthaus des Deutschritterordens, will er auf seiner Rücktour noch besichtigen. Als ich Andreas meine Theorie darüber erklärt habe, dass ich bestimmt ein kleiner Regengott bin, weil es, immer wenn ich irgendwohin fahre, es dort bestimmt regnet, war er froh, dass sich unsere Wege nun trennten. Und als ich die Kellnerin gestern im Chinarestaurant fragte, ob sie wüsste, wie sich das Wetter in den nächsten Tagen entwickeln wird, meinte sie, es wird den ganzen Monat nicht besser ... tolle Aussichten!
Kalle und ich einigten uns darüber, dass wir uns gegen zehn auf den Weg machen wollten. Es stand auch zur Debatte, von Trakai direkt Richtung Ostsee zu fahren, um an der Küste mit anderem Wetter zu rechnen, also keinem Regenwetter. Kalle war mit diesem Vorschlag einverstanden. Da es aber gegen acht aufhörte zu regnen und der Himmel sogar ein wenig Blau durchscheinen ließ, fragte ich noch einmal nach: „Kalle! Was machen wir denn nun?
Fahren wir zur Küste oder die geplante Tour zum Nationalpark?“. Kalle: “Lass uns eine Münze werfen!“. Ich: „Welche Währung?“.
Wir ließen diese Frage noch bis zum tatsächlichen Abmarsch, also dem Starten der Motoren, offen. Könnte ja noch viel passieren. Als wir dann soweit waren, den Starterknopf zu drücken, stelle ich Kalle noch einmal dieselbe Frage: „Welche Tour nun?“. Das Wetter war inzwischen richtig offen, etwas Wind zwar und dichte Kumuluswolken, aber sonst auch Sonne. Kalle: „Wir fahren die geplante Route und wenn etwas schief geht, kannst du ja sagen ich bin schuld.“. Über soviel Entscheidungsfreude war ich gleichzeitig erstaunt, weil Kalle sich bei so was sonst immer drückt, und erfreut, weil sich dies auch mit meiner Vorstellung deckte.
Wir brachen also Richtung Nordosten auf. Der Mittelpunkt Europas und der Aukštaitija Nationalpark waren nun doch die Ziele des Tages.
Die Entwicklung am Himmel war auch so, wie man es sich wünschen würde, wenn man das könnte. Die Abstände zwischen den dicken Wolken vergrößerten sich immer mehr und wir bekamen 1A Tourenwetter.
Der geografische Mittelpunkt Europas
Bei Pikeliškės passierten wir den geografischen Mittelpunkt Europas.
Somit waren wir also im wirklichen Mitteleuropa unterwegs und nicht in Osteuropa. Von hier aus näherten wir uns der Weißrussischen Grenze. In Nemenčinė wussten wir, dass wir dieser sehr nahe waren. Als wir dort einen Versorgungsstopp einlegten, wurden wir von arbeitsscheuen Elementen, wie das früher bei uns hieß, angebettelt: Hochroter Schädel, Standarte gegen den Wind, laut und penetrant. Aber Handy in der Tasche. Nachdem ich vom Einkauf zurück zu unseren Maschinen kam, auf die Kalle derweil immer aufpasst und dabei gerne eine raucht, dachte ich, er hätte einen Kumpel zum Rauchen gefunden, aber dieser Typ wollte uns um Geld anbetteln, um Bier kaufen zu können, wie ich mit meinen spärlichen Russischkenntnissen noch so mitbekam.
Kalle macht dann immer auf „Nix verstehen“ und ich habe ihm mehrsprachig gesagt, er solle lieber arbeiten gehen.
Das wollte er natürlich nicht hören und meinte, sie wären doch Weißrussen. Vielleicht muss so was ja nicht für seinen Lebensunterhalt arbeiten. Öl- und Gaslieferungen nach Westeuropa abzwacken ist ja auch einfacher. Er merkte jedenfalls bald, dass er bei uns nichts erreichen konnte und hat sich dann zusammen mit seinen Kumpels getrollt.
Kirche von Nemenčinė Im Zentrum ... ...von Nemenčinė
Auf der 102 nach Sariai gab es umfangreiche Erneuerungsarbeiten. Zum Staubschlucken hatte ich keine Lust und setzte uns an der ersten Baustellenampel an die Spitze der Kolonne. Im Baltikum sind Baustellendurchfahrten aber Strecken über die aufgerissen Baustellen und ich bedachte nicht, dass Kalle alles was ein glatter Asphalt ist, mit nur 15 km/h fährt. So fuhr ich also der Kolonne weit voraus und Kalle führte einen Treck von zwanzig Fahrzeugen an, denen das bestimmt nicht gefiel. Das Schleichtempo von Kalle rührt daher, dass er meint, seine Karre würde seit zwei Tagen „schwimmen“, weil er sich auf der Strecke nach Punia was an der Lenkung weggeholt hätte. Gestern waren wir sogar Luft prüfen, um diesen Fakt auszuschließen. Heute habe ich mir dann mal seinen Vorderreifen angesehen. Das hätte vor Beginn der Tour mal ein neuer sein sollen. Jetzt ist da noch ein halber Millimeter drauf und auch ungleichmäßig abgefahren. Da braucht es keinen weiteren Kommentar zum Thema „schwimmen“. In Sariai fielen uns mal gleich wieder die hübschen Mädchen auf, weil die sich sehr für dieses kuriose Zweigestirn interessieren. Kommen wohl nicht so oft Motorräder hier durch und schon gar nicht so bepackt.
Die Kirche von Sariai hat eine sehr interessante Architektur. Als offensichtlich orthodoxe Kirche, hat sie eine Form, die sehr an eine Moschee erinnert. Im Reiseführer war Sariai leider nicht erwähnt und so konnte ich auch nichts über die Kirche erfahren. Später habe ich es dann noch mit dem Internet versucht, aber auch da gibt es nichts über diesen Ort. Die Kirche war auch verschlossen, so dass uns der Blick ins Innere verwehrt blieb. Später hatte ich dann mal die
Lacher auf meiner Seite, weil ich die Vermutung geäußert hatte, dass das vielleicht an der Nähe zu Weißrussland lag. Von Sariai setzten wir die Fahrt nach Ignalina fort. Jedenfalls dachte ich, dass es das ist, weil es in meiner Karte so eingetragen war. Das sollte der Ausgangspunkt für die Fahrt durch den Nationalpark sein. Bevor wir aber durch den Park tourten, verschafften wir uns erst einmal einen „Überblick“ vom zweithöchsten Gipfel Litauens aus. Dieses Areal musste dann wohl auch das Wintersportzentrum von Litauen sein, denn hier gibt es immerhin zwei Skilifte.
Außerdem gibt es hier einen Aussichtsturm.
Durch den Park entschieden wir uns für geteerte Straßen. Einmal wichen wir davon ab. Plötzlich standen wir vor einer Schranke und mussten die ganzen Kilometer zurück. Der Park ist wunderschön. Die klaren Seen und Bäche laden zum Baden ein. Ich hatte mir manchmal gedacht, wie schön es wäre, die Schnorchel- oder Tauchausrüstung dabei zu haben. Die Wälder rochen herrlich. Ein Vorteil, den ein Autofahrer kaum nachempfinden kann, der in seiner Blechkiste hockt und die Ausdünstungen von Sitzausstattung und Plastikverkleidungen schnuppern muss, vielleicht noch Duftbäumchen....
Die Holzkirche von Paluse Der Lusiaisee bei Paluse
Das Flüsschen Sorve an der Wassermühle bei Ginučiai Der tiefste See des Parks bei Tauragnai. Hier soll es sogar gefährliche Strömungen geben
Die Sonne, die sich heute recht wacker am Himmel behauptet hatte, wurde nun wieder mehr von Wolken verdeckt.
Der Himmel zog sich mehr und mehr zu und bald gab es nur noch grau und keinen blauen Fleck mehr. Wir wollten eigentlich noch länger im Park bleiben. Aber wir hatten noch keinen Zeltplatz für die Nacht und hofften durch etwas fahren doch noch einem Unwetter zu entgehen. Das „litauische Weimar“, wie es im Reiseführer genannt wird, stand für den nächsten Tag auf dem Reisplan. Wir wollten also noch so nah es geht an Anykščiai heran fahren und möglichst der Nässe von oben entgehen.
Wir passierten Utena und der Regen wurde nicht weniger. Ganz im Gegenteil. Der Regen wurde immer heftiger. Wir wollten nun nur noch den nächsten Zeltplatz erreichen. Der ersten Ausschilderung auf der A6 nach Utena in Richtung Süden, die auf einen Zeltplatz hinwies, folgten wir dann auch. Kilometer um Kilometer kam aber kein weiterer Hinweis, aber auch kein Zeltplatz. Da Kalle nur sehr langsam vorwärts kam, denn das waren keine befestigten Straßen mehr, sollte er warten. Ich würde noch einige Kilometer fahren und wenn dort nichts ist, dann müssten wir zur nächsten Kreuzung zurück und eine andere Richtung einschlagen.
Utena ist nicht besonders sehenswert
So kam es dann auch. Die an der A6 ausgewiesenen zehn Kilometer bis zum Zeltplatz waren längst überschritten. Ich hatte es mir mittlerweile angewöhnt, diese Angaben ganz genau auf meinem Kilometerzähler zu verfolgen. Wir kehrten also um und fuhren zur nächsten Kreuzung zurück. Ich schnell vor und Kalle langsam hinterher. An der Kreuzung gab es aber auch keinen Hinweis. Wir folgten aber der Querstraße in die Richtung, die meiner Karte zu Folge zum Rubikiai See führte. In meiner Karte allerdings als Sperrgebiet gekennzeichnet. Erleichtert fanden wir genau dort wieder eine Ausschilderung und wenige hundert Meter kam dann auch so etwas wie ein Zeltplatz mit Holzhäusern und Spielplatz. Der war aber noch gar nicht fertig. In den Häuschen, die alle noch keine Infrastruktur enthielten, waren Bauarbeiter untergebracht, die an der nahen A6 arbeiteten. Sie hatten aber nichts dagegen, dass wir für eine Nacht hier blieben und halfen uns sogar mit Trinkwasser aus.
Der Regen nahm weiter zu. Wir waren froh, dass es auf diesem Platz auch schon so etwas wie einen Aufenthaltsraum gab. Wir konnten so im Trockenen unser Abendessen einnehmen und noch einen Augenblick sitzen und erzählen, bevor wir in unsere klammen Schlafsäcke in die tropfnassen Zelte krochen.
Der siebente Tag (04.06.2009)
276 Kilometer
Odyssee und Geschichtsunterricht
Rubikiai See - Ukmerge - Pabaiskas - Gelvonai - Liukonys - Čiobiškis - Musniki - Kernavė -
Airėnai - Vievis - Rumšiškės - Kaunas - Kėdainiai
Über Nacht ließ der Regen auch nicht nach und, als ob das nicht schon reichen täte, verstärkte sich auch noch der Wind. Er drückte das Wasser durch die Zelthaut und zog die Heringe aus dem aufgeweichten Boden. Da die Außenhülle dadurch schlecht verankert war, konnte der Wind nun direkt durch das Zelt wehen. Der Zeltboden setzte der Nässe des aufgeweichten Untergrundes auch keinen Widerstand entgegen. Schutz bot nur noch das Innere des
Schlafsacks. Ich kroch ganz tief in ihn hinein und zog ihn oben zu. Ist nicht bequem, aber wenigstens nicht kalt. So zusammengeschnürt konnte ich dann immer wieder kurze Phasen von Schlaf finden, in denen ich dann auch noch schlecht träumte.
Gegen sechs war mir so kalt, weil der Schlafsack nun genau wie alles im Zelt nass war, so dass ich mich aus dem Zelt pellte, um bei einem Topf Kaffee im Aufenthaltsraum Zuflucht zu finden. Der war wenigstens trocken und versprach somit das Gefühl von Wärme. Kalle kam dann auch gleich und rauchte eine nach der anderen. Vielleicht hoffte er mit dem Glimmstängel etwas Wärme über die Lungen aufnehmen zu können. Wir tranken unseren Kaffee und krallten uns an den Bechern fest. An meinem jedenfalls konnte ich mir die Finger wärmen, Kalle hatte einen Iso-Becher. Auf jeden Fall waren wir uns einig, dass dies wohl ein langer Tag in der Regenkombi werden würde, so wie das jetzt da draußen aussah. Der Wind und der Regen hielten unvermindert an. Schon beim Abbau der Zelte und dem Verpacken der Ausrüstung auf den Maschinen trugen wir die Regenkombis, um nicht schon durchgeweicht die Fahrt zu beginnen. Dazu würde es schon noch früh genug kommen. Wieder war der Aufenthaltsraum die Rettung in der Not. Hierher trugen wir alles, bevor wir das klatschnasse Zeug verpackten, was den Wasseranteil im Gepäck um ein wesentliches verminderte.
Vollkommen unerwartet schaffte es aber der Wind, ein Loch in die Wolken zu reißen und diese dann auch noch etwas zu vereinzeln. Aber der Sturm hielt an. Wir verzichteten also erst einmal auf unsere Regenkombis, um besser zu trocknen, aber das kühlte uns in unseren klammen Klamotten ganz schön aus. Gerade die Lederstiefel und die Handschuhe halten, einmal richtig nass, die Feuchtigkeit sehr lange und Füße und Finger waren eisig.
Wir stoppten hin und wieder, um uns an einer vom Wind geschützten Stelle in die Sonne zu stellen und etwas zu wärmen. Einmal zeigte ich Kalle meine Finger der rechten Hand. Es ist die Hand am Gasgriff, die man somit nie vom Lenker nehmen kann, wie die Linke zum Beispiel, um sie mal etwas dem Fahrtwind zu entziehen. Die Fingerspitzen waren tief blau, verfärbten sich zur Handfläche hin etwas heller bis ganz weiß. In der Handfläche selbst hatte ich noch Gefühl, dass dann bei langsamer Erwärmung in Form eines heftig stechenden Schmerzes auch wieder in die Fingerspitzen zurückkehrte. Wie oft an diesem Tag würde ich das noch erleben müssen? Wie oft in den noch kommenden drei Wochen? Ich überlegte auch, ob wir bei einem solchen Stopp nicht mal die Zelte und Schlafsäcke herausholen, um sie im Wind trocknen zu lassen, aber mit den klammen Fingern wieder in das nasse Zeug im kalten Wind, darauf hatte ich absolut keinen Bock.
Kirche von Ukmerge
Hinter Ukmerge, wir wollten uns das ethnologische Freilichtmuseum bei Kaunas ansehen, hatten wir wegen des späten Starts Anykščiai aus dem Reiseplan gestrichen und fuhren deshalb auf der A6 direkt wieder Richtung Südwesten und bogen von der Schnellstraße ab. Sie war heute gar keine Schnellstraße und wird es auch die nächste Zeit nicht mehr sein, denn sie ist mit Baustellen übersäht. Eigentlich ist es eine einzige Baustelle mit kurzen asphaltierten Abschnitten. Und bei der Nässe ist das dann auch nur eine Schlammschlacht, die Kalle durch langsames Fahren auch noch in die Länge zog. Aber was blieb ihm übrig mit der Intruder? Also ab auf eine kleinere Landstraße, die uns direkt nach Süden bringen sollte. Auf der Fahrt über eine Hochebene konnten wir das Land weit überblicken und sahen, was uns erwarten würde, wenn wir unseren Plan weiter folgten. Breite Regenbänder zogen im Süden über das Land. Wie auf einer Kette aufgefädelt, ergoss sich da ein Schauer nach dem andern in gleichmäßiger Reihenfolge. Wir pellten uns also gleich wieder in unsere Plastikkondome und kurz darauf begann eine für diesen Tag wohl nicht abreißende Odyssee.
Wir machten heute bestimmt 100 Kilometer Strecke vollkommen umsonst, weil wir wegen schlechter, gar keiner, bis hin zu falscher Ausschilderung der Strecke Unmengen an Umwegen in Kauf nehmen mussten. Einmal hätten wir zum Beispiel eine Fähre nehmen müssen, aber dahin gab es keinen Wegweiser. Erst als ich viele Kilometer weiter ein Ortsschild von einem Ort las, durch den wir nie fahren wollten, wusste ich, dass wir die Fähre wohl verpasst hatten. Ein ganz großer Tadel an das litauische Verkehrsministerium! Bei Kaunas ist durch die Anstauung der Memel das Kaunasische Meer entstanden. Dabei ist das Dorf Rumšiškės im Wasser versunken und man hat es etwas höher wieder errichtet. Nicht besonderes dort, weil alles „neu“. Aber 1966 begann man hier aus allen Landesteilen typische Gebäude, ganze Bauernhöfe, Mühlen, Schmieden und so weiter herzuschaffen. Daraus entstand das Litauische ethnologische Freilichtmuseum , welches 1974 für den Besucherverkehr freigegeben wurde. Ganze Dörfer wurden hier zusammengestellt, die das Leben und Arbeiten in den Regionen der vier Himmelsrichtungen in Litauen seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert in einer ausgesprochen „lebendigen“ Weise darstellen. Es werden Felder und Gärten bestellt und manchmal sind auch Handwerker mit ihrer Arbeit beschäftigt. Gerade für meinen Faible für alte Häuser war das natürlich ein Leckerbissen. Gerade ist man dort dabei, eine Kleinstadt zu errichten.
Anfangs schüttete es zwar wie aus Eimern, aber schließlich wurden wir mit Sonnenschein belohnt und konnten unsere Exkursion ohne Regenkombis fortsetzten. Das Areal ist riesengroß und man muss viel laufen, denn allein der Europas 13 Rundweg ist sieben Kilometer lang. Wir hielten uns beinahe den ganzen Tag hier auf und auch das war noch viel zu kurz. Wohl weil das Wetter so bescheiden war, begegneten wir kaum anderen Besuchern und hatten den Eindruck, alles nur für uns zu haben. In der rustikalen Gaststätte konnten wir gut und zu annehmbaren Preisen essen und trinken und wurden als einzige Gäste ganz lieb von Laura bedient, die heute ihren ersten Tag hier hatte und deshalb ein wenig schüchtern und aufgeregt war. Aber wir scherzten ein wenig und dann ging alles ganz super und lustig voran.
An einer Stelle, „die Jurte“, wurde auch die Deportation von litauischen Menschen nach dem Verkauf der östlichen Gebiete für 31,5 Milliarden Reichsmark an die UdSSR dokumentiert.
Holzkirche im Freilichtmuseum, wie wir sie auch in Paluse gesehen hatten
Typisches dreigeteiltes Bauernhaus mit kleinem Vorgarten
Neben dem Wohnhaus gehört zu einem Hof in der Regel ein Stall, eine Kornkammer und ein Badhaus mit Sommerküche
Der Marktplatz der Kleinstadt Miestelis, an der gerade fleißig gebaut wird
Die Jurte, in sowas sollen nach ihrer Deportation nach Sibirien bis zu vierzig
Menschen gelebt haben
Eine Kornkammer, hier wohnten im Sommer die "jungen" Leute vom Hof
Wegkreuze, wie man sie heute noch überall sieht Im Souvenirladen
Nach unserem Rundgang, es war so gegen 17 Uhr, machten wir noch einen Versorgungsstopp in Kaunas und besichtigten noch ein wenig die Altstadt. Dann wollten wir den ersten Zeltplatz nehmen, der in Richtung auf unser nächstes Tagesziel, der Hügel der Kreuze, am Weg liegen würde. Es gab auch gleich einen am Ortsausgang von Kaunas, aber der Preis von neunzig Litas für eine Nacht direkt neben der Autobahn erschien uns nicht angemessen, obwohl wir gern einmal wieder geduscht hätten. Aber wie heißt es so schön: „Die richtige Mischung aus Schweiß und Dreck hält wasserdicht und warm.“ Und das können wir ja gut gebrauchen.
Rathaus von Kaunas Die Überreste einer einst stattlichen Burg von Kaunas
Gleich neben dem Rathaus, die Kirche der heiligen Dreifaltigkeit
Die Vytautasbrücke über die Memel
In der festen Überzeugung, bald auf den nächsten Zeltplatz zu stoßen, fuhren wir weiter. Aber denkste! Bei Kėdainiai nördlich von Kaunas war nix. Nur Landwirtschaft und ein wenig Industrie und Straßen, wo sie laut Karte nicht hingehören.
Touristisch ist die Gegend wohl kaum erschlossen. Wir wollten noch ein wenig von der Sonne, die gerade schien, für die Trocknung unserer Zelte und Sachen abbekommen und entschieden uns, über einen Feldweg von der Straße zu einen nahe gelegenen Wald zu fahren. Durch den Regen der letzten Tage war dieser aber vollkommen aufgeweicht und so holte sich Kalle mit Hilfe der Schwerkraft eine Schlammpackung. Wenig später versuchten wir dasselbe noch einmal auf einer Betonpiste.
Mit großem Erfolg und hoffen auf eine trockene gute NACHT!
Rathaus von Kėdainiai mit Radzwill-Denkmal Kleinstadtflair
Zentrum der Düngemittelindustrie in Litauen, die Lifoswerke von Kėdainiai Kėdainiai bei Nacht
Der achte Tag (05.06.2009)
215 Kilometer
Der Hügel der Kreuze ist nicht Golgatha
Šeduva - Šiauliai - Hügel der Kreuze - Kuršėnai - Telšiai - Lieplaukė
Die Nacht war wunderbar ruhig. Bis auf ein paar Schafe in einem nahe gelegenen Koben und ein paar Hunde in der Gegend war nichts zu hören. Kein Regen. Kein Sturm. Erst als am Morgen die Sonne über die Baumwipfel mein Zelt erhellte und Kalle sich den Kocher aus dem Vorzelt klaubte, entschloss ich mich aufzustehen.
Wir ließen uns viel Zeit am Morgen, damit alles trocken werden konnte.
Bis auf einige kleine Wolken war der Himmel strahlend blau. Doch ein frischer Wind zeigte an, dass es wohl nicht lange so bleiben würde. Wir waren uns aber einig zu warten, bis unsere Sachen und die Ausrüstung trocken sein würden. Denn solche lichten Momente, das hatten wir gelernt, mussten wir nutzen, wenn wir noch drei Wochen hier aushalten wollten. Wir tranken gemütlich Kaffee, während am Horizont graue Schleier aufzogen.
Das ist das schöne an diesem flachen Land. Man sieht rechtzeitig, wie sich das Wetter ändern wird. Schade nur, dass es das so oft tut .... Manchmal kommen die Wolken so tief an, dass man meint, wenn man die Arme jetzt ganz lang macht, kann man sie einfach auseinander fuchteln. Geht leider nicht! Und so tröstete ich mich damit, dass über diesem hässlichen Grau-Schwarz wundervoller Sonnenschein auf uns wartet.
Aber noch waren die grauen Miesmacher nicht da. Alles konnte in Ruhe trocknen und wir hatten auch noch genügend Zeit, alles ordentlich zu verpacken. Kalle entschied sich trotzdem sofort für die Regenkombi, da sie ihm auch Schutz vor dem kalten Wind bot. Mir waren die Wolken aber nicht grau genug für das Michelin-Outfit. Sie würden nicht genügend Kraft haben, um mich nass zu bekommen. Ein großer Vorteil meines Codura-Anzuges.
Windmühle bei Šeduva
Und ich sollte auch recht behalten. Bis auf kurze Augenblicke war das Wetter den ganzen Tag zwar windig und es waren viele Kumuluswolken am Himmel, aber es blieb weitgehend trocken. Überhaupt: „Wasser von oben“ ... seit wir aus Trakai weg sind, hatten wir kein fließendes Wasser mehr, geschweige denn eine Dusche. Auch vorgestern am Rubikiai See lud das Wetter nicht dazu ein, mal ein wenig Dreck abzuspülen. Das wenige Wasser, das wir als Vorrat immer mitführen, ist sehr knapp. Gönne ich mir mal ein paar Tropfen zum Ausspülen meiner Tasse, dann nehme ich es auch gleich noch zum Zähne putzen und „Händewaschen“. Verschwendung können wir uns nicht leisten, dazu ist zu wenig Platz im Gepäck. Von den zwei Litern, die wir uns gestern mitgenommen haben, bekam ich eine Tasse Tee, einen Kaffee und den besagten Rest, ca. eine viertel Tasse. Habe mir auch mal die neuen Seitenkoffer „Gobi“ von Hepco & Becker angesehen. Da kann man bis zu 3,5 Liter im in der Seitenwand integrierten Tank transportieren. Aber so was haben wir nicht und ich freue mich mal wieder auf eine Dusche oder wenigstens ein Bad in See, Bach oder Meer.
Kirche von Šiauliai
Heute wollen wir zum Hügel der Kreuze nördlich von Šiauliai (dt. Schaulen). Eine Minierhebung von 105m üNN, auf der man irgendwann mal angefangen hatte, Kreuze aller Art und Größe aufzustellen. Sogar einen Davidstern und einen Halbmond habe ich dort auf einer Skulptur gesehen, aber darüber war dann doch ein Kreuz angebracht.
Auf der Fahrt von unserem Nachtlager zum Kreuzehügel fuhren wir bei Šeduva von der Straße 144 auf die A9. Gegen Mittag hielten wir auf dieser Strecke an einer Pizzeria an. Hier kann man dem deutschsprechenden italienischen Küchenchef bei der Zubereitung der Pizzen zusehen. Wir unterhielten uns etwas über das Land, wie er hierher gekommen ist und was wir hier machen. Zum Kaffee bekamen wir dann leckeren Kuchen, den er gerade aus dem Ofen geholt hatte.
In meiner Karte war der genaue Ort des Hügels nicht auszumachen. Kurz hinter Šiauliai überholten wir aber einen Radfahrer, der auf seinem Lenker eine Karte montiert hatte. Den wollte ich mal fragen, ob die Stelle bei ihm genauer eingezeichnet war. Wir fuhren rechts ran und warteten auf ihn. Als er uns erreicht hatte, sprach ich ihn an. Es stellte sich heraus, dass er Franzose ist und schon seit drei Monaten unterwegs war. Er durchfuhr Deutschland und Polen in jeweils einem Monat und war jetzt schon seit einem Monat in Litauen unterwegs. Er wollte auch noch über Riga nach Tallinn. Mit Hilfe seiner Karte konnte ich mich auch kurz orientieren. Wir waren kurz vorm Ziel.
Der Hügel der Kreuze hat einen etwas morbiden Charme. Die Buden, um noch schnell ein Kreuz zu kaufen oder sonstige Kinkerlitzchen, erinnerten mich an das neue Testament, Markus 11, 15-17: Sie kamen nach Jerusalem, und Jesus ging in den Tempel. Dort vertrieb er die Händler, die den Pilgern Opfertiere zum Kauf anboten, und ihre Kunden. Die Tische der Geldwechsler stieß er um, ebenso die Stände der Taubenhändler. Er duldete noch nicht einmal, dass jemand irgendwelche Dinge durch den Tempel trug. «Ihr wisst doch, was Gott sagt», rief Jesus der aufgebrachten Menschenmenge zu: «,Mein Haus soll für alle ein Haus des Gebets sein, ihr aber habt eine Räuberhöhle daraus gemacht.» Was er davon hatte, wissen wir ja und würde er wohl auch wieder, wenn er
wiederkommen und dasselbe tun täte. Im „Inquisitor“ von Hohlbein sagt ein Graf zum Inquisitor so etwas wie: Die Christen würden ihren Christus sofort auf dem Scheiterhaufen verbrennen, wenn er heute kommen würde und behaupten, er wäre der Sohn Gottes und die Dinge tun, die er getan haben soll.
Und noch mehr Zitate gingen mir beim Besuch dieser „Kultstätte“ durch den Kopf: „... und der Papst war auch schon da. Freiiiiiiiiheiiiit ....“ usw. von M.M. Westernhagen. Der hat da nämlich auch ein Kreuz dagelassen. Also nicht unser Papa-Razi, sondern sein Vorgänger Paul. Ein mächtig großes sogar und überdacht. Also nix mit Bescheidenheit und so. Aber der war, glaube ich, auch kein Franziskaner, der Johannes Paul aus Polen.
Ich kam auf die Idee auch ein Kreuz dazulassen. Auch wenn wir Heiden sind, muss doch auch mal einer an die ganzen Mopedfahrer denken. Aber reicht einfach so ein billiges vom (Tempel) Händler gekauftes? Nein, mein Vorschlag bestand aus zwei Schraubendrehern mit Strapsen (Kabelbinder) zusammen getütert. Aber Kalle meinte, dass wir unsere Schraubendreher vielleicht selber noch besser gebrauchen konnten und wir verworfen diesen Gedanken.
Die Holzkirche von Lieplaukė Überhaupt ist das Pilgern und Wallfahren eine beliebte Sache. Überall an den Straßen stehen Wegweiser, die auf Pilgerstätten hinweisen. Heute habe ich auch mal jemanden gesehen, der an so einer Säule mit Maria drauf am Wegesrand kniete.
Telsiai Holzkirche von Lieplauke
Ich bin jedenfalls froh, dass ich mich trotz meiner Taufe zu den Heiden zählen darf. Der wohl größten Glaubensrichtung auf dieser Erde. Alle anderen brauchen ja ihre Götzen und drei von diesen Weltreligionen streiten sich dazu auch noch um einen Gott.
Ein seltener Anblick: Zeltlager in sonniger Idylle
In Telšiai haben wir an einer Tankstelle Wasser aufgenommen.
Dabei wurden wir von zwei Jungs bestaunt, die mit ihren Zwiebacksägen unterwegs waren. Ich glaube die hatten so etwas um die fünfzig bis siebzig Kubikzentimeter. Wir unterhielten uns eine Weile und sie waren ganz erstaunt darüber, dass ich auch mal so angefangen hatte und auch damit "große" Touren unternahm. Habe ihnen empfohlen, das auch mal im Kleinen zu versuchen, bevor sie auf Weltreise gehen. Das sahen sie dann auch ein und wollten gleich los ...
War ein sehr philosophischer Tag heute. Nun stehen wir mit unseren Zelten wieder irgendwo in der Pampas zwischen Telšiai und Plungė südlich der A11. Wir wollten zwar lieber bei Lieplaukė an den Germantas-See und mal baden, aber da kamen wir nicht ran. Aber egal! Falls mal wieder unkontrolliert Wasser von oben kommt, dann gehe ich einfach raus, wenn es nicht zu kalt ist. Es war heute Abend recht wechselhaft. Mal kommt eine Wolke, dann regnet es ein wenig und dann scheint wieder die Sonne. War ein ständiges rein ins Zelt, wieder raus aus dem Zelt.
Ansonsten denke ich, dass wir hier eine ruhige Nacht bekommen werden und morgen Mittag in Palanga an der Ostsee sind. Dort werden wir dann bis Montag bleiben und ausruhen, bevor es dann nach Lettland weitergeht.
Gerade prasselt wieder leichter Regen auf dem Zeltdach ... also, Gute Nacht!
Der neunte Tag (06.06.2009)
66,6 Kilometer
Sonnentag an der Ostsee [33]
Plungė - Kretinga - Palanga
Die Nacht war alles andere als ruhig. Erst machten ein paar in der Nähe campende Kids Radau und dann fuhren die ganze Nacht Autos auf unserer Buckelpiste hier und Züge auf der Strecke gleich daneben. Außerdem war es wieder nass und saukalt. Aber zu Hause soll es auch nicht besser aussehen. Haben halt nur ein bisschen Pech, dass wir gerade jetzt unterwegs sind.
Zentrum von Kretinga
Dass ich geschlafen habe, weiß ich nur, weil ich zweimal aus schlechten Träumen aufgewacht bin. Und was für einen Mist ich geträumt habe. Beim zweiten Mal war meine Karre noch vollkommen demontiert als ich aufwachte und ich musste erst eine Weile überlegen, ob ich am Morgen so weiterfahren könnte. Normalerweise bekomme ich es hin, solche Träume zu beherrschen und genehmige mir dann immer einen kleinen Rundflug, aber irgendwie bekomme ich das hier nicht hin. Dann tat ich eine ganze Weile kein Auge mehr zu und zählte Güterzüge, aber als dann der Trecker vom hiesigen Landwirt an meinem Zelt vorbei tuckerte, war es auch schon neun.
Die Kirche im Zentrum von Palanga
Ich kroch aus meinem Zelt. Draußen war es nur grau. Allerdings war ich über die trockene Haut meines Zeltes erstaunt. Um uns Wärme von außen zuzuführen, genehmigten wir uns in aller Ruhe jeder zwei Kaffee. Wir hatten viel Zeit, denn bis Palanga würden es nur circa fünfzig Kilometer sein. So konnten wir uns auch beim Zusammenpacken und Verladen viel Zeit lassen.
Für die nächsten zwei Nächte würden wir nichts zum Campen brauchen, wenn es uns gelingt in Palanga eine günstige Unterkunft zu finden. Es war wohl gegen elf als wir starteten. Vorher kam noch mal der Bauer vorbei und als ich meinen Kaffeebecher zum Gruße erhob, lächelte er zurückhaltend und grüßte freundlich zurück. Er schien sich für unsere Maschinen zu interessieren, aber zum Anhalten und Absteigen brachte er wohl nicht den Mut auf. Dabei brauchte er gar nicht so mutig zu sein, denn wir sind ja immer gern zur Auskunft bereit.
Die erste Kneipe auf der Flaniermeile
Nachdem wir auf unseren Maschinen saßen, suchten wir einen Weg, um zurück auf die Schnellstraße Richtung Küste zu kommen. Kalles Anteil am gemeinsamen Wegfindungsprozess waren zwei Schulterzucken. In Kretinga, einer Stadt, die für ihre Holzschnitzarbeiten bekannt sein soll, haben wir so eine Art Mittagsbrunch gemacht. Die total süße Kellnerin konnte sogar ein wenig Deutsch.
Überall laden Restaurants zum draußen sitzen ein
Und da ich das hier gerade schreibe, fällt mir gerade auf, irgendwie sind die Kellnerinnen hier alle total süß. Und auch die Straßen sind voller hübscher junger Frauen. Was ich mich dabei aber frage: Wo sind die ganzen hübschen Frauen so über fünfundzwanzig? Lassen die Mädels hier so stark nach? Von Kretinga konnten wir schon sehen, dass das Wetter an der Ostsee hervorragend werden würde. Auch dauerte es nicht mehr lange und wir waren in Palanga. Und richtig: Sonne! Es bläst zwar ein kühler Wind, aber seit unserer Ankunft haben wir Sonne satt und in einem windgeschützten Winkel auf Palangas Flaniermeile wird es auch schön warm, so dass ein kühles Bier wunderbar schmeckt.
Die Landungsbrücke am Ende der Flaniermeile
Aber noch waren wir nicht ganz da. Wir hatten uns darauf geeinigt, nur im Notfall den Zeltplatz zu nutzen und wollten uns mal eine feste Unterkunft gönnen. Da wir auch zwei Nächte hier verbringen wollten, war das ganz gut so.
In meinem Reiseführer hatten wir uns zwar schon über Unterkünfte kundig gemacht, aber wir wollten doch noch mehr Infos in der Touristinformation einholen, da sich die Situation seit der Drucklegung des Reiseführers sicher auch schon geändert hat. Mit dieser Vermutung lagen wir auch ganz richtig.
Schon am Ortseingang priesen sich die Unterkünfte an wie Sauerbier. Dort standen Leute, wie an der E55 von Zinnwald nach Teplice, und boten nicht sich, aber Zimmer, Wohnungen, Ferienhäuser etc. an. Auf Schildern, Plakaten, Schirmen und Autos standen Adressen von Unterkünften. Mit der Suche danach würden wir also keine Not haben. Die Strategie, ein günstiges Angebot zu bekommen, war einfach und schnell ersonnen. Auf den Marktplatz gefahren, da wo sich die Touristinformation befinden sollte, ihn einmal umkreist, als würde man etwas suchen und hingestellt. Zack! Plötzlich waren sie da und überhäuften uns mit Angeboten, die preislich weit jenseits von dem lagen, was an Beispielen in meinem Reiseführer stand.
Die Entscheidung fiel für eine Bude für achtzig Litas. Da sollten wir beide für zwei Nächte unterkommen und unsere Maschinen könnten in einer Garage stehen. So das Angebot! Die Garage für die Maschinen gab es dann nicht. Aber sie standen sicher auf einem ruhigen Hof. Der Krämerseele war das aber noch mal Öl ins Feuer geschüttet und wir bekamen, nach höflicher Nachfrage nach der versprochenen Garage, auch noch mal einen Preisnachlass. So kam es, dass wir hier an der Ostsee, bei schönstem Wetter, im festen Bett, mit eigener Dusche, zum selben Preis untergekommen sind, wie auf dem Zeltplatz in Trakai im Regen. Wir erreichten auf diese Weise die hälfte des Preises, den wir für die kommenden zwei Nächte eingeplant hatten, was uns in der Gemeindekasse noch mal ein paar Litas für ein gutes Essen ließ. Das Zimmer selbst war vollkommen in Ordnung. Zwei große Betten, WC und Dusche.
Auch bot es noch genügend Platz für unsere Sachen und Steckdosen gab es auch in großer Zahl, um unsere Akkus von Handys und Kameras laden zu können. Von der Mutter der Herberge wurden wir zur Begrüßung zu einer Tasse Kaffee eingeladen.
Das wir endlich mal wieder kontrolliert warmes Wasser von oben bekommen konnten, nutzen wir natürlich erst einmal ausgiebig zum duschen und machten uns landfein. Ich weichte noch meine Klamotten ein, die ich seit nunmehr drei Tagen und teilweise auch Nächten am Leibe trug. Warum auch frische anziehen, wenn eh keine Möglichkeit zum waschen bestand. Aber du gewöhnst dich auch daran, dich morgens in deinem Unterzeug in den kalten Wind zu stellen, bis die klamme Feuchtigkeit der Nacht weg ist und du dann nur noch deine Kombi überziehen musst, die die Nacht über neben dir gelegen hat. Ist ein bißchen so wie früher bei der Fahne im Feldlager, nur dass sich hier keiner für deine Kragenbinde, die Rasur oder den Stiefelputz interessiert.
Und nun hängen die Klamotten auf der Leine, bereit für die nächsten neun Tage. Wir flanieren über die Meile von Palanga, sitzen in der Sonne, trinken Bier, haben satt gegessen, sehen hübschen Mädchen hinterher und werden heute Nacht in weichen Betten schlafen.
Der Birute-Brunnen, Symbol nationaler Bedeutung Sandstrände an der ganzen Küste
laden zum Baden ein ...
... und die Dünen dahinter zum Wandern. Der Hügel der Birute
Der zehnte Tag (07.06.2009)
162 Kilometer
Durch den Regen auf die Nehrung
Nimmersatt - Klaipėda - Juodkrantė - Nida - Palanga
Einen so erholsamen und entspannten Abend wie gestern hatten wir nicht mehr, seit wir bei Andi in Brandenburg waren. Wir hingen viel in den Straßenkneipen rum, spazierten am Strand und über die Promenade, beobachteten den Sonnenuntergang, haben einen hiesigen Döner versucht, der aber eher eine vegetarische Türkenpizza war, und etwas später am Abend (oder war es schon tief in der Nacht, nur noch nicht dunkel?) fanden wir sogar noch eine Kneipe, in der eine Band spielte.
Die Nachtruhe in unserer Schlafgarage war bis auf zwei Kleinigkeiten ganz angenehm. In der Nacht hatte sich das Wetter merklich abgekühlt und es gab hier keine Heizung. Aber unter die Decke gekuschelt war das nicht weiter von Belang. Da hatten wir in den letzten Nächten schlimmeres erlebt. Außerdem war die Bude über uns auch vermietet worden. An einen Bikerkollegen aus dem unterfränkischen Bad Kissingen, der zu Hause ein Dentallabor hat und mal von Kollegen aus Tartu (Estland) eingeladen wurde, um ihnen ein bisschen über Management und Controlling in einer solchen Unternehmung zu zeigen. Also hat er sich die 600er Yamaha seines Sohnes geschnappt, die eh nur in der Garage rumgammelte, und hat sich auf den Weg gemacht. Hier oben ist wohl ein Schmelztiegel der Harten und Verrückten!
Das mit der offenen Tür ist unsere Wohngarage. Im Tor neben an steht noch ein Auto.
Ja und die Hütte, was unsere Schlafgarage war, hat keine Schallisolierung, wodurch jeder seiner Schritte am frühen Morgen zu hören war. Außerdem war der HiFi-Boiler in unserem Zimmer die zentrale Warmwasserversorgung für die ganze Hütte. So gab es immer mal wieder kleinere akustische Störungen, aber umsonst habe ich nicht bis neun Uhr schlafen können; warm unter der Decke, trocken und keine Schmerzen in Schulter oder Hüfte, wenn ich zu lange auf einer Seite gelegen habe.
Die Ernüchterung kam beim Öffnen der Gardinen. Die Abkühlung über Nacht brachte einen Wetterwechsel mit sich. Der Himmel war dicht mit regenschwangeren, grauschwarzen Wolken verhangen. Das Baden an den Sandstränden der Kurischen Nehrung, welche wir heute mit einem Tagesausflug besuchen wollen, Wandern in den Dünen oder einfach nur einmal eine trockene Ausfahrt, werden wir wohl vergessen können.
Von Palanga ging es also nach Klaipeda, Memelburg von den ersten ritterlichen Eroberern genannt, die glaubten, die Memelmündung erreicht zu haben, aber die liegt noch ein Stück weit weg im Süden. War wohl früher schon schlecht ausgeschildert die Gegend.
Wir versuchten nahe der Küste nach Memelburg zu gelangen. Da gibt es zum Beispiel einen Ort, der nach dem großen Nationalheld Vytautas benannt ist, essen Mutter Birute aus der Gegend von Palanga stammte, oder so ein lustiger Ort wie Nimmersatt ("Nimmersatt, wo das Reich sein Ende hat"), denn hier ist der letzte Zipfel des Deutschen Reiches.
Memelburg Der Hafen von Klaipėda
Johannes-Kirche Panorama von Memel
In Memelburg stoppten wir am ersten Supermarkt, den wir fanden. Kalle brauchte noch Zellstofftaschentücher und ich Rasierschaum und auch hier haben die Märkte am Sonntag geöffnet. Das finde ich sehr entspannend. Ich habe uns noch einen kleinen Snack spendiert und die größten Whisky-Flaschen gefunden, die ich jemals gesehen habe.
Drei Liter Ballantines und Jonny Walker, aber auch Becherovka, Fernet Branca und was das Herz sonst nochbegehrt, gab es hier in der Familienpackung. Aber frage nicht nach dem Preis ....
Zu einer Verbesserung seiner Campingausstattung konnte Kalle sich nicht durchringen „ ... es wird ja bald wieder warm ...“.
Von da an zogen wir uns die Regenkombis über, denn die Wolken waren mittlerweile zu schwer geworden und die Luft so kalt, dass sie das Wasser nicht mehr halten konnten. Und wie das so ist, eins kommt nicht allein. Nicht nur das Wetter war bescheiden, sondern auch die Ausschilderung. In der Innenstadt war eine Brücke gesperrt und wir landeten mal wieder in der Pampas. Aber mit Ritti’s Sinn für Orientierung kamen wir dann doch ganz gut zur Fähre.
Die achtzehn Litas für das bisschen Hin- und Herschippern war auch ganz annehmbar. Auf dem Boot lernte ich wieder jemanden kennen. Ich kam mit einem Bayern aus Augsburg ins Gespräch. Auch er hat eine litauische Frau und wollte das Land nun mal seinen Eltern zeigen und ärgert sich auch mächtig über das
„Sommerwetter“ in diesem Jahr. Sonst, sagte er, hatte er hier immer nur Sonnenschein. Aber diesmal, das wusste er ja nicht, war er zur selben Zeit wie zwei ausgesprochene Heiden unterwegs.
Von ihm habe ich auch erfahren, dass Litauen in irgendeiner Art und Weise übersetzt wohl „Land des Regens“ heißt.
„Jetzt weiß ich auch, warum deren Währung ‚Liter’ ist!“ sagte ich zu Kalle.
Aber der Durchbruch des Wahnsinns kam erst noch. Auf jeder super ausgebauten Autobahn dieses Landes fährt man einfach für das, was die Jungs hier auf den Benzinpreis aufschlagen. Aber auf der Kurischen Nehrung musst du für eine Verbindungsstraße untersten Niveaus Maut bezahlen! Und dann nahm dieser verpisste Automat noch nicht einmal unsere nassen Geldscheine. 20 Lita für jeden sollten wir berappen. Dafür leihe ich ein Rad für 14 Tage und mache das so...
Die Kurische Nehrung
Ansonsten war die Nehrung bei Regen nicht so der Hit. Erinnerte ein wenig an Hiddensee, nur länger und breiter. Aber es ist derselbe Nepp. Wir haben für ein Essen mehr als das Doppelte bezahlt, als im Inland. Aber dafür waren wir auch klatschnass. Vielleicht war das auch der Aufwärmzuschlag.
Das Essen war lecker, aber bei der Geschwindigkeit, mit der das Hauptgericht da war, konnte es nur aufgewärmtes, also vorbereitetes, Essen sein. Nicht frisch gekocht, aber es hat geschmeckt. Wir hatten uns für die" typisch litauische Kohlroulade" entschieden. Die Karte war auf Deutsch! Nur ist Kohl, ähnlich wie Kartoffeln, offensichtlich eine Mangelware in Litauen. Die Füllung der Rouladen waren nichts anderes als bei Muttern zu Hause. Nur weniger. Beim Kohl hat es leider nur für ein Blatt pro Roulade gereicht... vielleicht zwei.
Ähnlich ist es hier (aber überall) mit den Kartoffeln. Da wirst du nicht zugeschüttet mit Sättigungsbeilagen, nein, da bekommst du drei Kartoffeln, sauber in der Mitte durchgeschnitten, leicht angeröstet und gut. Habe es leider verpasst, mal nach Nachschlag zu fragen, aber wenn das in Lettland ähnlich ist, werde ich das auf jeden Fall nachholen.
Aber ich muss zugeben, nach einer Weile macht das satt genug, ohne dieses Völlegefühl. Allerdings hast Du zwei Stunden später wieder Hunger.
Wir hatten bei diesem Regen und der Kälte überhaupt keine Lust, noch irgendetwas zu unternehmen. Trotz des gestrigen Sommernachmittages waren die Stiefel noch nicht mal trocken gewesen und schon wieder zwei Nummern größer.
Keine Wanderung ohne Schmerzen, also nicht! Bei Kalle löste sich nicht nur eine Seitentasche langsam auf, sondern auch die Handschuhe wehrten sich gegen das Durchnässen mit der Absonderung einer permanent haftenden schwarzen Farbe. Meine haben das schon seit Schottland 1994 hinter sich. Wobei ich das, dank einer eingebauten Membran, nicht an den Fingern hatte, so wie Kalle jetzt. Die Membran gibt es aber seit mehreren Jahren nicht mehr.
Diese Handschuhe fahre ich mittlerweile im puren Leder und merke das auch. Genau wie die Stiefel sind die nie richtig trocken... seit nunmehr fünf Tagen.
Das Thomas-Mann-Haus Lagune von Nida
Bei Sonne muß die ... ... Nehrung wunderschön sein.
Abend am Kamin
Wir überschlugen unsere Finanzen und kamen zu dem Schluss, dass wir noch mal volltanken sollten und dann in Palanga eine kleine Sause machen können. Morgen schmeißen wir dann alle übrigen Litas in die Gemeindekasse und füllen damit unsere Vorräte auf. Der Rest kommt dann in den Tank der Maschine, die es am nötigsten hat, wohl Kalle seinen. In Palanga waren Rasieren und heißes Duschen angesagt. Kalle hat mir noch mal die Murmel rund gemacht und jetzt hauen wir unsere Litas auf den Kopf. Wir haben durch den Geruch von Buchenrauch eine Kneipe gefunden, wo es einen Kamin gibt. Wir stellten uns Stühle davor und bedienten ihn gleich selbst, was der Kellnerin ein Lächeln abgewann.
Mit dem Abend wurde es jetzt noch kälter. :(
Lettland
Lettland - Mücken oder Regen
Der elfte Tag (08.06.2009)
127 Kilometer
Lettland grüßt mit leichtem Sonnenschein
Pape - Nica - Liepāja - Grobiņa
Der Leuchtturm am Strand von Pape
Wir sind heute erst um zehn aufgestanden. Ich weiß gar nicht, wie lange wir gestern noch gemacht haben, es war aber noch nicht dunkel, als wir in unsere Wohnungsgarage gegangen sind. ;)
Der Morgen hat uns gleich wieder in einem freundlichen Grau begrüßt.
Haben uns mit frühstücken und packen viel Zeit gelassen, so dass wir erst gegen 12:00 Uhr los gekommen sind. Den Rest aus der Gemeindekasse haben wir dann noch für Lebensmittel ausgegeben. Hat genau noch gelangt.
Dann sind wir Richtung Norden los. Kurz hinter der Grenze sind wir dann erstmal nach Pape. Dort gibt es ein Vogelschutzgebiet mit Beobachtungsstation. Ich wäre am liebsten gleich dort geblieben, aber an der Grenze gab es keine Wechselstube, so dass wir noch keinen gültigen roten Heller in der Tasche hatten. Wir mussten also noch vor Ladenschluss nach Liepaja (Libau) kommen, um dort noch auf der Bank Geld zu tauschen. Also sahen wir auch davon ab, die Strecke an der Ostsee von Pape in Richtung Liepaja zu nehmen, weil Kalle im Gelände nur 20 km/h hin bekommt und bis zur Bank waren es noch an die 70 km Strecke.
Beim Geldtauschen haben wir uns dann erst einmal erschreckt, wie wenig der Euro so wert ist. Die D-Mark hätten wir bestimmt eins zu eins oder besser getauscht bekommen (oder vielleicht gar nicht tauschen müssen). Nachdem wir also wieder flüssig waren, gönnten wir uns gleich einmal einen Kaffee. Dabei füllten wir auch die Gemeindekasse wieder auf. Danach sind wir noch ein bisschen durch die Stadt gekurvt, haben dabei den Hafen gesehen und sind noch mal an den Strand. Leider wieder nur bei grauem Wetter und sogar ein wenig Nieselregen.
Von Liepaja zieht sich eine leichte Bucht nach Süden, so dass man von der Hafenmole aus bestimmt 30 km sehen konnte. Alles weißer Strand mit Wald dahinter, so wie ich es im Heimatkundeunterricht kennen gelernt habe, und beinahe keine Menschenseele zu sehen. An der Hafeneinfahrt gibt es auch
einen Fischereibetrieb mit kleinem Laden. Dort habe ich uns einen geräucherten Fisch gekauft und wir freuten uns über eine kleine Brotzeit am Strand.
Schließlich mussten wir aufbrechen, denn es war schon später Nachmittag, und den Weg nach Riga suchen. Mit Hilfe der hervorragenden Ausschilderung, unter Benutzung kleinerer Umwege. Morgen wollen wir ein wenig durch das Kurenland fahren, um uns die Sehenswürdigkeiten um und in Kuldiga anzusehen.
Liepaja Die alte Markthalle
St.Anna-Kirche, gegenüber tranken wir Kaffee Strand bei Liepaja
Liepaja ist übrigens eine kleine liebenswerte Stadt mit Fußgängerzone. Hier könnte man bestimmt auch mal einen angenehmen Abend verbringen. Schon beim Durchfahren habe ich viele schöne Ecken gesehen, die sich bestimmt auch gut erbummeln lassen.
Kurz vor Aizpute haben wir dann die Straße verlassen und uns ein nettes Plätzchen für die Nacht gesucht. Das ist uns diesmal wirklich gut gelungen. Ein sanfter Hügel mit Wiese und einzelnen Büschen und Bäumen. Wir können von hier weit über das Land sehen und sehen natürlich auch das Wetter, was auf uns zukommt.
Gegen 18:00 Uhr standen die Zelte und wir haben noch etwas gegessen. Dabei mussten wir einmal kurz in die Zelte flüchten, weil es anfing zu regnen. Die Sonne kam aber noch einmal hervor und wir haben Domino gespielt. Als es später kühler wurde, sind wir endgültig in unsere Schlafsäcke gekrochen und von Ferne hörten wir auch schon ein Grummeln vom Himmel. Es hat sich Zeit gelassen, bis es da war, aber nun fängt der Regen an, auf mein Zelt zu prasseln. Hoffen wir mal, dass es nicht allzu schlimm wird, und dass das Gewitter schnell wieder vorüber ist. Ich will auch im Zelt mal ruhig schlafen und ohne zu frieren. Es ist nämlich Sommer! Ich werde jetzt noch einmal im Reiseführer nachsehen, was es morgen zu sehen gibt und dann Regentropfen oder vielleicht auch Blitze zählen.
Der zwölfte Tag (09.06.2009)
266 Kilometer
Tour durch die Geschichte
Aizpute - Kazdanga - Kuldiga - Zelkas - Ugale - Usma See - Puzenieki - Pope - Ventspils - Oviši - Miķeltornis
So langsam das Gewitter in der letzten Nacht kam, so viel Zeit hatte es sich auch beim Gehen gelassen. Es zog direkt über uns hinweg, war aber nicht weiter schlimm.
Viel schlimmer war, als es dann endlich aufhörte zu regnen, dass immer wieder kleine Nachregen kamen. So würden wir mal wieder alles im Nassen verpacken. Und nicht nur das! Der Feldweg, auf dem wir hierher gekommen sind, wird uns eine freundliche Schlammschlacht bereiten, wenn wir auf die Straße zurück wollen. Das wiederum werden wir aber müssen, also wird es kein: "Da komme ich aber nicht durch!" geben.
Zeit zum Schlafen!", sagte ich dann letzte Nacht so gegen 23:00 Uhr zu mir, als das Gewitter vorbei war und es draußen wieder heller wurde. Aber nein! Nun dachte ich, wird unser Lager von Wildschweinen oder ähnlichem heimgesucht. Als ich nachschaute, stellte sich aber heraus, dass es nur Kalle war, der mal wieder selig schnarchte. Der Morgen kam dann genau, wie ich es erwartet hatte. Grau und vernieselt und von der Nässe der Nacht war auch
noch alles da.
Missmutig tranken wir den Kaffee. Eine neue Sorte, die ich gestern holen musste, weil der mitgebrachte aufgebraucht war. Ich hatte nämlich beim Kauf des Instantkaffees einfach nur in das Regal gegriffen und nun stellte sich heraus, dass es kein Kaffee aus Bohnen war, sondern ein Zeug aus Getreide. Die Ähren sind deutlich auf dem Etikett abgebildet. Er tat sein übriges zum "gelungenen" Urlaubsmorgen bei. Es ist der zwölfte Morgen der Reise, wenn ich mich nicht verzählt habe, und der neunte davon nass.
Kaum, dass wir unser nasses Zeug in Sack und Tüten hatten, kam doch tatsächlich auch mal die Sonne heraus.
Dieses seltene Vergnügen sollte aber nicht lange anhalten, weil unser erstes Ziel genau in der Richtung lag, in die das Wetter abgezogen ist.
... auf dem Weg ...
Aizpute stand auf dem Plan. Eine der ältesten Städte Lettlands, wo der livländische Ritterorden eine Burg errichtete, um den Übergang über den Fluss Tebra zu sichern und die Kuren auf der anderen Seite abzuwehren.
Die Burg selbst ist eigentlich nicht so der große Hit. Wie zu den Zeiten ihrer Errichtung üblich, ein kastellartiger Bau. Vier Mauern, in denen die Brüder gehaust haben. Später wurde die Burg erweitert und muss wunderschön verputzt gewesen sein. Und wenn dieser Putz dann noch bunt bemalt war, wovon man sicher ausgehen kann, war die Burg ein echtes Kleinod. An der Seite über der Durchfahrt ist noch etwas von diesem Putz, allerdings ohne Farbe, zu sehen. Zu wenig deutlich, um es bei diesem Licht und ohne Stativ auf ein Foto zu bekommen. Ich selbst musste auch sehr genau hinsehen, bevor ich es entdeckt hatte. Ansonsten verfällt das Gemäuer, offensichtlich sich selbst überlassen, so langsam.
Für mich, der es gewöhnt ist, dass Burgen immer irgendwo oben auf Bergen und Felsen über der Landschaft thronen, wenn es keine Wasserburgen sind, ist es schon ungewöhnlich, hier mal eine Burg einfach so auf einer leichten Erhebung in der Landschaft herumstehen zu sehen. Eigentlich ganz unscheinbar in einem dörflichen Ambiente eingebettet, hätte sie auch die Ruine eines größeren Bauernhofes sein können.
Was mir hier in Lettland gefällt ist, dass an den Eingängen der Ortschaften Tafeln stehen, auf denen kurz Geschichte und Sehenswürdigkeiten des Ortes erklärt sind und das sogar in Deutsch. Überhaupt kann man sich hier in der Gegend von Kurenland mit älteren Leuten noch auf Deutsch verständigen, wenn auch nur gebrochen.
Die Kirche von Aitzpute
Die Hinweistafel von Aizpute versprach dann aber doch etwas mehr als der kleine Ort, früher reiche Hansestadt, halten konnte. So sollte es im Ort ein Internetcafé und zahlreiche Restaurants geben, von denen wir uns gern eines für ein gutes Frühstück ausgesucht hätten. Aber denkste! Nachdem wir die nicht (mehr) sehr sehenswerte Wassermühle besucht hatten, verlief unsere Suche nach einem Frühstück oder gar einem Zugang zum Internet erfolglos. Kann natürlich sein, dass die zahlreich angepriesenen Cafés und Restaurants wegen der umfangreichen Straßenbauarbeiten in der "Ortsmitte" geschlossen
hatten. Aber daran glaube ich nicht wirklich.
Nicht nur der Putz bröckelt - das Schloß Park von Kazdanga
Ich setzte also meine Hoffnungen auf Kuldiga, was wir als übernächstes besuchen wollten. Wir würden es aber erst gegen Mittag erreichen, denn vorher standen noch die "ausgedehnten Parkanlagen", wie sie im Reiseführer beschrieben sind, von Kazdanga auf dem Plan.
Auf ein Frühstück hoffte ich in diesem kleinen Ort nicht, wo doch schon Aizpute diesbezüglich eine Enttäuschung gewesen ist. Wohl auch mit Parkanlagen hätte ich nicht rechnen sollen. Jedenfalls nicht im Sinne von Wörlitz, Sanssouci oder ähnlichem. Obwohl sich der Ort selbst schon als solches anpries, fanden wir in einem eigentlich recht aufgeräumten Wald irgendwann auch mal das sich in einem präerbarmungswürdigen Zustand befindlichen "Schloss" von Kazdanga. Da waren die Nebengebäude, in denen sich wohl die Verwaltung befindet, besser erhalten. In diesem "Park" fanden wir aber auch verfallene (jedenfalls sahen sie so aus) Industrieanlagen und abgewirtschaftete Plattenbauten. Also echt nichts, was den Umweg nach Kazdanga gelohnt hätte.
In Kuldiga kamen wir so gegen elf an. Unsere Mägen hingen schon in den Kniekehlen und so musste erst mal eine gastronomische Einrichtung gefunden werden. Zwei sehr freundliche junge Menschen, die ich mal wieder nicht nach ihrem Namen gefragt habe, kamen am Rathausplatz auch gleich direkt auf uns zu, weil sie uns wohl als Touristen erkannt haben (sicher nicht schwer hier in der Gegend) und fragten uns, ob sie uns weiterhelfen könnten.
Sogar ein paar Worte in Deutsch konnten wir wechseln. Sie wiesen uns auf ein gutes und preiswertes Restaurant gleich am Rathausplatz hin und wir und unsere Mägen freuten uns
Blick von der "Flaniermeile" zum Rathausplatz von Kuldiga. Dort an der Ecke standen unsere Maschinen, im Hintergrund das Metropol.
schon auf ein nun doch eher Brunch statt Frühstück. Leider hatte das besagte Restaurant heute irgendwie nicht geöffnet. Also entschlossen wir uns, kurzerhand gleich in das auf der anderen Straßenseite zu gehen. Das war aber nur eine Art Kantinenbetrieb in einem penetrant riechenden Kellergewölbe, wo die doch anwesende "Bedienung" uns aus dem sicheren Schutz ihrer Theke anstarrte wie Aliens, aber ansonsten keine Anstalten unternahm, obwohl wir doch die einzigen "Gäste" waren. Naja, vielleicht sah ich ja von dem Geruch in diesem Katakomben doch etwas Grün im Gesicht aus. Kalle meinte, er hätte
nichts gerochen. Nun wollte ich aber nicht noch eine dritte oder, wenn wir Aizpute mit zählen, vierte Pleite erleben. Also ins beste Haus am Platz, Hotel Metropole, und gefragt, ob die auch essen haben. Haben die in einem ganz ansehnlichen Restaurant, das ich doch der gehobenen Klasse zuordnen möchte.
Und hier bekamen wir dann auch etwas zu essen und Kaffee und alles von einer freundlichen, jungen, hübschen Bedienung, die gut Englisch sprechen konnte. Wir ließen es uns also schmecken und genossen die Zeit in Wärme und Trockenheit. Kuldiga selbst empfand ich als zweigespalten. Zum einen gab es da Ecken, die schön zurecht gemacht waren, aber der Großteil der Stadt war eher in einem ruinösen Zustand.
Natürlich war die Obersehenswürdigkeit des Ortes, der Wasserfall der Venta, groß aufgemacht. Die wunderschöne Steinbrücke über den Fluss ist erst kürzlich mit EU-Mitteln renoviert worden. Was hier übrigens sehr viel mit der Förderung aus der EU passiert, zum Beispiel im Straßenbau.
Über die Jahrhunderte wurde auch versucht, die Venta schiffbar zu machen, um so einen Wasserweg von der Ostsee zum Schwarzen Meer schaffen zu können. Aber der über zweihundert Meter lange Wasserfall der Venta bei Kuldiga verhinderte das immer wieder. Sprengversuche am massiven Gestein führten zu schweren Schäden an der Burg, die über dem Wasserfall thronte, so dass heute von ihr nur noch ein Gedenkstein und ein kleiner Keller übrig geblieben ist.
Der längste Wasserfall von Lettland Das Rathaus von Kuldiga
Erhalt und Verfall ... ... liegen in Kuldiga eng bei einander.
Nachdem wir uns einige Stunden in Kuldiga, was eigentlich eine sehr schöne kleine Stadt sein könnte, herumgetrieben haben, setzten wir unsere Reise fort. Vorher füllten wir aber noch unsere Wasservorräte am Brunnen auf dem Rathausplatz auf. Ein Einheimischer, der uns ein wenig auf Deutsch versuchte aufzuheitern, meinte übrigens, dass die baltischen (er sagte lettischen) Sommer immer so sind. Ich fand das nicht sehr erheiternd.
Das Schloß von Edole, konnten wir dann nicht besuchen.
Mangels genauer Ausschilderung fanden wir den Weg nach Edole nicht direkt und ließen es deshalb links liegen, als wir uns dann auf dem Weg nach Ugale befanden. In Ugale sahen wir uns eine wirklich hübsche kleine evangelisch-lutherischer Kirche an, deren Ausstattung in einem vortrefflichen Zustand ist. Altar, Kanzel, Orgel und Gestühl können mit mancher barocken Kirche in Deutschland mithalten und übertreffen bestimmt viele.
Am See von Usma, ein Stück weiter, wäre ich am liebsten über Nacht geblieben. Es war ganz ruhig und die Sonne zeigte sich auch mal wieder. Kalle wollte aber noch ein bisschen fahren und so sollte es dann auch werden. Hätten wir in Kuldiga nur mehr Zeit zugebracht...
Die Gegend am Usma-See spaltete sich in zwei Welten, die von der Straße um den See herum getrennt werden. Auf der, dem See zugewandten, Seite der Straße ist der Luxus nicht zu übersehen. Villen, Segelhafen und auch die Campingplätze waren vom Feinsten. Ganz anders die gegenüberliegende Straßenseite. Ganz oder teilweise zerfallene Gehöfte, abgewirtschaftete "Industrieanlagen". Ganz zu schweigen von den Wohnkomplexen Usma selbst, in denen ich dachte, mich in einer Mad-Max-Kulisse zu befinden.
Die alte Holzkirche von Usma steht jetzt im Freilichtmuseum bei Riga ....
... und kann so erhalten werden. Anderswo diente sowas vor dem Verfall noch als Scheune.
Eine neue Holzkirche hat Usma auch, denn die alte ist in ein ethnologisches Freilichtmuseum bei Riga gekommen. So etwas gibt es also auch hier. Da werden wir doch mal zusehen, dass wir das ausfindig machen können, denn das in Litauen hat mir super gut gefallen und ich habe viele Anregungen für mein eigenes kleines Gut bekommen. Ideen allerdings auch, die ich zu Hause wohl leider nie umsetzen kann.
Zum Tauchen ist der Usma-See auch nicht geeignet. Das Wasser, welches ihm zufließt, kommt aus den Sumpfgebieten im nördlichen Kurenland, ist torfig braun und so auch der ganze See. Das erinnerte mich ein wenig an Schottland, denn da sah das auch alles so aus.
Puzenieki sollte nun auf dem Weg nach Ventspils noch einmal einen Abstecher wert sein, hieß es in meinem Reiseführer und auf der Hinweistafel in Ugale, weil das dortige Pfarrhausensemble so toll sein sollte. Wir haben es ewig nicht gefunden, da es in Puzenieki keinen weiteren Hinweis darauf gab. Die Kirche war nicht so schwer zu finden und der Friedhof auch nicht (interessante Mauer und sonst auch schön), aber vom Pfarrhausensemble war da nichts zu sehen. Als wir dann aufgaben und wieder nach Ventspils weiter sind, haben wir es kurz vor dem Ortsausgang gefunden. Wer aber im Freilichtmuseum in Kaunas war, für den ist es nicht wirklich etwas besonderes. Es gibt viele solcher Höfe hier im Baltikum, nur dass dieser hier noch betrieben wird und dazu sehr gut erhalten ist. Dieser Umweg war also umsonst, aber auch der letzte auf dem Weg nach Ventspils.
Gleich hinter Puzenieki musste ich nämlich auf Reserve umstellen und war so auf die nächste Tankstelle angewiesen. Da wir aber laut Karte auf der Straße A10 auf jeden Fall eine finden würden, war das auch kein Problem, dachte ich. Kurz vor Pope wies ein freundliches blau-weißes Schild darauf hin, dass, wenn man jetzt die A10 verlassen und nach Pope hineinfahren würde, dann hätte man nach 800 m eine Zapfsäule erreicht. Wären wir ungefähr 400 m weiter auf der A10 gefahren, hätten wir uns eine Odyssee durch Pope erspart. Die gemeinte Tanke ist nämlich gleich an der A10 an der anderen Ortsausfahrt von Pope in Richtung Ventspils.
Ventspils selbst präsentierte sich schon von Ferne mit Hafenkränen und Industrieanlagen.
Als wir aber erst einmal die Venta überquert hatten, öffnete sich vor uns eine breite, helle Magistrale. Der Weg in die "Altstadt" war erstaunlich gut ausgeschildert. Es war aber nicht viel da von einer Altstadt, jedenfalls nicht so, wie man sich einen historischen Stadtkern vorstellt. Die mehrfach umgebaute Ordensburg ließ heute leider keine Besucher mehr ein, so dass mir nur ein Foto in der Ansicht zu machen blieb.
Vom einfachen Kastell zur ansehnlichen Burg - Ventspils Der Hafen von Ventspils -
Krane von TAKRAF
Überall in und um Ventspils - Industrie Nikolai-Kirche
Das Wetter war inzwischen auch schön aufgeklart, wodurch wir versucht waren, uns am Hafen ein stilles Restaurant zu suchen, wo wir unsere Mopeds abstellen, einen Kaffee trinken und Leuten nachschauen könnten. Gab es aber nicht! Nach kurzer Suche im Ortsinneren in der Nähe der Magistrale hatte dann das TexMex doch einladende Schirme und Tische draußen stehen. Viel los war da aber drumherum auch nicht. Die Entscheidung fiel, jetzt noch
ein paar Kilometer der Küstenstraße nach Norden in Richtung Kolka zu folgen, und irgendwann einfach zum Strand abzubiegen und ein Plätzchen für die Nacht zu suchen.
Leuchtturm von Ovisi
Hier taten sich nun wieder mehrere Probleme auf. Von der Küste oder vielleicht wenigstens etwas Meer war auf der ganzen Strecke nach Kolka nichts zu sehen. Bei Ovisi versuchten wir an der auslaufenden Steilküste ein geeignetes Plätzchen zu finden, aber da war alles zum Naturschutzgebiet erklärt, also kein Zelten, Müll in die Natur, Lagerfeuer, gehen oder fahren abseits von den Wegen. Die letzten vier Punkte sehen die Letten im Zusammenhang mit dem Naturschutz wohl nicht so eng. Was will man auch erwarten bei über einem halben Jahrhundert russischer Herrschaft? Aber wie das immer so ist, wenn Fremde das tun, ist das dann auch immer noch einmal etwas anderes, wie sich später noch einmal zeigen wird. Also diesmal kein Zelten im Naturschutzgebiet. Weiter suchen!
Beim nächsten Versuch eröffnete mir Kalle dann, dass er nicht durch den Sand fahren könne.....???!!! Wir stehen kurz vor der Ostsee, nur noch wenige 100m (vielleicht) und nun geht Sandfahren plötzlich nicht. Wie weit muss man denn von der Realität weg sein, dass man nicht weiß, dass einem keiner Asphaltsstraßen bis zum Strand der Ostsee baut, wenn man versucht über, Forststrecken dorthin zu gelangen ... und gerade hier im Baltikum.
Planänderung! Nächster Zeltplatz wird angefahren. Und das war unser Pech. Zum einen würde es noch ewig dauern, bis einer auf dieser Strecke kam und dann gab es da noch einige böse Überraschungen. Mikeltornis hieß beziehungsweise heißt der Ort. Hier gibt es immerhin den höchsten Leuchtturm Lettland und drei Zeltplätze. Wir entschieden uns für Mikelbaka. Nicht, dass die anderen Plätze nicht auch gepflegt gewesen wären, nein alles top, aber Mikelbaka war der einzige, wo jemand ansprechbar war - sogar in Deutsch besser als in Englisch.
Für fünf Lat durften wir unsere Zelte aufbauen. Ich wollte, die Sonne schien gerade, aber erst einmal in die Ostsee. Also Bademantel gegriffen und ein Feierabendbierchen und dann wollte ich mich treiben lassen. Haste aber gedacht! Beim Gang zum Strand wurde ich von Geschwadern von Megamutantenmücken angegriffen, die wahrscheinlich seit Monaten kein Blut mehr gesehen hatten. Im Laufschritt bin ich durch den kleinen Hain (auch sehr schön) über die Düne, im Laufen schon aus der Hose und rein in die See .... dunkelbraune Brühe, die Irbe mündet hier in der Nähe, aber nutzte nichts.
Trotz minutenlangen Untertauchen waren die Mistviecher wieder da. Und die, die nicht mit bis ins Wasser gekommen sind, hatten auf meinen Sachen gewartet. Es gab keine Chance, denen zu entkommen, geschweige denn in Ruhe ein Strandbier zu genießen. Sturzbier und in die Klamotten eingemurmelt immer in Bewegung bleiben. Wer mehr als 30 s an einer Stelle verweilt, sieht das Tageslicht nicht mehr. Auf dem Zeltplatz sah die Situation nicht besser aus. Wir versuchten noch die Mücken durch den Rauch eines Feuers aus nassem Holz (war ja kein Problem welches zu finden) zu vertreiben, aber auch dieser Versuch war nicht von Erfolg gekrönt. Einzig bleibende Möglichkeit war es, den Rückzug in das Zelt anzutreten. Kalle kapitulierte als erster, während ich mich noch mit einem Typen aus Riga unterhielt, der mit seiner KTM auch schon durch die Ukraine gefahren ist. Er wollte dann noch ein Bild von mir und meiner Maschine machen, um es einem Freund zu zeigen, der auch eine DR650 fährt. Und dann verzog ich mich auch. Und die Regentropfen prasselten schon wieder auf dem Zelt ...
Der dreizehnte Tag (10.06.2009)
187 Kilometer
Von den Mücken in den Sonnenschein
Kolka - Roja - Slokenbeka - Jūrmala
Die Nacht war mal wieder gegen 3:00 Uhr beendet. Kalles Schnarchen hatte die streunenden Köter aus der Gegend angelockt, die nun wissen wollten, was sie da aus der Stoffhundehütte für ein Zeitgenosse anknurrt.
Wegweiser am Kap Kolka
Da das nicht ohne gegenseitiges Angekläffe abging, musste ich mich also, gegen die Mücken gepanzert, mit einem Knüppel bewaffnen und die Meute auseinander treiben, um auch noch mal in den Schlaf zu kommen. Dieses Spiel ging bis 5:00 Uhr morgens und so schlief ich dann bis um 10:00 Uhr durch, denn es war nicht kalt und Mücken hatte ich auch nicht (mehr) im Zelt.
Das morgendliche Kaffee-trinken-nasse-Sachen-zusammen-packen-Spiel wiederholte sich wie immer in der letzten Woche.
Vor uns lagen circa vierzig Kilometer der baltischen Kalle-20-km/h-Strecke, also 2 h bis Kolka.
Kolka, mit dem Kolka Kap, liegt an der Spitze zu Rigaer Buch. Hier befindet sich der Sliteres-Nationalpark und jede Menge mückenfreier Zeltplätze, denn solange wir uns hier aufhielten, zeigte sich keiner der lästigen Plagegeister. Ich trug inzwischen meine Sonnenbrille, was soviel bedeutet, als dass das
Wetter inzwischen aufklarte. Nur noch vereinzelte Kumuluswolken am Himmel.
Schatten-Sonne-Schatten-Sonne-Fahrt. Sehr angenehm und Sachen trocknend. Außerdem hat man dann auch Lust, sich mal etwas zu erlaufen, anzusehen. So machten wir dann auch einen ausgedehnten Spaziergang durch den Nationalpark, die Dünen und Wälder, die Brandungszone und den Strand an das Kolka Cup.
Das machte Appetit auf einen Kaffee, den wir uns bei der Durchfahrt durch Kolka am Straßenrand unter einem Sonnenschirm gönnen wollten. Und tatsächlich fanden wir, obwohl ich nicht wirklich daran geglaubt habe, besagtes Sonnenschirmplätzchen bei einem (dem) Hotel in Kolka. Immerhin haben wir hier drei Kirchen gezählt, also kann es so etwas ja auch geben.
Wir nun die Maschinen direkt an der menschenleeren, aber beschirmten Terrasse abgestellt, an einem Hotel wie bemerkt, und uns auf den Bänken unter den Schirmen niedergelassen und gewartet. An den Fenstern der, dem Hotel zugehörigen, Restauration war auch eine entsprechende Bewegung zu erkennen und eine weibliche Person schlich auch immer mal um die Terrasse. Aber nicht die Bedienung, die war in ihren schwarzen Sachen immer wieder deutlich an den Gardinen hinter den Fenstern zu erkennen. Wir warteten also auf diese Bedienung in diesem Hotel in Kolka, wo es immerhin drei Kirchen gibt (mindestens).
Der Leuchtturm auf der Insel vor Kap Kolka
Trügerisch ... hier am Kap gibt es gefährliche Strömungen
Eine der Kirchen von Kolka
Ich widmete mich meinen schriftlichen Aufzeichnungen in dieser (reichlich zur Verfügung stehenden) Zeit und merkte gar nicht, wie diese verstrich. Kalle wurde es dann zu langweilig und er ging mal ins Innere des Hotels. Schließlich kam er mit zwei Kaffee zurück. Scheint ein Selbstbedienungshotel zu sein.
Ab Roja bekamen wir dann auf unserer Küstenstraße auch ab und an mal etwas vom Meer zu sehen. Aber nie wirklich so, wie man es sich an einer Küstenroute vorstellt, wenn ich da zum Beispiel an Kroatien denke, wo ich das Gefühl hatte, nach jeder Kurve ins Wasser zu fallen. Hier in der Gegend hielten wir kurz an, um in einer kleinen Pension Mittag zu essen, denn die Zeit war schon fortgeschritten und unsere Bäuche machten sich bemerkbar.
Vor den Toren von Slokenbeka
Auf dem Plan stand noch Slokenbaka . Die Entscheidung, sich dieses gut befestigte Gehöft aus dem fünfzehnten Jahrhundert anzusehen, hatte sich wirklich gelohnt. Slokenbaka wurde rekonstruiert und beherbergt heute ein Verkehrsmuseum. Das Museum haben wir nicht besichtigt, denn als wir eintrafen, war es auch schon nach 18:00 Uhr, aber die Anlage des Gutes war traumhaft. Wir haben viele Fotos gemacht. Unter anderem war da auf einer Informationstafel eine Zeichnung aus dem Jahr 1810 (?), die das Gute zu dieser Zeit darstellt.
Ich habe sie abfotografiert und wollte dann aus derselben Position, wo der Zeichner damals stand, das Gut fotografieren. Aber da war nur grüner Wucherkram auf den Bildern zu sehen. Aber sonst sind mir wirklich gute Fotos gelungen.
Unterkunft haben wir dann kurz darauf in Jurmala [A.K.: In Jurmala mündet die Lielupe ins Baltische Meer. Von Birzai kann man mit dem Kanu diese Strecke über die Memele/Lielupe fahren. Siehe Kanutouren], kurz vor Riga, auf dem Zeltplatz Nemo gefunden. Der lag nur wenige Schritte vom Strand entfernt, war aber dummerweise auch nicht mückenfrei, aber lange nicht so verseucht wie Mikeltornis.
Wir bauten unsere Zelte auf und bemerkten unweit von uns an einem Zelt, neben dem ebenfalls zwei Maschinen parkten, eine kleine Sachsen-Anhalt-Fahne im Boden stecken. Es stellte sich heraus, dass die beiden Biker (Uwe und Ilona) aus Ditfurt kommen, einem kleinen Ort nur wenige Kilometer von Halberstadt entfernt und noch näher bei Harsleben liegend.
Der vierzehnte Tag (11.06.2009)
0 Kilometer
Bahnreise nach Riga [28]
Riga
Es sind nicht nur lästige Mücken, die einen nachts nicht schlafen lassen, nein auch andere Idioten auf öffentlichen Zeltplätzen. Die Nacht war also wieder mal kürzer als gedacht. Ich hatte zwar bis auf eine, alle Mücken erfolgreich aus meinem Zelt bekommen, aber um 4:00 Uhr morgens fingen so ein paar Spinner an, auf dem Zeltplatz Fußball zu spielen. Beim Erwachen bemerkte ich dann auch die letzte Mücke in meinem Zelt und was sie mir auf dem Schulterblatt verpasst hatte.
Ich ließ sie kurz mal "bluten" und das eine Problem war erledigt. Es gab aber noch ein viel lästigeres. Ich schmiss mir missmutig den Bademantel über, kroch aus dem Zelt, wurde sofort von mindestens 100 Mücken angefallen und wollte schon einen Brüller tun. Kalle hatte aber schon interveniert und die Truppe Beknackter trollte sich zum Strand. War das so schwer, da selber drauf zukommen?
Ich ging daraufhin mit meinen Mücken unter die Dusche, denn ich war einmal wach und würde nicht nur das ganze warme Wasser um diese Zeit für mich haben, sondern diesen Moment auch Ruhe vor den stechenden Plagegeistern. Zähne putzen oder gar rasieren war nicht möglich. Kaum, dass man einige Sekunden still stand, hefteten sie sich an mich und bohrten mir ihre kleinen Rüssel in die Haut. Zum Glück gab es noch einen anderen Waschraum, wo offensichtlich niemand die Nacht über die Tür offen gelassen hatte. Hier konnte ich mich also für unseren Ausflug nach Riga landfein machen. Zumindest was das Rasieren im Gesicht betraf, die Murmel würde ich mir dann wieder mal von Kalle abdrehen lassen, wenn nicht so viele Mücken da sind, die den Schädel zu Mondlandschaft machen.
Es hatte übrigens mal nicht geregnet über Nacht und die ersten Sonnenstrahlen leuchteten nur einige wenige Wolkenschleier an, so dass wir wettertechnisch heute bester Hoffnung waren. Unsere Ditfurter hatten die Fußball-Heinis gut überstanden dank Ohropax, wie wir später erfuhren, und
schlummerten noch, als Kalle und ich beim morgendlichen Kaffee, immer in Bewegung, die Frage erörterten, ob wir mit den Maschinen oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Riga fahren sollten. Auf den ÖPNV hatten uns die Ditfurter gebracht, die auf jeden Fall den Zug nehmen wollten, weil sie Eisenbahnliebhaber sind.
Wir entschieden uns ebenfalls für den Zug, auch wenn das einen kleineren Spaziergang am Morgen bedeuten würde. Eisenbahn ist halt einfacher zu händeln. Der Frau am Schalter konnte ich nämlich viel einfacher erklären wohin wir wollten, denn das Ding vor ihrer Tür da konnte ja nur in zwei Richtungen.
Schwerer war es da schon ihr beizubringen, dass ich ein Ticket für zwei Personen brauchte. Gut, ich hatte dann zwei Tickets für je eine Person. Unmöglich war es ihr beizubringen, dass wir hin und zurück wollten. Aber, mach das mal im Bus, wo du noch nicht mal weißt, ob Du nun tatsächlich im richtigen bist.
In Riga auf dem Bahnhof haben wir dann erst mal ordentlich gefrühstückt. Das ging noch ganz gut, obwohl der Caféautomat nach einem Service schrie, das aber nur auf Russisch, was ich wahrlich kaum noch verstehe...
MENJA SAWUD Jörg!
Viel schwieriger war es anschließend ein Plätzchen zu finden, um den Kaffee wieder loszuwerden. Der hatte da auf dem Bahnhof ein WC gefunden, das war aber nur für Frauen. Ausgeschildert war zwar noch eins...aber baltische Ausschilderung... Die Pfeile zeigten immer noch oben, das Klo war aber am ganz anderen Ende vom Bahnhof und im Keller...und hat auch noch Geld gekostet. Da kannst du dir besser gleich in die Hosen machen und hast dabei noch eine Menge Zeit, Schmerzen und 0,15 Lat gespart.
Nun lag aber endlich das wunderschöne Riga vor uns und schön ist es tatsächlich. Mal abgesehen davon, dass wir den ganzen Tag Sonne hatten, was die ganze Sache eh verschönte, ist diese Stadt, ganz besonders die alte, wirklich schön gemacht. Sicher, nicht alles, aber wir sind den ganzen Tag da durch gewandert, ohne dass uns langweilig wurde.
So viele schnucklige Ecken, da könnte man ganze Megabyte mit Fotos füllen. Insgesamt gefällt es mir besser als Vilnius, doch Tallinn soll ja noch einen Zacken schärfer sein. Warten wir's also mal ab!
Petrikirche
Wir schlenderten ziellos durch die Straßen, Gassen, Gässchen und Höfe, waren für einen kurzen Überblick auf der Petrikirche, waren begeistert vom neu errichteten Schwarzhäupterhaus, wandelten bezaubert durch den Konvent und immer wieder sahen wir etwas anderes und beeindruckendes. Bemerkenswerte Details und wunderschöne Ensemble, das ist Riga! Auf dem Weg wollte ich in ein Internetcafé, um mal nach den Mails der letzten zwei Wochen zu sehen. So dachte ich mir, es kann ja nicht schaden, wenn ich mal in einem Computerladen nach einem Internetcafé frage. Dort könnte man vielleicht wissen, wo so etwas ist, was mich schnell ans Ziel bringt und damit Zeit spart. Es gibt aber keins in Riga, meinte der freundliche junge Mann im Laden, jedenfalls nicht, dass er wüsste. Daraufhin ließ er mich freundlicherweise mit einem seiner Ausstellungsstücke mein Postfach besuchen. War aber nichts wichtiges drin, außer Spams, FMX-Werbung und Dienstpläne von der Arbeit, die mich aber die nächsten drei Wochen nicht interessieren würden. Riga braucht also gar kein Internetcafé. ;)
Die Sonne verließ uns den ganzen Tag nicht. Um einmal eine kleine Abkühlung und Ruhe zu erfahren, überquerten wir die Daugava und setzten uns an das jenseitige Ufer der Altstadt. Die Looser-Insel, wie wir sie nannten, da dort das ganze Ufer voll leerer Pullen lag. Wer weiß, wie viele sich nach dem letzten Schluck dann in die Daugava stürzt haben? Aber von hier aus hat man einen wunderschönen Blick auf das Ensemble der Altstadt.
Zum Erfrischen, Ausruhen und Essen fassen kehrten wir natürlich auch immer wieder mal ein. Das hat ein ganz schönes Loch in das Kontor der Gemeindekasse gerissen. Riga ist halt kein preiswertes Pflaster. Dann müssen wir halt in die Kasse nachschießen, denn fünf Tage sind wir noch in Lettland. Litauen war da preislich schon angenehmer. Aber wir sind ja nicht jede Woche hier! Und man muss sagen, einen halben Liter bekommt man in der Berliner Innenstadt nicht für 2,50 €. Ansonsten hat es in beinahe allen Gaststätten super geschmeckt. Selbst am Bahnhof beim Frühstück. Nur beim Italiener, in den wir dann mal kurz vor Abreise eingekehrt waren, kannte man wohl die italienische Küche nicht, so wie wir sie aus Deutschland gewohnt sind. Nicht einmal der Parmesan hat nach Parmesan geschmeckt. Dafür war die Bedienung, Cindy, eine ganz liebe. Heißt übrigens Pamodoro der Laden.
Blick auf den Dom In den Straßen von Riga
Der Pulverturm Das Schwarzhäupterhaus mit dem Roland davor
Auf dem Weg zum Bahnhof haben wir uns dann noch den Zentralmarkt angesehen. Die Markthallen waren leider schon zu. Rings herum um die Markthallen gab es noch Gemüse und Blumen zu kaufen und die Halle von "Maximal" hatte auch noch bis 21:00 Uhr geöffnet. Da haben wir uns jeder noch ein Betthupferl für den Zeltplatz geholt. Kalle musste auch unbedingt noch Rauchkram auffüllen. Mit der Dauer der Reise wurde seine Qualmerei immer schlimmer, das habe ich ihm auch sagt. Wenn er nicht gerade auf seiner Karre sitzt, hat er eine Fluppe am Start. Na ja, solange dafür Geld da ist, kann noch eine Not sein. Auf dem Bahnhof habe ich dann doch noch Internet gefunden. Dort gibt es Terminals wie Telefonzellen. Telefonieren geht auch, aber eben auch Internet. Ich hatte nicht damit gerechnet, noch neue interessante Mails bekommen zu haben, wollte es aber unbedingt ausprobieren. Für 1,2 Lita/h ist das ganz annehmbar. War aber, wie gesagt, nix da. Mit brennenden Schuhsohlen sitzen wir im Zug zurück nach Asari, dem Stadtteil von Jurmala, wo sich unser Zeltplatz befindet. Dort haben wir dann ja auch noch ungefähr 30 min Fußweg zum Zeltplatz vor uns. Kalle sagte vorhin zu mir, dass er seine Füße schon nicht mehr spüren würde, worauf ich ihm antwortete, was für ein Glück er doch hätte, ist doch besser, als wenn sie weh täten. Ich nehme mir übrigens vor, die Aufzeichnungen jetzt immer just-in-time zu machen, damit ich nicht immer so nachhänge. Ich hatte heute zweieinhalb Tage aufzuholen und dafür musste ich jede Minute nutzen, die wir irgendwo saßen. Aber nun ist es geschafft und wir werden uns noch einen gemütlichen Abend mit unseren Mücken machen.
Der fünfzehnte Tag (12.06.2009)
109 Kilometer
Ein kurzer Tag im Freilichtmuseum
Ethnographische Freilichtmuseum Lettlands - Sigulda
Die Nacht war wunderbar. Totale Ruhe, kein Regen, keine Kälte und keine Mücken im Zelt. Habe auch gleich bis um acht geschlafen.
Der Rest aus Sachsen-Anhalt war schon munter und beim Frühstück oder wenigstens einem Kaffee. Die Sonne war auch schon so hoch, dass die Mücken keine große Lust mehr hatten, sich auf ihre Opfer zu stürzen. So war ausgiebig Zeit für die Morgentoilette. Kalle machte mir wieder die Murmel rund. Weil er aber nicht von alleine auf die Idee gekommen ist, dazu mal seine Lesebrille aufzusetzen, mussten wir es zweimal machen. Bevor wir uns in die Versorgungseinrichtung unseres Zeltplatzes zum Frühstücken begeben wollten, breiteten wir noch alles, wo auch nur ein Quäntchen Feuchtigkeit drin sein konnte, in der Sonne aus.
Beim Frühstück unterbreitete ich Kalle meine Vorschläge für die nächsten Unternehmungen und die mögliche Planung, die ich mir noch in der Nacht davor überlegt hatte. Er hatte keine eigenen, so nahmen wir meine.
Es gab eigentlich nur zwei Sachen, die ich noch unbedingt in Lettland sehen wollte. Alle anderen Sehenswürdigkeiten waren sehr weiträumig verteilt und wegen einer Burgruine oder Kirche müssen wir keine 200 km Umweg fahren.
Ich hatte mir bei meiner nächtlichen Planung auch schon überlegt, welche Antwort ich auf meine Vorschläge bekommen würde. Weil ich mich einmal über die Ja-Nee-Doch-Vielleicht-Variante schon mal so lustig gemacht hatte, war diese eigentlich außen vor. Sie wurde schon seit Tagen nicht mehr verwendet. Mein Favorit für diesen Morgen war die Ja-können-wir-so-machen-Antwort ... und hatte damit richtig gelegen.
Da wir in Estland örtlich sehr gebunden sein werden, hatte ich vorgeschlagen, den Rest des Tages in Freilichtmuseum für lettische Ethnologie zu verbringen und dann irgendwo in der Nähe des Gauja-Nationalparkes ein Nachtlager zu errichten. Am nächsten Tag dann den Nationalpark besuchen und anschließend schon nach Estland zu wechseln, um dort die südlichen und mittleren Regionen zu bereisen. Nun ja, die Antwort ist schon bekannt.
Ich freute mich auf das Museum, da mir schon das litauische so gut gefallen hat. Sicherlich sollte man nicht mit einer romantischen Verklärung eine solche Besichtigung machen, wenn man etwas über das Leben und Arbeiten der Menschen dieser Region vom sechzehnten bis zwanzigsten Jahrhundert erfahren möchte.
Fischerhütte im Museum Eine Räucherkammer aus einem alten Boot gebaut
Typischer 3-Seiten-Hof Die kleinste Kirche, die ich je gesehen habe
Das Leben war einfach und wenn ich an die Winter denke, bestimmt auch hart. Kein Luxus, an den wir uns so gewöhnt haben und diese Dinge gar nicht mehr wahrnehmen. Nur noch wenn sie fehlen oder wir die Abrechnung für Strom, Wasser und Wärme einmal im Jahr bekommen.
Der Hof eines russischen Bauern Die größte der ausgestellten Mühlen konnte man bis unters Dach besichtigen
Ein Kornspeicher Brunnen waren auf jeden Hof
Licht spendete ein Kienspan oder eine Kerze, wenn man sich eine leisten konnte. Für die Heizung musste man Holz oder Torf herbeischaffen und wenn der Ofen nicht zog, war die Bude schwarz. Waren die ohne Schornstein eh alle - bessere Räucherkammern. Genauso das Wasser. Nicht eben mal den Hahn aufdrehen und laufen lassen. Schön vom Brunnen holen oder vom Bach und klar und wohl schmeckend war es dann auch nicht unbedingt. Eher braun und torfig und warm erst recht nicht. Dafür brauchte man wieder Holz für den Ofen oder das Badhaus. Eine tolle Erfindung, die wohl aus dem Norden her gekommen ist. Im westlichen Europa hatte man sich ja eher nicht gebadet. Meistens waren Schlaf- und Arbeitsraum eins. Gut, wenn es sich um ein Spinnrad oder einen Webstuhl handelt, mag das nicht so wild erscheinen, aber bei einem Töpfer sieht das dann wohl schon anders aus.
Dieses Langhaus beherbergt nicht nur eine Flachsaufbereitung... ... sondern auch einen Raum für die Dorfschule
Ein Bienenstock in einem hohlen Baumstamm Badhaus mit Sommerküche gehörte zu fast jedem Hof
Leider waren die Gebäude schon 17:00 Uhr geschlossen. Damit blieb nicht genug Zeit, um auch alles von innen besichtigen zu können. Ganz besonders leid tat es mir um die Kirche von Usma, die nun hier ihren Platz gefunden hat. Nicht nur weil wir nun auch die Stelle kannten, wo sie gestanden hatte und sich jetzt eine neue Holzkirche befindet, sondern auch, weil sie im Inneren so wundervoll bemalt und ausgestattet ist.
Wunderschöne Kirchen ... ... standen auf dem gesamten Gelände
Die alte Kirche aus Usma (1704)... ... und ihre prachtvolle Innenausstattung
Schon während unseres Besuchs im Freilichtmuseum zogen Wolkenfelder auf und der Wind wurde stärker. Auf unserer Fahrt in Richtung Sigulda war dann keine Sonne mehr zu sehen. Das ließ mich schon wieder schlimmes ahnen.
In Sigulda holten wir uns noch ein paar Vorräte und suchten uns ein Plätzchen für die Nacht außerhalb des Nationalparkes. Dieses war wieder einmal nicht so einfach, fanden dann aber schließlich etwas auf einer Wiese unweit der Straße.
Wir hockten noch ein bisschen zusammen, aßen zu Abend und telefonierten noch mit der Heimat. Die Mücken sind hier viel kleiner und nicht so aggressiv wie an der Ostsee, so machten sie uns kaum noch etwas aus.
Der sechszehnte Tag (13.06.2009)
172 Kilometer
Ein harter Regentag mit glücklichem Ende im weichem Bett
Sigulda - Gauja-Nationalpark - Burg Turaida - Inciems - Lielstraupe - Raiskums - Cesis - Āraiši -
Jāņmuiža - Vaidava - Sietin-Felsen - Valmiera - Rujiena - Konu dzirnavas
Seit 3:00 Uhr regnet es wieder ohne Pause. War gegen 5:00 Uhr mal draußen. Nur grau, nicht einmal ein kleiner Schimmer von leichtem hellgrau oder gar blau zu sehen. Dann wird das wohl heute mit dem Nationalpark nicht viel werden. Nur das, was wir erfahren können. Besichtigungen oder Wanderungen mit den zu erwartenden nassen Stiefel fällt aus.
Die Ruine der Ordensburg in Sigulda
Also wieder einmal die drei Stufen des Abwartens. Wenn wir hier nicht wild in der Botanik herumstehen würden, könnte ich mich sogar dafür erwärmen, einfach einen Tag zu bleiben, wo wir sind. So müssten wir die nasse Ausrüstung nicht verpacken und hätten für morgen vielleicht eine geringe Aussicht auf Trocknung. Ist aber nix, wir werden weiter müssen. Darum nun die drei Stufen des Abwartens, die schon öfter dafür gesorgt haben, dass wir zumindest ein Stück im Trockenen fahren konnten, wenn auch das Zelten immer im Nassen stattgefunden hat.
Siguldas neues Schloß
Phase 1: ich entscheide mich mal, bis um zehn im Schlafsack zu bleiben. In den letzten Tagen hat das Wetter immer so um diese Zeit ein Erbarmen gehabt.
Phase 2: immer wenn wir die Sachen verpackt und die Regenkombi an hatten, um loszufahren, hörte es zumindest auf zu regnen. Also verpackte ich meine Klamotten alle schon im Zelt, zog die Regenkombi an und kroch gegen 10:30 Uhr ins Freie, um Kaffee zu kochen ... nix! Phase 3: wenn man auf das Trocknen des Zeltes verzichtet und gleich losfahren will ... vielleicht dann ... auch nix!
Nach 10 km, wir waren noch nicht mal zurück in Sigulda, waren die Stiefel und Handschuhe schon durch. Und das ist der Moment, wo du nichts anderes machen willst als fahren, weil jeder Schritt, den du tun würdest, das bisschen warme Wasser, welches sich um die Füße sammelt, sofort gegen kaltes austauscht. Die Hände fühlen sich mit der Situation am Lenker zwar nicht wohl, aber was sollen sie machen? Und da ich nicht die ganze Zeit mit beschlagenem Visier fahren kann, ist das auch offen stehen, was die Maximalgeschwindigkeit auf 80 km/h drosselt, denn sonst fühlen sich die kalten Regentropfen im Gesicht wie kleine Eisgeschosse an. Und nun hoffe ich nur noch, dass das Wasser, was da kommt, nicht allzu kalt wird.
Die Burg Turaida über dem Tal der Orga ...
.... bewacht seit jahrhunderten den Übergang über den Fluß.
Blick von der Turaida über die Orga Dieses beeindruckende Ambiente ziert auch die Rückseite des 1 Lat Stückes
Fahren, fahren! Die gute Ausschilderung der Sehenswürdigkeiten kann uns auch nicht dazu verlocken, sie bei diesem Wetter zu besichtigen. Burgen, z.B. die wunderschöne Turaida mit ihrer Sage um Maja, der Rose von Turaida, sehen wir nur von der Ferne, wenn uns die Bäume von der Straße aus mal den Blick darauf freigegeben. Dasselbe ist mit der wundervollen Landschaft, die die Orga hier geschaffen hat. In einem, für das Baltikum tiefen Einschnitt in die Landschaft (circa 80 m), fließt die Orga in ihrem Bett und lädt zu Wanderungen zu Fuß oder mit dem Boot ein.
Gegen 14:00 Uhr fassen wir den Entschluss in Cesis etwas zu essen, Kaffee zu trinken, uns aufzuwärmen und was man noch so alles tun kann, wenn die entsprechende Infrastruktur da ist.
Johannis-Kirche und ... ... die einladende Burgruine ...
... von Cesis.
Unsere Rettungsinsel: Café 'Aroma Club' ... da kommt es auf den Inhalt an.
Im kleinen Café, dem "Aroma Club", am zentralen Platz, gab es dann auch alles das, was wir suchten, zusammen mit einer netten Bedienung, die auch wieder mal etwas Deutsch konnte. Auf der Toilette nutzte ich den Händetrockner, um heiße Luft in meine Stiefel blasen zu lassen, was das Wasser in ihnen für eine gewisse Zeit angenehm warm machte. Ein kleiner Trick aus der Taucherei, wo wir uns im Winter vor dem Tauchgang warmes Wasser in den Anzug und die Stiefel kippen. Wir einigten uns, die Zelte heute Nacht nicht mehr aufzubauen, wenn sich das Wetter nicht noch ändern sollte. Es war circa viertel vier. Ich war schon versucht, die nette Bedienung zu fragen, ob sie nicht wüsste, wo man in Cesis preiswert unterkommen könnte. Da der Regen aufgehört hatte, in großen Tropfen zu regnen, wollten wir doch noch mal ein Stück fahren.
Kirche von Āraiši. Kein eigenes Bild, dafür war es viel zu naß.
Die direkte Zufahrt nach Āraiši (Arrasch) [46], wo sich die älteste Mühle Lettlands aus dem achten Jahrhundert befindet, war leider gesperrt. Mit einigen Kilometern Umweg kamen wir dann doch dorthin.
Wegen einer Art Volksfest gab es diese Umleitung. Auf Volksfestivitäten in strömenden Regen hatten wir absolut keine Lust, denn der Regen hatte wieder aufgehört in kleinen Tropfen zu regnen.
Aber insgesamt hätte es sicher großen Spaß gemacht, das gesamte Örtchen zu besichtigen. Eine Art Verteidigungsanlage und ein Fischerdörfchen waren neben der Mühle zu erkennen, deren Bauart wir aber schon im Freilichtmuseum bei Kaunas und Riga besichtigen konnten (ebenfalls von außen betrachtet). Hierzu habe ich mir vorgenommen, unbedingt einmal im Internet zu recherchieren, um noch Genaueres über den Ort zu erfahren. Zum Glück bin ich reichlich fündig geworden.
Im Reiseführer war in der Nähe noch eine Sandsteinformation beschrieben, die in ihrer Art, die größte und beeindruckendste in Lettland sein soll. Sie liegt im Verlauf der Gauja in Richtung Norden und damit "genau" auf unserer Route. Dazu mussten wir wieder Holperstrecke fahren. Diese war aber aufgrund des Regens extrem durchgeweicht. An einigen Streckenabschnitten war sie dazu noch mit dem Scraper frisch abgehobelt und somit für uns eine kaum zu überwindende Schlammrinne. Passierten uns andere Fahrzeuge, so wurden wir vollkommen mit Schlamm bedeckt. Es war ein lang anhaltendes und zermürbendes "Dahintuckern". Selbst ich hatte mit meiner Enduro ärgste Schwierigkeiten, was für Kalle bedeutete, dass er kaum noch voran kam. Dafür rächten sich dann auch irgendwann mal meine Kerzen, wie ich annahm, indem sie einfach aussetzten. Wir mussten einige Minuten warten bevor die DR wieder ansprang. Während dieser Minuten sah ich mich schon den Tank bei strömenden Regen abbauen, um an die Kerzen heranzukommen, die meiner Meinung nach total verrußt sein mussten. Ein paar Tage später hatte ich dasselbe Problem. Dabei konnte es aber nicht am Dahintuckern liegen, da wir in diesem Moment des Aussetzens gut Strecke machten. Das einzige, was in diesem Moment gleich war, war der strömenden Regen, so dass ich vermuten muss, dass mein Tankrucksack entweder Wasser in den Tank leitet oder durch die Feuchtigkeit so dicht abschließt, dass der Tank nicht mehr richtig belüftet wird.
Der Sietiniezis-Canyon (Sietin-Felsen) ist so eine Art Elbsandsteingebirge, nur im kleinen. Er ist circa 150 m lang und 13 m hoch. Über ihn gibt es die Sage, dass sich der Teufel an einer Felswand abgestoßen haben soll, um an das andere Ufer der Gauja zu springen. Dabei hat er mit seinem (hier) Ziegenfuß einen tiefen Abdruck hinterlassen, der heute noch deutlich zu sehen ist. Das erinnerte ein wenig an den alten Bodo in Thale. Ich denke, dass ich diese Stelle dann auch gesehen habe.
Sandsteinformationen an der Gauja
Der Weg über Valmira sollte uns aus dem Gauja-Nationalpark heraus Richtung Norden bringen. Matschige Holperstrecken, die meine Reifen durchaus manchmal an den Rand ihrer Möglichkeiten gebracht haben. Ich hätte zwar die Geländereifen drauf lassen können, aber wer weiß, wie viel Profil die nach der Anreise überhaupt noch gehabt hätten. Und so bin ich ganz froh über die Wahl des Tourance. Auf den meisten nassen Straßen habe ich auch bei höherer Geschwindigkeit guten Grip. Nur bei Matsch und tiefem Sand ist hohes Geschick oder einfach die Vermeidung gefragt. Wenn die Holperstrecken nicht nass sind, kann ich sie gut mit siebzig Sachen nehmen, um nur die oberen Kanten der Querrillen zu fahren und so kaum die Stöße spüre. Kalle muss da jeden Hügel durchfahren. Valmira muss auch einmal eine gut befestigte Stadt gewesen sein. Hier versuchte ich das erste Mal Quartier zu finden. An Zelten war überhaupt nicht zu denken, so nass wie wir und die Ausrüstung waren. Bei mir wäre es vielleicht noch gegangen, aber Kalle hätte bestimmt den Kältetod mit Ersaufen in seinem Zelt erlitten. Die erste Unterkunft, ein Hotel, wollte zweiundvierzig Lat pro Person. Das hätte nicht nur unser gesamtes Guthaben verbraucht (und Kalle musste noch tanken), sondern auch die Grenzen des Anstandes überschritten.
In einem kleinen Ferienhaus auf dem Zeltplatz bei Riga hätten Kalle und ich zusammen fünfzehn Lat für eine Nacht bezahlt. Und dabei war der Zeltplatz bei Riga auch nicht der billigste. Also müsste sich die heutige Unterkunft ebenfalls in diesem Rahmen bewegen, um uns nicht vollkommen in den Ruin zu treiben und noch eine kleine Mahlzeit möglich zu machen.
Auch hoffe ich, noch irgendwo solche kleinen Hütten zu finden. Und richtig! Am nördlichen Ortsausgang von Valmira gibt es eine solche Anlage. Und relativ neu aussehend. Sehr ansprechend und einladend auch. Aber auf der ganzen Anlage war keine Menschenseele zu sehen. Zelten hätte man da auch können, für 1,5 Lat pro Nacht und Zelt.
Super Preis, da konnten die Zimmer ja auch nicht sehr teuer sein. Aber ich weiß nicht, wie eine solche Anlage bestehen soll, wenn keiner da ist, der die Gäste in Empfang nimmt und ihnen zeigt, wo sie unterkommen können und im schlimmsten Falle vielleicht auch noch etwas Geld dafür einkassiert. Kann es sein, dass in Lettland die Unterhaltung einer solchen Anlage gar kein Geld kostet? Auf dem Weg weiter nach Norden hoffte ich aber trotzdem noch einige solcher Hütten zu finden. Aber denkste! Wir erreichten das über 40 km von Valmira entfernt liegende Rujiena. Der Regen hatte sich noch etwas verstärkt und es war kaum noch etwas auf der Straße auszumachen. Zum Glück überholte uns ein Pkw, an dessen Rücklichter ich mich dann einfach dranhängen und so wenigstens den Verlauf der Straße etwas im Voraus erkennen konnte. So kamen wir wieder etwas schneller voran.
Und dann - Rujiena! Das machte, bis auf die Extremstraßenschäden, welche einfach mit groben Kies aufgeschüttet waren, einen absolut toten Eindruck. Wir fuhren durch das Örtchen, wobei ich einige Male den Schotter fliegen lassen musste, um aus den Löchern, in die ich gefahren war, wieder herauszukommen; aber nichts, was als Unterkunft für uns dienen könnte. Kalle musste auch dringend tanken. Die Tankstelle fanden wir auch relativ schnell. Ich war mir auch "sicher", dass es sie gibt, denn sie ist in meiner Karte verzeichnet. An der Tanke, Kalle hatte nur noch einen Liter im Tank, fragte ich die anwesende Tankwartin, ob sie nicht wüsste, wo man in dieser Gegend noch unterkommen könnte. Und sie hatte den entscheidenden Hinweis, der uns das Leben rettete ... zumindest die Gesundheit. An einer Wassermühle, in der Nähe der Grenze zu Estland, gibt es eine sehr gepflegte kleine Pension. Die Wassermühle gleich nebenan, wird sogar noch betrieben, zumindest als Museum und für Schauvorführungen. Die nette Frau von der Tankstelle war auch noch so freundlich, gleich in der Pension anzurufen, um zu fragen, ob es für uns arme Schweine noch ein trockenes Plätzchen für die Nacht gibt.
Konu Dzirnavas ist wirklich die Rettung gewesen. Nicht nur, dass sie eh schon preiswert sind, mit den Wirtsleuten konnte ich auch noch über den Preis reden. So haben wir für unsere vierzig Lat Gemeindekasse und Restbestände noch einmal Kalles Tank voll bekommen, haben ein kleines Zimmer mit eigener Dusche und WC und Fernseher, mit dem wir noch versuchen wollten, etwas über die Wetterentwicklung zu erfahren, und es gab noch ein gutes Abendessen.
Ich trinke jetzt noch ein Bier und dann gehe ich schlafen und morgen lasse ich mir vielleicht noch die Manufaktur und die kleine Ausstellung zeigen, die die Wirtsleute in der Wassermühle betreiben, um Kunst und Gebrauchsgegenstände herzustellen.
Gute Nacht!
Estland
Estland - Mittsommer anders
Der siebzehnte Tag (14.06.2009)
211 Kilometer
Ungurini - Lilli - Karksi-Nuia - Kilingi-Nõmme - Pärnu - Tõstamaa - Varbla - Vatla - Karuse - Voose
Wir haben gestern also noch unsere ganze Kohle in Konu Dzirnavas auf den Kopf gehauen. Fragten nur, wie viel wir für den Kaffee am Morgen noch brauchen, das haben sie gleich mitberechnet, und wir legten sämtliche lettische Währung dort auf den Tresen. Dann habe ich noch solange es ging vor dem Fernseher ausgeharrt, um ein paar Wetterprognosen aus erster Hand zu erfahren. Aber auf den drei Sendern, die wir empfangen konnten, waren nicht einmal Nachrichten. Irgendwann bin ich dann bei irgendeinem Vampirfilm eingeschlafen und später kurz aufgewacht, weil Kalle lauter schnarchte als der
Fernseher tönte. Habe dann sowohl den Fernseher als auch Kalle "abgestellt". Den Fernseher am Aus-Schalter und Kalle hatte einen seiner nassen Handschuhe zum Kuscheln bekommen. Damit war erst einmal Ruhe. Einige Stunden später wurde Kalle dann noch einmal laut. Nachdem er sich aber darum kümmern musste, seine Decke wieder ins Bett zu holen, war er für den Rest der Nacht leise.
Weil wir so schön unser letztes Geld in der Pension gelassen hatten, bekamen wir jeder sogar noch zwei Käsebrote zum Frühstück. Danke nochmal!
Die Klamotten waren natürlich nicht trocken geworden. Das nasse Leder von den Handschuhen und Stiefeln stinkt schon richtig. Wir sind trotzdem mutig in das nasse Zeug gestiegen und mit ein klein wenig Sonnenschein in den Tag gestartet.
Nach wenigen Kilometern Holperstrecke hatten wir Lettland hinter uns gelassen. Nach noch ein paar Kilometern dann auch wieder die Sonne. Die Wolken, welche sich am fernen Horizont zeigten, würden später auch das halten, was sie versprachen. Zuerst kam aber der kalte Wind, der uns, wenn er uns in den Rücken blies, ein paar Kilometer pro Stunde schneller machte. Ansonsten kühlte er uns aber nur aus und machte uns mächtig zu schaffen, die
Maschinen gerade zu halten.
Wir hatten vor, so nahe wie möglich an Saaremaa heran zu fahren. Morgen wollen wir dann mit "leichtem Gepäck" über die Insel und dann zum Rastplatz zurück. An der ersten Tankstelle betrachteten wir uns den Benzinpreis und versuchten uns, davon ausgehend, dass auch hier der Liter ungefähr bei einem Euro liegt, den ungefähren Umtauschkurs zu errechnen. Da es sich aber um eine Provinzstelle handelte, haben wir uns in unserem Kurs um ein paar Prozentpunkte verhauen. Auch in Estland haben die Banken am Sonntag geschlossen. Geld tauschen war also nicht möglich und so sollte Kalle erst einmal so circa 100 € in estnischen Kronen vom Geldautomaten holen, da zum einen die Unterkunft in Altja (Lahemaa-Nationalpark) schon bezahlt ist, wir, zum zweiten, in Litauen und Lettland immer circa 250 € gebraucht haben und, zum dritten, ich morgen auch noch 100 € tauschen würde. Mit Kalles Hunni würden wir also gut über den Tag kommen, so dachten wir. Nach einem mal tanken, einem Kaffee und einmal Spaghetti in Pärnu reichte das Geld nun überhaupt nicht mehr, um ein Zimmer zu bezahlen, welches wir uns aber wegen der morgigen Planung und der nassen Sachen wegen nehmen mussten. Der Wind wurde immer stärker. Äste fielen von den Bäumen und uns wehte es beinahe von der Straße. Auch ließ der Regen nicht mehr lange auf sich warten.
Im Zentrum von Pärnu ... ...das Rathaus ...
... und ein Holzhaus ... ... in Pärnu.
Tallinn-Tor Elisabet-Kirche
Russisch-orthodoxe Kirche ... eine der Hauptstraßen ....
Meine DR hatte wieder diesen Aussetzer wie gestern. Nur war er diesmal heftiger. Ich hatte die Batterie schon fast runter geleiert und war ja immer noch der Meinung, dass es wohl an den Kerzen liege. Die Kerzen waren aber nicht schuld. Diese waren trocken und sauber. Diesmal hatte ich mich nämlich dazu entschlossen, den Tank abzubauen und die Kerzen nachzusehen. Nach dem Zusammenbau sprang die Maschine aber zum Glück wieder an. Nun blieben nur noch die Varianten übrig, dass durch den Tankrucksack Wasser in den Tank geleitet wird, was sich dann im Vergaser sammelt, oder der Tankrucksack durch die Feuchtigkeit den Tank so stark abdichtet, dass keine Luft mehr in den Tank kommen kann und somit ein Vakuum angesaugt wird. Also abwarten und beobachten, sagte ich mir, aber das Problem sollte nie wieder auftreten.
Kurz vor Komsi fanden wir den Hinweis auf einen Zeltplatz mit Zimmervermietung. Der Name Voosemetsa leitete sich vom nahe liegenden Ort Voose ab, wie wir später erfahren sollten. Wir hatten Glück. Es war jemand da, denn, wie mir die Wirtin Frau Rinelli erzählte, ist von der Wirtschaft nur am Wochenende regelmäßig jemand hier, denn sie selbst lebt und arbeitet in Tallinn.
Wir konnten uns nach einigem Hin und Her schließlich auf einen für beide Seiten annehmbaren Preis einigen. Ganz zufrieden war sie wohl nicht, aber wir auch nicht, wie das bei Kompromissen nun einmal so ist. Wären wir aber wieder gefahren, würde sie gar keine Gäste gehabt haben. Sie akzeptierte einen Teil unserer Logis auch in Euro, was uns sehr entgegen kam.
Mit Frau Rinelli konnten wir uns übrigens ganz gut auf Deutsch unterhalten, weil sie in Deutschland studiert hatte, wie sie uns verriet. Ich hatte aber ganz vergessen zu fragen, warum wir den ganzen Tag an Flaggen vorbeigefahren sind, die auf Halbmast standen. In Altja erfuhr ich später von unserer Wirtin, das an diesem Tag der durch die Sowjetunion 1941 deportierten Esten gedacht wird. Im Fernsehen bekamen wir diesmal sogar Nachrichten mit Wetterbericht. Bei dem, was uns hier in Aussicht gestellt wurde, überlegte ich schon, ob wir die Rundtour nicht abbrechen sollten, um direkt nach Altja zu fahren.
Der achtzehnte Tag (15.06.2009)
327 Kilometer
Eine Insel mit zwei Bergen
Komsi - Virtsu - Kuivastu - Liiva - Pöide - Laimjala - Valjala - Kalli - Sakla - Kuressaare -
Kihelkonna - Leisi - Mühlenberg von Angla - Karja - Ratla - Rückweg über Virtsu - Tuudi - Voosemetsa
Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, immer alles gleich aufzuschreiben, damit mir in der Menge der Eindrücke nicht etwas wichtiges verloren geht. Aber nun, während ich dies hier schreibe, sitzen wir, zwei Tage später, gerade in Tartu im Pulverkeller, wo ich versuchen werde, beim Bier die letzten zwei Tage aufzuarbeiten. Zweimal in dieser Nacht musste ich Kalle wieder die Decke weg ziehen, weil mit der Geräuschbelastung keiner schlafen kann. Auf ein drittes Mal habe ich dann verzichtet, denn da war es schon halb acht und ich dachte mir, dass eine ausgiebige Körperpflege auch mal etwas schönes ist, wenn sich mir die Gelegenheit dazu bietet.
Beim Kaffee beobachteten wir das Wetter und den Wetterbericht im TV. Wenn ich das gesehene richtig interpretiere, dann soll das Wetter gegen Mittag oder auch am Nachmittag aufklaren. Warten wir's ab. Eine andere Möglichkeit haben wir eh nicht! Gegen Mittag hörte es tatsächlich auf, große Tropfen zu regnen und der Wind ließ nach. Sogar der Himmel zeigte manchmal ein freundliches Hellgrau. Aber der Entschluss zu fahren war eh gefasst, denn das ist der Grund der Mission, und so sattelten wir auf. Heute war "leichtes" Gepäck vorgesehen, da wir am Ende der heutigen Tour wieder zum Ausgangspunkt zurückkehren werden. Das macht uns beweglicher und erhöht den Fahrspaß.
Saareemaa versprach eine historische Fundgrube, erdgeschichtliche Exkursion und natürlich häuslebauertechnisch interessant zu werden.
Das Hafengebäude von Virtsu
Zuerst mussten wir aber einmal Tickets für die Fähre besorgen. Wir stellten uns am Fähranleger brav in die Reihe, da wir meinten, die Passage direkt auf der Fähre bezahlen zu können, denn so etwas wie eine Kasse war nicht auszumachen. Als ich aber sah, dass eine Fußgängerin an der Fähre abgewiesen wurde, trat ich schnell noch einmal den Rückweg an und fand ein paar Baucontainer, in denen doch eine Kasse untergebracht war. Auch die Fußgängerin konnte dank eines eingelegten Sprints die Fähre noch rechtzeitig erreichen.
... die Fähre kommt ...
Sehen wir einmal von der Passage zu Kurischen Nehrung ab, wo es ja eher über Süßwasser ging, dann war das Kalles erste richtige Seereise, wie er mir sagte. Gut, dann hat er heute gleich seine zweite, wenn wir zurückfahren. Noch interessanter wird dann in gut einer Woche sicher die Überfahrt von Tallin nach Helsinki oder gar von Helsinki nach Rostock, eine ganz neue Erfahrung.
Erstes Ziel auf Saaremaa sollte die älteste Festung der Insel sein. Wir fuhren nach Pöide, wo sie sich befinden sollte. Aber alles was wir sahen war die Kirche, die sich sehr wehrhaft über die Landschaft erhob, doch eigentlich nicht auf unserem Programm stand. Da sie aber so imposant in der Landschaft thronte, bestach sie uns damit und wir sahen uns sie genauer an. Ihre schlichte Massivität war absolut beeindruckend. Riesengroß das Ding! In ihr könnten sich ganze Völkerstämme vor Angreifern in Sicherheit bringen. War sie vielleicht die gesuchte Feste? Die Ausmaße ihres Turmes erinnerten mich an einen Wohnturm, nein, an zwei, von denen ich den einen in Schottland und den anderen bei einer Reise durch Tschechien gesehen habe. Sie bildeten beide das Zentrum einer späteren Burganlage. Der Huntingtower in Schottland hatte es nur auf eine Jagdhütte mit hölzernen Nebengebäuden gebracht, aber Burg Rabi in Tschechien wurde über die Jahrhunderte vom Wohnturm mit ringartiger Befestigung zu einer enormen Festungsanlage mit mehreren Ringburgen erweitert.
Wehrhaft zeigt sich die Kirche von Pöide Der Blick ins Innere blieb uns leider versagt.
Die Schönheit des großen Glasfensters in der Apsis konnten wir von außen nur erahnen. Der Rest eines Reliefs an er Wand der Kirche.
In die Kirche von Pöide kamen wir leider nicht rein, um sie zu besichtigen. Erst machte sie wegen des Umfeldes und eines Risses im Turm den Eindruck, dass sie wohl dem Verfall anheim gegeben würde. Aber das letzte Fenster an der Südfassade und das der Ostseite zeigte, dass man sich wohl doch um den Erhalt kümmerte. An der Nordfassade waren Fundamente einiger ehemaliger Anbauten überdacht, was ebenfalls auf Sicherungsmaßnahmen hinweist. Ich hätte wirklich gern einen Blick ins Innere geworfen, aber leider war alles verschlossen. Trotz intensiver Suche konnten wir die Burganlage nicht finden. Auf der Suche danach fanden wir uns aber in einer Ansiedlungen, durch die unsere Irrfahrt ging, in die ethnologischen Freilichtmuseen versetzt.
Nächstes Ziel sollte der eines Meteoriteneinschlages sein. Laut Reiseführer soll der Durchmesser des Kraters teilweise über 100 m groß sein. Also überhaupt kein Problem, ihn zu finden ... So dachten wir! Aber schon das Nest zu finden, wo sich dieser Krater befinden sollte, war gar nicht so einfach. Die Abfahrt auf die Buckelpiste, durch den Regen der letzten Tage natürlich gut durchgeweicht, war noch leicht. Den Ort Kalli (Kaali) fanden wir aber nicht, da es keine weiteren Wegweiser gab.
Blick ins Innere der Wallanlage von Valjala
Auf derselben Strecke liegen aber noch die Überreste der Wallanlage von Valjala. Hier setzten sich die Einwohner der Insel bis zum Schluss erfolgreich gegen die Ordensritter zur Wehr. Verhandlungen brachten schließlich die Wende und öffneten die Feste für die Eroberer. Zum Dank für die Übergabe waren Dauertaufen der Besatzung die Folge. Ich könnte mir aber auch denken, dass, wer sich nicht taufen ließ, einen Kopf kürzer wurde ... Kirche! Weil es so viele waren, die getauft werden "mussten", wurde einfach eine Quelle, welche sich im Inneren dieser frühzeitlichen Befestigung befunden haben soll, zum Weihwasser erklärt.
Auch heute noch ist der Wall von seinen Ausmaßen beeindruckend.
Auf der Anfahrt allerdings erst einmal nicht. Da siehst du nur einen grünen Hügel mit einer Holztreppe und daneben einen schönen Rastplatz mit Feuerstelle. Der Boden war total aufgeweicht und Scheiße glatt. Da habe ich meine Karre im Stand hingelegt, weil ich mit einem Bein mit rutschte.
Wenn du dann aber auf den Hügeln drauf gehst und die Menge Steine siehst, die in diesem Wall verbaut wurden, dann fragst du dich unweigerlich, wer die alle herangeschafft hat. Der Wall ist über fünf Meter hoch. Wie viel das ist, fällt erst auf, wenn du dann dort unten stehst. Außerdem bildet der Wall ein Oval von 120 x 100 m Ausmaß. Ich schätze mal, dass auf dem Steinwall dann noch Palisaden aus Holz standen. Außerdem mussten die Leute ja auch noch in irgendetwas gewohnt haben. Es ist sehr interessant, sich vorzustellen, wie diese Festung in ihrer Hochzeit aussah und wie die Menschen darin lebten.
Da ich immer noch nicht über estnische Barmittel verfügte und der Nachmittag schon fortgeschritten war, sollten wir schnell eine Bank erreichen, um endlich Geld tauschen zu können. Der direkte Weg nach Kuressaare wäre dazu sicherlich der richtige gewesen und war vor allem auch asphaltiert, aber ich konnte es einfach nicht lassen und wollte diese Krater sehen. Auf dem Weg zurück über die Holperstrecke achtete ich in Ermangelung von Wegweisern auf
die Schilder der Bushaltestelle und ... Bingo! ... da gab es eine Haltestelle, die "Kalli" hieß. Ich sagte Kalle, dass ich schnell mal nachsehen wollte und gleich wieder da wäre. Kopfnicken. Vorher hatte Kalle schon Treibstoffbedarf angemeldet. Ich bog also ab, um Kalli schnell mal alleine anzufahren und einen Blick auf die Kraterseen zu werfen. Wer fuhr hinter mir her? Kalle!
Ich sah zwar das eine oder andere Loch, welches mit Wasser gefüllt war, das meistens aber auf der Straße als Schlagloch. Aber keine Erdwallaufschüttungen, die von Meteoriteneinschlägen her rührten, wie es im Reiseführer beschrieben war. Zu allem Ärger kam mir auf dieser Piste dann auch noch so ein Idiot mit irgendeiner Art Geländekarre entgegen, der hier wahrscheinlich noch nie Gegenverkehr hatte. Im letzten Moment bekam er mich
dann doch noch mit, doch seine Mistkarre beförderte er dann doch in den Graben. Ich hatte mich da auch schon gesehen oder im Krankenhaus aufwachen.
Angst vor dem Stürzen und mir vielleicht einen Arm, Bein oder sonst irgendetwas zu brechen, habe ich nicht. Das ist nicht schlimm, denn es geht sehr schnell. Aber vor den Schmerzen danach schon. Wir kutschten also ganz durch das Nest und noch ein Stück dahinter, aber eine Schule, an der sich laut Reiseführer die Krater befinden sollte, oder ein Hinweis darauf gab es nicht. Erfolglos fuhren wir zurück auf die "Mainroad" und weiter auf Kuressaare.
Ich wollte ja noch Bankgeschäfte tätigen. Ja ... und dann geht Herrn Frenzel der Sprit aus. Plötzlich fehlte er in meinem Rückspiegel und ich musste 2 km zurück fahren. Da stand er. Zum Glück, Zigaretten waren noch genug da, nur Sprit nicht. Als ich mein Benzinschlauch abgebaut habe, um ihm etwas aus meinem Tank abzuzapfen, ist der dann auch noch eingerissen und ich sah mich schon ohne Benzinschlauch in der Wildnis stehen. Tank voll, aber keine Connection zum Vergaser. Habe ihn dann aber mit einer Schlauchklemme wieder dicht bekommen und hoffe er hält bis nach Hause. Was macht Frenzel mit der von mir erhaltenen Transfusion? Der tuckert im Standgas die Allee entlang, als hätte er heute seine erste Fahrstunde an statt zu brettern, was das Zeug hält, um mit dem Schwung noch in die nächste Tanke zu rollen. Nein! 800 m vor dem nächsten Spritdepot bleibt der Typ wieder legen. Keinen Bock darauf, meine Pipeline noch mehr zu schädigen, bin ich dann mit einer leeren Wasserflasche zur Tanke und wieder zurück. Hatte mich nicht schlecht angeguckt, der Zapfsäulenbewacher, als ich meine Wasserflasche tankte. Mit dem PE-gespeicherten Treibstoff hat es Herr F. dann auch bis zur Treibstoffversorgungseinrichtung geschafft und während er seinen VK auffüllte machte ich dasselbe mit unseren Vorräten im Markt neben an.
Kuressaare, die Hauptstadt der Insel,... ...ist eine schöne kleine Ortschaft...
...die man gut zu Fuß... ...entdecken kann.
Geld tauschen konnte ich natürlich vergessen. 17:20 Uhr waren wir in Kuressaare an der Bank, die aber nur bis 17:00 Uhr geöffnet hatte. Da haben wir erst al ein paar Kohlenhydrate aus unserem Vorrat eingeworfen. Dieser Imbiss war unsere erste Mahlzeit an diesem Tag. Dann sind wir weiter ein wenig durch die Stadt gefahren. Viele kleine, ein bis zwei Stockwerke zählende, Gebäude. Sehr gut in Schuss, was den Gesamteindruck angeht. Fußgängerzone mit Cafés und Platz zum Flanieren. In den Außenbezirken eher das, was man so auch bei uns kennt. Platte! Unser Ziel war die Burg. Inzwischen war es kurz nach sechs. Die freundliche Lady am Einlass wollte uns noch ein Ticket kaufen, hier sagt man wohl eher Billett, aber der Rundgang sollte mindestens eine Stunde dauern. Da wusste ich, dass ich mindestens zwei benötigen würde, wenn ich nicht durch das Gemäuer hetzen wollte. So haben wir uns auf das Umfeld der trutzigen Mauern beschränkt.
Die sehr sehenswerte Ordensburg ... ...mit ihren Bastionen und ...
...Parkanlagen ... ...lädt auch zum längeren Verweilen ein.
Die Sonne schien uns inzwischen verwöhnen zu wollen, was den Spaßfaktor am Spaziergang über die äußeren Wallanlagen erhöhte. Zur Ekstase wurde er getrieben, als wir einen Sattelauflieger beobachteten, wie er versuchte, über die Wallanlage zu fahren. Er hatte eine Bühne geladen, hier werden wohl auch des Öfteren Konzerte gegeben. Trotz seiner Versuche und stetiger Verlängerung des Anlaufes schaffte er es nicht und blieb letztendlich im Rasenstecken. Da haben wir, wie viele andere auch, das Schauspiel nicht länger verfolgt. Er hatte sein Handy gegriffen, Verstärkung bestellt und die Maschine ausgeschaltet.
Mihkli Talumuuseum
Stallung des ausgehenden 18. Jahrhunderts
Auf unserer Weiterfahrt nach Kihelkonna wurden wir durch die ansässige Straßenbaufirma viel besser entertaint. Die Durchfahrt nach Kihelkonna wurde neu gemacht, aber keine Umleitung ausgeschildert. Die Straße war dann einfach dicht und wir landeten auf der noch offenen Strecke in einer Sackgasse. Wir konnten Mihkli, das ist das für uns schon obligate Freilichtmuseum auf Saaremaa, auslassen oder die Route über die Westküste wählen. Da Ersteres für uns nicht in Fragen kam, führte unsere Tour nun über die Westküste. Ein nicht unerheblicher Umweg. Dank glücklicher Wegführung, die nicht in meiner Karte verzeichnet ist, konnten wir die Baustelle dann doch noch umfahren und kamen auf guter Holperstrecke direkt am Mihkli-Talummuseum an. Leider war es wegen der fortgeschrittenen Zeit nun schon geschlossen. Uns blieb nur ein Blick über die Mauern.
Estnische Trachten...
So würde uns es wohl auch noch mit anderen Zielen gehen, in die wir einen Blick hineinwerfen wollten. Also strich ich unsere Liste ein wenig zusammen. Auch die Holperstrecken, die das Straßenbild im Norden der Insel bestimmten, würden uns langsamer vorankommen lassen, als wir das geplant hatten. Die Insel ist ansonsten touristisch sehr gut ausgebaut. Überall findet man Hinweise auf Übernachtungsmöglichkeiten, Zeltplätze und Sehenswürdigkeiten. Die Insel wäre bei schönem Wetter bestimmt einen ganzen Urlaub wert.
...bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts
Im Norden der Insel gefielen mir auch die Bushaltestellen, das sind geschlossene kleine Häuschen, und wäre das ganze Baltikum damit ausgestattet, hätten wir keine Zelte gebraucht. Über Leisi fuhren wir Angla und Kurja an. In Angla mussten wir die Sehenswürdigkeit nicht lange suchen. Schon auf der Durchfahrt kamen wir an einen kleinen Hügel entlang, auf dem 5 Windmühlen stehen. 4 kleine Bockmühlen und eine richtig große. Die große Mühle wurde gerade restauriert und weil niemand auf der Baustelle zu sehen war, habe ich mich mal ein Stück hinein gewagt. Habe ich die ersten Bilder der neuen Mechanik?
In Kurja wollten wir die Kirche besuchen, die haben wir dann aber nicht mehr gesucht. Es muss gegen 20.00 Uhr, vielleicht 21.00 Uhr gewesen sein. Wir traten den direkten Rückweg über Ratla zur Fähre an. Als wir wieder am Abzweig Pöide vorbei fuhren, juckte es mich schon, noch einmal nach der Festung zu suchen. Aber bei mir hatte sich schon vor einigen Kilometern die Reserve gemeldet und lange Irrfahrten konnte ich mir nicht mehr leisten. Die nächste Tanke war auf Muhu und dasselbe Ding wie Kalle vorhin würde mir nicht passieren. Auf dem Damm zwischen Saaremaa und Muhu hatte ich dann auch 25 km mit meiner Reserve weg und musste an die Seite fahren.
Ich weiß nicht, ob Kalle einen inneren Vorbeimarsch feierte oder ihm die Zeit zum Erfassen der Situation gar nicht blieb. Das, was er bei sich mit einem bisschen nutzlosen Hin- und Herschwenken der Maschine erfolglos versuchte zu lösen, kann ich durch beherztes Absteigen und die Maschine auf die Seite legen, wo der Benzinhahn ist, beseitigen. Das dauerte keine 30 Sekunden und da ich ohne Gepäck unterwegs war, war das auch kein Problem, so hätte ich noch 25 km oder mehr fahren können. Wenige 100 m später kam dann aber die Tanke und wir füllten wieder auf. Dabei waren wir aber auf die Hilfe eines netten Jugendlichen angewiesen, der bemerkte, dass wir keinen Sprit aus dem Zapfhahn bekamen. Er kam von sich aus auf uns zu und erklärte uns den Vorgang, der dann auch relativ einfach zu bewältigen ist. Wenn man zu Beginn des Tankvorganges die Sprache englisch am Automaten wählt. An der Fähre mussten wir noch etwas warten. Die Zeit nutzen wir für den abendlichen Imbiss. Alle anderen ringsumher hatten es bestimmt wärmer in ihren Autos, mussten uns aber beim Essen zusehen.
Während Kalles zweiter richtiger Seereise genehmigten wir uns in der Kantine der Fähre noch einen Kaffee und ich bereute es, dass ich dieses Tagebuch nicht mit aus dem Frachtraum nach oben genommen hatte, um während der Überfahrt die Tagesnotizen nieder zuschreiben.
Aber das war noch nicht das letzte Schlimme, was uns an diesem Tag passieren sollte. Gegen Mitternacht erreichte die Fähre das Festland. Wir machten uns im Frachtraum der Maschine zum Abfahren bereit, als sich merkte, dass das Abblendlicht an meiner Maschine nicht mehr funktionierte. Sicher eine Folge der dauernden Hoppelstrecken. Ich informierte Kalle darüber, der wie immer hinter mir stand, dass mein Licht nicht geht und dass er nun einfach mal
vorfahren sollte, konnte ja nicht so schwer sein – dachte ich mir. Kalle nickte zustimmend. Nach maximal 10 km sollte die Abfahrt nach links kommen, mit einem Schild und einer Scheune, die da steht. Ich selbst müsste im Dunkeln fahren und würde es nicht sehen oder ich würde ständig den Gegenverkehr blenden. Nicken ... Beim Verlassen der Fähre war mir schon klar, was los ist. Kein Kalle, der an mir vorbei fuhr und mich in den heimatlichen Hafen bringen würde. Wir mussten also noch einmal rechts ran fahren und mit lauter Artikulation verlieh ich meinem Vorhaben Ausdruck. Nun setzte sich Kalle an die Spitze und ich fuhr dem Frenzelschen Rücklicht hinterher, selber kaum etwas erkennend. Das Wetter war zwar stabil, d. h. es regnete immer noch nicht, hatte sich aber extrem zugezogen. Es war also finsterste Nacht. Ich sehnte mich nach meinem Isolierband, mit dem ich wenigstens die Aufblendanteile meines Scheinwerfers abkleben könnte. Aber das befand sich in Voose im sicheren Haus und da waren wir inzwischen auch .... vorbei gefahren.
Ich bemerkte das, als wir an dem Abzweig vorbei fuhren, an dem wir am Vortag aus Pärnu in Richtung Saaremaa abgebogen waren. Die Beschilderung erkannte auch ich im Scheinwerfer der Frenzelschen Maschine. Ist es denn so schwer, einen Weg wieder zu finden, den man nun schon zweimal gefahren ist? Einmal in die eine und einmal in die andere Richtung? Ich sah mich eh schon die Nacht in einer estnischen Zelle verbringen, was für ein Omen! Mir erschien es in diesem Moment aber immer noch besser, als hinter Kalle auf der Landstraße herzutuckern. In so einer Zelle hätte ich wenigsten liegen können. Ich schaltete also meinen Highbeam ein und ließ uns ca. 10 km in der Gegenrichtig in die ersehnte Unterkunft einfahren. Es war inzwischen 1 Uhr morgens und ich hatte gar keine Lust mehr, irgendetwas zu tun. Beim Einkaufen hatte ich mir ein Feierabendbier mitgebracht, was ich nun noch bei
einer Folge Miami Vice genoss, bevor ich Kalle in der Nacht noch zweimal die Bettdecke wegreißen musste, um selber schlafen zu können.
Der neunzehnte Tag (16.06.2009)
238 Kilometer
Odyssee durch den Sumpf Lihula - Võhma - Paljasmaa - Kivi-Vigala - Are - Suigu - Tori - Soomaa Nationalpark - Tõramaa - Kõpu
- Viljandi - Valma - Leie am Võrtsjärv-See
Museum im alten Landsitz von Lihula
Gegen 10 Uhr bemerkte ich, dass die Sonne draußen alles gab, was so eine Sonne geben kann, wenn kaum Wolken am Himmel sind. Ich hatte meine Suzi letzte Nacht noch unter einen Schauer gestellt, um ihr wenigstens eine Nacht ohne Regen zu gönnen und auch mein Zelt hatte ich dort aufgehangen, was Kalle mir auch gleichtat. Den vielen Sonnenschein, der uns heute Morgen begrüßte, gaben wir auch gleich noch die Gelegenheit, alles zu trocknen, was wir hatten, während wir unsere Sachen für die Weiterreise zusammen packten. Gegen 12 Uhr waren wir dann wieder auf der Piste.
Lihula war unser erstes Ziel. Wichtig war es jetzt, Geld zu tauschen und dort gibt es alles auf einen Fleck. Außer die Tankstelle, die lag ca. 200 m davor. Bank, Post, Konsum, Sehenswürdigkeit und das politisch kulturelle Zentrum mit Internetanschluss. So eine Konzentration wünsche ich mir als Tourist überall. Von hier aus wollten wir Tori erreichen; kein Problem, da die Strecke verhältnismäßig gut ausgeschildert ist. Etwas Holperstrecke, dann Landstraße – und gut
Tori - Pferde aus dem Gestüt des gleichnamigen Ortes
Der Reiseführer beschreibt für Tori neben der berühmten Pferdezucht ein rustikales Wirtshaus. Für uns genau der Anlass, hier zu Mittag zu essen. Wir waren auch pünktlich gegen 13 Uhr dort. Überquerten den Fluss Pärnu und waren nicht nur erstaunt über die Breite des Flusses, sondern auch über die erstaunliche Felsformation an dessen Ufern. Kirche und Gestüt sind – wie im Reiseführer beschrieben – fulminant. Aber die Wirtsstube fanden wir nicht. Wir
kamen zwar an zwei Gebäuden vorbei, die so aussahen, als könnten sie der Gastlichkeit dienlich sein, aber bei näherem Hineinschauen mussten wir leider feststellen, dass dies nicht der Fall ist. Auch beim Nachfragen konnte uns niemand einen Hinweis auf eine gastronomische Einrichtung in dieser Gegend geben. Zur Ehrerettung des Reiseführers muss ich aber sagen, dass in den Karten – die manchmal am Straßenrand aufgestellt waren und die nähere Umgebung beschreiben – auch Besteck eingezeichnet ist.
Und nun kommen wir zur alten Regel: im Zweifelsfalle Hauptstraße oder geradeaus. Da wir unsere Gaststätte für das mittägliche Mahl nicht fanden, setzen wir unsere geplante Route fort, um uns bei nächster Gelegenheit die Bäuche zu füllen. Wir also – natürlich unter meiner Führung – den einmal vorhandenen Wegweisern in die Richtung gefolgt, die die unsrige war. Keine 200 m später standen wir in der Jauchenkuhle einer ortsansässigen landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft. Das, was hier also wie Hauptstraße aussieht, muss nicht unbedingt immer eine sein. Zurück zur Hauptstraße und neuer Versuch. Natürlich nicht wieder in die LPG.
Da gab es auch noch einen anderen Weg, der sich dann aber auch wieder gabelte. Kein Hinweis davon auf der Karte. Keine Spur von Wegweisern oder sonstiger Beschreibung, der Vorrangigkeit irgendeines dieser Abzweige. Also gerade aus, sagt die Regel. Ich schätze mal, dass wir so ca. 8 km die eigenartigsten Strecken gefahren sind. Wir waren auch ganz nah einer Stelle, wo ich später wieder einmal eine genauere Karte fand, die am Wegesrand stand und das umgebende Gebiet beschreibt. Diese befand sich nur auf der anderen Seite dieses Armes des Flusses Jögi und wir nicht an der Stelle, wo die Brücke war.
Auf dem Holzweg - Der Eingang zum Soomaa Nationalpark.
Der Weg durch den Park (5km).
Landschaftlich gesehen befanden wir uns aber in einer schönen Gegend und wäre der Tag schon weiter fortgeschritten gewesen, hätte ich dort gern einmal gezeltet. Nun mussten wir aber wieder zurück, um einen Übergang über den Jögi zu finden. Und als dieses vollbracht war, lag der Soomaa-Park an unserem Weg. Ein Hochmoor, welches für den Fremdenverkehr sehr gut aufbereitet ist. Holzstege führen durch das sumpfige Gelände. Hätte ich vorher gewusst, dass der Trail 5 km lang ist, wäre ich nicht losgegangen. Die Hinweistafel, wo das drauf stand, habe ich mir aber erst hinterher durchgelesen. Die 5 km lohnten sich aber. Ich war hinterher wieder warm und so etwas habe ich, trotz dass ich vorher schon mal in Schottland war, noch nicht gesehen. Das Hochplateau mit Flechten und Gräsern besiedelt, bietet nicht viel Halt und Boden für Bäume. Ich kam mir vor, als würde ich durch einen Park für Bonsai wandern. Keine Ahnung, wie alt die Kiefern und Birken hier sind, aber ich würde sagen – alt. Der Weg durch den Sumpf führte dann auch durch alle Vegetationszonen, die da möglich sind. Vom tiefschwarzen Teichen im Hochmoor bis hin zum normalen Wald am Ufer des Flusse. Ich war schon begeistert. Fühlte mich an Partisanenfilme erinnert, die ich als Kind im Fernsehen gesehen hatte und ans schottische Hochland, wo man einen Führer durch das Moor braucht und ja nicht nachts alleine los geht, damit man keinen Irrlichtern folgt. Beim Blick in das tiefschwarze Wasser der Teiche bekam ich ein Schaudern bei der Vorstellung, jetzt von einer kalten Hand, die da plötzlich erscheint, in den schwarzen Schlund hinab gezogen zu werden, wenn ich zulange hineinblicke. Am Ende der Runde, wieder bei Kalle angekommen, hatte ich Hunger und wir legten ein kleines Picknick ein. War ja auch unsere erste Mahlzeit an diesem Tag. Danach standen noch einige Kilometer Holperstrecke auf dem Programm, bevor uns Viljandi begrüßte.
Das Rathaus von Viljandi
Dort gab es auch endlich einen Laden für mein Lichtproblem und ich konnte ohne Tape am Scheinwerfer die Reise festsetzen. An der Theke dieses Bastelschuppens sprach man sogar englisch und konnte „ätsch for“ (H4) verstehen. Der Rest für heute ist dann auch schnell erzählt. Erst Vorräte im Markt auffüllen, wo natürlich wieder Lehrlinge an der Kasse standen und ich auch noch die Hälfte vergessen hatte, und dann die Suche nach einem geeigneten Platz für die Nacht. Das war mal wieder nicht so einfach und vorher gab es noch einmal ein Problem an der Provinztanke, wo man den Unterschied nicht wusste, zwischen nur mal eben 100 Kronen in den Tank reinträufeln oder einen vollen Tank haben. Da wir während der Diskussionen die Zapfsäulen blockierten, ging es dann aber doch mit Hilfe der Leute, welche hinter uns standen und ebenfalls tanken wollten.
Johannes Kirche von Viljandi
Dann bei Leie am Nordufer des Võrtsjärv-Sees ein Zeltplatz. Wenn auch ein popliger mit Plumpsklo. Als ich dort nach einer Dusche frage, wurde mir ein Gartenschlauch über den Zaun gehangen. Als man daraufhin aber meinen missmutigen Blick wahrnahm, wurde dann doch eine Dusche für unseren Besuch frei geräumt. Sie gehört eigentlich zu einem Zimmer, das man hier mieten kann, wenn man es überhaupt wagt, sich dieser Unterkunft anzuvertrauen. Zum Zeltplatz gehörten auch ungefähr eine Milliarde Mücken und eine liebenswerte Oma, die uns dann für die Dusche noch 10 Estnische Kronen extra abknöpfen wollte. Aber nicht mit mir und nicht auf diesem Plumpskloplatz. Das hätten wir dann anderswo auch besser haben können. Hat sie dann eingesehen und schleppte uns auch noch Holz für das Feuer ran, mit dem wir die Mücken vertreiben wollten – nützte nur nichts.
Ich konnte, trotz der Milliarden Mücken, gut schlafen, denn ich hatte mein Zelt mückenfrei bekommen, hörte Kalle nicht und trocken war es auch!
Der zwanzigster Tag (17.06.2009)
52 Kilometer
Kurze Tour - Langer Tag
Väike-Rakke - Tartu
Man man man – so belagert, wie heute morgen, war mein Zelt noch nie von diesen stechenden Mistdingern. Tausendzweihundert am Eingang mindestens, also kein freier Zugang zur Dusche. Doch wegen der Kühle der Nacht waren sie an diesem Morgen noch nicht so schnell wie ich. Mit Omchens Hilfe bekam ich die Dusche dann auch aufgeschlossen und war in Sicherheit. Duschen, Sachen packen, Zelt weg, Kaffee und los.
Das Rathaus von Tartu mit dem Brunnen der Verliebten davor Aleksandir Hotel in der gleichnamigen Straße in Tartu
Uns erwartete keine 50 km entfernt die älteste Stadt im Baltikum, Tartu , und das in vollen Zügen. Durch den frühen Start am Morgen und die kurze Anreise stand uns ein langer Tag in dieser wunderschönen Stadt zur Verfügung. Am zentralen Marktplatz fanden wir dann die Touristeninformation. Hier wurde ich sehr freundlich empfangen: Du willst die preiswerteste Unterkunft und du kommst aus Deutschland und da ist das Material, was du brauchst. Gleich noch ein Anruf beim Hotel mit der Nachfrage nach einem freien Zimmer, einen Stadtplan in die Hand gedrückt und fertig. Hier weiß man also, was Touristen brauchen.
Bei diesem Zeichen findet man einen kostenlosen Hot Spot
Partymeile mit WLAN
Das Aleksandri Hotel entsprach von Lage, Komfort und Preis genau dem, was wir brauchten. Es gab sogar einen Rechner, von dem aus wir in das Internet konnten, was wir auch reichlich nutzen, um unsere Mails abzufragen und Grüße in die Heimat zu schicken.
Übrigens ist Estland im allgemeinen sehr gut mit drahtlosem Internet versorgt und überall wo man das WiFi-Zeichen sieht findet man auch einen Hot Spot (etwa 1100 Hot Spots decken rund 45.000 Quadratkilometer ab (SpiegelOnline )). Kostenloser Zugang zum Netz ist zu einem Grundrecht der estnischen Bürger erklärt worden, da könnte sich Deutschland mal eine Scheibe abschneiden. Bei mir zu Hause bekomme ich nicht mal DSL. Aber gut dazu! Als unsere Maschinen sicher auf dem Hof des Hotels geparkt waren, all unsere Sachen im Zimmer verstaut und nachdem wir uns frisch gemacht hatten, sichtete ich das Material aus dem Informationsbüro. Auf dem Stadtplan war ein Trail eingezeichnet, der uns an alle Sehenswürdigkeiten der Stadt bringen würde. Das haben wir dann auch gleich ausgenutzt. Gingen an den ersten, dem Hotel am nächsten, gelegenen Punkt, der auf dem Plan verzeichnet war und folgten von hier aus der Route. Am besten gefiel mir der Dom. Hier wurde mir an jeder Ecke, in jeder Nische, der Roman „Die Säulen der Erde“ (Ken Follett) ins Gedächtnis gerufen. Am Ende des Rundganges, für den wir den ganzen Tag brauchten, natürlich mit ein paar Pausen, waren wir ziemlich hungrig und sind in den so genannten Pulverkeller gegangen.
Alte Sternwarte Universität
Das schiefe Haus am Marktplatz Der Botanische Garten
Eine Bierhöhle, die – wenn sie nicht hier in Estonia wäre – ich sie vielleicht im fränkisch-bayerischen Raum vermuten würde.
In uriger Gemütlichkeit, bei gutem Essen und reichlich Bier ließen wir den wundervollen Tag in Tartu ausklingen und genossen es, ich weiß nicht wie lange.
Der Dom von Tartu Im Inneren des Domes
Ein Teil des Schiffs wird noch als Bibliothek genutzt Ruine des Doms um 1803
Haus der "Gilde" von Tartu. Hier werden kunsthandwerkliche Traditionen gepflegt. Im Spielzeugmuseum von Tartu gibt es jede Menge zu lernen und entdecken. Lecker Bier und Essen und Gemütlichkeit in einem Teil der alten Stadtverteidigung
... dem Pulverkeller. Ständig ist Leben in den Straßen von Tartu.
Der einundzwanzigster Tag (18.06.2009)
198 Kilometer
Die Tour an den Finnischen Meerbusen
Kallaste am Peipussee - Mustvee - Tudulinna - Rakvere - Haljala - Altja im Lahemaa Nationalpark
Irgendwie war mir heute Morgen noch schwindlig. Weil aber die Sonne so schön in das Fenster schien, machte das Aufstehen trotzdem Spaß. Keine Ahnung, wie lange wir gestern weg waren. Habe Kalle auf dem Heimweg jedenfalls mal gezeigt, dass man auch besoffen nach Hause finden kann und zwar ohne Umwege. Frühstück haben wir noch im Hotel genommen, so konnten wir ohne große Pause bis an unser heutiges Ziel fahren. Altja – von wo aus wir in den nächsten Tagen Sternentouren fahren wollen und wo die kleine Blonde zu uns stoßen wird.
Von Tartu aus ging es erst einmal nach Kallaste zum Peipussee, an dem die Kreuzritter von den Slawen mächtig Haue bekommen haben.
Ist schon beeindruckend. Er lag ganz ruhig im Sommerwetter vor uns, ist aber auch braun die Brühe und mit seinen 8 m Tiefe wohl eh nichts zum Tauchen. Es sei denn, man findet die im Eis eingebrochenen Kreuzritter. Aber die liegen bestimmt schon tief im Schlamm.
Vom See weg in Richtung Rakvere, kurz vor Kauksi, gab es dann noch eine schöne Strecke zum Touren. Viele Kurven durch sanfte Hügel.
Typischer Bauernhof für das Baltikum, gut erhalten und modernisiert, was man an den Fenstern erkennt.
In einem kleinen Ort namens Tudulinna hatten wir mal ein Negativbeispiel, wie mit historischer Bausubstanz umgegangen werden kann. Im Ort gibt es eine neue Kirche aus Stein, kaum 100 m weg steht eine alte Holzkirche, die nun als Strohschober herhalten muss. Also gut, dass solche Dinge in den Freilichtmuseen erhalten werden. Mit den Bauernhöfen ist es ja ähnlich, nein – ganz genauso. Der Rest des Weges war ruhiges Touren mit gelegentlicher Pinkelpause.
... auch typisch ... nur nicht mehr so gut erhalten...
Willkommen auf Toomarahva - ein Fischergehöft in Altja (Estland) mit einer lieben Wirtin
Bootshäuser am Strand von Altja
In Rakvere genehmigten wir uns am „tsentralen“ Platz einen Kaffee, schauten im Reiseführer nach, was es hier zu besichtigen gibt, diskutierten über die Notwendigkeit, noch etwas einzukaufen, um nicht zu verhungern und setzten dann zum Endspurt nach Altja an. Die Idee war, bei unserem zukünftigen Vermieter anzufragen, ob wir auf dem Platz zelten können, dann zu eröffnen, dass wir die Logisten der nächsten Woche sind, um die Nacht im Zelt kostenlos als Bonus zu bekommen. Frau Tann, unsere Vermieterin, überraschte uns ihrerseits damit, dass sie uns unsere Zimmer gleich anbot, da sie sie für uns schon vorbereitet hatte.
Toomarahva ist ein sehr schön erhaltener kleiner Fischerhof aus dem 19. Jahrhundert. Frau Tann hat das Dach des Haupthauses neu decken lassen und sie kümmert sich sehr gut um den Erhalt des kleinen Hofes. 300.000 Kronen hat das Dach gekostet, sagte sie mir. Ein Teil der Nebengebäude sind zu Gästezimmern und einem Speiseraum mit Sommerküche ausgebaut und eine Sauna gibt es auch. Ich bin froh, dass wir dieses Ferienhaus gewählt haben. Die Dorfkneipe, sehr rustikal, ist auch gleich über die Wiese. Als erstes haben wir bei einem kleinen Spaziergang die Gegend erkundet und das abendliche Licht für ein paar Fotos am nahen Strand der Ostsee genutzt. Jetzt sitzen wir in der Kneipe. Das historische Gebäude, das einst an der bedeutenden Landstraße Tallinn - Petersburg lag, strahlt eine ganz besondere Atmosphäre aus, in der wir uns in eine vergangene Zeit zurückversetzt fühlen.
Eine der jungen Kellnerinnen - Lisä, wie wir später erfahren sollten - spricht sogar deutsch ... und draußen fällt mal wieder das Wasser von Himmel.
Genuß im urigen Ambiente - Taverne in Altja
Der zweiundzwanzigster Tag (19.06.2009)
198 Kilometer
Heute kommt der Sonnenschein
Tallinn Flughafen
Ziel des heutigen Tages ist es, einfach nur die Kleene aus Tallinn abzuholen. Wir haben 7.30 Uhr gefrühstückt und kurz nach acht war ich auf der Piste. Eigentlich hatte ich gedacht, dass ich bis kurz vor Tallinn mit dem Sprit reichen müsste. Aber ich bin dann doch über Halljala gefahren, da ich die erste Abfahrt nach Vösu verpasst hatte. Nicht schlimm, dachte ich, kannst ja bestimmt auf der Autobahn irgendwo nachfüllen. Aber ……………. keine Tanke.
Als ich ca. 29 km mit Reserve auf der Bahn unterwegs war, habe ich dann die Entscheidung getroffen, abzufahren und mein Glück in den Ortschaften parallel zur Autobahn zu versuchen. Es schüttete immer wieder wie aus Eimern, irgendwann hielt ich einen Autofahrer an, der gerade aus einer Einmündung raus wollte. Ich stellte mich mit der Maschine einfach vor ihn hin und frage nach einer Tankstelle.
Er konnte kein Wort englisch, aber „Benzin“ versteht man wohl in jeder Sprache. Und mit ordentlichen Klopfen auf den leeren Tank versteht dann wohl beinahe auch jeder, was gemeint ist. Noch 500 m bis zur Tanke, das war kein Problem. Hatte die Karre ja noch nicht einmal auf die Seite legen müssen, um die Reserve der Reserve zu aktivieren. Der Tankwart erklärte mir auch den schnellsten Weg zurück auf die Autobahn, welche von dem kleinen Ort aus, wo die Tankstelle sich befand, auch in keinster Weise ausgeschildert war.
Selbiges Probleme stelle sich dann wieder in Tallinn, keine Ausschilderung für den Flughafen. Aus der Erinnerung wusste ich wenigstens so ungefähr, wo der Flughafen vom Tallinner Stadtkern aus liegt und hielt mich dann auch in dieser Richtung. Irgendwann wusste ich aber nicht mehr, ob ich noch richtig war. Ich fuhr an die nächste Tankstelle.
Als ich nach dem Airport fragte, schaute mich die Tankwarze ungläubig an. „An der nächsten Kreuzung links, dann 800 m und dann ist er auf der linken Seite.“ Und richtig. An der besagten Kreuzung war dann auch ein kleines Flugzeugzeichen mit Pfeil in der Richtung angebracht. War also gar nicht schwer.
Am Flughafen habe ich dann erst einmal nachgesehen, ob der Flieger überhaupt kommt … ja … und ich hatte noch eine knappe Stunde Zeit. Ich also wieder raus aus dem Flughafen und nachsehen, ob sich nicht ein hübsches Landefoto machen ließe. Ging auch, jedenfalls von der ausrollenden Maschine konnte ich was sehen. Dann wieder in den Flughafen rein und mit der Kamera im Anschlag auf das Erscheinen der Kleinen gewartet.
Die Tür des Gates ging immer mal wieder auf und zu, aber keine kleine Blondine. Da kam schon die Flugzeugbesatzung durch. Sind die leer geflogen? Nein, es kamen ja doch immer mal welche, die wie Passagiere aussahen und manche hatten auch nichts besseres zu tun, als sich dann auch noch ewig an diesem Ausgang aufzuhalten und mir den Blick mit der Kamera zu versperren. Und dann kam sie doch, die kleene Blonde, zwei unscharfe Fotos gelangen mir und dann war sie da. Weil sie gestern vergessen hatte, ihre Uhr auf die Zeitverschiebung anzupassen, hatte sie heute Morgen auch noch kein Frühstück, dafür aber eine Stunde mehr am Flughafen verbracht. So mussten wir erst einmal Kaffee trinken, dann noch etwas Taschengeld tauschen und für die Fahrt nach Altja umziehen.
Kniffeln mit dem Handy
Von Regengüssen gut bedacht, kamen wir dann schließlich in Altja an und weil sie ja noch nichts weiter als den Kaffee im Bauch hatte, sind wir dann auch gleich in die Kneipe zum Essen und danach fühlten wir uns dann auch alle drei wieder wohl. Wir beschlossen, einen ganz ruhigen Tag zu machen.
Während ich in Tallinn war, um die Kleine abzuholen, hatte Kalle versucht den Chrom an seiner Karre wieder zum Erscheinen zu bringen.
Ein kurzer Spaziergang und ein ausgiebiger Mittagsschlaf bestimmten das anschließende Programm und dann am Abend wieder in die Kneipe. Zum Bier spielten wir Domino und Knack und versuchten der Kleinen die Grundzüge des Skatspielens beizubringen. Offiziersskat erschien mir der richtige Weg für die ersten Schritte. Nun ja, Skat ist nicht jedermanns Sache. Also schlafen gehen. War ja auch schon spät ... aber noch hell.
Der dreiundzwanzigster Tag (20.06.2009)
349 Kilometer
Im Osten nichts Neues
Vihula - Karula - Eisma und Andi - Kunda - Aseri - Ontika - Valaste - Toila - Sillamäe - Narva - Jõhvi -
Kuremäe
Heute Morgen wartete Frau Tann, die wir inzwischen Ülla nennen, jedenfalls schon seit 7.30 Uhr mit dem Frühstück auf uns. Gestern hatten wir es ja für um diese Zeit bestellt und seit dem gab es keine andere Order mehr. Um diese Uhrzeit räkelten wir uns aber noch in den Betten. Dann habe ich noch, wie gewohnt, einen Morgenkaffee gekocht und irgendwann gegen halb neun erschienen wir dann zum Frühstück. Etwas ungehalten war Ülla schon, glaube ich.
Hatte dann das Missverständnis aber aufgeklärt und alles war wieder gut. War ja auch insofern egal, nur dass sie auch gern länger geschlafen hätte. Sorry Ülla!
Der Wasserfall bei Valaste hat nicht oft so viel Wasser
Für die geplante Tour nach Nava gab sie uns dann noch gute Tipps. Einmal sollten wir für die Hintour an der Küste entlang fahren, denn dort würden wir nicht nur eine landschaftlich reizvolle Strecke haben, sondern auch viele nette kleine Dörfer sehen. Außerdem kämen wir bei dieser Gelegenheit an einem Wasserfall vorbei, der sich bei Valaste ca. 30 m in die Tiefe stürzt, und damit der höchste Wasserfall Estlands ist! Und da es in letzter Zeit geregnet hat, würde auch genug Wasser da sein, um ihn imposant aussehen zu lassen. Wie Recht sie hatte. Was für ein Glück mit dem vielen Regen! Für die Rückfahrt empfahl sie uns noch das Kloster von Kuremäe. Wir mussten dafür zwar fast wieder bis zum Peipussee runter, aber auch das hatte sich gelohnt. Aber noch waren wir ja beim Frühstück. Der Morgen begrüßte uns mit einem sonnigen Lächeln und Üllas Frühstück war gut und reichlich. Dass das sonnige Lächeln des Morgens nur ein kurzes war, mussten wir schon am Wasserfall von Valaste feststellen. Von See her zog ein Schauer heran, den wir dann auf der Weiterfahrt mindestens 5 Mal abbekommen haben, weil wir immer wieder drunter durchfuhren und er uns dann wieder einholte. Zum ersten Mal am Wasserfall, dann wollten wir schnell durchfahren, um trocken nach Narva zu kommen. Dann musste es doch die Regenkombi sein und dann sind wir ja wieder durch, weil er sich ja in unsere Richtung bewegte. Als wir in Narva waren, vereinigte er sich dann noch mit einem von Land kommenden Regengebiet und so war ein super Gewitter gebacken. Das schlimmste davon verbrachten wir bei einem Kaffee unter einem Zeltdach. Dann flüchteten wir in die Hermannsfeste, die so ziemlich das einzig sehenswerte in Narva ist. Ansonsten ist die Stadt extrem desolat und selbst das Rathaus, welches nach dem zweiten Weltkrieg original wieder aufgebaut wurde, sieht bedauernswert aus. Ein kleiner Lichtschimmer sind die neuen Fenster.
Die Hermannsfeste von Narva am Grenzfluß mit dem selben Namen
Von der Hermannsfeste, welche ebenfalls im zweiten Weltkrieg stark zerstört wurde, kann man heute den Turm, etwas vom Pallas, den Hof und einige Wehrgänge besichtigen. Die Ausstellungen sind eher bescheiden und von dem, was da ist, kann man nicht viel erfahren, weil alles nur in russisch und estnisch beschrieben ist. Das ist übrigens ein allgemeines Manko. Alle Sehenswürdigkeiten sind gut ausgeschildert, aber man erfährt nicht, was es ist, weil neben der estnischen Beschreibung auf den Schildern einfach die englische fehlt. Ich habe das später mal mit Ülla diskutiert, der dieses Problem wohl bekannt ist und es sehr bedauert. Im Hof der Hermannsfeste waren einige Künstler am werkeln. Leider eigentlich, weil sie mit Kettensäge und Winkelschleifer im Gange waren und so die Ruhe für eine ungestörte Besichtigung der Feste raus ist. Es gibt dort aber auch noch „leise“ Gewerke, wie Schmied, Töpfer, Holzschnitzer und Weber. Es war sehr interessant, ihnen bei der Arbeit zuzusehen. Das Wetter klarte mal wieder auf, aber nicht lange. Ständig zogen Regenfelder über uns hinweg. So lange wir aber über die Feste und die umliegenden Bastionen wanderten, war es auszuhalten. Dort fanden wir immer wieder etwas zum unterstellen. Auch eine Steckdose für den Akku meiner Kamera fand ich auf einem WC in den Kellern der Bastion.
Narva ist die Grenzstadt zwischen Estland und Russland. Getrennt durch den gleichnamigen Fluss werden Ivangorod und Narva durch die Petersbrücke verbunden. Auf beiden Seiten des Flusses befinden sich Festen. Die Hermannsfeste auf der Seite von Narva, Ivangorod mit seiner Burg auf der anderen Seite des Flusses.
Wir stellen uns die Aufgabe, einen Platz zu finden, in dem wir nicht nur die Hermannsfeste, sondern auch die Petersbrücke und die ganze Burg von Ivangorod zu sehen bekamen, um diesen Anblick auf einem Foto festzuhalten.
Das schafften wir dann auch ganz gut. Einige Äste der umstehenden Kastanien mussten zwar daran glauben, aber es ging. Sämtliche Befestigungen und die Brücke über die Narva sind auf einem Foto gebannt.
Die Rückfahrt war ein Wechselspiel von Wasser und Sonne. Trotzdem bogen wir in Jöhvi Richtung Süden ab, denn das Kloster wollten wir uns nicht entgegen lassen. Die Ausschilderung nach Kuremäe war wie immer. Erst stand nichts und dann war es ausgeschildert, dann stand wieder nichts. Als ich dann mal nachfragte, weil ich mir nicht ganz sicher war, wurde mir aber bestätigt, dass ich auf dem richtigen Weg war.
Das russisch-orthodoxe Nonnenkloster Pühtitsa ist eine fantastische Anlage. Sie wird seit der Russifizierung des Estnischen in der Zeit der Sowjetunion betrieben und findet sich in einem sehr guten Erhaltungszustand. In der Kirche wurde gerade ein Gottesdienst abgehalten, so dass wir nur einen Blick durch die Eingangstür der Kirche warfen.
Seit dem Frühstück war uns aber auch nichts Festes mehr zwischen die Zähne gekommen, bis auf ein Snickers, das Kalle ausgegeben hatte. Und so beschlossen wir, auf dem schnellsten Weg Altja anzusteuern und gleich in die Kneipe zu gehen. Ich gönnte uns auf dem Rückweg 500 U/min mehr und sagte Ülla dann auch die Sauna ab, die wir bestellt hatten. Die hätte uns zwar gut getan, aber wir brauchten unbedingt etwas in den Bauch und ein, zwei kühle Blonde dazu.
Der vierundzwanzigster Tag (21.06.2009)
103 Kilometer
Rundtour durch Natur und Geschichte und Mitsommerfeier anders als erwartet
Vergi - Võsu - Käsmu - Ilumäe - Võhma - Tõugu - Palmse - Sagadi
Schönster Sonnenschein begrüßte uns heute Morgen und begleitete uns auch den ganzen Tag auf unserer Tour. Heute wollten wir den östlichen Teil des Lahemaa-Nationalparks abfahren und zum Abschluss noch die Ordensburg Wesenberg von Rakvere besichtigen. Außerdem würde heute Nacht noch Mittsommer in unserer Kneipe gefeiert werden. Nach dem Frühstück machten wir den Plan bei einem Kaffee auf der Bank vor unserem Haus. Die Planung für den Tag mussten wir nun natürlich etwas kürzen. Den letzten Teil würden wir uns für heute sparen.
Vergi Leuchtturm
Kirche Die "steinige" Küste von Käsmu
Von Altja führte der Weg nach Norden. Vom Strand in Altja konnten wir eine Halbinsel sehen, das war die von Vergi und unser erstes Ziel. Ein ganz süßer kleiner Ort mit Sportboothafen. Ein wenig verpassten wir dann die Ausläufer der Vergi-Halbinsel. Warum kann sich an dieser Stelle sicher jeder denken. Das Touren allerdings im gesamten Nationalpark ist super, denn hier gibt es keine Holperstrecke. Alle Straßen sind asphaltiert und man gleitet sozusagen einfach dahin, über leichte Hügel und sanft gekurvte Straßen. In Vösu hatten wir dann mal das Vergnügen, einen Sandstrand zu sehen. Hier konnten wir sogar ein wenig durch Dünen wandern, denn die sonst üblichen Steine und Findlinge gibt es hier nicht. Wir fassten zwar den Entschluss, hier noch einmal zum Baden her zu kommen, aber daraus sollte nie etwas werden, denn in zwei Tagen würden wir schon Richtung Tallinn abreisen. Nach unserem Strandspaziergang tuckerten wir die Flaniermeile von Vösu lang, wo die Souvenirhändler gerade ihre Stände aufbauten.
Weiter führte uns unser Weg nach Käsmu, auch hier wanderten wir ein bisschen, allerdings ist die Küste hier steinig. Viele riesengroße Findlinge auf der lang vorgezogene Landzunge boten Kulissen für Fotos und vom Meer herüber ziehende Nebelschwaden boten ein einzigartiges Naturschauspiel. Die Nebelfront, die von See herauf zog, hüllte uns ein und wir befürchteten schon, dass daraus eine Wetterveränderung zum Schlechten werden könnte. Wir waren allerdings froh darüber, dass unsere Befürchtungen unerfüllt blieben und dieses nicht zu explosionsartigen Regenfällen geführt hat.
Von der Natur wollten wir jetzt eine Reise in die Geschichte machen. Das nächste Ziel waren Steingräber im Gebiet von Tõugo und Ilumäe, die aus der Eisenzeit stammen und auf die früheste Besiedlung des Baltikum verweisen sollten. Bei Ilumäe fanden wir Gräber, die geöffnet waren und weitab vom eigentlichen Gräberfeld eine Infotafel, die den archäologischen Fund beschrieb. In Englisch war die Beschreibung allerdings nur sehr spärlich. Hier gab der Reiseführer mehr her. Bei Tõugu fehlt es gänzlich an solchen. Aber auf der Karte, die ich von Ülla bekommen hatte (1:60.000) waren sie so eingezeichnet, dass wir sie von der Straße aus sehen müssten. Und auch hier hatten wir auch wieder etwas gesucht. Zwischen den Steinhaufen, die sicherlich von den Feldern der Umgebung zusammen getragen wurden, zeigten sich auch anders geschichtete, die nicht so wahllos hingeworfen aussahen. Das mussten wohl die Gräber sein. Sie ähnelten auch sehr dem Steinhaufen bei Palmse, die Gräber aus den Hungerjahren von 1695 bis 1697 sind. Warum hatte man diese denn genau wie die uralten Gräber gebaut und nicht die Menschen in der Erde bestattet? Aberglaube? Uralte Tradition? Der nächste Schritt in die Vergangenheit macht einen gewaltigen Sprung nach vorn. Wir besuchten das Gut von Palmse, den alten Landsitz derer von Pahlen.
Eine Gutsbesitzerfamilie, die nicht nur gewaltig Lehen zu verwalten hatte, sondern auch am technologischen Fortschritt der Region Anteil hatte. Der Spross Alexander von Pahlen war Initiator und sicherlich auch Nutznießer der Eisenbahnlinie Tallinn-St. Petersburg. Vom Gut Palmse haben wir das Gutshaus, den Wintergarten und die alte Schmiede besichtigt. Die Schmiede war leider geschlossen war, aber wir fanden eine schöne alte Dampfmaschine davor. Der Park des Gutes wurde gerade „saniert“ und war deshalb umgerodet. Das Herrenhaus ist jedenfalls seinen Besuch wert gewesen. Hier kann man nachempfinden, wie die Herrschaften des ausgehenden 19. Jahrhunderts gelebt und gearbeitet haben. Dass die Bauern Ende des 17. Jahrhunderts verhungert sind, zeigen ja die Steingräber. Sehr beeindruckt war ich von einer Landkarte, die in einer Art Arbeitszimmer hing und jedes kleinste Detail der Ländereien derer von Pahlen zeigte. Der Kartograf hatte ca. 5 Jahre benötigt, um sie zu zeichnen. Ich fühlte mich dabei an den Film „Der Landvermesser“ mit Ulrich Mühe erinnert. Das Wappen von Alexander von Pahlen haben wir später übrigens in der Domkirche in Tallinn wieder gefunden, das ihm als Dank von der estnischen Ritterschaft dort aufgehangen wurde.
Palmse Gutshaus Inneneinrichtung
Die Landkarte von Palms Die Küche befindet sich im Keller
Dampfmaschine vor der Schmiede von Palmse
Wegen der bevorstehenden Mittsommerfeier wollten wir unsere Kräfte nicht überspannen, waren auch so gut ausgefüllt von diesem Tag, und so verschoben wir den Besuch der Feste von Rakvere auf einen späteren Zeitpunkt.
Kalle hatte in Palmse zwar noch einen Schokoriegel aus dem ortsansässigen Konsum spendiert, aber es verlangte uns dann doch nach mehr. Wir suchten den kürzesten Weg zurück nach Altja. In Sagadi fanden wir dann noch eine recht sehenswerte Anlage eines Gutes, die wir vielleicht später noch einmal besuchen wollten. Jetzt hocken wir bei bestem Sonnenschein vor unserer Kneipe, trinken Bier, warten auf Essen und der Platz füllt sich wegen der bevorstehenden Mittsommernachtsfeier. Auch beginnt die Musik zu spielen. Das Feuer ist auch schon aufgestapelt und wird gleich entzündet werden.
Der fünfundzwanzigster Tag (22.06.2009)
xx Kilometer
Vom Knast ins Moor und ans nördlichste Kap Viru-Moor - Loksa - Kap Purekkari - Viinistu - Virumaa
Gegen Mittag war ich dann von der „Party“ wieder in Altja zurück. Sie hatte dann doch einen anderen Verlauf genommen, als gedacht.
Ab durch die Mitte - Mit dem Motorrad durch den Mittelpunkt Europas (Reisebericht): -Estland- Mittsommer anders 23 Auf dem Weg zurück von der Theke, wo ich mir ein frisches Bier geholt hatte, stolperte ich über den Rasen, dabei ging etwas von meinem Bier verschütt. Dummerweise befeuchtete ich einer dort stehenden Thusnelda damit das Hosenbein und die Schuhe und obwohl ich mich bei ihr dafür noch entschuldigt hatte, muss sie wohl die Polizeigerufen haben. Die mich dann kurz vor 1 Uhr morgens, ohne mir mal zu sagen was los ist, vom Feuer weggeschafft haben.
Wenn es um finanzielle Mittel geht, zählt man sich hier wohl gerne zur EU, aber beim Recht haben sie das russische noch nicht ganz raus. Ein australischer Besucher, mit dem wir uns am Abend etwas unterhalten hatten, weil er sehr gut deutsch sprach, sagte mir, ich solle mal mit denen zum Fahrzeug gehen, weil sie die Sache aufklären wollten. Aber das wollten die gar nicht. Kaum dass ich da stand, bekam ich einen Schlag von hinten, so dass ich flach auf die Erde aufschlug. Die Hände mit einem Kabelbinder auf dem Rücken gefesselt, wurde ich von mehreren Personen zum Streifenwagen geschleppt und erst mal mit dem Gesicht in den Sand geschmissen. Sandknirschen zwischen den Zähnen und Blutgeschmack mischten sich. Die Hände spürte ich schon nicht mehr, so fest waren die Fesseln gezogen und auch heute noch ist die Sensibilität meiner linken Hand eingeschränkt und sie fühlt sich so an, als wäre sie ständig eingeschlafen.
Blut und Sand spuckend lag ich gefesselt auf dem Boden und wusste immer noch nicht warum und was nun passieren sollte. Mit mir hatte ja noch niemand geredet. Plötzlich wurde ich wieder aufgehoben und kopfüber in den Wagen der Polizei geschoben. Dabei schlug mir der Beamte, der mich an den Beinen gepackt hatte, ständig brutal in die Genitalien, während ich von der Kopfseite am Hals gewürgt, mit einem Stock oder dem Unterarm, in den Wagen gezogen wurde. So stark, dass ich kurzzeitig das Bewusstsein verlor. Noch eine Woche später hatte ich Probleme mit dem Schlucken, von den Schmerzen in den Genitalien ganz zu schweigen.
Immer noch wusste ich nicht, was mir vorgeworfen wurde oder wohin man mich bringen würde. Zusammen gequetscht zwischen der Rückbank und dem Fahrersitz begann die Fahrt gegen 1.30 Uhr, was ich auf der Uhr im Streifenwagen erkennen konnte. Wenn diese richtig ging?! Zumindest was die rechtliche Situation betrifft, scheinen die Uhren hier etwas anders zu gehen. Gegen zwei Uhr morgens wurde ich dann wieder aus den Wagen heraus gezerrt. In eine Polizeistation verbracht, durchsuchte man mir meine Taschen bevor ich in einen Keller gestoßen wurde. Nachfragen nach einem Telefonat oder sogar nach einem deutsch sprechenden Anwalt wurden kommentarlos ignoriert. Der kalte heizungslose Kellerraum war ohne Fenster und roch nach Urin. Dafür war er mit Halogenstrahlern taghell erleuchtet, so dass dem Gefangenen jegliches Gefühl für die Zeit verloren geht. Eine Untersuchung auf Hafttauglichkeit, wie sie bei uns Standard ist, fand auch keine statt.
Hier unten befanden sich zwei Zellen, eine war mit einer Person belegt, die andere mit zwei Personen. Ich wurde in die Zelle mit den zwei Gefangenen gesperrt und endlich wurden mir die Fesseln abgenommen. Nichts erkennend, da meine Brille weg war, barfuß und mit zerrissenem und teilweise blutverschmierten Sachen teilte ich mir die eine Holzpritsche der Zelle mit meinen beiden Mitgefangenen. Ohne Decken zitterten wir uns durch die Nacht.
Mit etwas russisch bekam ich vom Gefangenen aus der Zelle gegenüber heraus, dass ich mich in Rakvere befinden musste, aber damit erschöpfte sich unser Gespräch auch schon. Nach endlosen Stunden in der Kälte wurde einer der beiden Gefangenen aus meiner Zelle abgeholt. Der Gefangene in der Zelle gegenüber bettelte den Wächter um irgendwas an. Das Wort „Natschalnik“ ist mir noch aus dem Roman „Der Aufenthalt“ von Hermann Kant bekannt und irgendwie begann ich plötzlich darauf zu warten, dass man mir eine SS-Jacke in die Zelle geben würde. Schon komisch!
Wieder vergingen endlose Stunden und die beiden anderen unterhielten sich, während der Gefangene in der Zelle gegenüber immer wieder den Natschalnik rief. Da für mich keine Kommunikation mit meinen Mitgefangenen möglich war, beschäftigte ich mich mit den Schmerzen in meiner Kehle und zwischen meinen Beinen und mit der gefühllosen linken Hand. Auch Reiben und Massieren brachte keine Verbesserung. Eher anders herum, das Problem zog sich jetzt langsam den Arm hinauf.
Nach langen endlosem Warten kamen irgendwann zwei Personen in den Keller. Einer wegen seiner Uniform als Polizeibeamter erkennbar und ein Zivilist. Zuerst sprach der Zivilist mit den anderen beiden Gefangenen im Keller und dann forderte er mich auf Deutsch auf, an das Gitter zu treten. Jetzt erst erfuhr ich den besagten Grund, warum ich hier war und auch von offizieller Seite, wo ich mich befinde.
Ich wurde vor die Wahl gestellt, auf eine Gerichtsverhandlung zu warten oder ein Schnellverfahren direkt bei der Polizei zu akzeptieren. Welche Optionen hatte ich denn?! Auf die Frage, wann ich auf einen Gerichtstermin hoffen könne, ich rechnete mit nicht mehr als 8 Stunden, eröffnet man mir, dass es wegen der bevorstehenden Feiertage gut 3 Tage dauern könne, bis es dazu kommt. Die Anfrage nach einem Telefonat, einem Anwalt oder gar Kontakt zur
deutschen Botschaft wurden belächelt. Mir wurde gesagt, dass – wolle ich nicht auf eine Verhandlung warten – ich ein paar Protokolle unterschreiben und eine Strafe bezahlen müsse. Mehr „Freikaufen,“ dachte ich mir. Also noch 3 Tage in diesem Loch, zu trinken oder etwas Nahrung hatte ich auch noch nicht erhalten, oder ein paar Unterschriften und Schmiergeld. Da meine Papiere ja noch in Altja in der Unterkunft lagen, rechnete ich mir aus, dass man mit mir zur Feststellung meiner Identität dorthin fahren würde und ich dann gleich dort bleiben könnte.
Aber so war das nicht. Ich sollte einfach nur sagen bzw. aufschreiben wie ich heiße, wann geboren und wo ich wohne. Da hätte ich ja sonst was angeben können und als der Schwerverbrecher, der ich war, war meinen Aussagen eigentlich auch nicht zu glauben. Die wollten mich jetzt nur schnell wieder loswerden, hatte ich das Gefühl.
Zuerst bekam ich meine Habe wieder, die Schuhe waren auch kaputt. Aber zum Glück war meine Brille dabei. Diese war zwar auch ramponiert, aber durchaus benutzbar. So dass ich nun endlich wieder etwas erkennen konnte. Der Polizeibeamte musste wohl ein etwas höherer Dienstgrad sein, denn er hatte, im Gegensatz zu den anderen, die hier noch so rumliefen, goldbeblätterte Schulterklappen. Meine Uhr bekam ich auch wieder. Es war gegen halb elf. Ich befand mich also schon bald zehn Stunden in der Gewalt der estnischen Polizei, ohne irgendwelchen Kontakt nach außen aufnehmen zu können. Man verschaffte sich schnell einen Überblick über meine Barschaft, die man mir ebenfalls abgenommen hatte. 780 Kronen waren noch da und somit legte man eine „Freikaufsumme“ von 600 Kronen fest, die ich gleich nach der Unterzeichnung sämtlicher Protokolle einzahlen musste. Was ich da alles unterzeichnet habe, weiß ich nicht. Alles wurde auf estnisch aufgeschrieben und mir vom Zivilisten gebrochen vorgelesen. Auf einem Schriftstück durfte ich sogar noch einmal den Gang der Dinge aus meiner Sicht aufschreiben und welche Gegenstände ich wiederbekam, allerdings nicht in welchem Zustand. Ich durfte mich sogar noch schriftlich zum Vorgehen der Polizeibeamten äußern, auf einem extra Blatt, ohne irgendwelchen Protokollcharakter, im Gegensatz zu allen anderen Schriftstücken, die ich da unterschrieben habe. Und ich glaube, dass es, nachdem ich den Raum verlassen habe, nicht mehr lange existiert hat.
Ich muss sagen, dass ich von allen Ländern, die ich bis jetzt je besucht habe, hier in Estland die negativsten Erfahrungen mit der Polizei gemacht habe und da zähle ich nicht nur Europa dazu. Selbst in Afrika und Asien war die Polizei in erster Instanz darum bemüht, Situationen zu beruhigen und zu deeskalieren, aufzuklären und jedem zu seinem Recht zu verhelfen. Und dabei ging es nicht immer um solche Lappalien, wie diese. Darum wird wohl immer ein bitterer Beigeschmack dabei sein, wenn ich über diese Reise berichte. Ich traue mir gar nicht vorzustellen, was stattfindet, wenn wirklich etwas passiert. Nehmen wir zum Beispiel mal eine massive Geschwindigkeitsübertretung an. Hat man dann als Tourist in Estland um sein Leben zu fürchten?
Aber der Tag sollte sich nicht so negativ weiter entwickeln, wie er begonnen hatte, ganz im Gegenteil. Als ich in Begleitung des Zivilisten die Polizeistation verließ, stellte sich dieser als Herr Enn vor und entschuldigte sich für das Vorgehen der Polizei und beteuerte immer wieder, wie schlimm er das fand. Herr Enn begleitete mich zur Busstation und fragte für mich nach, ob und wann ich mit einem Bus zurück nach Altja kommen könne. Dies wäre nur spät am Abend möglich, fanden wir heraus und er sagte mir, dass er mich hier nur ganz ungern alleine lassen wolle. Für ein Taxi würden die Kronen, die mir geblieben waren, nicht reichen und ich hatte ja auch nichts mit, um mir Geld vom Automaten besorgen zu können und auch in Altja hatte ich keine Barschaft mehr. Daraufhin bot mir Herr Enn an, dass er versuchen wolle, einen Dienstwagen von der Polizei zu besorgen, um mich zurück zu bringen. Und wenn ihm das nicht gelingen sollte, würde er mich mit seinem eigenen Auto fahren wollen und ich solle ihm nur das Benzin bezahlen. 30 Minuten später saß ich in einem zivilen Dienstwagen der Polizei und Herr Enn erzählte mir, dass er früher einmal der Chef der Polizei in Rakvere war und jetzt als Pensionär noch gelegentlich zivile Aufgaben übernimmt. Auch hatte er dienstlich ganz gute Kontakte nach Deutschland, wo er regelmäßig zu den Polizeitagen nach Schleswig-Holstein fährt. Wir unterhielten uns noch über viele Dinge auf unserer Fahrt nach Altja und viele Fragen, die ich noch über Land und Leute hatte, wurden mir so aus erster Hand beantwortet.
Die Planung für den Tag am Morgen mit einer Tasse Kaffee vor der Hütte
Als wir uns dann in Altja verabschiedeten, sagt Herr Enn noch, dass es für ihn sehr schön war, sich mal wieder auf Deutsch unterhalten zu können. Ich bestätigte ihm auch von meiner Seite, dass es mich sehr gefreut hat, ihn – einen so hilfsbereiten Menschen – kennen gelernt zu haben. Nur die Umstände hätten etwas angenehmer sein können. In Altja hatte man lange geschlafen, spät gefrühstückt und einen langen Strandspaziergang gemacht. Vermisst hatte mich nur Ülla, die sich wohl auch tatsächlich Sorgen um mein Ausbleiben gemacht hatte.
Nach einer ausgiebigen Dusche bekam ich dann noch einen kleinen Imbiss, bei dem ich meine Erlebnisse der letzten Nacht berichten musste. Reden und Schlucken fielen mir zwar schwer, aber beides bekam ich hin. Die Burg Wesenberg in Rakvere verschoben wir wegen der fortgeschrittenen Zeit an diesem Tag also wieder. Einen Tag hatten wir ja noch dafür. Wir entschieden uns, nur den westlichen Teil des Lahemaaparks zu besuchen.
Unser hauptsächliches Tagesziel sollte heute das Viru-Moor sein. Ein Hochmoor, durch welches Holzstege zur Besichtigung einladen. Genau wie neulich im Soomaa-Park, nur dass im Viru-Moor auch Torf abgebaut wird. Auf einer Info-Tafel am Viru-Moor wurde auch sehr schön erklärt, wie ein Hochmoor entsteht. Nicht so schön beim
Viru-Moor ist, dass es keinen eigentlichen Rundgang gibt, sondern nur einen Weg durch das Moor und dann muss man außen lang zurück oder umgedreht. Das ist sicherlich dem Umstand geschuldet, dass ein Teil des Hochmoores Torfabbaugebiet ist. Interessanterweise waren die Mücken um das Moor herum, also in den Wäldern, viel nerviger als direkt im Moor und wir diskutierten diesen Umstand. Eine unsere Theorien besagte, dass die Mücken das Wasser im Moor nicht mögen. Meine Hypothese bezog sich mehr darauf, dass die Plagegeister diese direkte Sonneneinstrahlung vermeiden wollen, da es ja kaum Hochbewuchs im Moor gibt und sonst die Mücken ja auch immer nur da sind, wenn sich die Sonne am Morgen oder am Abend noch hinter den Baumwipfeln versteckt. Jedenfalls sahen wir zu, dass wir nach dem Moorbesuch schnell durch die Waldzone zu unseren Maschinen zurück kamen und den Blutsaugern aus ihren Fängen.
Johanneskirche Loksa
In Loksa mussten wir am Konsum, wie wir es nannten, anhalten. Dummerweise hatten wir nämlich vergessen, etwas zu trinken mitzunehmen, was uns bei unserem dreistündigen Spaziergang in der Sonne schwer zu schaffen machte. Nachdem wir der Dehydration nun ein Schnippchen geschlagen und genügend Wasser substituiert hatten, konnte die Fahrt fortgesetzt werden. Kap Purekkari sollte als nördlichster Landpunkt des Lahemaaparks unser letztes Ziel am heutigen Tag sein. Kalle hatte auch schon angemeldet, dass er wegen des langen Fußmarsches durch das Moor schon reichlich müde sei. Beim Blick am Kap über den finnischen Meerbusen mutmaßten wir, ob das, was wir am Horizont sahen, nur ein Schiff oder schon Finnland sei. Zur abschließenden Klärung der Frage kamen wir allerdings nicht, denn etwas anderes zog unsere Aufmerksamkeit auf sich.
... mein Traum für spätere Reisen vor allen in den Osten: Kaukasus, Kasachstan, Mongolei ...
Auf das Kap kam ein zum Expeditionsfahrzeug umgebauter MAN, so etwas, was ich schon immer für meine Tour über den Kaukasus in die Mongolei haben wollte. Der Truck gehörte zu einem schweizer Pärchen, welche seit zwei Jahren an dem Teil gebaut haben und diese Tour als Jungfernfahrt machten, um zu sehen, was gut und nicht so gut an ihrem Ausbau ist. Bis hierher hatte alles wunderbar funktioniert, haben sie uns gesagt und wir wünschten ihnen tolle Touren mit ihrem Truck.
Die Besichtigung der größten Findlinge im Lahemaapark wurde wegen des allgemeinen Erschöpfungszustandes, der Hungersituation und des Bierdurstes zurück gestellt. Altja und die Taverne waren plötzlich viel anziehender, als jedes andere Ziel. Deshalb wählten wir auch die kürzeste Strecke, was uns über eine der wenigen Holperstecken des Parkes führte.
Majakivi - Findling im Nationalpark
Von Herrn Enn hatte ich am Morgen übrigens erfahren, warum die Straßen hier an der Küste so relativ gut ausgebaut sind. Entlang der Küsten hatten die Russen ihre Raketen Richtung Finnland aufgestellt und für die reibungslose Logistik waren gute Straßen nötig. Und das ist natürlich auch ein Grund, warum die Natur so gut erhalten blieb, denn hier am Lahemaapark war das Gebiet genauso gut gesichert, wie die Grenze zwischen DDR und BRD. Und nicht umsonst ist der Hochharz auch heute bei uns ein Nationalpark. Schon 20 km vor dem eigentlichen Schutzgebiet standen die ersten Posten und ohne Sondergenehmigung war kein Weiterkommen. Also wie bei uns waren auch hier die Russen schuld daran, dass ein Stück Natur erhalten wurde und nicht das jahrelange Streben der Bevölkerung in dieser Gegend. Denn auch im Lahemaapark sind dort, wo Flächen durch Viehzucht landwirtschaftlich genutzt wurden, Zerstörungen entstanden, so genannte Alvare. In unserer Taverne wurden wir von Lisäs gewinnendem Lächeln begrüßt und wir vertrieben uns die Zeit, die wir auf unser Essen warteten, mit Karten spielen. Sehr alt wurden wir an diesem Abend
Alvar - Ödland, das durch Viehhaltung auch im Lahemaa-Park entsteht
allerdings nicht. Die letzte Nacht hatte ja lange genug gedauert. Nach dem Essen noch ein kleines Bier und wir waren verschwunden und schliefen tief und fest den Schlaf der Gerechten. Auf der Fahrt vom Kap zurück nach Altja hatte ich den Vorschlag gemacht, den letzten Abend mit einem Grillabend zu verbringen. Ülla sagte uns noch, dass dies kein Problem sei, wenn wir uns alles besorgen, hat sie auch einen Grill. Außerdem würde sie uns vorher die Sauna noch anmachen.
Der sechsundzwanzigste Tag (23.06.2009)
84 Kilometer
Schönstes Mittsommer
Palmse - Viitna - Haljala - Rakvere mit der Burg Wesenberg
Wir mussten uns stark motivieren, heute Morgen aufzustehen. Aber Ülla wartete mit gutem Frühstück und vor allem Kaffee. Was ist eine bessere Motivation am Morgen? Heute sollte also der Tag der verschobenen Dinge sein. Ihre Anzahl hatten wir glücklicherweise recht klein gehalten. Da mein Tank seit gestern Abend auf Reserve war, entschlossen wir uns dazu, die größten Steine nicht zu besuchen, sondern einen etwas kleineren, den Wachsstein bei Palmse. Dort sollte laut Karte auch noch eine Tankstelle sein. So hatten wir auch noch die Gelegenheit, uns im dortigen Informationszentrum einen Beitrag über den Park anzusehen, worauf Ülla uns hingewiesen hatte.
Der Wachsstein mit seinen 25 m Umfang und 4,50 m Höhe war aber auch nur ein großer Stein, der dazu noch gut zugewuchert war und somit gar nicht so imposant wirkte. Manch andere Steine, die wir irgendwo an der Küste gesehen hatten, waren imposanter.
Wachsstein bei Palmse
Der Film im Infocenter entpuppte sich als ganz interessante und hübsch gemachte Powerpoint-Präsentation mit deutschem Untertiteln.
Allerdings wusste ich vieles, was hier gezeigt wurde schon, weil ich es im Reiseführer gelesen hatte oder sonst wo erfahren konnte. Die Tankstelle jedenfalls gab es nicht. So hoffte ich auf Viitna. Auch da nichts! Wie lange würde der Sprit noch halten? Ich war schon seit ca. 60 km auf Reserve. Von Haljala wusste ich, dass es dort auf jeden Fall eine gibt. Das waren aber noch mal 15 – 20 km. Also – keine Experimente. Ich klemmte mich hinter einen LKW und kam bis zum
Massengräber bei Palmse
Abzweig Haljala. Die Tanke schon in Sichtweite, legte ich meine Karre noch mal auf die Seite und erreichte die Zapfsäule mit noch gut einem Liter Benzin im Tank, wie sich zeigen sollte.
Im Zentrum von Rakvere.
Hier tranken wir unseren Kaffee. Dieses Mal zahlte die Kleine, die ganz unglücklich war, dass sie nun kaum noch Bares in der Tasche hatte. Aber wozu brauchte sie das, Rakvere lag noch 10 km von uns entfernt und da müssten wir dann eh alle noch Geld holen oder tauschen. Wegen des Feiertages konnte ich leider kein Bargeld tauschen und hoffte auf meine EC-Karte. Die ging und ich war wieder flüssig.
In einem Cafe am Straßenrand genehmigten wir uns noch einen Kaffee. Den konnten wir allerdings nicht ganz ungestört genießen, weil die Grüngefleckten aus Estland zu Ehren des Feiertages nicht nur aus der Gulaschkanone schossen, sondern jeden Passanten, der das wollte, mal mit Platzmunition durch die Gegend ballern ließen.
Schießübung auf dem Marktplatz von Rakvere.
Hier darf jeder mal abdrücken! Ein kleines Mädchen am Nachbartisch fand das auch nicht toll und heulte die ganze Zeit. Aber Papa gehörte zur Kinderschrecktruppe und so musste sie es wohl aushalten. Darum hielten wir uns auch nicht länger als nötig auf und steuerten die Burgruine an. Wieder einmal eine imposante Wehranlage. Der Burgberg, der wohl aufgeschüttet wurde, umspannt die eigentliche Burg um mehr als das Doppelte. Die Burg selbst, aus dem hiesigen Kalkstein errichtet, besteht noch aus der Umzwingung der Vorburg und der inneren Burg. Einige Türme sind auch noch erhalten, so dass man sie besteigen kann. Selbiges gilt für Teile der Wehrgänge. Eine schöne Idee ist, dass sich jeder Besucher beim Betreten der Burg eine Art Waffenrock oder mittelalterliches Kleid überziehen kann. So gewinnt man den Eindruck, dass es auf der Burg ein reges Mittelaltertreiben gibt. Auch auf den Fotos sieht man eben nicht nur Touristen, sondern eher die Bewohner der Burg bei ihren täglichen Verrichtungen.
Im Hof der äußeren Umzwingung versuchte man ein wenig das Leben auf einer mittelalterlichen Burg darzustellen. Es gibt eine Schmiede, eine Schreinerei, eine Taverne. Auf dem Hof wurde diverses Gerät zur mittelalterlichen Kampfausbildung und ein Platz zum Bogenschießen aufgebaut. Es gab auch eine Art Schuppen, in dem verschiedene Schlafstellen des Mittelalters, vom bäuerlichen Strohsack bis hin zum fürstlichen Schlafgemach aufgebaut waren.
Ich finde das schon bemerkenswert, dass man sich hier so viel Mühe gibt, trotz dass die Burg eher schlecht besucht schien.
In Rakvere gibt es ja auch sonst nicht viel zu sehen, so dass ich denke, dass es auch an anderen Tagen nicht viel mehr Besucher gibt und immerhin war heute Feiertag und hervorragendes Wetter.
In der "Hölle" auf der Burg Wesenberg in Rakvere
In der inneren Burg gab es noch viel mehr zu entdecken. In einem Alchimistenkeller konnte man Schwarzpulver mischen und auf dem Burghof auch selber abfackeln. In einem Weinkeller bekam man das gute Nass nicht nur erklärt, sondern auch zu kosten. Wir aber nicht, weil wir als Kraftfahrer zu erkennen waren. Und an dem Weinkeller stand nicht nur „Weinkeller“ auf Deutsch geschrieben, wir wurden sogar auf Deutsch gebeten einzutreten und alle Erklärungen waren auch auf Deutsch. Aber nicht nur der Kellermeister überraschte uns mit unserer Muttersprache, auch die junge Frau, die uns durch die Folterkammer führte, erklärte sie uns beinah akzentfrei. Ein weiterer Keller zeigt, wie sich die Menschen im Mittelalter den Tod vorstellten und mit ihm umgingen. Der dritte Keller in dieser Abteilung beschäftigte sich mit der Hölle. Eine lustige kleine Laufgeisterbahn, die aber nichts für schwache Gemüter ist.
In der Innenburg gab es auch noch so etwas wie eine nachgemachte Kirche und einer Art Rittersaal, der so aussah, als könne man sich dort für Feierlichkeiten einmieten und diese im besonderen Rahmen abhalten. Wirklich schöne Ideen, die bei uns eine solche Burgruine garantiert zum Touristenmagneten werden ließen. Aber wie alles, was Spaß macht, behördlich sicherlich nicht möglich wäre. Auf der Heimfahrt holten wir uns noch schnell etwas für unsere kleine Grillparty. Was trotz des Feiertages kein Problem war, aber diesen schönen Umstand waren wir ja schon seit Polen gewöhnt.
Wie bekommt man den Inhalt aus einem Einkaufswagen auf zwei Maschinen unter?
Zurück in Altja beschlossen wir noch, ein kleines Abschiedsbier in der Taverne zu trinken. Lisä war auch da und so kamen wir auch noch zu einem Abschiedsfoto mit ihr. Ülla hatte die Sauna schon angeheizt, aber ein kleiner Abschiedsstrandbesuch musste vorher auch noch sein. Die Sauna brachte mich auf die Idee, mein kleines Gartenhäuschen ebenfalls in eine Sauna umzubauen und zwar mit Doppelnutzung, so dass ich dann auch noch beheiztes Gartenhäuschen haben werde.
Mittsommerfeier wie sie sein sollte.
Grillen, nette Leute, Lagerfeuer und Musik. Als die Kleene und ich den zweiten Saunagang hinter uns hatten, begann Kalle – der keine Lust auf Sauna hatte – den Grill anzuheizen. Ülla hatte mir schon gesagt, dass sie und die restlichen Besucher von Toomahava auch dazu kommen würden und ein Lagerfeuer sollte es auch noch geben. So kamen wir tatsächlich zu der Mittsommernachtsfeier, wie ich sie mir für den Abschluss der Reise vorgestellt hatte. Ein Feuer, nette Menschen drum herum, gut zu Essen, ein paar Bier und gesungen wurde auch. Denn die anderen, teilweise Deutsche, die jetzt in Estland leben, hatten Gitarren dabei. Das einzige, was hier lästig wurde, waren die Mücken, als die Sonne hinter den Bäumen verschwand. Da wir am Tag schon gut unterwegs gewesen waren und für den nächsten Tag noch Tallin auf dem Programm stand, hielten wir nicht so lange durch wie die anderen. Es wurde ja nicht dunkel und so hatten sie zum Sonnenaufgang, der gegen 4 Uhr sein sollte, einen längeren Strandspaziergang geplant. Ich habe sie noch singen hören, als ich gegen halb 5 am Morgen mal die paar Bier vom Abend wegbringen musste.
Der siebenundzwanzigster Tag (24.06.2009)
97 Kilometer
Abschied von Altja
Võsu - Kotka - Kolkaküla - Muuksi Tallinn
Ülla erzählte uns beim Frühstück, dass sie bis um fünf bei der Grillparty mitgemacht hat, dann ihre Küche aufräumte und nachdem sie unser Frühstück vorbereitet hatte, dann auch gegen 7 ins Bett gegangen ist. Wenn wir das auch so gemacht hätten, dann wäre Tallinn heute ausgefallen. Und das hätten wir auf jeden Fall bereut. Wir ließen uns viel Zeit mit dem Morgen, ruhig aufstehen und das Frühstück genießen, dann in aller Ruhe packen und die Maschinen beladen. Als wir damit fertig waren, ließ sich Ülla noch einmal sehen. Der Abschied fiel uns allen nicht leicht. Von uns aus hätten wir gern noch eine Woche oder mehr in Altja verbracht. Aber irgendwann ist der Urlaub nun auch mal zu Ende und wir hatten noch einige Kilometer bis nach Hause vor uns.
Ich wählte zum Abschluss noch mal eine schöne Route durch den Park, so dass wir auch Kotga und Muuski noch einmal sahen und nicht gleich auf die Autobahn mussten.
Tallinn
In Tallinn war der Flughafen unser erstes Ziel, um in Erfahrung zu bringen, ob mit dem Rückflug für die Kleene am nächsten Tag alles klar ging oder ob sich etwas geändert hätte. Zur Beruhigung der Kleenen war alles paletti für die morgige Heimreise. Im Hotel musste ich mich mit der Dame an der Rezeption erst einmal über den Preis einigen, den ich mit ihrem Chef schon über das Internet klar gemacht hatte. Aber mit einem Ausdruck der Mail, den die Kleine mitgebracht hatte, war das Problem dann doch schnell geklärt. Unser Zimmer wies einige kleine Mängel auf. Kurz zuvor musste darin geraucht worden sein, was nicht nur der Geruch, sondern auch die Löcher in den Gardinen verriet. Der Geruch im Bad verriet, dass lange kein Wasser in die Trapse geflossen war und diese damit trocken und damit frei für alle Gerüche sind. Der Lüfter im Bad brachte keine Besserung, denn der ging nicht. Da wir das Zimmer aber eh lüften mussten, füllte ich die Trapse wieder auf und wir ließen die Tür vom Bad offen stehen. Tallinn selbst, dessen sehenswerte Altstadt nur unweit unseres Hotels liegt, ist mehr als nur sehenswert. Für mich ist es die schönste Hauptstadt des Baltikums. Leider hatte die Touristeninformation geschlossen, aber am Flughafen war ich schon auf einen kostenlosen Stadtplan gestoßen. In dem waren zwar eher Hotels und Restaurants, statt Sehenswürdigkeiten hervorgehoben, war aber besser als nichts.
Das Rathaus von Tallinn ... ... und der Rathausplatz.
Die Stadtmauer mit den typischen ... ... halb runden Türmen.
Kiek in de kök ... Tallinn.
Als wir dann einen Plan der Altstadt an einem Aushang fanden, auf dem auch alle Sehenswürdigkeiten eingetragen waren, konnte ich in meinem Plan vom Flughafen einen Weg einzeichnen, der uns in alle schönen Ecken Tallinns bringen würde. Die Kleene musste in jeden Tingeltangelladen rein und ich machte viele schöne Fotos. Wir schlenderten den ganzen Tag auf unserem gewählten Weg und kreuzten kaum eine Stelle zweimal. Wenn wir Lust darauf verspürten, setzen wir uns in ein Restaurant und erfrischten oder stärkten uns. Wir beschlossen auch, für diesen einen schönen Tag nicht über die Preise nachzudenken. Mit Denken über Preise wären wir sonst auch gar nicht fertig geworden.
Der Domberg Alexander-Newski-Kathedrale
Estnisches Parlament gegenüber der Alexander-Newski-Kathedrale
Die Olav's-Kirche hat eine lustige Sage.
Heiliggeistkirche
Erst als gegen 23 Uhr die Sonne nicht mehr in alle Straßen der Stadt drang und wir merkten, dass uns kalt wird, wählten wir den Weg zurück zum Hotel. Nicht den direkten, denn müde waren wir nicht, aber die Richtung sollte es schon sein. Aus einem Antiquitätenladen, der in weiten Teilen eher einem schrottigen Flohmarkt glich, wollte ich gar nicht mehr raus. Aber kaufen wollte ich ja auch nichts.
Die Altstadt ... ... von Tallinn ist ...
... UNESCO-Welterbe....
Zu Recht, ...
... wie ich finde.
Irgendwann wurden die Kleene und Kalle unruhig vor dem Laden und es leid, auf mich zu warten und wir zogen weiter. Gegen Mitternacht lagen wir dann in unserem Hotel in unseren Betten und es dauerte nicht lange, bis wir eingeschlafen waren.
Rückreise- Langeweile auf der Ostsee
Der achtundzwanzigste Tag (25.06.2009)
84 Kilometer
Über den Finnischen Meerbusen nach Helsinki
Einfach aber ausreichend, Hotel Lilleküla in Tallinn
Eigentlich sollte der Wecker um sechs Uhr klingeln, um ganz langsam wach werden zu können. Wenn im Wecker aber die Zeitverschiebung nicht berücksichtig wurde, dann ist ein 6-Uhr-Klingeln in Tallinn um sieben. Das war nicht weiter schlimm, da das Aufstehen eh um sieben geplant war. Aber mit langsamen Wachwerden war es Essig. Das Adrenalin, welches beim Blick auf die Uhr kurzzeitig ausgeschüttet wurde, machte ein langsames Wachwerden eh überflüssig. Pünktlich zum Frühstück um acht standen die Maschinen startklar vor dem Hotel. Die Rechnungen waren auch schon bezahlt und so wollten wir in aller Ruhe das Frühstück genießen, um dann zum Flughafen aufzubrechen.
Das Frühstück hatte eher Jugendherbergscharakter, machte aber satt und Kaffee gab es auch, ganz gut schmeckenden. Von Ülla waren wir aber eine ganze Woche lang andere Frühstücksversorgung gewöhnt. Die Fahrt vom Hotel zum Flughafen gestaltete sich etwas umständlich, aber wir kamen immer noch pünktlich an. Beim Einchecken gab es keine Schlange und auch freie Platzwahl, Fenster sollte es sein. Beim Abschied von der Kleinen flossen dann auch keine Tränen, denn wir würden uns auch bald wiedersehen.
Kalle und ich füllten vom letzten Geld noch einmal die Vorräte für die Seereise auf und träufelten für die letzten Kronen Benzin in den Tank. Wir hatten uns zwar keinen Plan gemacht, wann wir wie mit der Fähre übersetzen wollten, aber am Fährterminal hätten wir keine Minute später ankommen dürfen. Gerade war eine Fähre zum Ablegen bereit und so wurden hinter uns die Tore schon geschlossen, während wir noch eincheckten.
Es ist schon komisch, dass man an einem internationalen Fährhafen nicht mit Euro in bar oder wenigstens mit EC-Karte bezahlen konnte. Zum Glück habe ich für solche Notfälle meine Kreditkarte dabei. Das wird zwar teuer im Ausland, aber es hilft weiter.
So kamen wir ohne Verzögerung nach Helsinki. Kalle nutze die Seereise, um seine Rauchvorräte günstig aufzufüllen und noch schnell Andenken bzw. Mitbringsel zu kaufen.
In Helsinki mussten wir uns erst einmal orientieren. Am Terminal gab es keinen Plan, wie man zum nächsten Terminal kommen konnte, um die Fähre nach Rostock zu erreichen. Auch hatten wir keine Vorstellung, wie groß Helsinki ist und wie weit die Terminals auseinander liegen könnten. So entschied ich auf eine Fahrt ins Zentrum. Vielleicht findet sich dort eine Art Stadtplan oder so etwas wie eine Touristeninformation. Die Adresse vom Terminal hatte ich ja. Mir würde also ein Stadtplan mit Straßennamen reichen.
So entdeckten wir den Bahnhof. Dort ist im Normalfall die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, einen solchen Plan zu finden, dachte ich mir. Fehlanzeige! Aber eine Touristeninformation gab es. Ich also dort rein und gefragt, wie man zu diesem Terminal kommen könnte. Die freundliche junge Frau hatte auch keine Ahnung, weil es in Helsinki ja auch so viele Terminals gibt. Aber sie hatte Internet. So bekam sie dann ganz schnell heraus, wohin ich wollte und anhand eines Busfahrplanes konnte sie mir dann erklären, wo das ist.
Bahnhof Helsinki
Da auf einem Plan für öffentliche Verkehrsmittel aber nur die Bus- und Bahnlinien farblich gekennzeichnet sind und keine Straßennamen drin stehen, gestaltete sich die Fahrt so, wie wir es aus dem Baltikum gewohnt waren. Einmal sind wir zu spät abgebogen und einmal mussten wir die Auffahrt auf eine Hochstraße erst suchen. Ansonsten orientierte ich mich an der Metro, die bald begann oberirdisch zu fahren und deren Stationsnamen Stadtteile waren, die auf Wegweisern standen und in meinem Plan rot eingezeichnet waren. Kurz vor den Terminals hörte die Metro auf. Ich fragte einfach einen Bauarbeiter, der gerade aus seiner Baubude kam. Der sagte mir, dass ich auf der anderen Seite einer Bucht suchen müsste, an der wir uns gerade befanden. Warm also?
Irgendwann kam auch mal ein Schild „Hansegute“ – das gefiel mir, folgte der Richtung und so erreichten wir eine Stelle, an der ganz groß „Check-In“ stand.
Dort frage ich mal nach unserer Fähre. Musste aber sofort feststellen, dass ich mich bei der Konkurrenz befand. Die Jungs am Schalter waren aber so freundlich uns zu sagen, dass zwei Schalter weiter gegen 16 Uhr mit dem Check-In für Rostock angefangen wird.
Auf eine Fahrt zurück in die Stadt hatten wir keine Lust mehr. Es war gegen 14 Uhr und da würde uns kaum Zeit bleiben, denn die Fahrt nahm schon über 30 Minuten für eine Tour in Anspruch. Wir machten eine kleine Brotzeit und ruhten uns in der Sonne aus.
Endloses Warten vor und während des Check-In
Lange konnten wir uns so ausruhen, denn der Check-In begann erst kurz vor 17 Uhr, obwohl 16 Uhr dran stand. Als es dann endlich los ging und wir eingecheckt hatten, erklärte mir die Check-In-Maus hinterher, dass, wenn wir zusammen reisen, wir auch zusammen einchecken sollten. Dann würden wir irgendeine Gebühr sparen. Was war denn das, fragte ich mich? Hatten wir denn nicht gerade gemeinsam eingecheckt und was für eine Gebühr? Beim Bus bezahle ich doch auch die Fahrkarte und kaufe mir nicht noch die Frau von der Fahrkartenausgabe für eine halbe Stunde dazu. Nun ja ...
Im Inneren der Fähre: die Maschinen müssen gut fest gemacht werden
Der Abend auf dem sonnigen Parkplatz am Check-In wurde noch lang. Erst gegen 20 Uhr wurden wir endlich auf die Fähre gelassen. Während des Wartens lernten wir noch Helmut kennen, 70 Jahre aus Rheinland-Pfalz. Der war ganz allein mit seiner 125er am Nordkap und das nur, weil er immer gesagt hatte, er würde diese Tour mal machen und ihn seine Kumpels schon damit aufgezogen haben, dass er es wohl nie mehr tun würde. Nachdem wir unsere Maschinen in der Fähre festgemacht hatten, besorgte ich mir erst einmal einen Schlafplatz.
Mein Topcase hatte ich schon mit Schlafsachen, Waschzeug und Schreibkram gepackt und es als Köfferchen mitgenommen. Die Stiefel habe ich am Moped gelassen, die würden da unten besser lüften. Und mit meinen Schlappen war ich an Bord ganz gut unterwegs. Würde eh nicht viel laufen, musste ja für 3 Tage nachschreiben.
Dazu hatte ich aber an diesem Abend keine Lust mehr, außerdem war es schon spät. Ich habe mir mit Helmut noch ein paar Bierchen als Absacker erlaubt, während wir uns über die Bildzeitung von gestern unterhielten, die er irgendwo gefunden hatte. Hauptthema war, dass drei Typen von der Mc-Donalds-Campingtruppe in ihrem Panzer ersoffen waren. Ich erzählte Helmut, dass mir Herr Enn erklärte hatte, in Estland müssen Fahranfänger einen Aufkleber mit einem grünen Ahornblatt ans Auto machen. Ist da bei der Bundeswehr nicht auch so was dran? Oder war das ein Eichenblatt? Wir unterhielten uns noch eine Weile darüber und kamen überein, dass bei dieser Truppe auch noch keiner so richtig gefallen war, sondern eher Unfällen zum Opfer fiel. Schlecht geträumt habe ich davon jedenfalls nicht, sondern sehr gut und lange vor meinem Ruhesitz im Inneren des Schiffes geschlafen.
Der neunundzwanzigste Tag (26.06.2009)
75 Kilometer
Langeweile auf der Ostsee
Rostock - Wismar - Beckerwitz
In der Nacht bin ich zwar irgendwann mal draußen gewesen, weil Kalles Geräuschbelästigung zwischen den Sitzreihen hinter mir nicht auszuhalten war, habe aber sonst, sanft geschaukelt, in unserem warmen abgedunkelten Raum in der Schiffsmitte bis 11 Uhr geschlafen. Das war gut. So fand ich einen sauberen Waschraum vor, habe das Frühstück gespart und nur noch 12 Stunden bis Rostock durchzuhalten.
Habe mich auch, bis auf wenige Spaziergänge, ans Schreiben gehalten. Zum Mittag ein Bier, gegen 17 Uhr eine Tüte der teuersten, nicht schmeckenden, Gummibärchen, die ich je gegessen hatte. Ansonsten bleibt einem an Bord eines solchen Dampfers nicht viel. Einige Frauen habe ich beobachtet, die sich alle 2 Stunden in andere Garderobe gezeigt haben, wenn ich zwischendurch nicht noch was verpasst habe.
22.24 Uhr Bordzeit, also kurz vor zehn in Rostock, habe ich bei den Braunschweigern, die in Beckerwitz schon auf uns warten, per SMS ein kühles Bier geordert. Eins weiß ich jetzt, eine Kreuzfahrt werde ich mal nie machen. So eine Zeitverschwendung tue ich mir nicht an ... und Geldverschwendung. Vor lauter Langeweile geben es die Leute hier zu überteuerten Preisen in Massen aus.
In Rostock: Kurz vor der Ausfahrt aus der Fähre
Kurz vor Verlassen des Schiffes verabschiedeten wir uns von Helmut.
Kalle und Helmut hatten sich während der ganzen Fahrt gut angefreundet und Helmut schenkte Kalle noch eine kleine Bikerbibel, wenn ich das richtig mitbekommen habe.
Vom Transferterminal in Warnemünde wählten wir die Strecke durch die Stadt Richtung Beckerwitz, wo die Braunschweiger Ate, Thorsten, Jonas und Jule schon sehnsüchtig auf uns warteten. Vor allem die Kids waren, wie Ate mir erzählte, alle zehn Minuten bis Mitternacht an der Einfahrt zum Zeltplatz, um uns in Empfang zu nehmen und wir waren erst halb eins da.
Wieder zurück in Deutschland - Die Hafeneinfahrt von Warnemünde
Mit Bier, Met und Apfelschorle wurden wir begrüßt und mussten schon mal einen Kurzabriss der Reise zum Besten geben, bevor wir uns in dem riesengroßen Zelt, dass sich die Vier zugelegt hatten, in einer Schlafkabine zur Ruhe legten.
Der letzte Tag (27.06.2009)
321 Kilometer
Von der Ostsee zum Harz
Schwerin - Ludwigslust - Perleberg - Wittenberge - Arendsee - Fleetmark - Winterfeld - Gardelegen - Calvörde -
Flechtingen - Erxleben - Barneberg - Schwanebeck - Halberstadt
Am Morgen haben wir bei Sonnenschein noch gemütlich gefrühstückt und sind dann kurz nach elf auf unsere letzte Etappe gegangen. Heute Abend würden wir, nach knapp vier Wochen, wieder in unseren eigenen Betten schlafen. Da Kalle eher langsam touren wollte, statt schnell Strecke zu machen, überlegte ich mir eine Änderung der ursprünglich geplanten Strecke. Die schnellste Route wäre über Wittenberge gewesen, wo wir die Brücke über die Elbe nehmen mussten, weiter über Stendal und Magdeburg nach Halberstadt. Es ist aber eine recht langweilige Strecke, die man nun runterreißen kann und gut.
In Schwerin war gerade die BUGA Kaskade von Ludwigslust
Großer Markt Perleberg Wittenberge von der Elbbrücke
Kloster in Arendsee
Die schönere Tourenstrecke, und dazu noch kürzer an Kilometern, geht aber an der ehemaligen Staatsgrenze der DDR entlang. So bogen wir bei Seehausen, kurz hinter Wittenberge, nach Arendsee ab und gelangten über Fleetmark nach Winterfeld.
Kirche Winterfeld Rathaus Gardelegen
St.Georg Calvörde Wasserburg Flechtingen
zurück in Halberstadt
Auch in dieser Gegend hatte die Eiszeit große Mengen an Findlingen aus dem Norden liegen gelassen, so dass wir uns bei der Fahrt durch die Dörfer noch einmal ins Baltikum zurückversetzt fühlten. Denn auch hier wurden diese Steine für den Bau von Mauern, Häusern und Kirchen verwendet.
Bei Gardelegen begrüßte uns die Heimat mit Regen. Warum sollte die Reise auch nicht enden, dachte ich mir, wie sie die meiste Zeit gewesen ist – nass.
Aber es war nur eine kurze Episode und ab Erxleben fuhren wir wieder im Trockenen.
Nun waren wir schon wieder zurück auf meiner Heimatlieblingstourenstrecke und nach knapp einer Stunde stand ich vor meinem Hoftor. Von Kalle hatte ich mich schon kurz vor Halberstadt verabschiedet, auch er war jetzt schon zu Hause angekommen.
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Fotos von Wikipedia und Jörg Rittmeister