Nachman Dushanski

 Nachman Dushanski

 

Nachman Dushanski, oder litauisch Nachmanas Dušanskis, wurde am 29.12.1919 in Siauliai geboren.

Er gehörte einer kinderreichen jüdischen Familie an. 1934 schloss er sich als 15 jähriger dem Komsomol an, der Jugendorganisation der Sowjetischen Kommunisten. Wegen verbotener Untergrundaktivitäten (wie Propaganda) wurde er im Juni 1936 das erste Mal verhaftet.

Während der Haft wurde er Mitglied der Kommunistischen Partei. Als die Sowjetunion Litauen 1940 besetzte (im Rahmen des Hitler-Stalin Paktes) wurde Dushanski befreit. Nachman Dushanski ist für viele litauische Nationalisten das, was für den Katholiken der Teufel ist. Beschäftigt man sich mit der litauischen Geschichte um 1941, stößt man immer wieder auf seinen Namen. In den sozialen Medien reicht sein Namen aus, um erhebliche Reaktionen zu erzeugen.

Warum ist das so?

Nachdem die Sowjets Litauen 1940 besetzten, bekam Dushanski einen Job als Assistenz-Nachrichtenoffizier im NKWD (Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten, der spätere KGB) Büro in Telsiai.

Über die Gründe kann man spekulieren.

Er brauchte Arbeit, er war überzeugter Kommunist und die Sowjets brauchten verlässliche Leute im besetzte Litauen, die ihre Sprache verstanden. (Kleine Erinnerung: Litauen war erst seit 1918 wieder Unabhängig. Vorher, im Zaristischen Litauen, wurde Litauisch nur von der ethnisch litauischen Landbevölkerung gesprochen. Offizielle Sprache war Russisch, die Sprache der Oberschicht Polnisch, die der städtischen Juden...Jiddisch (oder Hebräisch). Wenige Litauer sprachen Russisch, aber alle Juden.)

Und das konnte die litauische jüdische Intelligenz. Seine Aufgaben betrafen die Sicherung der neuen Sowjetisch-Deutschen Grenze und die Organisation der stalinistischen Massendeportationen von Litauern nach Sibirien.

Wenn der geneigte Leser das aufrüttelnde Buch von Dalia Grinkeviciute "Aber der Himmel – grandios" liest, versteht er das unglaubliche Leid der Deportierten. (Allerdings sollte man die russischen Gräuel und die der Nazis etwas differenzieren. Hatten in Russland alle Bewohner unter Stalins Terror zu leiden und war die Überlebenswahrscheinlichkeit der litauischen Deportierten zumindest da, vernichteten die Deutschen (zusammen mit litauischen Kollaborateuren) 95% der litauischen Juden). Dushanski war zu dieser Zeit 22 Jahre alt.

Und wahrscheinlich hatte jeder Mitarbeiter der Sowjets in Litauen irgendwie mit den Deportationen zu tun. (Wie jeder Mitarbeiter der sowjetischen Verwaltungsbehörden irgendwie zu Stalins Gräueln beitrugen – genau wie die Deutschen das unter Hitler taten).

Deshalb geht es auch hier nicht um eine Verherrlichung von Nachman Dushanski. Niemand will für ihn ein Denkmal errichten, im Gegensatz zu manchen Litauern, die den Nazis beim Holocaust geholfen haben.

 

Nach Zeugenaussagen soll er auch an einem der vielen Massaker an litauischen Gefangenen beteiligt gewesen sein.

Als die Deutschen die Sowjetunion am 22.6.1941 überfielen, brach die sowjetische Verteidigung wie ein Kartenhaus zusammen. [Exkurs: Wahrscheinlich hat das auch mit Stalins ausmerzen seiner besten Militärs im Jahre 1936 zu tun. (Stalin ging gegen ihm missliebige Militärs, wie den Chef Tuchatschewski und den Litauer Vytautas Putna vor. 3 von 5 Marschällen starben, 14 von 16 Armee Befehlshabern des I. und II. Ranges, 8 von 8 Admiralen des I. und II. Ranges, 60 von 67 Kommandierenden Generälen , 136 von 199 Divisionskommandeuren und 221 von 397 Brigadekommandeuren). Diese Vernichtung von herausragenden Militärs hat der Sowjetunion anfänglich sehr geschadet].

Das Massaker, an dem Dushanski teilgenommen haben soll, hat am 25.6.1941 stattgefunden und war wohl das erschreckendste Wüten der Sowjets (Rainiai Massaker). Lange konnte ich nicht an die begangenen Gräueltaten glauben. Das sah alles nach gestellten Szenen durch die deutschen Sonderkommandos aus. Tatsächlich haben die Sowjetischen Verantwortlichen die litauischen Gefängnisinsassen des Telsiaier Gefängnisses nicht nur ermordet (was damals sehr oft auf dem Rückzug der Sowjets passiert ist), sondern auch auf unglaublich barbarische Weise gequält.

 

Beschrieben ist das in meinem Bericht über das Rainiai Massaker. Warum man den Litauern ihre Genitalien abschneiden und in den Mund stecken musste, während die deutschen Truppen sich schnell näherten – ich habe es nicht verstanden. Jedenfalls gibt es Zeugenaussagen dafür, dass Dushanski sich zum Zeitpunkt des Massakers in Telsiai aufhielt. Dushanski selbst sagte aus, er wäre zu diesem Zeitpunkt von einem Krim Urlaub auf dem Weg nach Hause gewesen und hätte sich um die Evakuierung seiner Familie gekümmert.

 

Kurz zur Erinnerung: Dushanski war litauischer Jude, seine komplette Familie ist unter deutscher Besatzung getötet worden (der Zug für die Flucht konnte nicht mehr losfahren). Nur sein Bruder Jacob überlebte. Sein Vater wurde von der litauischen Polizei ermordet. Seine Mutter starb im KZ Majdanek. Leiter der dortigen Aufseher war übrigens der Litauer Antanas Baltušis. (Über Antanas Baltušis sagt die litauische Regierung, er hätte nicht gewusst, dass in Majdanek Juden ermordet wurden.) Quelle: Grant Gochin

Dushanskis Geschwister Rochel, Peisach und Yitzhak starben ebenfalls.

 

Wer sich mit diesem Thema beschäftigt, dem fällt sicherlich die litauische Täterkonzentrierung auf. Ob bei den Lietukis Garagen Morden oder den Rainiai Massakern: Aus litauischer Sicht waren die Kommunisten stets Juden.

Dabei ist klar, es waren in den sowjetischen Sicherheitsorganen Juden beschäftigt. Aber es arbeiteten dort überwiegend Russen und Litauer. Bei den Lietukis Massakern (litauisch Racheakte genannt) wurden "nur" Juden getötet, angeblich alles Mitarbeiter des NKWD. Absoluter Blödsinn – und es ist traurig, dass man auf dem Niveau diskutieren muss.

 

Dushanski wurde also wegen seiner angeblichen Teilnahme an den Rainiai Morden mit 22 Jahren zu einem der meistgehassten Menschen in Litauen. Beigetragen hat dazu seine weitere berufliche Tätigkeit, die diesmal auch wirklich (unbestritten) stimmt. Während des Krieges wurde er befördert und kam als Oberstleutnant zurück nach Litauen. Hier wurde er gegen die litauischen Partisanen, die so genannten Waldbrüder, eingesetzt.

Normalerweise wäre Dushanski in dieser Funktion der uneingeschränkte Buhmann. Allerdings hatten viele "Partisanen" enorm Dreck am Stecken und der litauische Widerstand konnte auch als Bürgerkrieg gesehen werden. In seinem Buch über die Partisanen (von Partisanenführer Juozas Luksa) kommt Dushanski vor (allerdings als Gast auf einer Feier, bei der dann alle Gäste ermordet werden sollten).

2017 gab es in Litauen einen Aufschrei, als Ruta Vanagaite, die Autorin eines vielbeachteten Buches über den litauischen Holocaust, sich negativ über Adolfas Ramanauskas-Vanagas äusserte. Sie hatte Bedenken über ein 2018 geplantes Erinnerungsjahr für Ramanauskas (der ein hoher Partisanenführer war) und sprach die Nähe der LAF (der Weissarmbindler) im Holocaust an, sowie verdächtigte Ramanauskas der Nähe zum KGB. Ihre Bücher wurden komplett vom Markt genommen und es entlud sich der aufgestaute nationalistische Hass auf sie. Der ehemalige Präsident Vytautas Landsbergis nannte sie, viel schlimmer kann man seinen Feind in Litauen nicht bezeichnen: "Frau Duschanski".

 

Dushanski war augenscheinlich an der Folter und dem Tod Ramanauskas beteiligt. (Wie wahrscheinlich bei vielen anderen litauischen Partisanen).

 

1964 schloss Dushanski ein Jura Studium an der Universität von Vilnius ab. 1971 wurde er von seinem sowjetischen Arbeitgeber in die Pension entlassen. In Folge der Unabhängigkeit wurde es für Dushanski in Litauen zu ungemütlich und er emigrierte nach Israel. Litauen hat versucht Verfahren gegen Dushanski in Israel anzustrengen, die natürlich alle scheiterten.

 

Nachman Dushanski hat während seiner Arbeit für den (verbrecherischen) sowjetischen Staat Befehle ausgeführt, die überall im Reich Stalins ähnlich waren. Den Hass, den manche Litauer auf Dushanski projizieren, kann ich mir nur wegen seiner jüdischen Identität erklären. Und das ist traurig.

1999 und 2001verlangte Litauen die Auslieferung von Dushanski aus Israel. Israel verwies auf die magere Beweislage und darauf, dass Litauen keinen gleich oder höherrangigen litauischen Offizier belangte, obwahl es davon reichlich gab. In Litauen wohlgemerkt. Allerdings war Dushanski der einzige Jude.

 

Hinweise auf Dushanskis direkte Teilnahme an den Erschiessungen und Folterungen gibt es nicht. In einem Dossier, angefertigt im Auftrag von Vytautas Landsbergis (Mitglied des Europäischen Parlaments ISBN 9955-567-21-6):

"Forgotten Soviet War Crime" (hier zum download: https://alles-ueber-litauen.de/litauen-geschichte/telsiai-judenmord/telsiai-rainiai-massaker), gibt es auf Seite 67 eine Aussage eines litauischen Gefängniswärters, der Nachman Dushanski am Gefängnis gesehen haben will, als die LKW's mit den Gefangenen wegfuhren.

Aufseher A. Žutautas soll laut "Žemaiciu kankiniai: Rainiu miskelio tragedija" (1991) ausgesagt haben:

"When the vehicles went away, I saw that Roslan [Raslanas] and Dušhanski, who had been carrying something, came out of the office." 

 

Und im gleichen Dossier steht auf Seite 77, dass es Anzeichen für die Anwesenheit Dushanski gibt, der bei Erstellung des Landsbergis Berichts aber in Israel wohnte und sich somit "leider" der Gerichtsbarkeit Litauens entzogen hatte.

Israel weigerte sich natürlich Dushanski auszuliefern und empfahl Litauen erstmal ihre eigenen Kriegsverbrecher zu verurteilen. Da ist man aber nicht so eifrig.

 

 

 

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