Litauen Motorrad Reisebericht

 

Rolf Jäger hat im Sommer 2002 eine Tour mit seiner Enduro von Mainz quer durch Polen nach Kaunas in Litauen gemacht. Sehr sympathisch geschrieben, kann man hier die Entwicklung von 2002 bis heute sehen. (Es gibt keine Schlangen an den Grenzen mehr).

 

 


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Vorwort:

Wer sich heute zu einer Motorradreise „über Land“ nach Litauen entscheidet, wird sich in nicht wenigen Fällen von seinen motorradfahrenden Freunden Kommentare wie: „Du bist ja krank“ oder „Du wirst auf Socken zurück kommen“ anhören müssen. Nun, um es vorweg zu nehmen, ich bin weder überfallen noch beraubt worden und den einzigen Kontakt mit der uniformierten Ordnungsmacht hatte ich auf der Autobahn bei Dresden. Weiterhin ist es mir wichtig festzuhalten, dass ich unseren polnischen und litauischen Nachbarn bei der Beschreibung der Zustände ihrer Straßen in keinem Falle zu nahe treten will – komme ich doch aus Rheinland-Pfalz und kann behaupten, dass die Straßen hier, was ihre Qualität angeht, durchaus mit denen in Polen und Litauen „mithalten“ können ! Bedenkt man zudem die enormen Temperaturunterschiede in Litauen relativiert sich vieles....
Und ein Letztes: Es liegt mir fern, als „klugscheißerischer“ Oberlehrer aufzutreten (wobei ich nichts gegen Oberlehrer habe) - hier kommt nur ein Reisebericht, nicht mehr und nicht weniger.
Aber der Reihe nach..

 

 

 

Vorbereitung: Fähre oder Land ?

 


Ich bin 48 Jahre alt und seit vielen Jahren mit dem Motorrad unterwegs. Was mich bei den Planungen der verschiedenen Reisen mit am meisten gestört hat, ist die „Terminierung“ ! Ist erst einmal eine Fähre gebucht , stehen (in den häufigsten Fällen) An- und Abreisetermin bereits unumstößlich fest.
Unumwunden muss man allerdings festhalten, dass (und das war mir vor der Reise auch klar) die Fahrt mit einer Fähre von Kiel nach Klaipeda oder Mukran/Rügen nach Klaipeda (wird angeblich z. Zt. allerdings nicht angeboten) eine bequeme Alternative zum Landweg darstellt und was sind schon ein paar Tüten selbstgemachtes „Fischfutter“ gegen die “Quälerei“ über 1.600 „Landkilometer“ ?? (Verfahren mit eingerechnet).
Billiger ist der Landweg allerdings allemal und wer sich, im Gegensatz zu mir, auch noch für Polen (Masurische Seenplatte) ein paar Tage aufheben will kommt eben um den Landweg nicht herum. Papiere/Karten ADAC – Schutzbrief und Auslandskrankenversicherung sind obligatorisch, ebenso wie Reisepass und Führerschein - alles hat eines gemeinsam: Es muss gültig und dabei sein !
Telefonnummern und Anschriften der Deutschen Botschaften in Polen/Litauen, der Pannenhilfen in beiden Ländern, des Notrufes, der Vorwahl nach Deutschland sowie von Leuten zu Hause sollte man schon auf einem kleinen Zettel mit dabei haben.
Die Karten für Litauen habe ich mir von einem anderen Litauenreisenden mitbringen lassen, sie waren ausgezeichnet. Für die Fahrt durch Polen tut es eine von ARAL o.ä. ! (Anm.: Ich gestatte mir, was den Papierkram angeht, auf die einschlägigen Links im Internet hinzuweisen).


Das Motorrad


Mit einem „Dickschiff“ der Marken Honda Gold-Wing, Harley-Davidson FLH oder einer “fetten“ BMW kann man in Litauen und Polen mächtig Eindruck machen. Wer allerdings, wie ich, alleine unterwegs ist, sollte daran denken, dass auf dem manchmal losen Untergrund (auch Schotterpisten) so ein „Dampfer“ auch mal rangiert werden muss oder – im schlimmsten Fall – auch einmal umkippen kann. Wer dann, wie ich, nur 1,71 m groß und 70 kg schwer ist, hat unter Umständen ein Problem.....
Meiner 50 PS Enduro hab` ich Sturzbügel, einen Hauptständer und Griffschalen verpasst. Das Gepäck für 10 Tage passte in eine Tasche und den Tankrucksack. Foto, Karten und Papiere sowie ein wenig Reiseproviant kamen in den Rucksack. Die Gaszüge und den Kupplungszug habe ich doppelt verlegt und einen Ersatzkupplungs- und –handbremshebel angeschafft – Dinge also, die (wer kennt das nicht?) garantiert NICHT kaputt gehen. Ich montierte eine Gepäckbrücke die ein Freund gefertigt hat - noch ein bisschen Werkzeug – das war`s.


Die Fahrt

 


Gestartet bin am 23.07.2002 dem Geburtstag meiner Frau, die ich, ebenso wie meine drei Kinder und den Rest der (unwissenden und deshalb verduzten) Geburtstagsgesellschaft abends um 22.00 h verlassen habe. 20 km Landstraße, dann Autobahn bis zum Mainzer Kreuz und dann Richtung Frankfurt/M. – hier habe ich ein „Heimspiel“. Ab dem Frankfurter Kreuz die A5 bis zum Abzweig auf die A4 Richtung Erfurt und Dresden. Alles völlig unspektakulär und schlichtweg nur langweilig ! Bis zum Grenzübergang nach Polen bei Görlitz sollen es ca. 650 km sein – 100 km die Stunde im Schnitt hab` ich mir gedacht und lag dann doch etwas daneben.
Der Rucksack drückt auf die Schulter und ich packe ein bisschen um. Die Tankerei hält auch auf, obwohl ich bei den ersten beiden Tankstopps auf die obligatorische Zigarette verzichtet habe.
Bei Dresden treffe ich auf einen Biker der auf dem Heimweg von der Schweiz nach Sachsen ist und auf die Polizei! „Bitte folgen“ heißt es und ich folge. Kontrolle der Papiere, Begründung: es werden in letzter Zeit vermehrt Motorräder im Raum Dresden gestohlen. Bei der Beantwortung der Frage: Wohin? Bekomme ich noch den freundlichen Tipp mir die Masurische Seenplatte in Polen anzusehen. Ein andermal vielleicht. Ich bedanke mich und fahre weiter. Es regnet.


Ich will erst bei Tageslicht nach Polen einreisen und beschließe etwa 100 km vor der Grenze auf einer Tankstelle den Tagesanbruch abzuwarten. Das wird nichts, weil keine Tankstelle mehr kommt und so stehe ich etwa um 04.50 h nach 631,5 km im deutsch/polnischen Grenzgebäude. Alles geht flott, ein polnischer Grenzer fragt was das Motorrad gekostet hat und bittet um ein Wheelie (!) Ersteres beantworte ich – auf das Wheelie verzichte ich aber, denn: 1. kann ich das gar nicht richtig und 2. wer legt sich schon gerne am ersten Tag einer Reise freiwillig auf die Fresse ?
Ein zweiter Beamter ist knurriger, später habe ich erfahren das viele Deutsche aus dem Grenzgebiet nur zum tanken des billigen polnischen Sprits über die Grenze fahren. Das kann der Grund gewesen sein, ich will aber weiter als nur zum tanken über die Grenze.


Polen


Es hat aufgehört zu regnen. Es geht auf der gut ausgebauten E 40 weiter. Bis zur Autobahn A 12/E 4/ E 40 sollen es ca. 60 km sein. Die ersten Spurrillen, nichts dramatisches. Ich fahre auf die Autobahn - und jetzt geht’s los! Die vier Fahrspuren bestehen aus (ursprünglich) ca. 5m langen Betonplatten, wobei die Stoßkanten der einzelnen Elemente mit Teer ausgefüllt wurden. An sich nichts schlimmes. Mittlerweile sind aber diese Platten im Abstand von ca. 50 bis 60 cm quer zur Fahrbahn gerissen und auch diese Stellen wurden mit Teer aufgefüllt. Du fährst wie auf einem Wellblechdach! Der kurze Radstand des Motorrads bewirkt ein schlagen des Vorder- und des Hinterrades das dir mit der Zeit heftigst in Arme, Kreuz und Hintern fährt. Eine Katastrophe! Dazu kommen nicht verfüllte Löcher und Spurrillen. Kein Mensch fährt freiwillig auf dem rechten Fahrstreifen – nicht einmal die Lkws. Nur wenn von hinten ein schnelleres Fahrzeug kommt, wird für den Augenblick des Überholens auf den rechten Fahrstreifen ausgewichen. Das Motorrad klappert wie ein Fahrrad ohne Gummibereifung. Ich denke mir vibriert mindestens der Gepäckträger ab oder die Verkleidung fällt mir auf das Vorderrad. Nach 35 km habe ich so die Schnauze voll, dass ich überlege die Rückreise, wenn möglich, mit der Fähre zu machen. Endlich Breslau, ich darf runter von der Autobahn.
8.40 Uhr, 835 km bzw. 120 km in zwei Stunden – Breslau liegt hinter mir. Für die Schönheit dieser Stadt bleibt mir keine Zeit nur die Erinnerung an (teilweise fehlendes) Kopfsteinpflaster und den immensen Verkehr. Einmal habe ich den „Ausgang“ verpasst und musste die „Abkürzung“ über eine (unbepflanzte) Verkehrsinsel nehmen. Auf der Bundesstraße 8, auf die ich in Breslau abgebogen bin und die in einem guten Zustand ist, wird gefahren was das Zeug hält. Diese Straße ist teilweise 4-spurig und man kommt gut voran. Das denken sich auch die Trucker und ich versuche an einem leeren Sattelschlepper „dran“ zu bleiben – 115 km/h - ich lass` es. Motorradfahrer sollten darauf achten unbedingt die Mitte des Fahrstreifens zu „halten“, machst du das nicht und kommst zu weit nach rechts wirst du bei der nächsten Gelegenheit (im „Abstand“ von bis zu 30 cm) gnadenlos überholt. An der Ventildeckeldichtung meines Motorrades sabbert mittlerweile Öl raus wie ich beim Tankstopp bei 998 km um 11.30 h feststelle – kein Grund zur Panik immer schön locker bleiben und die Sache beobachten. 1014 km, mehr als von mir zu Hause zum Gardasee und zurück, ich habe keine Lust mehr, es ist warm geworden und ich mache mich auf die Suche nach einem Plätzchen für die Nacht.

 

hotel in polen


Ich bin in der Nähe von TOMASZOW MAZ. und finde ein Motel mit angrenzender Werkstatt direkt an der A8 oder E67. Alles wird von einem älteren Ehepaar mit Enkelin (nehme ich an) bewirtschaftet. Keiner spricht deutsch oder englisch. Macht nichts, ich bekomme ein Zimmer, dass Motorrad kommt in den abgeschlossenen Hof vor der Werkstatt und ich bekomme ein LECH BROWARY WIELKOPOLSKI PREMIUM – nicht das Letzte. Nachdem ich das Zimmer
bezogen habe gehe ich die Kette fetten und prüfe den Ölstand: alles o.k. ! Mit meinem Reisetagebuch setze ich mich auf die Terrasse und schreibe drauf los....
Noch mal zu den Straßen. Die polnischen Autobahnen unterscheiden sich zu den deutschen im Wesentlichen dadurch, dass es hier auch Kreuzungen, mal mit, mal ohne Ampeln gibt. Auch Fußgängerüberwege habe ich gesehen und einige landwirtschaftliche Fahrzeuge (Pferdefuhrwerke). Der Staat versucht halt im Rahmen seiner Möglichkeiten die Straßen in Schuss zu halten, davon zeugen viele Baustellen.
Am Straßenrand sitzen Mütter mit ihren Kindern und versuchen ihre selbst gesammelten Pfifferlinge und Beeren zu verkaufen – ein mühseliges, gefährliches und bei der Hitze auch schweißtreibendes Unterfangen.
Das ganze Gegend wird von der Landwirtschaft geprägt, obwohl ich selten jemanden bei der Feldarbeit gesehen habe. Viele, im Rohbau befindliche Häuser sind zu sehen – einige vom Gras meterhoch umwachsen. Ich denke mir, dass die Besitzer zur Zeit im Westen sind um sich das Geld für die Fertigstellung zu verdienen. Ansonsten sind alle da: Hornbach, Buderus, Ikea, Knauf usw. usw.


Die Stadt selbst sehe ich nur von weitem, typische Plattenbausiedlungen halt. An der Autobahn – sie wird gerade renoviert – beginnen bereits jetzt, am späten Nachmittag, die Freudenmädchen ihren „Dienst“. Sie tun mir leid.
Die Sonne ist weg und es wird kühler. Ich nehme mein Tagebuch und die Karte und breite sie im Innern des Motels aus. Der nächste Tag will geplant sein. Einige Einheimische kommen zum Essen und ich versuche mit jungen Leuten ins Gespräch zu kommen. Zwecklos, entweder sie wollen oder sie können mich nicht verstehen. Schade.


Gegen 22.00 h bringt ein Taxifahrer einen deutschen „Krawattenträger“ und dann kommt es zum Höhepunkt des Abends. Ein funkelnagelneuer A8 von Audi fährt vor. Der Chef des Hauses gerät in „Wallung“. Wild gestikulierend bedeutet er wohl dem Fahrer wie sicher sein Auto in seinem Motel sei. Das Stahltor vor der Werkstatt wird aufgerissen und der Hof und die beiden Schäferhundmischlinge inspiziert. Mann ist`s wohl zu frieden, jedenfalls parkt die sündhaft teure Karre jetzt neben meinem Motorrad ! Was für ein Kontrast !. Nationalitätenkennzeichen: BY – keine Ahnung (damals). Mir reicht`s , ich geh` ins Bett.
Abfahrt Richtung Warschau morgens 6.00 h. Ich verzichte auf das Frühstück – will möglichst schnell die Stadt hinter mich bringen. 100 km, was ist das schon ! Diese 100 km gehen auch recht flott und dann kündigt sich die Metropole Polens an. Erste Schilder verbieten das Befahren der Autobahn, auch der Stadtautobahn, mit Pferdefuhrwerken. Der Verkehr ist kolossal ! Zuerst sind die Gebäude noch 1 oder 2stöckig, dann ändert sich das. Hochhäuser aus Glas, Stahl und Beton.
Werbetafeln in gigantischen Ausmaßen, Sony, Panasonic und viele andere sind zu lesen. Jetzt ist es ein Vorteil das ich alleine bin. Bei mehreren Motorrädern achtet man doch im Unterbewusstsein darauf wo „die anderen“ sind. Menschenmassen, Busse, Straßenbahnen und Lastwagen auf den breiten, mehrspurigen Straßen. Es ist heiß und es stinkt nach Sprit. Nein, Warschau braucht sich z. B. vor Frankfurt/M. wahrlich nicht zu verstecken.
Ich habe mir die Bundesstraßen 18 oder 61 eingeprägt – die kleinen roten Hinweisschilder sind schwer zu sehen. Plötzlich ein KIA Carnivale mit LIT vor mir. Ha, denke ich mir, jetzt hast du gewonnen! An den hänge ich mich dran und alles geht wie von selbst. Der Junge läßt`s „knacken“. Ich immer hinterher. Links, rechts, Spurwechsel, überholen – das volle Programm. Für ihn sind nicht alle Ampeln noch grün (für mich dann schon lange nicht mehr).
Nach 10 Min. denke ich mir: musst dich vielleicht doch mal zu erkennen geben, sonst denkt der noch ich verfolge ihn. „ I’m from Germany and go to Lithuania, do you go to Lithuania too ?“ brülle ich dem Beifahrer beim nächsten Ampelstop ins Ohr. Sagt der doch: „O NO !, you must go to AUGUSTOW, we are going to OLSZTYN (Allenstein) „ . Klasse !, Haste prima gemacht Rolf !
Zurück marsch, marsch – aber jetzt dreh` mal hier ! Ein paar Kreuzungen später hab` ich es dann geschafft – nicht ganz regelgerecht, muss ich zugeben. Mit ordentlich „Betriebsdruck“ im Bauch suche ich nach den kleinen roten Schildern und finde endlich die Nr. 61. Nix wie raus hier.
Die Stadt liegt hinter mir, 1.221 km auf dem Tacho macht 3,5 Stunden für 200 km. Das muss besser werden...
Über ROZAN, TOMZA und GRAJEWO fahre ich in Richtung AUGUSTOW. In der Nähe von RAJGROD, einem Ausflugsziel, kommt es dann noch zu einer kleinen Episode.

motorradtour in litauen


Die Straße ist aufgerissen und um der Staubentwicklung vorzubeugen wird ordentlich Wasser auf den Sand gespritzt (so sehe ich und das Motorrad dann später auch aus). Die Bauarbeiter sind fleißig am werkeln und zwei tragen eine ROT zeigende Ampel etwa 40 Meter weiter in Fahrtrichtung und stellen sie dort auf. Fast alle bleiben mit ihren Fahrzeugen hinter der Ampel, fast alle. Einige wild entschlossene überholen uns und die Ampel und donnern – dem Gegenverkehr entgegen – in die Baustelle !! Darunter zwei mittelgroße Lieferwagen. Was jetzt kommt ist absolut filmreif ! Nachdem sich alles ordentlich verkeilt hat beginnt ein wildes rangieren. Der „ungeübte“ Fahrer eines Lieferwagens versenkt diesen mit den Antriebsrädern im Straßengraben. Zwei tschechische Motorradfahrer grüßen mich im Vorbeifahren freundlich und gesellen sich zu dem Chaos und dazwischen die Bauarbeiter die alles und jeden beschimpfen und mit Schaufeln bedrohen. Es dauert eine Weile bis sich alles sortiert hat und ich meine Fahrt fortsetzen kann.
Es wird immer weniger Verkehr, es wird immer ruhiger, das Wetter ist prima und ich bin jetzt immer öfter alleine mit mir, der Maschine und der Natur. Die Gegend ist flach, mit viel Wald, Feldern und kleinen Flüsschen. Es ist 15.30 h und 1.501 km stehen auf dem Tacho. Bei AUGUSTOW bin ich auf die Bundesstraße 19 abgebogen, jetzt ist es nicht mehr weit bis zur Grenze. Nur noch ein paar Lkws und ich, Autos kaum noch.


Die Grenze


Anfangen tut alles mit einem ca. 6 km langen LKW – Stau, merkwürdig eigentlich, denn so viele Lastwagen habe ich nun auch wieder nicht gesehen. Wahrscheinlich stehen die Jungs schon seit Stunden hier. Viele Trucks tragen verblasste deutsche Firmenaufschriften, haben aber litauische, lettische, estnische und wohl weißrussische Kennzeichen. Autos dürfen daran vorbei – ich denke mal, ich auch. Es erscheint eine Schranke, davor ein Soldat mit Funkgerät und noch mal ein paar Meter davor eine Holzbude mit der Aufschrift „Haftpflichtversicherung für Litauen“.
Sie soll 18 € kosten, ich hatte gelesen 15 €, aber egal ich brauche sie. Der Soldat lässt immer nur 6 Fahrzeuge die Schranke passieren, da ich etwa zwanzigster bin bleibt Zeit. Helm ab, Handschuhe aus (zum 1. Mal) und zur Holzbude gelatscht. Zurück, Helm auf, Handschuhe an (auch zum1. Mal). Beim nächsten oder übernächsten Schwung bin ich dabei und fahre zur Abfertigungshalle – Helm ab, Handschuhe aus (zum 2. Mal). Führerschein, Reisepass und Kfz-Schein, höflich aber bestimmend. Nach 20 Minuten bekommen wir die Unterlagen zurück: Weiterfahren! Helm auf, Handschuhe an (zum 2. Mal ). Nächste, mehrspurige Abfertigungshalle. Lkws mit Unfallfahrzeugen aus Deutschland davor. Ich sehe keine Sau und fahre weiter. Wieder eine Schranke mit Rotlicht, ein kleineres Gebäude mit Personal drin.


Helm ab, Handschuhe aus (zum 3. Mal). Eine ellenlage, blonde Zöllnerin kommt aus dem Gebäude und keift mich an: “Zurück, Zurück – Passkontrolle !“. Jetzt bloß keinen Ärger machen. Helm auf, Handschuhe an (zum 3. Mal) – und zurück. Aha, da ist ja die Passkontrolle. Also: Helm ab, Handschuhe aus (zum 4. Mal). Ich lege mein ganzes Zeug vor – alles in Ordnung. Helm auf, Handschuhe an (zum 4. Mal). Zurück zur Schranke mit der Blonden. Helm ab, Handschuhe aus (zum 5. Mal). Jetzt ist`s sie`s zufrieden – die Ampel schaltet auf grün um, also: Helm auf, Handschuhe an (zum 5. Mal). 150 m weiter wieder eine Kontrolle, ihr wisst schon...:Helm ab, Handschuhe aus (zum 6. Mal). Ich rein in das Gebäude in dem wohl letztmalig der Erwerb der Haftpflichtversicherung angeboten wird. Vor mir der deutsche Besitzer eines brandneuen Wohnmobils. Er wedelt der Lady mit
einer ADAC-Reisebroschüre vor der Nase rum und meint, dass demnach nur für Lettland und Estland diese Versicherung Pflicht sei. Ich baue langsam „Betriebsdruck“ auf !. Die Lady lässt sich nicht erweichen und mir langt`s. Ich donnere die Kopie der gerade erworbenen Haftpflichtversicherung gegen die Glasscheibe, sie blickt nur kurz auf, nickt, und ich verschwinde... nicht ohne vorher, ihr wisst schon: Helm auf, Handschuhe an (zum 6. Mal).
Zu dem mit dem Helm: was soll man machen ?, wir wollen doch keinen Ärger, oder ?


Geschafft, ich bin in Litauen – mit roten Ohren zwar, wegen des Helmes – aber ich bin da !
Für die letzten 100 km lasse ich mir mehr Zeit. Dumm ist nur, dass ich bei der Grenzprozedur das Motorrad jedes Mal auf den Seitenständer gestellt habe – jetzt sabbert sie wieder. Auf dem Hauptständer passiert das nicht. Also zukünftig: Hauptständer.


Vielleicht bilde ich es mir nur ein aber Litauen, zumindest die ersten Kilometer nach der Grenze, ist doch anders, hügeliger, als Polen. Hie und da sind die Reste der sozialistischen Planwirtschaft zu sehen zumindest was die Landwirtschaft angeht. Große Silos, mehrere `zig Meter lange Stallungen und Wirtschaftsgebäude die jetzt langsam verfallen weil sie niemandem gehören, die Besitzverhältnisse nach der Wende noch nicht geklärt sind oder kein Mensch mehr Lust auf Landwirtschaft hat. Keine Zäune ! Wiesen, Felder und Wald. Nur ein paar alte Männer und Frauen sehe ich bei der Feldarbeit. Meist mit ganz alten Maschinen, selten mit moderneren. MARIJAMPOLE ist das erste größere Städtchen das ich nach ca. 20 km erreiche. Die lange Hauptstraße (sehr breit und neu asphaltiert) entlang stehen kleine Einfamilienhäuser aus Stein aber auch viele aus Holz und diese sind in den unterschiedlichsten Farben angemalt. Umgeben ist alles von einem ziemliche hohen aber durchsichtigen Bretterzaun durch die man die hübschen, gepflegten Vorgärten sehen kann. Am Straßenrand sitzen die Kinder und sehen den vorbeifahrenden Autos nach. Auf einem schattigen Platz findet ein Basketballspiel statt.
Nach weitern 30 oder 40 km überfahre ich zum ersten Mal die Memel (Nemunas) ! Ein komisches Gefühl, ich weiß auch nicht warum. Die ganze
Zeit schon konnte ich Teile der Vororte (Trabantenstädte) sehen. Ich muss die Stadt umfahren um an die richtige Ausfahrt zu kommen und überquere
dabei auch die Neris.
Ich denke die Neris ist etwa so groß wie die Ems und die Memel etwa so groß wie der Neckar. Jetzt die richtige Abfahrt erwischen. Weder ich noch das Motorrad haben noch Lust auf Motorradfahren, deshalb hole ich öfters die Karte aus meiner Jacke. Die Hochhäuser werden beim näher kommen noch trister, aber ich denke wenn man mal mit Farbe da ran ginge und die Außenanlagen besser pflegen würde, würde das alles nicht so schlimm aussehen – doch mit welchem Geld ? Mit der Karte komme ich gut voran und mein Weg führt mich in ein Wohngebiet mit schmucken Ein- und Zweifamilienhäusern.
Hier macht jeder etwas an seinem Haus das sieht man, nur die Seitenstraßen werden doch immer schlechter. Einem „Gartentürsteher“ mit Schmierbauch
halte ich meine Karte und die Adresse unter die Nase. Er studiert sie, schnauft, kratzt sich am Kopf und schüttelt den selbigen ! Nein, er kann mir nicht
helfen. Eine vorbeikommende junge Frau schaue ich hilfesuchend an. Der Bauch gerät in Wallung und er fragt sie was auf litauisch. Es geht kurz
hin und her, dann dreht sich der Dicke in alle vier Himmelsrichtungen und erklärt mir mit Händen und Füßen wo das gesucht ist: EINEN STRASSENZUG WEITER !!!. Ich bedanke mich höflich, fahr` die paar Meter und bin da.
Giedre (Vorname) kommt mir, kurz nachdem ich das Motorrad in die Garageneinfahrt gestellt habe freundlich lächelnd entgegen.

Sie fragt warum ich so früh sei, ich hätte doch geschrieben ich käme spät in der Nacht. Die guten litauischen Straßen sind „Schuld“ daran antworte
ich. Sie öffnet das Garagentor und ich fahre das Motorrad hinein.
Sie zeigt mir das Zimmer. Ein Gedicht ! Sehr sauber, sehr hell und freundlich – auch das Bad. Es gibt einen sehr schönen Holzfußboden, eine großzügige Holztreppe, eine kleine Rezeption und einen Frühstücksraum.
Ich hole den Rest an Gepäck hoch, dusche. Giedre sage ich, dass ich im Haus nicht rauche und sie führt mich in den Garten zu einer Bank mit
Tisch. Sie wechselt mir auch ein paar Euros in Litas und ich kaufe in einem kleinen Laden um die Ecke ein paar Zigaretten. Jetzt sitze
ich im Garten neben dem Zwinger mit einem mächtigen Rottweiler und „plage“ mein Reisetagebuch. Es ist (sehr angenehm) warm
und ruhig. Später kommt noch Edmundas, der Mann von Giedre von der Arbeit und begrüßt mich freundlich. Für heute ist Feierabend,
ich schreibe eine Mail nach Hause und gehe pennen.

Anmerkung 1


Ich hatte nur wenige Urlaubstage für die Reise nach Litauen zur Verfügung. Aus diesem Grunde wollte ich nicht viel Zeit mit der Suche nach einer Unterkunft vergeuden und habe per Internet diese Unterkunft gebucht. Mir ist klar, dass ich für weniger Geld sicher eine genauso gute Unterkunft bei einem anderen, privaten Vermieter gefunden hätte. Vielleicht wäre mein Geld bei einem älteren Ehepaar oder einer alleinerziehenden Mutter besser „aufgehoben“ gewesen als in der Pension von Giedre und Edmundas. Die Liebenswürdigkeit und der gute Services bei den beiden war aber mein Geld allemal wert. Wer allerdings mehr Zeit zur Verfügung hat findet sicher „preisgünstigeres“.

Anmerkung 2


Es gibt einen sehr persönlichen Grund für diese Reise und der damit verbundenen Wahl von Kaunas als meinem Ausgangspunkt. „Motorradtechnisch“ bietet sich die Stadt, ist sie doch ziemlich zentral gelegen, ausgesprochen gut als Ausgangspunkt für Motorradtouren durch ein Land an, dass etwa so groß ist wie Belgien.


Kaunas

 


Es ist müßig, in diesem Reisebericht nun alle Sehenswürdigkeiten dieser Stadt zu preisen oder zu beschreiben, Reiseführer können das viel besser als ich. Wer jedoch Zeit hat, bzw. sie sich für diese Stadt nimmt, wird recht bald feststellen, dass man Kaunas nicht zwingend an einem Tag „machen“ kann. Eine Stadt mit nunmehr über vierhunderttausend Einwohnern „macht“ man nicht an einem Tag.


Insgesamt fünf mal, bin ich auf „Schusters Rappen“ vom Stadtrand bis zur gegenüberliegenden Seite der Stadt stundenlang unterwegs gewesen. Diese
„Wanderungen“ haben mich auch in Teile der Stadt geführt die man nicht unbedingt und zwangsläufig als Touri gezeigt bekommt.
In Erinnerung sind mir, außer ganz persönlichen Dingen, selbstverständlich die Sehenswürdigkeiten dieser Stadt geblieben – und eine „Affenhitze“. Es ist schon großes Glück bei teilweise über 30° durch die Fußgängerzone spazieren zu können oder in einem Biergarten zu sitzen.


Giedre jedenfalls wollte mir abends nur schwer glauben, dass ich da und dort gewesen bin ohne ein öffentliches Verkehrsmittel benutzt zu haben.

altes holzhaus litauen baltikum

 


Klaipeda, die Nehrung und der Nemunas


be svino !“ (bleifrei?) Der Tankwart einer sehr großen Esso-Station zeigt auf einige Zapfsäulen = alles „be svino“. Ich deute auf das mit 98 (Oktan, nehme ich an). Der Chef macht das selbst. Nix passiert – die Pumpe springt zwar an, aber kein Sprit. Ham` wir gleich. Er guckt in das Pistolenrohr und donnert selbiges eins, zwei Mal gegen einen Betonpfeiler. Vielleicht verstopft ?.


Er setzt erneut an, da greife ich ein. Nein, nein das mit 95 Oktan tut es auch ! (nicht auszudenken wenn da tatsächlich Brocken drin sind die mir 50 km weiter den Vergaser verstopfen). Auch gut – er macht voll. Zum Aufgalopp verfahren wir uns erst mal flockig.... aber nach 10 km Umweg kommen die ersten Hinweisschilder auf die A1. Langeweile pur ! , schnurgerade, astreiner Asphalt, kaum Verkehr und die Sonne brennt.


Die A1 muss der Stolz des litauischen Verkehrsministeriums sein. 2 Fahrstreifen in jede Richtung plus jeweils eine halbe auf jeder Seite (Standstreifen) für Fahrräder, Tramper, Fußgänger und andere. Zwischen den Fahrstreifen ein Grünstreifen, so breit, dass sicher noch mal 2 Fahrstreifen rein passen würden ! Keine Leitplanken (warum auch ?, bei dem Platz und dem bißchenVerkehr).
Nach den Autobahnschildern sind es 215 km bis Klaipeda – ohne Tankstelle direkt an der Bahn, sondern nur Hinweisschilder auf diese. Man müsste jedesmal runterfahren. Dafür gibt`s das eine oder andere Kiosk. Notrufsäulen wie in Deutschland suche ich vergebens - mir stellt sich die Frage wie ich Kontakt zum Litauischen Pannendienst aufnehmen soll.... falls ich ihn brauche. An eine Panne will ich aber nicht denken und laß` die Mühle laufen. 120 – 130 km/h sind schmerzfrei, deshalb erwähnenswert, weil ich schon noch die Anreise im Hinterteil spüre. Aber alles halb so schlimm. Das Land ist leicht hügelig und es ist Erntezeit. MF, John Deere sind zu sehen und die Störche und Krähen freuen sich wenn die ersten Felder gepflügt werden. Es sind große Ackerflächen die aber immer wieder von Wäldern und Mooren unterbrochen sind. Dort ist dann wohl die Pilz- und Beerengegend. Es erstaunt mich immer wieder, dass, wie aus dem Nichts, Menschen am Fahrbahnrand auftauchen, meist zu Fuß, oft auch mit dem Fahrrad. Genauso plötzlich sind sie aber auch wieder verschwunden. Es ist weit und breit kein Gehöft, Haus oder gar ein Dorf zu sehen. Westeuropäisch aussehende Fahrradwanderer, schwer bepackt, nutzen den Autobahnstandsreifen genauso wie die Tramper die Auffahrten – keine Polizei – kein Mecker !


Das T-Shirt unter der Motorradjacke ist mittlerweile patschnass, so heiß ist es. Wenig Verkehr – und weil ich mich an die Verkehrsregeln halte werde ich auch überholt – wahrscheinlich die ersten Familien die mit dem Auto zum Urlaub an die Ostsee fahren, jedenfalls mit Kindern im Auto – keins angeschnallt. Die ersten Vororte von Klaipeda. Ich benutze meinen Stadtplan nicht, Stadtpläne sind was für Feiglinge..☺!.

fähre zur kurischen nehrung klaipeda

An einem großen Kreisel fahre ich nach rechts und parke das Motorrad nach 500m auf dem Gehsteig. Eine bildhübsche Litauerin frage ich nach der Fähre – sie zeigt auf die gegenüberliegende Abfahrt. Wir lachen. Ich überquere den Prospektas und stelle mich in die Schlange. 80 Autos und Wohnmobile sind vor mir. Zwei geschäftstüchtige Jungs bessern mit dem Waschen von Windschutzscheiben ihr Taschengeld auf. Hab` ich leider nicht – ersatzweise halte ich Ihnen meinen Helm entgegen, dessen Visier wird dann mit einer braunen Brühe „bearbeitet“ (die „Spuren“ sieht man heute noch). Beim Preis von 3 € werd` ich dann etwas „fuchtig“ und wir einigen uns auf 1 €. Autos, Wohnmobile und Lieferwagen hat die Kassiererin, die die Reihe abläuft „drauf“, mit Motorrädern wohl aber weniger Erfahrung. Ich werde an der Schlange vorbei zum Kassenhäuschen (-haus) geschickt. Ich zahle, und ein Verlademeister ruft und winkt mich auf die Fähre. Es scheint nicht weit zu sein und ich beschließe es mir gar nicht erst bequem zu machen und bleibe auf dem Motorrad sitzen. Ein älteres deutsches Ehepaar mit schickem Wohnmobil aus Hanau spricht mich an. Sie haben zwei litauische Frauen die das Jahr über die Mutter des Mannes pflegen („..so billig arbeitet kein Deutscher mehr“) zu Besuch nach Hause gebracht und machen jetzt selbst ein paar Tage Urlaub in Litauen...na, ja !. Egal, hessisch Gebabbel – erinnert an zu Hause, fast.
Die Überfahrt ist kurz; angekommen zieh` ich mein Zeug wieder an und fahre los.
Ein Bilderbuchwetter. Die Nehrung ist so wie beschrieben – vielleicht ein bisschen schöner !
Kiefernwälder links und rechts der Straße. Sand , feinkörniger, heller Sand. Fahrradfahrer, auch mit Kindern. Geschwindigkeitsbegrenzung auf 70 km/h, - keiner hält sich so richtig daran. Wenig Deutsche – fast nur Litauer. Ich „suche“ das Meer.
Plötzlich, auf der linken Seite: Schilf !. Und dann Wasser ! Viel blaues Wasser und Boote. Fischerboote und auch Segler. Unter der Hitzeglocke ist das Festland nur verschwommen zu sehen dabei ist es gar nicht so weit weg. Ich werde langsamer und werde überholt.
Auf der anderen Seite muss die Ostsee sein. Ein Steigungsschild (!) – 9% und die Straße wechselt auf die der Ostsee zugeneigten Seite der Nehrung. Ein angenehm kühlender Wind.


Schon schön !


Wieder ein Wechsel auf die „andere“ Seite. Ich erreiche JUODKRANTE. Eine sehr schöne Uferpromenade ohne Kaimauern, alles englischer Rasen. Neue Fußwege und ein paar Kaffees und Restaurants. Relativ wenig Betrieb – mich wundert das, noch !
Hinweisschilder auf Sehenswürdigkeiten. Aber ob der großen Hitze und bepackt mit Helm, Jacke, Handschuhe und Rucksack verzichte ich. Die ersten Hinweisschilder auf Nida. Bewachte Parkplätze, Bernsteinschmuck (eigentlich zum ersten Mal so richtig registriert), Autos, Busse, Lieferwagen. Fußgängerzonen, Souvenirs, Läden, Buden, Bootsverleih und Restaurants. Menschen, überall Menschen.
Einbahnstraßen, Schranken – ich fahre durch den Ort. Auf einer Anhöhe steht ein Kiosk – abends mit Livemusik - ich habe Durst und halte an. Eine „stumme“ Bedienung bedeutet mir, dass es Getränke „nur drinnen“ gibt. Ich kaufe Wasser.
Ein Parkplatzwächter kommt in die Nähe und ich zeige von weitem, dass ich bezahlen will. Er ignoriert das und geht zu den großen Reisebussen mit deutschen Kennzeichen. Es gibt sie also doch !
Nachdem ich die große Düne nur „angefahren“ bin (auch hier wieder mächtig was los) hab` ich genug und verschwinde – leider auch ohne das Thomas Mann Haus gesehen zu haben. Wenn, beschließe ich, komme ich noch mal im Frühjahr oder Herbst hierher. Es ist schon ein „Eiertanz“ den die Litauer hier aufführen (müssen), denn auf der einen Seite benötigen sie die Einkünfte durch die Touristen, müssen aber auf der anderen Seite auf die Erhaltung dieses schönen flecken Erde aufpassen. Ich wünsche ihnen viel Glück hierfür.

 

typisches haus auf der nehrung nidda litauen


Das Motorrad hat eine längere Pause verdient und ich erinnere mich an JUODKRANTE. Die wenigen Kilometer sind schnell zurückgelegt. Ein schattiger Platz vor einer Kneipe (kostenlos, die Zimmer kosten 190 Lit.). Ich bestelle mir ein (eiskaltes) großes Bier (ja, ja...) und esse das, was ein Litauer dazu gerne isst (zu bestellen in Deutsch, Englisch und Russisch (?)): Geröstete Schwarzbrotstreifen (etwa 1-2 mal so dick wie Pommes). In Knoblauch geröstet, in viel Knoblauch !. Zu diesen 10 – 12 Streifen etwa die gleiche Anzahl an Käsestreifen. Dazu noch 5 – 6 Scheiben geräucherten Fisch (ich tippe auf Forelle) – ein Gedicht. Besteck gibt`s keins also mit den Fingern essen. Ich lasse mir Zeit und selbst das T-Shirt wird trocken.
Es ist 14.00 h und ich mache mich auf den Rückweg zur Fähre. Da will jetzt keiner hin und deshalb habe ich kaum Verkehr. Ein Traum bei diesem Wetter und in dieser Gegend.
Irgend etwas klappert !!
Nimm` eine handvoll kleine Münzen und schmeiße sie in ein großes Glas. Ungefähr so. Ich halte an und suche mir im Wald einen Stock. Damit drücke ich gegen die heißen Motorenteile, hebe den Kettenschutz an – die Kette selbst auch. Nichts. Ich ziehe an allen Verkleidungsteilen und prüfe Bremssättel, Spiegel, Lenker usw. Wieder nichts. Da hab` ich mich wohl getäuscht. Weil auch der Ölstand o.k. ist, fahre ich weiter. Wieder ! Ich latsche auf die Bremse und halte an – „was soll das“, denke ich mir fahr` weiter, hier kann dir ja doch keiner helfen – wenn, dann in Kleipeda. Während der Fahrt überlege ich, ob ich den ganzen „Rechts-, Rückhol- und sonstigen Papiermist“ dabei habe. Wieder dieses klappern – und jetzt geht mir ein Licht auf !!!
Bei der großen Hitze füllen die Litauer, genau wie wir, die Fahrbahnschäden mit heißem Teer aus. Auf diese Flächen kommen dann noch, je nach größe, ein paar Schaufeln Split. Ich habe eine Aluminium – Schutzplatte unter dem Motor gegen die ich jetzt eine handvoll von diesem Split werfe – genau das ist der Ton. Beruhigt fahre ich weiter und siehe da – nach der nächsten Kurve rieche ich es schon und nach einer weiteren sehe ich „ihn“: den Teerkocher !
Nach dessen Überholen ist Schluss mit klappern und ich erreiche die Fähre. Wieder zwei „putzwütige“ Jungs – ich gebe ihnen 2 Lit. und hoffe, dass sie „nichts“ machen...
Zu spät ! Einer stürzt sich auf die Verkleidungsscheibe und macht sie „sauber“ – egal, bei der Gelegenheit erfahre ich wenigstens dass die Rückfahrt mit meinem Ticket schon bezahlt ist.
Übrigens: Bei der Einfahrt in den Naturschutzpark Nehrung hat man noch mal 7,-- Lit. (oder waren es Euro ?) Eintritt zu zahlen.
Auf der Fähre. Drei Freiburger (Africa Twin, TransAlp und noch was..) fahren 3 oder 4 Autos nach mir auch auf die Fähre. Die Motorräder hatte ich schon vorher in Nida gesehen aber die Kennzeichen nicht erkennen können. Alter etwa Ende zwanzig Anfang dreißig (die Fahrer).
Kein Hallo, kein woher oder wohin ! obwohl ich ihnen lachend zunicke. Dann nicht !


Väter zeigen ihren Kindern die Motorräder – die Süßigkeiten für sie habe ich vergessen.
Runter von der Fähre, tanken und dann Richtung SILUTE. Die Bundesstraße 141 ist in sehr gutem Zustand und erinnert in vielen Abschnitten an die endlosen Baumalleen in Mecklenburg Vorpommern. SILUTE ist größer als ich dachte ! Ein Busbahnhof, eine neue Schule/Fachschule mit schön angelegtem Außenbereich, ein paar Geschäfte und Wohnblocks. Ein paar mal überfahre ich Eisenbahnschienen und schon bin ich aus dem Außenbezirk von SILUTE wieder raus. Eigentlich wollte ich Lijanas Eltern besuchen (sie hat mir zur Vorbereitung dieser Reise sehr viel und sehr lieb geholfen) aber dann verlässt mich doch der Mut und ich fahre weiter, in der Hoffnung doch noch mal den Nemunas zu sehen.
Es ist mittlerweile 16.45 h und die Sonne ist verschwunden. Ich beschließe nicht bis JURBARKAS zu fahren. Ich will über TAUROGE auf die Autobahn und nach KAUNAS zurück. Die Strecke „zieht“ sich, macht aber viel Spaß. Dicke Regentropfen klatschen plötzlich gegen das Visier und es beginnt zu schütten. Ich halte sofort an und ziehe die Regenklamotten an (nix Brücke weit und breit). Ich denke noch das werden harte 100 letzte Kilometer als nach ca. 15-20 Kilometern die Straße (jetzt Autobahn) total trocken wird. Ich atme schon auf als es noch mal blitzt und donnert und ich noch mal so richtig nass werde. Ein „richtiges“ Sommergewitter, so wie wir es halt von früher kennen. 20 km vor Kaunas hat der Spuck ein Ende und ich erreiche meine Unterkunft. Giedre sagt: „kein Tropfen“ ! (Glaubt mir wohl nicht). Ich zeige ihr meine nassen Handschuhe: also doch !. Duschen/Feierabend.


Zu dieser Fahrt


Einige Bemerkungen in den Reiseführern und Reiseberichten anderer kann ich nicht stehen lassen. Die von mir befahrenen Straßen (die Autobahn sowieso) waren in sehr gutem Zustand. Von fehlenden Gullydeckeln z.B. keine Spur, z.T. großzügig angelegt und vielerorts durch die Natur bedingt (große Bäume) sehr Schatten spendend. Pennen darfst du nirgends, also auch dort nicht. Die Tankanlagen haben Westniveau – also nicht an den Schalter gehen, gewünschte Liter bezahlen und dann erst tanken. Bleifrei überall, genauso wie „Zockerautomaten“ – mit der Karte geht alles. An den oft unbeschrankten Bahnübergängen muss man aufpassen – genauso wie hier. Die kerzengeraden Straßen ermüden ein bisschen, weil es oft – außer Natur – nichts zu sehen gibt (deswegen war ich aber nicht böse). Durchweg wenig Verkehr. Alle Autofahrer denen ich begegnet bin waren rücksichtsvoll. Vieles sieht ein bisschen chaotisch aus (Einfahrten in einen Kreisel etwa). Es gibt noch wenig Motorräder im Straßenbild denn nicht nur in vielen abgelegenen Dörfern hat man sich nach mir umgedreht....


TRAKAI, EUROPOS CENTROS

 


Es hat ein paar mal gekracht heute Nacht und ein bisschen geregnet, das sorgt für angenehme Temperaturen. Die Autobahn Richtung WILNA ist genauso langweilig wie in Richtung Klaipeda. Überall wird gewerkelt, sie halten das Ding wirklich in Schuss. Bis zur Ausfahrt die ich benötige sind es etwa 80 km. Ich gondele so mit 100 km/h dahin und werde nur von einem Sattelschlepper, der einen Container geladen hat, überholt. Der Bursche fährt mindestens 110 km/h; und weil`s gerade so gut läuft überholt er das vorausfahrende Polizeiauto auch gleich mit.
Ich wundere mich über gar nichts mehr.
Jetzt wird der Polizei – Honda (Civic) auch noch langsamer und ich muss ihn überholen. ....Aha !
Es sind wohl Ferien und Vater hat seinen ca. 8-10 jährigen Sohn mal mitgenommen um im zu zeigen was „Vatter“ so den ganzen Tag macht. Jedenfalls deutet er lachend auf mein Motorrad und beide winken mir zu. Als er dann wohl das Nationalitätenkennzeichen sieht, gibt er mir Lichthupe – deswegen halte ich aber nicht an. Auf der Gegenfahrbahn ein Auffahrunfall – bei der geringen Verkehrsdichte eigentlich seltsam. Mir fällt der ADAC wieder ein.
Plötzlich ein schwarze Wolkenwand voraus ! Rauf auf den Standstreifen und Regenklamotten an. Keine Sekunde zu früh – es kübelt wie aus Eimern. Dreißig Kilometer weiter ist die Straße brottrocken, trifft sich gut, hier muss ich runter auf die Bundesstraße 108.


Es wird mächtig warm und still, ja geradezu einsam – kein Auto keine Menschenseele zu sehen. Richtige Wildnis, nur eine Siedlung verlassener kleiner Bungalows aus Stein. Ein Wachhäuschen davor – menschenleer und eingewachsen. Möglicherweise eine ehemalige Erholungsanlage für Bonzen der letzten Regierung denke ich mir.
Die 108 führt erst durch Grasland, Moore und Wald und dann nur noch durch Wald. Laubbäume überwiegen. Die Straße ist erst gut und dann sehr gut (weil neu) und dann hört sie auf....... jedenfalls das geteerte. Ab jetzt hat man eine ca. 20m breite Schneise in den Wald geschlagen, dann geschottert und planiert. Die Kurven sind überhöht wie bei einer Radrennbahn (übertrieben). 2. Gang und weiter. An den überhöhten Kurven hat das Regenwasser kleine Gräben in die Straße gespült und auch sonst ist alles sehr holprig und – durch den Regen – leicht schwammig.

schotterpiste in litauen


Vereinzelt sind kleine, kräftige Pferde zu sehen die an den Hufen gefesselt sind und auf den Wiesen (ohne Zäune) stehen. Zäune scheint man hier nicht zu kennen. Aus einem Straßengraben keine 2 Meter von mir entfernt startet ein Storch – Herrgott hat der mich jetzt erschreckt. Die letzten Kilometer habe ich niemanden gesehen auch kein Auto.

 


Nach 15 km hat der Spaß eine Ende (zum Schluss waren wir dann doch mal im 3. oder 4. Gang !) – Schluss mit Off Road. Teer, das „gerüttle“ hat ein Ende.
Ich überquere die 172 und komme zur A14. Dieser soll ich dann 7 km folgen. „EUROPOS CENTRAS“ ich entdecke das blaue Hinweisschild, biege ab, und bin
nach wenigen Metern am Ziel. Der geographische Mittelpunkt Europas besteht aus einem Hügel der ca. 20 m hoch und 100 m lang ist – oben soll ein ein Findling liegen, ich bin nicht hin – wollte das Motorrad nicht alleine lassen. Eigentlich unauffällig und touristisch überhaupt nicht erschlossen – gar nicht schlecht, denke ich. Die Litauer die da sind fahren gerade ab und ich bin alleine. Das Motorrad vor den Hügel gestellt und fotografiert, das x-te Mal. Auf einem Waldweg (wieder wie aus dem „Nichts“) fährt ein alter Mazda 323 mit zwei jungen Leuten auf mich zu. Hilfesuchend halte ich die Kamera hoch. Er geht sofort in die Eisen. Ein Bild ? – kein Problem ! (war nicht überall so, die meisten dachten wohl ich wolle von ihnen ein Bild machen und Geld dafür haben).

moped und kleiner huegel in litauen


Die junge Frau steigt aus und fragt mich etwas auf litauisch weil sie das Nationalitätenkennzeichen nicht erkennen kann. Ich antworte in englisch und dann in deutsch.... Da gibt `s aber ein „Schwätzchen“ !!. Astreines deutsch.
Woher ?, Wohin ?, Warum ?, gefällt dir unser Land ? usw. usw. Meine Antworten machen sie wohl stolz und bei der Abfahrt wirkt sie ein bisschen gerührt. Wir winken uns noch lange zu.
Ich bin noch zwei Zigarettenlängen alleine und fahre weiter. Auf der Autobahn steht ein großer Autokran nebst Fahrer und wartet auf irgend etwas. Ich parke das Motorrad noch mal vor dem Hinweisschild und blicke zum Führerhaus. Er weiß sofort was gemeint ist, steigt aus und macht ein Bild von mir. Im Reiseführer stand, dass die Menschen im Süden Litauens freundlicher und weltoffener sind – sollte das stimmen ?. Jedenfalls klappt das mit dem Fotografieren hier besser als in Kaunas.

europos centras rolf jäger motorrad


Mittlerweile ist es brütend heiß geworden. Der Rückweg mit der Endurostrecke ist der gleiche, nur muss ich auf der Bundesstraße 107 in Richtung TRAKAI abbiegen.

schotterpiste baltikum


Die etwa 20 –25 km sind schnell zurückgelegt. Sehr seenreiche Gegend hier, überall Wasser zu sehen. Von weitem sieht man schon die rote Backsteinfassade der Wasserburg durch den Wald leuchten. Auf dem See davor Wassersportler aller Art. Die Straße führt direkt zur Brücke die auf die Burg (oder besser zur) führt. Ein größerer Platz, Einbahnstraße – 200 m vor der Brücke ist Schluss. Hier ist auch der Busparkplatz – jetzt mit einigen deutschen Bussen. Auf dem freien Platz hat ein Lautsprecherwagen des litauischen Radiosenders M-1 Plius, oder so ähnlich, „Stellung“ bezogen. Der Junge am Mischpult lässt die Lautsprecherbatterie auf dem Dach des LKW`s brettern was das Zeug hält: Brian Adams, Bon Jovi, AC/DC usw. usw.
Die jungen Leute (ich auch) freuen sich - die mit Kameras behängten Burgbesucher blicken etwas „irritiert“. Ich verlagere meinen Standort etwa 200 m vor den Platz auf eine kleine Brücke mit bester Aussicht auf die Burg und mache meine Bilder.

mit dem motorrad trakai litauen


Vier Jungs sind mir seit dem Busparkplatz mit ihren Fahrrädern wild strampelnd hinterher gefahren, jetzt schleichen sie um die Maschine und bestaunen sie (zu hause dreht sich kein Mensch nach so was um). Ich sage nichts. Nachdem die erste Scheu gewichen ist fragen sie mich alles mögliche über das Motorrad – allerdings in litauisch !, klar.
So kommen wir nicht weiter – aber bald merken sie, dass ich aus Deutschland komme und auch englisch spreche – aber auch ihr englisch und deutsch zusammengenommen reicht nicht für eine Unterhaltung. Den Ältesten, ca. 13 Jahre alt, bitte ich ein Bild von uns allen zu machen und zum dank fordere ich ihn auf sich auf das Motorrad zu setzten. Die drei anderen bilden sofort eine Schlange, der Kleinste – wie immer - zum Schluss !
Strahlende Bubenaugen.
Ich bedeute ihnen, dass ich ihnen die Bilder schicken will wenn ich wieder in Deutschland bin und sie sollen mir ihre Adresse aufschreiben. Jetzt ist aber was los !. Keiner hat einen Stift oder ein Blatt Papier. Aufgeregt laufen sie hin und her und beratschlagen was zu tun ist. Ein litauisches Touristenehepaar wird angesprochen - die haben einen Stift und ein Stück Papier.
Gnädige spricht englisch ! Sie kommen aus Deutschland ?, ja ; mit dem Motorrad ?, ja; das ist sehr weit !, ja; die Straßen in Polen sind schlecht – unsere in Litauen sind besser !, ja; es ist ja auch für euch Westeuropäer sehr viel billiger bei uns ?!; ich sage ja, dass Gespräch wird mir zu komisch und ich werde „knurrig“ weil es keinen Sinn macht ihr die wahren Beweggründe meiner Reise zu erklären. Ich bin froh, dass die Jungs endlich die Anschrift „aufgemalt“ haben. Sie geben den Kugelschreiber zurück und das Ehepaar verschwindet. Die Anschrift lautet:
LIETUVA
LENTVARIS 4200
TRAKU.RAI
LAUKO 19
SMELKOV ALEKSES (die Bilder habe ich ihnen mittlerweile geschickt)

 

trakai mit dem motorrad litauen


Zum Abschluss prüfen sie noch meine Handschuhe und wollen dann zum Helm übergehen, aber da ist bei mir dann Schluss. Ich soll noch einen Wheelie machen. Aber ich kann das nicht und laß` es deswegen. Ich gebe aber zu, dass ich etwas rasanter abgefahren bin als sonst.
Diese Lautsprecherwagen sind mir übrigens bereits in Kaunas vor einer Kirche aufgefallen; da war die Musik allerdings eine andere...
Es ist sehr heiß aber angenehm windig. Die Regenhose bleibt trotzdem an. Zurück zur Autobahn. Ich hatte schon erwähnt, dass es dort wenig Tankstellen aber einige BARAS und Restaurants gibt. Ich bekomme Hunger.
Auf der Hinfahrt war mir ein Restaurant aufgefallen welches schön im Wald liegt, mit Terrasse - etwa auf Höhe des „Kaunaser Meeres“.
Das Kaunaser Meer übrigens ist ein beeindruckender Stausee den man von der Autobahn aus sehen kann. Wassersportler, Segelboote (große!) Motorboote und Angler sind zu sehen. Vater würde staunen...
Ich finde das Restaurant und halte an. Beim ausziehen der Regenhose werde ich bestaunt wie im Zoo – die Jeans klebt an den Beinen. Ich bestelle mir ein Bier (ich weiß, das darf man nicht). Es ist eiskalt – das Glas beschlägt. Die Bedienung
spricht englisch was mir aber auch nicht groß weiter hilft. Ich stammle was von „Schaschlikas“ , „beef“ und Salat. Sie lacht und verschwindet. Ich bin gespannt. Ruck – zuck ist das Essen da. Erstklassiger, frischer Salat und viel. Die Hauptspeise ist Schaschlik direkt vom Grill, ein bisschen fettiger als bei uns aber sehr lecker und mehr als genug...
Bis auf die Mayo esse ich alles auf und – flutsch, wird schon wieder abgeräumt und die Rechnung liegt auf dem Tisch. Nach meinem Geschmack ein bisschen zu flott, ich hätte ja noch etwas bestellen können. Egal, ich bleibe noch eine Weile sitzen und seh` mir das Geschehen auf dem Parkplatz und der Autobahn an.
Die Fahrt „nach Hause“ ist jetzt nur noch ein Klacks ! Ich dusche, Feierabend.


Anmerkung 3


Bis zur Heimreise gab es dann noch eine Tour in den nordöstlichen Teil des Landes, der aber – weil ähnlich wie die gerade eben beschriebene Touren – keine besondere Erwähnung finden soll. Bis auf den Berg der Kreuze, wo ich allerdings ganz alleine war und deshalb ein etwas „beklommenes“ Gefühl hatte (wohl auch wegen der vielen „Sünden“ deren ich mir bewusst wurde ☺))
Samstag gehe ich noch einmal in die Innenstadt von Kaunas und besuche den Markt.
Ein echtes Muss !
Es gibt nichts, was es nicht gibt. Von außen sieht man ihm seine wirkliche Größe gar nicht an. Es geht auf dem Gehsteig ca. 20 – 25m vor dem Markt schon los. Bügeleisen, Fernseher, Radio, Militärorden und Antiquitäten werden angeboten. Es ist nicht der einzige Ein- oder Ausgang wie sich herausstellt. Es gibt, sozusagen, eine innere und eine äußere Zone in die dieser Markt unterteilt ist. In der äußeren Zone findet man offensichtlich öfter wechselnde Anbieter – immer mit „mobilen“ Ständen und im Angebot alles was gerade „In“ ist: Sonnenbrillen, CD`s, Lederwaren und Kunsthandwerk.
Im inneren Bereich gibt es „feste“ Holzbuden/Verkaufsstände. Es ist „gemütlich“ eng, zwei/drei Leute kommen gerade so aneinander vorbei. Schmuck, Uhren und Bekleidung jeder Art sind zu sehen. Im Bereich der Lebensmittel riecht es nach frischem und geräuchertem Fisch und auch Fleisch, mindestens 10 – 15 Buden. Ein Händler hat sogar einen Wasserbottich mit 20 bis 30 lebenden Fischen – die wohl bei Bedarf geschlachtet, ausgenommen, gewogen und verkauft werden.
Es riecht zu umfallen gut. Vieles geräucherte in den Wurst- und Fleischbuden, Hartwurst, salamiartig ein bisschen fett. Gemüse – zig Stände. Oft Waren aus eigener Produktion: Gurken, Tomaten, Weißkohl, Eier, Imkereiprodukte, Obst, Blumen usw. usw. Alles voll !
Der Markt „spuckt“ mich aus, irgendein Ein- oder Ausgang...

bahnhof treppen kaunas litauen


Auf der Bahnhofstreppe ruhe ich mich einen Augenblick aus und „stürze“ mich noch einmal in das Getümmel. So viele schöne Blumen – wer hat in Litauen zur Zeit Geld für Blumen ???
Aber auch: alte, abgearbeitete Männer und Frauen, Kriegsveteranen und mittellose Kinder. Hinter dem Markt: der Busbahnhof !. Fahrtziele wahrscheinlich halb` Europa.

schwan rathaus in kaunas litauen


Ich entschließe mich ein letztes Mal zum „Weißen Schwan“, dem Rathaus von Kaunas zu laufen.
In der Fußgängerzone treffe ich auf die jungen Leute die mit Gitarre und litauischen Liedern versuchen, sich ein kleines Zubrot zu verdienen. Einer jungen, hübschen Frau gebe ich ein paar Litas in ihren Hut, sie lacht, bedankt sich – spricht aber kein Wort.
Vor einem Kaufhaus kniet ein junger Bursche, vielleicht 13 Jahre alt, vor einer leeren Dose – auch ihm gebe ich etwas von meinen Litas; und an der Unterführung – kurz vor dem Rathaus – knien und sitzen wieder alte Menschen und bitten um eine Gabe: Ihnen gebe ich den Rest von meinen Münzen – immer ganz heimlich und möglichst unauffällig. Das alles hat zur Folge, dass ich mich beim Eintreffen auf dem Rathausvorplatz irgendwie beschi.... fühle.
Ich bin schon ein paar Mal um sie „rum“ geschlichen. Der netten Straßenverkäuferin mit ihrem Bernsteinschmuck. Heute soll es sein.
Für meine drei Kid`s erstehe ich Schlüsselanhänger und für meine Frau eine Brosche, ebenfalls aus Bernstein. Auf dem Rückweg kehre ich noch
einmal in dem Biergarten, den ich immer aufgesucht habe ein. Ich esse etwas und habe das Gefühl, dass die Bedienung, ein junger Mann und eine
junge Frau – ohne es eigentlich wissen zu können – merken, dass wir uns das letzte Mal sehen.
Bald darauf gehe ich in Richtung meiner Pension, ich habe keine Eile mehr in Litauen....

kaunas litauen

 

Sonntag, 4. August.

Es gilt die Heimreise vorzubereiten. Das ganze „Geraffel“ ist zu verpacken, auch die von Giedre gebügelten T-Sirts und der ganze andere Plunder. Doch einigermaßen geübt gelingt mir das in kurzer Zeit. Edmundas, der Mann von Giedre will mir helfen (der bullige Rottweiler, der schnaufend in seinem Zwinger steht offensichtlich auch), aber das mache ich am besten alleine. Ich bezahle den Rest meiner Rechnung (einen großen Teil hatte ich schon ein paar Tage vorher bezahlt und Giedre erklärt: es könnte mir ja was passieren bei meinen Ausflügen - und wie wolle sie dann an ihr Geld kommen...). Mit Giedre bespreche ich auch, dass ich morgen früh möglichst bald abreisen möchte und es ein Lunchpaket als Frühstücksersatz auch tuen würde.
In den etwa 150 m entfernten Wohnblocks hat es im Erdgeschoß einen kleinen Lebensmittelladen. So ein Krämerladen ist auch so etwas wie ein Treffpunkt für jung und alt.
Der „einfache“ Litauer kann sich keine Kneipe oder ein Restaurant leisten. Also holen sich, meist Männer, ihr Feierabendbier dort und sitzen auf den Treppen vor ihren Wohnblocks und „ratschen“. Die Kinder tragen dann das Leergut zurück und bekommen Süßigkeiten. Ich habe noch etwas litauisches Geld und investiere sie in Zigaretten. Ich gehe also hin und ein Teil der Leute kennt mich schon. Ich deute auf eine Westmarke und halte alle 10 Finger hoch – so dass die Verkäuferin bald in Ohnmacht fällt. Wir einigen uns auf eine Auswahl verschiedenster
Marken – allerdings nervt mich, dass sie mich – weil sie mich nicht verstehen – offensichtlich für einen „Russki“ halten. Ich verschwinde.
Jetzt habe ich noch 70 Litas, die reichen zum tanken. Der Ölstand ist geprüft, die Kette gefettet, morgen kann es los gehen. In der Nacht ist noch irgendwo eine Party, erst in englisch dann in litauisch (sie singen gern, die Litauer !). Irgendwie erwähnenswert, weil in Ermangelung des nötigen „Kleingeldes“ die Stadt Kaunas die Straßenbeleuchtungen (zumindest da wo ich gewohnt habe) ab 23.00 h ausschaltet und die Menschen dann halt im dunklen weiterfeiern.


Die Heimreise


Also, die Autobahn 5 bis zur Grenze, die 19 bis Augustow (Polen), die A 61 bis kurz vor Warschau, dann auf die 7 und nach Warschau auf die 8. In Breslau auf die 334 bis Lubin und dann quer die 4 bis Görlitz. Dann sind es noch etwas mehr als 600 km bis nach Hause – soviel zur Theorie.
Montag, 05. August Abfahrt 6.00 h.
11. 00 h, 312 km – 5 Stunden für 312 km !!! Eine Katastrophe. Bis zur litauisch/polnischen Grenze nur 1 Stunde, aber dann. Viele Baustellen/Ampeln. Schnitt von etwas über 60km/h. !
Bis Warschau noch über 100 km, aber die Maschine läuft wie ein Uhrwerk, wenigstens etwas. In Warschau wieder einmal verfahren – fünfspurig Richtung Flughafen. Jetzt habe ich die städtischen Grünanlagen erneut zum wenden benutzt. Raus aus der Stadt. Es fängt leicht an zu regnen. 15.45 h – 559 km ein zähes Geschäft. Die Autobahn vor und um Breslau wird renoviert (ich komme an „meinem“ Motel vorbei), mächtig viel Verkehr und ich benutze eine Auffahrt die ich von der Hinreise gar nicht kenne, ist aber egal. Auf der Strecke Breslau – Görlitz brennen sie die abgeernteten Felder ab und der Qualm zieht direkt über die Straße, die Sonne ist nur noch als milchige Scheibe zu sehen. Unter dem Helm schwitze und huste ich und das Geholpere, dass ich von der Hinreise kenne kommt noch hinzu. Es wird KEINE Übernachtung geben, habe ich beschlossen – ich fahre in einem Stück bis nach Hause. Seit einer Stunde sehe ich in den Rückspiegeln nur noch schwarze Wolken und Blitze. Am Rasthof Niederlausitz sind es etwa 1000 km und es ist 21.00h. Ich mache ein paar Minuten Pause und erst jetzt weiß ich, dass nur wenige Stunden nachdem ich das Tal der „Mulde“ durchfahren habe eine der größten Umweltkatastrophen die Deutschland je kennen lernen musste hier stattgefunden hat.
Erfurt, Bad Hersfeld und die Hinweisschilder auf Frankfurt/M. halten mich wach.


Längst spüre ich meinen Ars.. nicht mehr !. Ich fahre wie in Trance und merke nur manchmal, dass der Tacho nur noch 100 – 110 km/h anzeigt. Ich halte und tanke öfters als es sein müsste. Es ist morgens 4.30 h und auf dem Tacho stehen 1.645,3 km. Ich schleiche ins Haus, meine Frau ist wach, ich sage Hallo und schlafe ein....


Nachwort


Es tut mir (nicht) leid, dass ich für die Motorradfahrer nicht mit: Durchschnittsgeschwindigkeit, Öl- Benzinverbrauch, Pannen oder gar Unfällen dienen kann. Dazu lief die Kiste einfach zu gut und ich hatte schlichtweg auch Glück. Es waren halt zum Schluss etwa 5000 km und ich fahre schon wieder jeden Tag 90 km zur Arbeit. Ich weiß auch, dass ich vor den Litauen – Experten mit der Beschreibung aller Sehenswürdigkeiten dieses schönen Landes nicht glänzen kann. Und hier schließt sich der Kreis: es ist ein Reisebericht, nicht mehr und nicht weniger.
Es gilt „Danke“ zu sagen. Zuerst meiner Tante Regina (ja, ja, sie spricht schon litauisch, Gidre, auch wenn die Telefonverbindung nicht zustande kam). Insbesondere aber: www.litauen-info.de und meiner unbekannten Freundin Lijana, die mit großer Geduld all` meine Fragen beantwortet hat.
Der größte Dank aber gebührt meiner Frau und meinen drei Kindern die soviel Verständnis für meinen Wunsch hatten und ihn haben Wirklichkeit werden lassen. Ein kleines Danke geht auch an den Hersteller meines Motorrades.
Ich habe meinen Reservehelm im Zimmer meiner Pension „vergessen“ und Gidre einen Zettel geschrieben: please beware the Helmet.... I need a reason to come back anytime.


Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Rolf Jäger
© by rolf jaeger /06/06/2003

 

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