Auf 500 Kubik durch Litauen

 

Kalle erfuhr mit seiner Honda CB500 gemächlich das Baltikum. Mit der Fähre gings nach Lettland, dann Litauen und Estland.




Seine Erlebnisse hat Kalle fast philosophisch niedergeschrieben.

"Etwas kindisch personifiziert, stelle man sich die drei Länder als drei junge Maiden aus einem Märchen vor: Sie alle sind wunderschön, und sie alle haben vieles gemeinsam erlebt, auch furchtbares durchlitten. Doch sie haben nichts von ihrem Charme eingebüßt. Jetzt, von der Fuchtel ihres bösen Stiefvaters befreit, blühen sie wieder auf, wenn auch nunmehr die fernen reichen Verwandten nach dem rechten schauen..."

Da ich mit meiner BMW 1150RT samt riesigem Windshield, Radio und drei Koffern einigermassen verwöhnt bin, lassen Fahrer wie Kalle, die so eine grosse Tour durchs Baltikum mit einer 500 Kubik Honda CB500 ohne alle diese Annehmlichkeiten machen, mich immer etwas wie ein Weichei fühlen. Und dann gehen die auch noch Zelten.


Kalle hat auf seiner kurzen Reise durch Litauen zu Einblicken gebracht, für die ich einiges mehr an Besuchen brauchte. Sein Reisebericht ist nicht nur informativ, sondern regt auch zum Nachdenken an. Die Fähre nach Travemünde habe ich Anfang Mai 2017 auch genutzt. Eigentlich, weil ich keine Überfahrt mehr von Kiel nach Klaipeda bekommen habe (verlasse man sich nicht auf die Aussagen von DFDS). Bei mir war die Fähre aber voll. Die Ankunft in Liepaja war spät abends und ich bin nach Birzai durchgefahren. Habe mir die Strasse aber mit Rehen und Elchen geteilt. Also nicht ganz ungefährlich.

Litauen und Lettland – die beiden Schwestern: erstere, die ältere, ist ein ziemlich selbstbewusstes Bauernmädel, etwas wohlhabender, nie unfreundlich oder zickig. Zweitere, die jüngere – wesentlich ärmer als ihre quirlige Schwester, bescheiden, aber das macht sie um so liebenswürdiger. Sie ist auch diejenige, die sich irgendwie nicht völlig von ihrem Stiefvater zu lösen vermag, obwohl sie mit am meisten unter ihm gelitten hatte. Estland hingegen ist die Cousine, die mit im Haus wohnt. Kühl, etwas unnahbar, fast abweisend, aber stets korrekt. Sie scheint allerdings ihren Bezugspunkt weniger in ihrer baltischen WG denn bei ihrem großen Bruder Suomi nördlich der Ostsee zu finden.

 

Noch ein paar Zitate aus Kalles Bericht:

Sowjetisches Erbe
Die Fahrt jedoch in den etwa 4km entfernten Stadtteil hatte eher etwas mit einer Zeitreise 40 Jahre zurück gemein. Die Spuren des Sowjetimperiums auf baltischem Boden sind, wenn auch nicht mehr brühwarm, doch allgegenwärtig, anders als in der ex-DDR, wo sich dem interessierten Touristen eine solche Suche um Längen schwieriger gestaltet.
Schotterpisten
Für die kleine CB500 hingegen ist das S-Tolpern über S-Pitze S-Teine reines Gift, die Geschwindigkeit sinkt auf unter 30 km/h, und was, wenn sich einer in das Pneu bohrt? Nächste Kreuzung wird es bestimmt besser. Doch weit gefehlt, keine Kreuzungen meilenweit, und wenn, dann Schotter in alle Himmelsrichtungen. So zuckle ich dann bis Rucava dahin, voll konzentriert, schwitzend, fluchend. Keinen Blick für die Umgebung übrig habend.

Nach dem Reinfall mit den kleinen „romantischen“ Landstraßen in Lettland, die urplötzlich zu Schottermonstern mutieren, werden fortan ausschließlich die nummerierten Kraftfahrtwege benutzt, denn auch in Litauen sind unbefestigte Straßen gang und gäbe.

Blick auf die Sanddünen von der Grossen Düne bei Nidda
Doch ach, leider kann man dort nicht hin, denn dieser Ausbund an Wildheit liegt in Russland. Die Grenze verläuft kurz hinter Nidda. Ihr Anblick ist befremdlich, Wachtürme, Uniformen. Schengen ist schon ein zivilisatorischer Siebenmeilenfortschritt.

Litauisches Bier
Und ich hatte einen leichten Schädel. Von nur vier Bier und trotz reichlichem Essen! Auf dem Etikett der Bierflaschen stand, dass das Gebräu 7,2% Alkohol hatte. Oha. Fortan werde ich penibel darauf achten, leichtes Bier zu konsumieren, und in der Tat – die Vielfalt der baltischen Biersorten, eine leckerer als die andere und damit weit vom deutschen Einheitsgeschmack entfernt, kennt die Abstufung von 3,9% bis hin zu über neun Prozent. Also Augen auf beim Bierkauf!

Verkehr: 2013 war meine Maschine im Mai in Vilnius zum ersten und einzigen Mal überhitzt!
An Vilnius vorbei geht es doch nicht, alle Wege führen dahin. Und der Sonntagsrückreiseverkehr ist heftig.

Zentrum Europas
Das „Europos Centras“ bei Purnuškes, etwa 50km nördlich von Wilna, besteht aus zwei Teilen: einem coolen und einem EU-aufgeblasenen. Der coole ist ein Findling, auf dem 1989 der Mittelpunkt Europas mittels Windrose bezeichnet wurde. Diese Windrose sieht fast genau so abgeschabt und verwittert aus wie das 1000-jährige Sonnenkreuz bei Dukštos


Wikipedia hingegen vermerkt bissig, dass das alles Blödsinn sei, da es keine definierten Randpunkte Europas gebe, und alle das nur touristischer Selbstdarstellung diene. Vielleicht ist was dran – zumal das „Europazentrum“ mitten in einem Golfressort liegt.


Philosophie und Klima
Nachdenklich betrachtete daraufhin ich meinen kleinen Vorrat an Bier in ökologisch unkorrekten Dosen, wägte ab und befand ihn schlussendlich in Form und Inhalt dann doch für gut und richtig.

Deshalb ging es nach kurzem Tankstopp weiter zum Highlight des Tages, nach Visaginas, zum „Ignalinos Atominė Elektrinė“, dem Atomkraftwerk, Sehnsuchtsort aller Umweltzyniker.

 Schon der erste Anblick des schlafenden Nuklearriesen war überwältigend. Schnurgerade führte eine Straße auf das Hauptgebäude zu, welches von den beiden Reaktortürmen flankiert wurde. Als ich dann davorstand... Der menschliche Geist ist zu vielem fähig. Er entreißt der Natur ihre Geheimnisse, versucht sie zu verstehen, macht sie sich nutzbar. Und leider liegt es in der menschlichen Natur, bestenfalls nachlässig, aber meist von materieller Gier und Gier nach Macht getrieben und von sozialem Duckmäusertum gezeichnet zu sein. Deshalb hat es Tschernobyl das Dach des 4. Blocks weggesprengt, in Fukushima ist bis heute nicht klar, was da eigentlich passiert ist. Deshalb verbrannten nicht nur Hiroshima und Nagasaki, sondern auch das Bikini-Atoll und Nowaja Semlja. Die Atomenergie, als bislang faszinierendste Naturgewalt, die der Mensch nutzbar machen wollte, hat mehr sichtbares Leid als alltägliche Segnungen im kollektiven Bewusstsein der Menschheit hinterlassen. Deshalb ist „Atomkraft? Nein, danke!“ eine durchaus legitime Forderung.

Doch wenn man vor diesem Koloss steht, kann man, kann ich, nicht anders, als Hochachtung vor allen, die solch eine Hochtechnologie zum Laufen gebracht hatten, zu empfinden. Hochachtung vor Grundlagenforschung und Wissenschaft.



Politik aktuell
Die russische Propaganda trommelt über den angeblich völkerrechtswidrigen Austritt der Balten aus dem Imperium und es werden Rechnungen aufgestellt, wieviel sie Russland als UdSSR-Nachfolger für die Investitionen schulden würden.


 

Zu seiner Webseite gehts mit 500 Kubik

 

Das Foto ist von ©Kalle

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