Soldaten

Von Sönke Neitzel und Harald Welzer

Protokolle vom Kämpfe, Töten und Sterben      S. Fischer 2011

Soldaten

"Davon haben wir nichts gewusst!"             "Kein ehrbarer Soldat möchte damit etwas zu tun haben."

 

Zugegeben, das Buch: "Soldaten" hat nur am Rande mit Litauen zu tun. Die meisten der von den Briten und Amerikanern abgehörten Wehrmachtsoldaten sprechen über den Krieg, ihre Einsatzgebiete und die Gräuel, die sie gesehen haben, oder an denen sie beteiligt waren und diese Einsatzorte waren verteilt auf ganz Europa. Und vor allem Osteuropa.

"Soldaten" ist kein Schmöker, den man vor dem Schlafen liest. Das Buch hilft auch nicht aufzuklären, warum die Deutschen auf Hitler und seinen "Totalen Krieg" hereingefallen sind. Es will einfach und allein zeigen, und das sehr eindrucksvoll, was die deutschen Soldaten von ihrem Krieg hielten, was sie gesehen hatten und wie sie zu ihren eigenen Taten und denen ihrer Kameraden standen.

 Zwei Dinge macht das  Buch deutlich:

- Es gab sie nicht, die saubere Wehrmacht, die sich die deutschen Konservativen nach dem Krieg zusammengedichtet haben. Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung und der Holocaust wären ohne Wehrmacht (über die Freiwilligkeit läßt sich streiten) nicht möglich gewesen.

- Krieg lässt die Teilnehmer verrohen. Die Autoren Neitzel und Welzer machen das auch am Bespiel der US Armee in Afghanistan und Irak deutlich, wobei die Beispiele austauschbar und wohl auf jede kriegsführende Nation anwendbar sind.

 

Als Beispiel für die Gespräche unter den gefangenen Soldaten zitiere ich hier die Konversation zwischen zwei Ubootfahrern, 21 und 23 Jahre alt, wobei der 21 jährige über seine Erlebnisse beim Reichsarbeitsdienst in Litauen erzählt (anhand der genannten Opferzahlen wahrscheinlich Paneriai) (S.162):

"M: Mussten sich ausziehen bis aufs Hemd und die Weiber bis auf Schlüpfer und Hemd und dann wurden sie erschossen von der Gestapo.

Da sind sämtliche Juden umgebracht worden.

H: Im Hemde?

M: Ja.

H: Warum denn das?

Na ja, damit sie keine Sachen mit runternehmen. Die Sachen wurden aufgehoben, sauber gemacht, gestopft.

H: Verwendet, was?

M: Ja, klar.

H: (lacht)

M: Glauben Sie, wenn Sie es gesehen hätten, Ihnen wäre das Grauen gekommen. Wir haben einmal zugesehen da beim Erschießen.

H: Mit MG geschossen?

M: Mit MP [...] Und wir sind noch da gewesen, wo ein hübsches Weib erschossen wurde.

H: Schade drum.

M: Alles ratzekahl! Sie wusste ja, dass sie erschossen wird. Wir fuhren mit dem Motorrad vorbei, und da sahen wir einen Zug da, und da ruft sie auf einmal uns, da stoppen wir, fragten wir, wo sie hingehen. Meinte sie, ja sie gehen zum Erschießen. Wir haben zuerst gedacht, die macht einen Witz irgendwie. Hat sie uns so ungefähr den Weg erklärt, wo das ist. Wir fuhren hin - ist Tatsache erschossen worden.

H: Ist die denn noch in ihren Kleidern hingegangen?

M: Ja, war so fesch angezogen. Bestimmt schneidiges Mädel.

H: Wer die erschossen hat, der hat bestimmt vorbeigeschossen.

M: Kann ja keiner etwas dagegen machen. Bei dem...da schießt keiner vorbei. Die sind hingekommen, mussten sich die Ersten hinstellen, wurden sie erschossen. Da standen die da mit den MPs, da haben sie immer so kurz rauf und runter gestrichen, also einmal nach rechts und einmal nach links mit den MPs, da standen sechs Mann, da wurde so eine Reihe von -

H: Da wusste keiner, wer das Mädchen erschossen hat?

M: Ne, wussten sie nicht. Magazin angeschlagen, rechts - links - fertig! Ob sie noch leben oder nicht, bleibt egal, wo die getroffen sind, kippen sie ja nach hinten ab, fallen in eine Grube rin. Dann kam der nächste Trupp mit Asche und Chlorkalk, hat die bestreut, die da unten liegen, haben die sich rangestellt - gings weiter.

H: Die bestreuten sie? Warum denn das?

M: Weil die doch verwesen, und damit es nicht so stinkt und alles, haben sie Chlorkalk drüber gekippt.

H: Die da umgekippt sind, die da noch nicht richtig tot waren?

M: Haben Pech gehabt, die sind unten verreckt!

H: Die Weiber, die sind doch mit erschossen worden da?

M: Ja.

H: Haben Sie das gesehen, wo die hübsche Jüdin noch dabei war?

M: Nein, da waren wir nicht mehr da. Wir wussten bloß, daß sie erschossen wurde.

H: Hat die denn irgendwie was vorher gesagt? Waren Sie mit der zusammen noch einmal?

M:  Ja, wir waren ja den vorletzten Tag noch zusammen, den anderen Tag wundern wir uns, sie kommt nicht mehr. Da fuhren wir weg mit der Maschine.

H: Ja, hat die mitgearbeitet da?

M: Die hat da mitgearbeitet.

H: Straßenbau?

M: Nein, Kasernen saubergemacht bei uns. Wo wir da waren, die acht Tage sind wir in die Kaserne reingekommen, schlafen, damit wir nicht draußen-

H: Da hat sie sich auch gewiss hacken lassen noch?

M: Hacken lassen hat sie sich, aber man musste sich vorsehen, dass man nicht gekriegt wurde da. Das ist ja nichts Neues, die sind umgelegt worden die Judenweiber, dass es nicht mehr schön war.

H: Was hat sie denn gesagt so, dass sie - ?

M: Gar nichts. Ach, wir haben uns unterhalten, [...] in Göttingen war sie auf der Universität.

H: Da hat sie sich zur Hure machen lassen!

M: Ja, sie haben es nicht gemerkt, dass es eine Jüdin war, war auch ganz anständig und so. Ist eben Pech gewesen, musste mit dran glauben!

Da sind 75.000 Juden erschossen worden."

 

Das Thema Vergewaltigung und anschließendes Töten von Jüdinnen scheint ein Tabu zu sein, denn vergleichbares habe ich bisher noch nicht gelesen.

 

Als Schlusssatz möchte ich aus dem Buch noch Generalmajor Johannes Bruhn zitieren (S.199):

"Wenn Sie mich fragen: Haben wir den Sieg verdient oder nicht? Nach dem, was wir angerichtet haben, nicht. Nach dem, was wir bewusst und in Verblendung und teilweise auch im Blutrausch und sonstigen Eigenschaften vergossen haben an Menschenblut, so wie ich das jetzt sehe, haben wir die Niederlage verdient, also dieses Schicksal, obgleich ich mich damit selbst anklagen muss."

 

Kaufempfehlung!

 

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