Paulava Republik
Von Michael Pretzsch
Wenn man bei der Führung durch die Altstadt von Vilnius an diesem Haus (Domininkonu Str. /Ecke Universitäts-Str. - Domininkonu g. 18) vorbeikommt, wird etwas Besonderes erzählt, es klingt wie ein Märchen aus längst vergangenen Tagen, das ist es auch fast…
Residenz der Adelsfamilie Brzostowski
Hier residierte die Adelsfamilie Brzostowski. Und ein Mitglied dieser Familie war Pawel.
Pawel Brzostowski wurde am 30. März 1739 geboren. (Geburtsort: Mosar, Landkreis Głubok, Woiwodschaft Witebsk). Er starb am 17. November 1827 in Rukainiai (heute Vilnius).
Paweł Ksawery Brzostowski, Gründer der Republik Paulava (Bild©Wikipedia)
Sein Vater war Angestellter im Großherzogtum Litauen. Pawel studierte Theologie in Rom, wurde 1763 zum Priester geweiht und wurde Pfarrer in Turgeliai. 1767 kaufte er ein Herrenhaus in Merkine (nicht das Merkine zwischen Vilnius und Druskininkai, sondern süd-östlich von Vilnius), welches sich im heutigen Bezirk Šalčininkai befand, mit umliegendem Land von ca. 3000 ha. Hier gründete er eine Bauerngemeinschaft, die später zu einem Zwergenstaat innerhalb des Polnisch-Litauischen Doppelstaates wurde, genannt Paulava Republik.
Republik Paulava
Er beendete die Leibeigenschaft und ersetzte 1769 den Frondienst durch einen Pachtzins (der in bar oder in Form von Sachleistungen bezahlt wurde).
Nach Angaben des Historikers Professor Alfredas Bumblauskas, wurde "zu dieser Zeit [wurde] gesagt, dass es drei Republiken im Staat gab: Polen, Litauen und Paulava" [1].
Die Republik Paulawa wurde durch den Präsidenten (dem Besitzer des Herrenhauses) und durch ein Parlament verwaltet. Die Republik hatte ein Wappen, eine Flagge, ein Siegel, eine Währung, ein Gesundheitssystem und eine Polizei. 1770 wurde eine Bauernschule mit speziellen Lehrbüchern eingerichtet. Die Bauern begannen neue landwirtschaftliche Techniken anzuwenden. Sie legten Obstgärten an, züchteten mehr Tiere, trieben Handel.
Gedenktafel an den Gründer der Pavlovo Respublika Bžostovskis "Povilas Ksaveras Bžostovskis"
Der Wald konnte kostenfrei genutzt werden, ebenso war das Fischen und Jagen unentgeltlich. Die Republik Paulava wurde von einheimischen und ausländischen Adligen frequentiert. P. K. Brzostowski und seine Reformen wurden von König Stanislaw August Poniatowski unterstützt [1, 7, 9].
1777 wurde diese Republik auch vom Polnisch-Litauischen Parlament (Seimas) bestätigt. [15]
Zum Ende des 18 Jahrhunderts nahte das Ende des Polnisch-Litauischen Doppelstaates, der durch die 3. Teilung Polens, 1795, endgültig beendet wurde. Dieses beendete auch die Republik Paulawa. Herr Brzostowski verkaufte alle seine Bestände und wanderte nach Deutschland und später nach Italien aus. Nach seiner Rückkehr einige Jahre später blieb er in Turgeliai bei Paulava. Am Ende seines Lebens (1825–1827) war er Pastor in Rukainiai (heute Vilnius), wo er 1827 starb. Er wurde in der Rukainiai-Kirche beigesetzt. Diese wurde 1831 zerstört und auch der Grabstein von P. K. Brzostowski wurde zerstört, sein Grab entweiht und mit dem Erdboden gleichgemacht. Es ist nicht bekannt, wo die Überreste des Priesters ruhen [2, 11, 12, 13].
Ansichten heute
Ruinen Paulava
Paulava mit der Drohne fotografiert
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Literatur und Quellen (Literatūra ir šaltiniai)
1. Arlauskienė, Aurelija. Povilas Ksaveras Bžostovskis – Paulavos respublika / [Aurelija Arlauskienė, Lucija Jurgelevič, Ramunė Šmigelskytė-Stukienė]. – [Vilnius], 2014. – 263, [1] p.: iliustr., faks., portr. – Santr. angl., lenk. – Bibliogr.: p. 248-252. – Asmenvardžių r-klė: p. 254-256.
2. Balčiūnienė, Alina. Povilo Ksavero Bžostovskio fenomenas. – Tekstas lygiagr. liet., baltar., lenk. // Ašmenos aukštumos istoriniais keliais = Гiстарычными шляхами па Ашмянскiм узвышшы = Drogami historii po Wyżynie Oszmianskiej. – Vilnius, 2013. – P. 84-86.
3. Buchaveckas, Stanislovas. Šalčios žemė. – Vilnius, 1992, p. 245-247.
4. Jučas, Mečislovas. Bžostovskis Povilas Ksaveras. – Iliustr. // Visuotinė lietuvių enciklopedija. – Vilnius, 2003. – T. 3, p. 678.
5. Lietuvos valstybės kūrėjai XVI–XX a. pirmosios pusės portretai = Founders of the Lithuanian state: XVI–XX a. pirmosios pusės portretai. – Vilnius, 2006. – T. 1, p. 84.
6. Pavlovo Respublikos atgimimas. – Iliustr. // Vilniaus krašto savaitraštis. – 2012, spal. 11-17, p. 1, 4.
7. Rakutis, Valdas. 1769 m. kovo 10 d. Pavlovo respublikos nuostatai // Praeities pėdsakais: skiriama profesoriaus daktaro Zigmanto Kiaupos 65-mečiui. – Vilnius, 2007. – P. 389-416.
8. Vorobej, Teresa. Rukainių valstiečiai – žmonijos bičiuliui: [apie memorialinės lentos, skirtos Povilui Ksaverui Bžostovskiui, atidengimą Rukainiuose (Vilniaus r.), minima ir jam skirta paminklinė lenta, atidengta Turgeliuose]. – Iliustr. // Vilniaus krašto savaitraštis. – 2014, lapkr. 27 – gruod. 3, p. 1, 9.
9. Bartyś, Julian. Rrzeczpospolita Pawlowska na tle reform włościańskich w Polsce w XVIII wieku. – Warszawa, 1982. – 279, [1] p. – Su bibliogr.
10. Paluszkiewicz, Wioleta. Zapraszamy do naszego muzeum!: [apie Turgelių vidurinėje mokykloje veikiantį kraštotyros muziejų]. – Iliustr. // Magazyn Wileński. – 2004, Nr. 6, p. 8-9.
11. Skodlarski, Janusz. Paweł Brzostowski (1739–1827). Twórca Rrzeczypospolitej Pawłowskiej // Annales. Etyka w życiu gospodarczym. – 2009, vol. 12, Nr. 1, p. 69-78; Prieiga per internetą: <http://www.annalesonline.uni.lodz.pl/archiwum/2009/2009_01_skodlarski_69_78.pdf >.
12. Szostakowski, Józef. Wilno i okolice. Przewodnik literacki. – Wilno, 2012, p. 52-53, 82.
13. Ślusarska, Magdalena. Paweł Ksawery Brzostowski. – Warszawa, 2000. – 103 p.
14. http://www.vilnijosvartai.lt/personalijos/povilas-ksaveras-bzostovskis-pawel-ksawery-brzostowski/ - Olga Kijakovskaja (Šalčininkų SVB), 2016
15. http://www.bzostovskio.salcininkai.lm.lt/globejas/
Foto: https://en.wikipedia.org/wiki/Pawe%C5%82_Ksawery_Brzostowski
Fotos: Michael Pretzsch (Weitere Fotos: https://www.flickr.com/photos/7802077@N05/albums/72157707993882535)
Michael Pretzsch hat die Liebe nach Vilnius gezogen, Heute ist er als Fotograf und Reiseführer in Litauens Hauptstadt tätig.
Anmerkung:
Laut dem online Portal Delfi.lt, war die Paulava-Republik eine der radikalsten bäuerlichen Reformen der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts im litauisch-polnischen Staat.
Wie Michael eindrucksvoll schildert, erinnern heute nur noch Fragmente des Herrenhauses, der Ställe und anderer Gebäude daran, aber in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts war es der Ort, an dem die radikalste und fortschrittlichste Bauernreform in der Republik der zwei Nationen (Litauen-Polen) durchgeführt wurde. Die Republik Paulava als die einstige Wiege der Demokratie und der hellen Ideen. Es war ein Miniaturstaat innerhalb eines Staates im damaligen Europa.
Paulavas Verfassung war vom litauischen und polnischen Sejm gebilligt worden. Es gab eine Verfassung, Geld, Armee, Flagge, Wappen, Siegel, Regierungsorgane, Bildung, Handel usw., bei einer Größe von 3. 040 Hektar und einer Bevölkerung von etwa 800 Einwohnern.
Paweł Ksawery Brzostowski, der Präsident der Republik, hob die Leibeigenschaft auf und gestattete den Bauern die freie Verwaltung ihres Besitzes, ihres Handels und ihres Handwerks, gewährte ihnen persönliche Freiheit und richtete eine Schule ein. Die Einnahmen des Guts verdoppelten sich bis 1784.
Die Dorfbewohner wurden im Lesen, Schreiben, Rechnen und in verschiedenen Handwerken unterrichtet.
Innerhalb weniger Jahre blühte die Republik auf, die Felder waren schön bestellt und brachten höhere Erträge, und die aufgeklärten und gut gekleideten Bauern gingen eifrig an die Arbeit und brachten ihre Ländereien in Ordnung.
Im Jahr 2012 wurde in der "Paulava Republik" aufgeräumt.
Neue Wege und Parkplätze wurden angelegt und das wuchernde Grün reduziert. Interessierte konnten Paulava nun wieder besuchen.
Durch mein Interesse an litauischen Herrenhäusern gab es interessante Gespräche mit Litauern über die Adligen, die üblicherweise in den Herrenhäusern wohnten. Woher bekamen sie, in einer äußerst ärmlichen Umgebung, wir erinnern uns wie die Litauer in den Dörfern wohnten, an ihr Geld, um so in Saus und Braus zu leben?
Dorf im I. Weltkrieg
Während ich die Leibeigenschaft und die Ausbeutung der Bauern schlimm finde, fanden meine litauischen Gesprächspartner durchaus positive Seiten an der Leibeigenschaft. Sicherheit für die Bauern, Krankenhäuser, Arbeit. Man musste nicht selbst denken. Fast wie in der DDR.
Scheinbar hielten sie die Bauern für zu doof, um selbst zu überleben.
Ein Beweis dagegen ist die Republik Paulava. Als die Leibeigenschaft von Brzostowski abgeschafft wurde, und die Bauern selbständig arbeiten durften, blühte das Land auf.
Leider dauerte das Experiment nur kurz. In Russland dagegen gab es die Leibeigenschaft noch bis 1861 (Zar Alexander II. sah in der Leibeigenschaft einer der Gründe der russischen Rückständigkeit im Vergleich mit Europa). Andreas Kuck
Auch Tomas Venclova erwähnt Brzostowski (Vilnius S.122):
"Erschüttert von der Armut der Bauern, gründete Pawel Ksawery Brzostowski auf seinem Gut bei Vilnius eine von Bauern selbst verwaltete Gemeinde mit eigener Verfassung, einem Zwei-Kammer-Parlament, einer eigenen Währung, einem Heer und - was am wichtigsten war - einer Schule."
Und noch ein Drohnenvideo:
Noch ausführlicher, für alle die es nicht nach Paulava (Merkine), Litauen schaffen: