Deutsche über Litauen 

 

Vydunas (Wilhelm Storost)

In seinem Buch "700 Jahre Deutsch-Litauischer Beziehungen" aus dem Jahre 1932, hat der Deutsch-Litauische Philosoph und Universalgelehrte Wilhelm Storost, Künstlername Vydunas, einige deutsche Stimmen über Deutschland und über Litauen gesammelt und zum Vergleich hintereinander gestellt. Bei all diesen positiven Meinungen deutscher Geistesgrößen über Litauen, meint er rhetorisch, sei der damals gebräuchliche Ausdruck "Dummer Litauer!" unverständlich. (S.90)

 

Wilhelm Storost "Der Litauer"

1916  S.61

Sein Typus.

Auch die litauische Nation ist nicht frei von fremdem Blut. Daher ist der Litauer in seiner äußeren Erscheinung häufig sehr verschieden. Und die Berichte der zugereisten Schriftsteller stimmen darum durchaus nicht überein. Da wird von plumpen, häßlichen Erscheinungen und wieder von anmutigen hohen Gestalten gesprochen. Besonders schlecht sind die Litauerinnen während des Krieges von den Berichterstattern beurteilt worden. Wenn man aber weiß, was die Engländer seit je über die plumpe Erscheinung der deutschen Frau geschwatzt haben, dann lächelt man auch über dasselbe Urteil, das nun deutsche Schriftsteller über Litauerinnen fällen. Schließlich kann man ja auch noch an Rubens Fettpestalten denken. Aber dieser Vlame mag ja einen besonderen Geschmack gehabt haben.

Der eigentliche litauische Typus ist eine schlanke, mittel und übermittelgroße Figur. Das Auge ist blau, das Haar blond, die Hautfarbe recht frisch und gesund. Es gibt hierfür eine Menge von Ausdrücken im Litauischen. Ganz besonders fällt die Gesichtsfarbe der jungen Litauerin auf. Sie ist sehr zart und weiß mit schönem rosigen Ton auf den Wangen. Die Lippen sind ungewöhnlich frisch. All diese Pracht hält sich bei gesunden und mäßigen Frauen, bei verheirateten und unverheirateten bis in ein reiferes Alter. Bei leidenschaftlichen und kranken ist sie natürlich bald geschwunden. Die zarte weiße Haut haben auch Personen mit braunen Augen und dunkelem Haar. Und der Fremde ist sehr oft geneigt, an den Gebrauch von Schminke zu glauben, während die echte Litauerin sich statt dessen mehr auf frische Luft, auf klares Wasser und ihr gesundes, keusches Blut verläßt. Neben blauen Augen gibt es auch braune und gelbe. Ja sehr häufig ist die Farbe nicht recht zu bestimmen, da sie vom Grau zum Grünlichen und Gelblichen hinüberschimmert. Das braune Auge spiegelt sich sehr oft in der Farbe des helleren Bernsteins. Das Gesicht ist länglich mit breiter, gewölbter Stirn und einem oft sehr kleinen, schmalen unteren Gesichtsteil, dem gegenüber die Wangenbeine manchmal etwas stärker hervortreten. Doch muß man darin wohl auch einen mongolischen Einschlag sehen. Auffällig ist das sich häufig zeigende klassische Profil mit der geraden Linie von der Stirn zur Nase.

Die Gliedmaßen sind lang und schlank, der Fuß hochgespannt. Daher schreitet der Litauer gut und leicht. In seiner Sprache hat er hierfür eine ganze Menge von Ausdrücken. Auch muß die angeborene Geschicklichkeit zu allerlei Handwerk irgendwie im Glieder- und Muskelbau gegeben sein, sonst wäre der Litauer hiermit nicht ins Sprichwort gekommen.

Es ist selbstverständlich, daß der hier angedeutete Typus nicht ohne weiteres dem Beobachter auffällt. Ein Volk, das von anderen umdrängt wird mit der Erwartung, daß es seine Existenz aufgebe, zeigt stets Verfallsmerkmale, besonders wenn es in seiner wirtschaftlichen Betätigung beengt ist, wie das in Groß-Litauen unter russischer Herrschaft sehr häufig der Fall war. Man denke an die russischen Kolonisierungsversuche. Die politischen Verfolgungen haben sogar einen recht starken nachteiligen Einfluß auf die Gesundheit, besonders der gebildeten Schicht gemacht. Immerhin hat der hier beschriebene Typus zuallererst ein Recht, für den litauischen zu gelten.

Gemüt und Verstand.

Es ist nicht gerade nötig, länger unter Litauern zu weilen, um beides kennen zu lernen. Man muß nur zu beobachten verstehen. Dann fällt bald auf, wie zartfühlend der Litauer in seinen Worten und in seinem Verhalten ist. Niemals kann er so derb werden, wie z. B. der Deutsche derselben Gesellschafts- und Bildungsschicht. (Zweck, Litauen S. 150.) In seiner Sprache hat er für Derbheiten kein Ausdrucksmittel. Aber nicht etwa, weil die Sprache zu arm ist. Für das Gegenteil, nämlich um zartes Empfinden kundzugeben, besitzt das Litauische außerordentlich viele Möglichkeiten. Die Zahl der Koseformen ist ganz auffallend groß.

Namentlich aus dem Verhältnis des Litauers zur Natur kann man sein Gemüt erkennen. In allem Lebendigen sieht er etwas, das dem Menschen wesensverwandt ist. Und er richtet sich danach. In seinen Liedern spricht er immer wieder von den Bäumen, wie von seinen Brüdern. Der Kuckucksruf ist ihm ein Gruß der fernen Lieben, wenn er nicht gar annimmt, daß mit dem heranschwebenden Vöglein sich das Mütterlein oder Schwesterlein selber verkündigt.

Unter den Tieren ist es vor allem das Pferd, dem gegenüber sein Gemüt sich kundgibt. Der ist gewiß kein Litauer, der sein Tier quält, allenfalls ein entarteter. Die Vorliebe für das Pferd ist ihm wohl schon angeboren. Sowohl bei litauischen Knaben als auch bei Mädchen zeigt sich, wie gern sie dieses Tier haben. Und seitens mancher Leute will man es den Pferden gar ansehen, ob sie von Litauern oder von anderen gezogen und gepflegt worden sind. An litauischen Pferden sei zu merken, daß sie dem Menschen nicht bloß Arbeitskräfte, sondern Freunde gewesen sind. Sie machten den Eindruck, als ob sie gelernt hätten mit dem Menschen zu leiden und sich mit ihm zu freuen.

Besonders lebendig ist dem Litauer der Gedanke, daß die Natur zwischen den Menschen vermittelt, an ihren Leiden und Freuden Anteil nimmt. So klagen mit ihm Wald und Hain. So freuen sich mit ihm Blumen und Sonnenstrahlen. So geleitet ihn tröstend der Sternenschein.

All das deutet auf eine besonders tiefe Empfänglichkeit des Gemütes hin. In der Tat kann sich der Litauer an einer schönen Landschaft, am Meer, an Seen und Höhen nicht satt sehen. Und erst der Wald! Da scheint ihm die Gegenwart des Heiligsten fühlbar zu sein. Nirgends ist der Litauer so voll innerer Feierlichkeit wie im Walde. Darum liebt er es auch, sein Haus und seinen Garten mit Wald zu umgeben. Die praktischen Bedürfnisse sind ihm nie so wichtig. Darum kommt er in seinen Liedern und seinen Sagen immer wieder auf den Wald zurück.

An der Zartheit des Gemüts und seiner Empfänglichkeit mißt er gar die Würde des Menschen. Trotzdem der Litauer allen Menschen mit gleicher Unbefangenheit entgegentritt, macht er doch sogar unter seinen Volksgenossen einen Unterschied. Doch handelt es sich da nicht um die bäuerliche Einschätzung nach dem Besitz, sondern um diejenige nach der inneren Vornehmheit, die an dem Benehmen und an dem Ausdruck gemessen wird. Schweigend und oft mit Verachtung wendet sich der Litauer von solch einem Menschen, der sich niedrig und gemein erwiesen hat. Und nur manchmal fällt das Wort von der Mietsnatur, das aber ziemlich allgemein bekannt ist. Wüßte mancher hochgestellte Mann, wie richtig er von einem einfachen Litauer nach seinem inneren Werte beurteilt wird, er würde bei unredlichen, unwürdigen Handlungen erröten, falls er des Ehrgefühls noch fähig wäre.

Man könnte fast sagen, daß die Litauer der gekennzeichneten Art eine Schicht bilden, die den Anspruch erhebt, das eigentliche Litauertum zu vertreten. Es sei aber ausdrücklich gesagt, daß es sich dabei nicht um Besitz handelt. Höchstens kommt noch das Alter der Familie in Betracht, das oft mehrere Jahrhunderte hindurch verfolgt wird. Vielleicht hat man in der hier angedeuteten Gesinnung und Menschenbeurteilung auch eine alte Überlieferung des freien Standes gegenüber den Hörigen zu sehen.

Ein Mangel haftet dieser Art Menschen einzuschätzen allerdings an. Bei vorschnellem Urteil wird in der Zartheit des Gemüts der ganze Wert des Menschen gesehen. Und so kommt der Litauer oft zu einer falschen Würdigung anderer Nationen. Die oft unliebenswürdige, zuweilen rauhe Art des Deutschen wird als Zeichen eines niedriger Stehenden, der verachtet werden müßte, betrachtet. So erklärt sich die manchmal vorhandene, scheinbar instinktive Abneigung des Litauers gegenüber dem Deutschen, die erst dann schwindet, wenn ersterer den wahren Wert des Deutschtums zu erfassen gelernt hat. Der historische Gegensatz kommt bei jener Abneigung erst in zweiter Linie in Betracht.

Ein anderes Merkmal des Litauers ist das Gleichgewicht seines Gemüts. Man könnte es fast ein harmonisches nennen. Was auch über ihn kommen mag, er läßt sich nie erdrücken. Doch ist er dem gegenüber, was das Leben bringt, nicht etwa gleichgültig. Dazu ist sein Gemüt viel zu empfänglich. Es eignet ihm aber eine ungegewöhnlich starke Elastizität und Schwungkraft. Was unvermeidlich ist, wird getragen. Und dann gehts mit neuem Mute dem Neuen entgegen. Der Litauer strebt unwillkürlich nach einer Beherrschung der verschiedenen Lebensumstände. Er will ein Gemüt voll Harmonie.

Am deutlichsten zeigt sich das dann, wenn es gilt, etwas Schwieriges zu bewältigen. Die Spannung, in die das Gemüt dann versetzt wird, löst sich in sehr charakteristischer Weise aus. Es ist gleich, was dem Litauer entgegentritt, eine schwere Arbeit, Gefahr oder Leid, er ist mit der steigenden Schwierigkeit nur um so mehr geneigt, allem mit Heiterkeit, mit Scherzen und Witzen zu begegnen, die bei unangenehmen Anlässen sehr leicht zu Selbstverspottung ausarten können.

Ganz besonders interessant ist es, unter Litauern zu sein, wenn sie eine schwere Arbeit zu leisten haben. Je mehr Anstrengung sie verlangt, um so hurtiger und heiterer werden die Worte. Lind Träge und Unbeholfene, allerdings auch Schwächliche, deren Kraft den Anstrengungen nicht gewachsen ist, sind oft sogar ein Ziel rücksichtslosen Spottes.

All das setzt natürlich auch einen guten, scharfen Verstand voraus. Und der ist seit jeher dem Litauer nachgerühmt. Ja, es muß im allgemeinen von den Litauern wie von einer auffallend intelligenten Nation gesprochen werden. Daß diese Tatsache ohne Wirkung im Kulturleben Europas geblieben ist, erklärt sich aus der verhältnismäßig kleinen Zahl der Zugehörigen dieses Volkes, aus dem Mangel an einem geschlossenen Volksorganismus, der zur Entfaltung seiner Innenkräfte durchaus notwendig ist, und endlich und hauptsächlich daraus, daß die litauische Intelligenz fortwährend von anderen Nationen aufgesogen wurde, und dort doch nicht die ganze Anlage zur Reife bringen konnte. Man lese aber eine Sammlung von litauischen Sprichwörtern und Redensarten, man vertiefe sich in litauische Märchen und Volkserzählungen, und man wird nicht umhin können, sich des Geistes und Scharfsinnes in ihnen zu freuen. Auch die Fülle von Wörtern in der litauischen Sprache, die sich auf die Tätigkeit des Intellekts beziehen, beweist, wie rege er ist und wie weit er greift.

Beides nun, Gemüt und Verstand, steht sicher in engem Zusammenhang mit der physischen Beschaffenheit des Menschen. Erfreut er sich der Gesundheit und Frische, so muß auch das Gemüt harmonisch, der Intellekt klar und scharf sein. Umgekehrt aber wirkt das Gemüt auch förderlich auf den Körper und die Erkenntniskräfte. So darf wohl gesagt werden, daß das Naturell des Litauers eine ungewöhnliche gute Grundlage für ein höheres, geistiges Leben bietet.

Charakter.

Sehr oft faßt man unter dem Begriffe des Charakters alles Mögliche und Unmögliche zusammen. Dann kann natürlich alles behauptet oder bestritten werden. Zunächst müßte man aber wenigstens das berücksichtigen, daß die Eigenschaften eines Volkes durchaus nichts Konstantes sind, das durch die Zeitalter von Geschlecht zu Geschlecht dasselbe bleibt. Daher ist es durchaus irrig, Zitate aus dem Geschreibsel von Leuten früherer Jahrhunderte bloß anzuführen, um sagen zu können: Dies ist der Charakter des Volkes.

Es kommt auch sehr darauf an, wer es ist, der da schreibt, und aus welchem Beweggrund er das tut. 

...

Ähnliches muß von dem gelten, was christliche Bekehrer über die Litauer sagen. Sie wollen offenbar beweisen, wie sehr jene des Christentums bedürfen. Und Eroberer möchten zu gern ihr Werk als erstklassiges Kulturgeschenk an die Unterworfenen preisen. So geht es bis in unsere Gegenwart. Sogar die Russen vermeinten mit ihren Kosaken durch den Einfall in Ostpreußen den dort Wohnenden etwas zu bringen, das sie in irgend einem Sinne besser stellen würde.

Allerdings kann man aus dem Vergleich der Urteile aus verschiedener Zeit über die Art der Litauer etwas herauslesen, das sich zu allen Zeiten als dasselbe erwiesen hat. Aber die Urteile tragen zu deutlich das Merkmal der Einseitigkeit. Und darin haben wir allerdings etwas, das durch die Jahrhunderte hindurch wirklich konstant geblieben ist, nämlich die mangelhafte Kenntnis der Art der Litauer und die offenkundige Absicht, die Litauer in dem denkbar schlechtesten Lichte erscheinen zu lassen. Die wenigen Berichte, bei denen dieses gleichbleibende Merkmal nicht zu finden ist, wissen fast nur Gutes zu sagen, so daß sie unglaubwürdig erscheinen.

Daß die Art des Volkes durch Jahrhunderte hindurch dieselbe bleibe, verbietet schon das wechselnde Geschick desselben. Die ganze Umwelt, die Lebensbedingungen des einzelnen und des ganzen Volkes, die sozialen Beziehungen innerhalb desselben und diejenigen zu anderen Nationen werden fortwährend anders. Von diesen Änderungen entsteht ein Reflex im Menschen, so daß sich entsprechende Merkmale bilden. Und die Geschichte Litauens ist vielleicht reicher an den verschiedensten Wechelfällen, als die manches anderen kleinen Volkes in einem Zeitraum von etwa 500 Jahren.

Nur die Natur des Landes ist seit sehr langer Zeit fast dieselbe geblieben, ln ihr gibt es vielleicht seit Jahrtausenden kaum merkliche Änderungen. Darum mögen Typus und Naturell des Litauers auch dieselben geblieben sein, wie sie vor langer Zeit waren, abgesehen davon, daß der Zuschuß fremden Blutes kleine Unterschiede geschaffen hat.

All dies trifft aber noch nicht geradezu den Charakter des Menschen. Um den zu erkennen, müssen wir in die Sphäre des menschlichen Willens dringen. Es gilt, auf das dem Menschen zugrunde liegende aktive Prinzip zu achten, das nicht nur der Umwelt, sondern auch dem Naturell des Menschen bestimmend gegenübertritt und so die Art und Eigentümlichkeit des Menschen schafft. Wenn das immer im Auge behalten wird, dann kann der Charakter eines Menschen einigermaßen zutreffend dargestellt werden. Im Charakter müßte die Kraft erfaßt werden, mit der der Mensch ins Leben hineingreift und ihm sein Gepräge aufdrückt.

Den Charakter eines ganzen Volkes wird man darum am besten in Momenten erkennen, in welchen dasselbe in seiner Gesamtheit zu einer grossen Wirkung auf seine Umwelt gezwungen wird. Der große Krieg der Gegenwart bietet zu einer Beobachtung darüber wohl Gelegenheit. Nur ist in Betracht zu ziehen, daß die großen kriegsführenden Nationen ohne Ausnahme in größerem oder geringeren Grade unter Suggestionen stehen und sich äußern. Es liegt auf allen eine Art Einschränkung des freien Willens, die nur einseitige Kundgebungen zuläßt. Dabei ist durchaus nicht bloß an die Zensur zu denken, die überall geübt wird, sondern an den Gemütszustand, in welchem sich Europa und die unter europäischem Einflüsse stehende Welt befindet. Immerhin hat man es mit mehr oder weniger einheitlichem Wollen ganzer Nationen zu tun.

Für Litauen hat es eine solche Zeit nie gegeben, wenns nicht die Gegenwart wird. Während derjenigen seiner Selbständigkeit waren es doch wie in jenen Zeiten überhaupt nur die herrschenden Stände, welche für die Sache des Vaterlandes eintraten. Von einem Volkswillen konnte demnach kaum die Rede sein. Er hat sich erst allmählich seit der Union mit Polen und seit der Herrschaft Rußlands im Gegensatz zu beiden entwickelt.

Vom litauischen Charakter kann also nur auf grund von tatsächlichen Beobachtungen und Erfahrungen und im Hinblick auf hervorragende Männer der Geschichte und hochentwickelte reife Menschen der Gegenwart gesprochen werden. Denn, um es noch zu sagen, den positiven Wert eines Menschen, das heißt, seinen Charakter, muß man nicht in der unentwickelten, sondern in der gereiften Individualität suchen. Und es gehört wirklich ein ganz überfließendes Maß von Naivität dazu, in jedem beliebigen Exemplar von Litauer, in dem nichts anderes als der bloße Reflex der Umwelt wirksam ist, den Nationalcharakter erkennen zu wollen, wie das immer wieder versucht worden ist.

In der vorliegenden Schrift sind bereits Hinweise auf den litauischen Charakter gemacht worden. Auch sie selber kann manches über ihn sagen. So sollen denn nur noch einige wesentliche Züge besonders hervorgehoben werden.

Seit jeher ist schon von anderen auf eines hingewiesen. Das ist die Offenheit und Geradheit der Litauer. Man sieht sie beinahe schon seiner äußeren Haltung an. Der Litauer tritt dem Herrn wie dem Bettler in gleicher Weise entgegen. Der Stand macht in seinen Augen keinen großen Unterschied unter den Menschen. Damit zeigt der Litauer aber auch, daß er seine eigene Würde sehr lebendig empfindet.

Dies erweist sich auch in seinen Handlungen. Wenn der Litauer etwas verspricht, so hält er das auch. Was er als Hausherr oder Vater anordnet, das ist mit wenigen Worten, aber dann endgültig abgetan. Es gibt dafür im Litauischen eine allgemein bekannte Redensart: gesagt wie mit der Axt abgehauen. Daher ist das Versprechen des Litauers absolut vertrauenswürdig. Noch bis zu dieser Stunde leihen Litauer einander größere Summen auf das bloße Wort hin. Nur wo eine Nachlaßfrage entstehen könnte, wird ein Schriftstück aufgesetzt.

Trotz dieses Würdegefühls, von anderem Standpunkte aus gesagt: Wegen desselben ist der Litauer sehr dienstbereit und zuvorkommend. Er drängt sich aber nicht auf; doch springt er rasch zu, wo es nötig ist. Daß irgend welche Arbeit erniedrigen könnte, fällt ihm gar nicht ein. Daher nehmen sogar Töchter von begüterten Litauern Dienste an, ohne an das in mancher Augen Unwürdige ihrer neuen Stellung zu denken. Allerdings treten sie ihrer Herrschaft auch sehr freimütig entgegen. Und oft ist manche geneigt gewesen, dies als Naivität aufzufassen, besonders unter der Wirkung des allgemein herrschenden Gedankens, daß der Litauer zu einer minderwertigen Nation gehöre. Wer aber die in Betracht kommenden Personen beobachtet, ist erstaunt über die ungeheuer mangelhafte Menschen- und Selbsteinschätzung, die sich in jenem Gedanken offenbart.

Wenn der Litauer einen Dienst übernimmt, so ist er durchaus zuverlässig. Das weiß die preußische Verwaltung sehr gut, und sie handelt auch danach. Besonders dient er gern, wenn er denjenigen, für den er sich einsetzt, auch als Menschen achten kann. Dies ist aber das unbedingte Erfordernis seines Fleißes, seiner Treue und Tatkraft. Andernfalls kann der Litauer unzuverlässig sein, nicht etwa aus Nachlässigkeit, sondern mit voller Absicht, weil er damit seiner Verachtung Ausdruck geben will.

Es wird dem Litauer nachgerühmt, daß er einer Behörde gegenüber ehrfürchtig sei. Das trifft zu. Aber es ist ebenso richtig, daß er sie oft mit seinem ganzen Verhalten völlig ignoriert, daß er sie als etwas hinnimmt, was in der Fehlerhaftigkeit der Menschen begründet, aber eigentlich seiner unwürdig ist. Wenn nämlich die Personen der Behörde Menschen von zweifelhaftem moralischem Werte sind, dann kommt er sehr oft zu Urteilen, daß es eine Sorte von Menschen gibt, die durchaus andere regieren möchten, ohne dazu auch nur im entferntesten würdig genug zu sein. Und er entschuldigt dann das wichtigtuende Bemühen mancher Herren wie etwa einen wenn auch unbequemen Sport halbwüchsiger Jungen.

Dieser Zug ist aber nicht etwa auf eine mangelhafte Einsicht in die Bedeutung einer staatlichen Organisation zurückzuführen, sondern auf das eigene Würdegefühl und die damit zusammenhängende Neigung, selbständig und selbstverantwortlich zu handeln. Trotz der politischen Abhängigkeit, in der der Litauer nun seit Jahrhunderderten gelebt hat, ist ihm ein gewisses Herrenbewußtsein nicht verloren gegangen. Allerdings hat dasselbe nichts zu tun mit dem Anspruch, jeden andern zu seinem Sklaven zu machen. Es ist vielmehr das Gefühl rein individueller Würde. Damit verbindet sich auch ein anderer Charakterzug. Der Litauer neigt vielleicht mehr als der Angehörige einer anderen Nation zur Abgeschiedenheit. Er will für sich sein. Einsamkeit ist für ihn eine Art von Zuflucht. Daher der frühere atomistische Zustand im litauischen Nationalleben. Daher der Mangel an Zusammenschluß, der sich noch heute zeigt, trotzdem die Not der letzten Jahrzehnte hier geradezu Wunder gewirkt hat.

Darum ist der Litauer auch immer sehr zurückhaltend. Man könnte fast von Bescheidenheit sprechen. Sobald er aber einer Unverschämtheit begegnet, ist er ungewöhnlich stolz. Doch wartet er meist eine geraume Weile, bevor er dementsprechend handelt. So zeigt er sich auch schon im Reden. Die litauische Sprache setzt eigentlich eine beredte Nation voraus. Und doch hält der Litauer mit seiner Sprache sehr zurück, wenn er mit Menschen zusammentrifft, die ihm fremd sind. Er sucht dann gewissermaßen herauszufühlen, welches Wertes sein Gegenüber ist. Auch ist die litauische Art zu reden, wie bekannt, eine sehr knappe. Wo es sich nur um Fragen und Antworten handelt, fallen meistens nur einzelne Worte. Wenn aber ein Gegenstand besprochen wird, der für den Litauer Wert hat, so mischt er sich schließlich auch in die Unterhaltung. Anfangs macht er nur einzelne Bemerkungen, später gelangt er schon zu einer Darlegung seiner Meinung, und schließlich kann es bei ihm sogar zu einem überströmenden Ergüsse kommen. Dann aber bricht er auch wieder ab und sinkt zurück in seine stille Betrachtung.

Ein sehr auffälliger Zug des Litauers ist seine Kühnheit. Man kann die immer wieder beobachten. Es ist fast etwas Alltägliches, wenn Jünglinge oder Jungfrauen bei starkem Eisgänge und starker Strömung in den Kahn steigen, um in irgend einer dringenden Angelegenheit über den Fluß zu setzen. Diese Kühnheit hat sich in der Geschichte und in historischen Momenten immer wieder gezeigt. Beispiele davon erzählen die Geschichtsschreiber der Polen und der Litauer. Und Beispiele dafür hat es bis in die jüngste Zeit gegeben, wo es galt, der russischen Gewaltherrschaft zu begegnen.

Mit dieser Kühnheit verbindet sich eine Festigkeit und Ausdauer, die durch nichts zu ermüden ist. Hat sich der Litauer einmal einer Sache gewidmet, so ist er davon nicht mehr abzubringen. Die Litauer sprechen mit Bezug hierauf von der eisernen Natur, die dem Litauer eigen sei, und meinen damit seinen unbeugsamen Willen, wenn er einmal einen Entschluß gefaßt hat. Wo nun Menschen mit entgegengesetztem Streben Zusammenstößen, gibt es natürlich Konflikte. Die litauische Geschichte weiß von vielen Fällen zu berichten, die zu einem erschütternden Ende geführt haben.

Man könnte diese Festigkeit des Willens auch als Halsstarrigkeit ansehen mit allen Übeln Begleiterscheinungen, die sich besonders im Bauernstände in gerichtlichen Prozessen zeigt. Doch muß hier wohl beachtet werden, daß das Litauische nicht im Streit um den Pfennig liegt, sondern um die Behauptung der eigenen Würde, der eigenen Absichten.

Zum Charakter des Litauers gehört durchaus, daß ihm die eigene Einsicht, der eigene Entschluß über allen Geldwert geht. Für das von ihm für richtig und gut erkannte, scheut er kein Opfer. Was er verehrt und wen er verehrt, dem gibt er sich völlig hin. Wird er enttäuscht, so rächt er sich — nicht. Er wendet sich wie beschämt, vielleicht auch mit Verachtung ab. Beschämt um des Unwertes des Gegenstandes seiner Verehrung willen.

Wiehert hat in einer seiner Erzählungen diesen litauischen Zug nicht ungeschickt benutzt. Er läßt den um sein Bestes Betrogenen, den Verführer seiner Geliebten nicht niederschießen, trotzdem bloß nötig ist loszudrücken, sondern läßt ihn sich selber den Tod geben

Das kommt aber bei den Litauern glücklicherweise nicht oft vor. [Laut Wikipedia ist Litauen an 7. Stelle von 182 Ländern] Sie sehen wohl in einer solchen Handlung keine Lösung der Konflikte. Wahrscheinlich fühlen sie innerlich den kühnen Drang, mit allen Enttäuschungen des Lebens fertig zu werden. Abgesehen davon, daß diese uralte Nation noch so jung ist, daß ihr solche Degenerationserscheinungen bisher fremd geblieben sind.

Fast unvereinbar mit der Unbeugsamkeit des Willens erscheint die Bereitwilligkeit des Litauers, zu verzeihen. Und doch kann sie sehr oft beobachtet werden. Dabei macht der Litauer nicht viel Worte. Und dem gegenüber, den er verachtet, schweigt er ganz und verzeiht durch eine bloße Gebärde. Wahrscheinlich ist dieser Zug mitbestimmt durch das feinempfindende Gemüt.

Auch die Langmut und Vertrauensseligkeit sind wohl daraus zu erklären. Diese Züge sind an geschichtlichen Größen sehr oft zu bemerken. So ist Kenstutis in die Hände Jagailas gefallen. So verlor Vytautas seine große Schlacht gegen die Tataren. Und gerade dieser Umstand wurde sogar für die ganze weitere Geschichte Litauens verhängnisvoll. Er führte zu dem Vertrag, der die spätere Union Litauens mit Polen anbahnte. Es ließen sich noch andere Züge des litauischen Charakters aufweisen. Doch treten diese Züge weniger deutlich hervor. Verschiedene Einflüsse machten sie verblassen oder verkehrten sie in Mängel.

Auch die erwähnten Züge sind nicht immer in ungebrochener Reinheit erkenntlich. Begünstigt werden sie allerdings oft durch eine ungewöhnlich natürliche Auffassung des Lebens und seiner Forderungen. Nichts Natürliches erscheint dem Litauer schändlich, noch viel weniger sündhaft. Wohl aber verachtet er Scham- und Zuchtlosigkeit. In seinen Volksliedern gibt es keine Zoten, und in Litauen findet man nicht die anderswo häufigen Schmierereien an Zäunen und Wänden, die auf Sexuelles deuten sollen.

In hemmendem Sinne jedoch hat auf den litauischen Charakter die Weltanschauung gewirkt, die dem Litauer aufgezwungen ist. Bei vielen ist aus der Zurückhaltung eine Resignation geworden, besonders mit Bezug auf das Geschick ihrer Nationalität. Ganze Kreise sind davon erfaßt. Sie hegen nur den Wunsch, endlich zu den Vätern versammelt zu sein.

Sehr verhängnisvoll ist natürlich für den Charakter der Litauer die Berührung mit einem Volke höherer materieller Kultur gewesen. Meistens wird ja gleichzeitig mit der Vermittelung dieser Kultur die Verachtung des litauischen Volkstums gepredigt. Das geschieht schon Kindern gegenüber. Da verwandeln sich dann die edlen Anlagen oft in ihr Gegenteil. Und nun zeigt sich etwas sehr Betrübliches. Nachdem der Litauer gemein gemacht worden ist, wird er um dieser ihm geschaffenen Art willen verachtet. Oberflächliche Beobachter sprechen gar von diesen anerzogenen Fehlern wie von dem litauischen Charakter überhaupt.

Der Litauer verzeiht allerdings auch dieses. Es gehört zu seiner natürlichen Lebensweisheit einzusehen, daß der Schimpf, den jemand dem andern anzutun beabsichtigt, stets auf den Urheber selber zurückfällt. Alles, was ein Mensch denkt, spricht oder tut, ist doch das allergenaueste Merkmal seines eigenen Wesens.

Schließlich muß noch bemerkt werden, daß verschiedene der erwähnten Charakterzüge auf enge Verhältnisse, einfache Lebensumstände und gesellschaftliche Beziehungen beschränkt geblieben sind. An größeren Aufgaben konnte der Charakter sich nicht üben. Nur im Dienste anderer Nationen ist das zuweilen möglich gewesen. Der Litauer aber, der hier eine hervorragende Stellung einnahm, konnte keinen ungebrochenen Charakter besitzen.

Doch ist nun in den letzten Jahrzehnten auch in dieser Beziehung ein Wandel eingetreten. Der Litauer sieht sich immer mehr hineingedrängt zu Entschlüssen und Handlungen, die nicht nur für ihn, sondern für seine ganze Nation von Bedeutung werden. Immer größere Aufgaben treten ihm entgegen. Immer mehr stellt er sein Leben ein in den Dienst für sein Volkstum. Und so kann man denn schon wieder ganz deutlich in seinem Charakter die Grundzüge des alten Heroismus hervortreten sehen. Die Bedrückungen und Maßnahmen seitens der russischen Macht riefen einen Wagemut und eine Tatkraft von bewunderungswürdiger Großzügigkeit hervor.

Hier dürfte man wohl daran denken, daß Litauer, besonders Dichter und Schriftsteller, sich neue Namen geben, sobald sie in die Öffentlichkeit treten. Dies wird vielfach so gedeutet, als ob die Betreffenden sich unter diesen Namen zu verbergen suchten, daß also diese Namen falsche seien. Dies gilt ganz gewiß für viele Fälle. Doch nicht allgemein. Die litauischen Dichternamen bedeuten etwas. Sie sagen genau so, wie im Morgenlande, daß der Träger dieses Namens eine Mission auf sich genommen hat. ln ihm sieht der Betreffende also seinen rechten Namen. Und wenn dann neben denselben bei einem Hinweis auf den Mann seitens anderer der Familienname gesetzt wird, so wirkt dies nicht als eine Verdeutlichung, sondern als eine Verwischung des Wesenhaften im Schaffen des betreffenden Dichters, ln der Anwendung eines neuen Namens zeigt sich also ein eigenartiger, tief- begründeter Charakterzug des Litauers.

Schattenseiten.

Wie schon erwähnt, macht die Abhängigkeit des Menschen von seiner Umwelt sehr viel aus für die Entwickelung seiner Anlagen. Sie können verkümmern oder können sich zum Guten oder Schlechten entwickeln. Das gilt auch mit Bezug auf den Litauer. Er hat ganz gewiß eine ganze Menge schlechter Eigenschaften.

Doch ist nicht jedem möglich, leichthin davon zu reden. Mancher, der meist nur unter Litauern gelebt hat, findet bei Leuten anderer Nationalität Mängel, die er daheim nie bemerkt hat. Und wenn er zurückgekehrt danach forscht, ist er nicht einmal erstaunt, sie nicht zu finden. Als ob das so selbstverständlich wäre. So geht es dem Verfasser dieser Schrift.

Indessen ist es zweifellos, daß der Litauer manche häßliche Eigenschaft an sich trägt. So wird sehr oft seine Sucht zu prozessieren, das unter Litauern herrschende Sauflaster, ihre Heimtücke und Falschheit und manches anandere noch getadelt. Es ist nicht zu leugnen, diese Häßlichkeiten finden sich bei den Litauern, zuweilen gar in einem auffallenden Grade. Ob sie aber zu Nationalfehlern zu zählen sind, das ist doch sehr zweifelhaft.

Bei gewissen Ständen ist die Sucht zu prozessieren überall, so auch in Deutschland zu finden. Man denke nur an die Dramen, die darüber ersonnen sind, z. B. an Anzengrubers Meineidbauer. Auch die Lust zu saufen kann dem Litauer nicht als erbeigen zugerechnet werden, wenn man an den Weltruf denkt, der hierin den Deutschen seit altersher anhaftet. Und vielleicht weiß man auch etwas von der Trunksucht selbst sehr „vornehmer“ Engländerinnen unserer Tage.

Wenn das Sauflaster irgendwo bei den Litauern herrscht, so sind seine Ursachen sehr leicht zu finden. Zu angeerbten Eigentümlichkeiten des Litauers gehört es jedenfalls nicht. Im preußischen Litauen trinkt man mehr als im russischen. Dort hat sogar eine sehr starke Enthaltsamkeitsbewegung eingesetzt. Und ein bedeutsamer Antrieb dazu war der Widerwille, den die sehr stark trinkenden russischen Kolonisten bei den Litauern hervorriefen. Eine Reise zu Schiff von Tilsit bis zur Grenze und von dort bis Kaunas müßte auch einen Parteiischen von der Tatsächlichkeit obiger Behauptung überzeugen. Wenn irgend etwas, so hängt das Sauflaster von örtlichen Umständen ab.

Auch bezüglich der Falschheit des Litauers muß ein sehr starkes Bedenken geäußert werden. Falschheit und Heimtücke sind die Eigenschaften des Schwachen, der sich von anderen betrogen, geschädigt, geknechtet sieht. Sie werden von dem Bedrücker, dem ehrlosen Gewaltmenschen, dem Unterdrückten allmählich anerzogen. Nun aber schänden Falschheit und Heimtücke eines Schwachen den Menschen in ihm sicher nicht im entferntesten so, wie das Bestreben eines Starken, einen anderen Menschen zum Mittel und Werkzeug seiner Gier, seines Machtgelüstes zu machen. Hier haben wir das Menschheitverbrechen in seiner ganzen Schwere. Und wer jemals auch nur ganz wenig an einem solchen teilgenommen hat, der müßte wenigstens um seiner eigenen Ehre willen vermeiden, von Heimtücke und Falschheit bei Unterdrückten zu sprechen.

Nun kommt aber beim Litauer noch eines hinzu. Sein ganzer Charakter verneint trotz alles dessen, was man ihm seit je angetan hat, seine rein menschliche Unterlegenheit. Er fühlt eben seine Menschenwürde, und wäre er in Ketten geboren.

Schließlich könnte man auch noch auf eine aus einem Dichterwort entstandene Redensart hinweisen, die in Deutschland allgemein bekannt ist, und die besagt, daß böse Menschen keine Lieder haben. Wie sollten sich nun besonders schlechte Eigenschaften gerade bei dem Volke finden, das mehr Lieder singt, als irgend sonst eine Nation!

Religiosität.  

Die Litauer sind fleißige Kirchengänger, so heißt es schon in Berichten früherer Jahrhunderte. Das besagt jedoch nichts über die Religiosität des Volkes. Der Mensch verlangt als selbstbewußtes Wesen nach Anregungen, die ihn über den sich ewig wiederholenden Alltag hinwegheben. Das graue Einerlei des Lebens wirkt abstumpfend. Die Landbewohner haben nun überall in der Welt kaum eine andere Möglichkeit, über die erdrückende Gleichförmigkeit ihrer Tage hinwegzukommen, als die Teilnahme an Zusammenkünften, unter denen die religiösen als die ernsteren an erster Stelle stehen. Daher der fleißige Kirchenbesuch seitens der Landleute. Und es wäre Aufgabe der Kirche, für eine wirkliche religiöse Erbauung zu sorgen. Wenn dann die Menschen um derselben willen die Kirche besuchten, dann könnte man wohl von echter Religiosität sprechen.

Nach ihrem Bekenntnis sind die meisten Litauer Katholiken. Nur im preußischen Litauen ist die weit überwiegende Mehrzahl evangelisch. Doch hat es eine Zeit gegeben, in welcher fast alle Litauer protestantisch geworden waren. Das war der Fall bald nach 1525. Die einsetzende Gegenreformation hat sie größtenteils wieder zum Katholizismus zurückgeführt.

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Welches der beiden christlichen Bekenntnisse den Litauer in der wahren Religiosität mehr fördert, ist kaum zu entscheiden. Neben dem eigentlichen Religiösen besitzt die katholische Kirche vieles, was sehr stark zu den Sinnen spricht, die evangelische, was das Denken erfaßt. Doch scheint die Religiosität des Litauers in beiden Kirchen dieselbe zu sein. Der litauische Katholik ist jedenfalls ein ganz anderer, als der römische oder bayrische, der litauische Protestant ein anderer, als der deutsche oder französische, u. s. w.

Daß aber der Litauer außergewöhnlich religiös ist, wird kaum irgendwo bezweifelt.

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Einen besonderen Ausdruck findet die Religiosität des Litauers in den von ihm gepflegten Andachten, in denen der Gesang vorherrscht. 

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Durchaus bemerkenswert ist, daß die von schlichten Bauern gedichteten Lieder sich sehr vorteilhaft unterscheiden von manchen ganz unglaublichen Reimereien des litauischen evangelischen Kirchengesangbuches. Man lese dort z. B. nur die Begräbnis- und Sterbelieder. Es geht über alle Vorstellungen, was für eine Unkultur in Gedanken und Sprache dort herrscht. Man kann sich das nur so erklären, daß die bei der Übersetzung von Liedern beteiligten Geistlichen geglaubt haben, sie würden dem Volke nur dann begreiflich, wenn sie sich so viel wie möglich derber Ausdrücke bedienten. Und doch kommt man zum Menschen nur, wenn man sich auf sein tiefstes Empfinden beruft. Anders gibt es keine fördernde Einwirkung, keine Möglichkeit, empor zu führen. 

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Hiermit und möglicherweise auch mit der Art des Litauers, das Leben natürlich aufzufassen, mag es wohl Zusammenhängen, daß es unter den Litauern nicht gar so selten Leute gibt, die sich ganz eigentümlich nüchtern über religiöse Fragen äußern. Bei genauerem Zusehen zeigt sich allerdings, daß man es meist mit Menschen zu tun hat, die in ihrem Empfinden irgendwie stumpf gemacht sind oder aber, die von modernen, sogenannten monistischen Lehren etwas gehört haben, oder — und musikalisch sind. Musikalisches, überhaupt künstlerische. Empfinden hängt ja mit Religiosität aufs engste zusammen. Wer stimmungsunfähig ist, kann das Quellen religiöser Kraft nicht spüren. Für den ist sie dann auch nicht da.

Von alledem abgesehen, äußert sich die Religiosität des Litauers noch in einer ganz besonderen Weise. Sie wird jedoch meist als Resterscheinung des Heidentums angesehen. Der Litauer besitzt nämlich noch heute eine ungemein reiche Vorstellungswelt für das Übersinnliche, besonders in Bezug auf Verstorbene. Hierin könnte man wohl Nachklänge des alten Toten- und Ahnenkultus finden. Doch ist das nicht ohne weiteres richtig. Was Leute selber wahrzunehmen glauben, kann nicht aus bloßen Überlieferungen abgeleitet werden. Es handelt sich wohl um die einfache Tatsache, daß dem Litauer im allgemeinen, einzelnen Personen aber noch in besonders auffälliger Weise, die Natur weniger materiell vorkommt, als Menschen anderer Nationalität. Hierin hat der Litauer Verwandtschaft mit den nordischen Stämmen.

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Sonderlinge.

Die letzten Jahrzehnte haben, wie es scheint, in der gesamten Kulturwelt eine zunehmende Zahl von Sonderlingen aufzuweisen gehabt. In Litauen hat es deren immer eine größere Menge gegeben. Die erste Stelle nehmen diejenigen ein, die sich in religiöser Beziehung vor anderen auszeichnen. In Wirklichkeit haben sie nichts so sehr Besonderes an sich. Desto mehr weiß man von ihnen zu erzählen. Und da hat man es dann wirklich mit dem zu tun, was Volksphantasie oder Aberglauben genannt werden könnte. Meist werden jenen religiös Ausgezeichneten neben ihrer inneren Würde besondere, man könnte fast sagen magische Heil- und Segenskräfte zugeschrieben. Doch würden diese fast nie von den betreffenden Leuten absichtlich angewendet. Man soll aber ihre Wirkungen sehr oft erfahren haben.

Eine weitere Art von Sonderlingen sind die, welche ihre Kräfte mit ausgesprochener Absicht zu Heilzwecken anwendeten.

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Von ganz besonderer Bedeutung sind zu manchen Zeiten die Weltverbesserer unter den Litauern gewesen; zu ihnen gehören der berühmte Blinda, Raudonkrutinis, Lygnugaris in Szemaiten, die als Vertreter der Unterdrückten gegen die Unterdrücker mit vielen Wundertaten aufgetreten seien. Wiederum gesellen sich zu dieser

Art von Sonderlingen jene Einbrecher, die gefangen jede Kette zu sprengen vermocht hätten, unter denen im preußischen Litauen besonders Raduschat bekannt war. U. s. w.

Bei allen diesen Sonderlingen handelt es sich um eigentümliche Kräfte, die von den andern bei ihnen vorausgesetzt werden. Am häufigsten wird jedoch die Gabe des zweiten Gesichts angenommen. Fast in jedem Dorf weiß man von der einen oder anderen Person, daß sie mitten unter den Dingen der Sinneswelt noch andere Dinge und Wesen sähe, von denen die anderen Leute nichts wüßten.

Friedrich Förster

(1820)

"Menschen sollen nicht wie Elenthiere, blos um der Rarität willen gehegt werden, sondern übergehen in die höhere Bildung; so werden die Litthauer in Preußen verschwinden."

 

August Schleicher

(1853)

„Viel Mühsal und Entbehrung erleide ich zwar (so sind z. B. meinem jetzigen Wirthe Teller völlig fremd – wir speisen aus gemeinsamer Schüssel) doch ertrage ich alles dies mit Freuden – bald wird es ja überstanden sein, am 15.October gedenke ich in Prag einzutreffen.“

 

Wilhelm Gaigalat

(1904)

„In dem nördlichsten Teil der Provinz Ostpreußen wohnt schon seit fünf Jahrtausenden der nach Sprache und Sitten äußerst merkwürdige Volksstamm der Litauer.“

 

Alexander Brückner

(1916)

„ … Es lohnt sich daher, auf die Vergangenheit einzugehen. Dabei denken wir keinen Augenblick an dasjenige Litauen, das in der Vergangenheit keine Vergangenheit und in der Gegenwart keine Gegenwart besitzt, an das preußische Litauen mit seinen etwas über 100 000 noch litauisch sprechenden Protestanten, die keinerlei Beziehungen zu ihren katholischen Stammesbrüdern jenseits der Grenze unterhalten, ihnen völlig fremd und teilnahmslos gegenüberstehen, nichts mit ihnen außer der (dialektisch) abweichenden Sprache teilen; trotz der jahrzehntelangen Arbeit „Junglitauens“, die notgedrungen auf preußischem Boden, in Tilsit und anderswo, vor sich gehen mußte (stark gehindert durch die allen Petersburger Weisungen eifrigst nachkommende preußische Polizei), sind diese Litauer ohne nationales Bewußtsein geblieben: wir sind anders als die Polen, d. h. das nationale Element spielt bei uns keinerlei Rolle. Also nicht von diesem ehrwürdigen ethnographischen Kuriosum, den Elchen seiner Wälder vergleichbar, sondern wir sprechen hier von demjenigen Litauen, das sich durch Annahme des Katholizismus vor der Überflutung durch die Russen und deren Orthodoxie, sowie durch die Erhaltung seinerSprache vor der Aufsaugung durch das Polentum erhalten hat….“

 

Louis Nast

(1893)

„Wohl wenige nur draussen im Reiche wissen etwas Genaueres von den Litauern und ihren Liedern, den Dainos. Und doch gehören diese zu den blüte- und düftereichsten Blumen im Wundergarten der Volkspoesie, und jene sind vielleicht das sanglustigste und liederreichste Volk der Erde. Der litauische Landbauer singt bei der Feldarbeit, die Mädchen in den Spinnstuben, keine gesellige Zusammenkunft, keine Hochzeit wird gefeiert ohne Gesang, kurz der Litauer - wenigstens wo er sich unvermischt erhalten hat, wie jenseits der Grenze - singt überall, wo irgend Gelegenheit dazu ist.“

 

Adam von Bremen

(1073)

Er schildert die Bewohner unserer Heimat als friedliche; verträgliche Menschen, die stets hilfsbereit sind allen Notleidenden gegenüber, niemals wie andere Völker Schiffbruch Erlittene berauben, sondern ihnen behilflich sind, wieder in ihre Heimat zu gelangen. Besonders rühmt er noch ihre Gastfreundschaft, ihre Religiosität und meint, es könne noch viel Lobenswertes hinsichtlich ihrer Sitten gesagt werden, wenn sie nur den christlichen Glauben annehmen würden.

 

Helmold

(um 1150)

der Chronist des Nordens, sagt genau dasselbe mit diesen lateinischen Worten: Multa poterant dici de hoc populo lau- dabilia in moribus, si haberant solam fidem Christi.

 

Hennenberger

(Erklärung der preußischen größeren Landtafel, 1595.)

Die Litauer seien ein starkes Volk und nach ihrer Art gottesfürchtig, so ihre Pfarrherrn ehren, der Obrigkeit gehorchen und willig tun, was sie pflichtig sein, doch wenn sie über Billigkeil und Pflicht getrieben werden, halten sie ob einander, fallen auf wie Bienen. Und ob sie auch wohl mit dem leidigen Sauflaster, so in diesen Landen sehr gemein ist, beladen sein, auch also, daß sie zu Zeiten vollerweise Junge, Alte, Mann, Weib, Kinder, Magd nicht anders als das Vieh zusammen auf der Streu liegen, dennoch erfährt man nicht Unzucht von ihnen.

 

Theodor Lepner

(Um 1675)

Von ihm ist das Buch mit dem Titel: Der preußische Litauer, verfaßt. Er ist kein Freund der Litauer. Offenbar hat es ihn tief verletzt, daß er in einem Prozeß gegen die litauischen Bauern um 2 Huben Land unterlegen ist. Daß ihm das deutsche Gericht auch Unrecht gegeben hat? Dennoch schreibt er unter anderm:

 Man muß sich aber verwundern über die Einträchtigkeit (Verträglichkeit) dieser Leute. Bei den deutschen Bauern und anderer Gelegenheit Leuten geht solches nicht an. Da kann selten ein Vater mit seinem Sohn in einem Hause leben; dafern der Sohn dem Vater zur Hand geht, so geschieht es doch nicht von der Schwiegertochter. So eine Beschaffenheit hat es nicht, wenn der Litauer einen Schwiegersohn in sein Haus nimmt, unter ihnen blüht die Einträchtigkeit und der Gehorsam.

Es sind zwar alle Bauern ungehobelt und grob, wie denn ein Priester aus Deutschland schreibt:                                              

„Bauern sind zwar Menschen, aber etwas ungehobelter und gröber als die andern... Ihre häuslichen Sitten sind jedermann bekannt sowohl in Reden und Gebärden. »

Wie denn deutsche Bauern in unserm Preußen (als welcher Urankunft meistenteils aus Deutschland ist), so dies- und jenseits Königsbergs wohnen, eben solche groben Sitten an sich haben. Von den litauischen Bauern, so hiesigen Ortes

wohnen, muß man dennoch gestehen, daß sie gleichwohl ziemlich mehr behobelt und nicht so gar grob sind. Denn im Reden weiß der Litauer die ihm Vorgesetzte wie auch andere im Ehrenstande Lebende mit angenehmen Worten zu beehren.

Die Bauern in Großlitauen und Zemaiten sind noch viel sittiger.

Es scheint, daß sie (die Litauer) vor Alters steif (fest) gehalten, was sie zugesagt.

Der gemeine Trank unserer Litauer ist wohl das liebe, klare Wasser, so wie es der liebe Gott gegeben hat. — —

Die Freier gaben genau darauf acht, ob die Dirne gutes Rufes und arbeitsam sei.      

Die Litauer sind alle Komponisten, die ihren Liedern selbsten die Weise geben. Sie sind von Natur zum Singen geneigt und also schöne Musici naturales. Die Stuben werden rein gefegt und alles darin ziemlich sauber gehalten.

Die Litauer halten auch davor, daß das ofte Baden ihnen zur Erhaltung der Gesundheit sonderlich dienlich sei. . . Nach dem heißen Bad und Peitschen, Streichen der Hand mit einem Bündel Birkenzweige mit Laub, springen sie in einen Teich — auch zu kalter Jahreszeit — der gemeiniglich bei ihren Badestuben ausgegraben ist.- Solch eine heftige Veränderung der Hitze und Kälte in ihrem Bade sollte einem andern den Tod bringen. Aber ihnen ist sie gesund. . . Wenn die Männer ausgebadet, gehen die Weiber und Mägde hinein. — Mir und meinesgleichen würde ein solches Baden sehr übel bekommen. — — Wiewohl einige wenige Deutsche auch hineingehen, aber das Springen in das kalte Wasser aus der Hitze wollen sie nicht nachtun.

Sonderlich' sind unsere Litauer sehr fräßige Leute, als die einen rechten Wolfsmagen haben.

 

Mathäus Prätorius

(1635 in Memel geboren, Pfarrer in Niebudßen bei Gumbinnen bis-1685 gewesen,) schrieb 1670 ein Buch: Deliciae Prussicae oder Preußische Schaubühne. Auch er gilt als ein Mann, der die Litauer nicht leiden mag. Dr. William Pierson schreibt ihm ein „gehässiges Pamphlet“ über die Litauer zu.

Doch heißt es unter anderem bei ihm von den Litauern:

„Ein jeder aber, ehe er gegessen, hat sich waschen müssen. Das soll eine uralte Gewohnheit sein gewesen, die auch zur Zeit der Nadraven nicht aufgehört. Sie halten das Bad so hoch, daß kein Gesinde dort dienen will, wo keine Badestube vorhanden, wo wenigstens wöchentlich gebadet aber gern täglich. Sie verhüten wo immer möglich, daß sich in ein nadravisch Dorf kein Deutscher einniste, denn sie bilden sich ein, daß alsbald ihr Ruin dadurch entstehe und durfte an manchem Orte es wohl wahr sein, denn da viele Krüge und Deutsche im Dorf sein, sind die Bauern in Nadraven insgemein weit ärmer, als da sie unter sich allein wohnen.

 

Immanuel Kant

(1724—1804.)

„Daß der preußische Litauer es sehr verdiene, in der Eigentümlichkeit seines Charakters und, da die Sprache ein vorzügliches Leitmittel zur Bildung und Erhaltung desselben ist, auch in der Reinigkeit der letzteren, sowohl in Schul- als Kanzelunterricht erhalten zu werden, ist aus obiger Beschreibung (nämlich in Mielkes deutsch-litauischem Wörterbuch) desselben zu ersehen.

Ich füge zu diesem noch hinzu, daß er (der Litauer), von Kriecherei weiter als die ihm benachbarten Völker entfernt, gewohnt ist, mit seinen Obern im Tone der Gleichheit und vertraulichen Offenherzigkeit zu sprechen, welches diese auch nicht übelnehmen oder das Händedrücken spröde verweigern, weil sie ihn dabei zu allem Billigen willig finden.

Ein von allem Hochmut oder einer großen benachbarten Nation, wenn jemand unter ihnen vornehmer ist, ganz unterschiedener Stolz oder vielmehr Gefühl seines Wertes, welches Mut andeutet und zugleich für seine Treue die Gewähr leistet.“

(In Mielkes Wörterbuch.)

 

Johann Gottfried Herder

(1744—1803.)

Die Litauer, Kuren und Letten an der Ostsee sind von ungewissem Ursprünge: (aller Wahrscheinlichkeit nach in­dessen auch dahin gedrängt, bis sie nicht weiter gedrängt werden konnten.) Ungeachtet der Mischung ihrer Sprache mit andern hat sie doch einen eigenen Charakter und ist wahr­scheinlich die Tochter einer uralten Mutter, die vielleicht aus fernen Gegenden ist. Zwischen den Deutschen, Slawen und finnischen Völkern konnte sich der friedliche Lettische Stamm nirgend weiter ausbreiten noch verfeinern und war zuletzt nur wie seine Nachbarn, die Preußen, am meisten durch die Gewalttätigkeiten merkwürdig, die allen diesen Küstenbewoh­nern teils von den neubekehrten Polen, teils vom Deutschen Orden und denen, die ihnen zu Hilfe kamen, widerfuhren.

Die Menschheit schaudert vor dem Blut, das hier vergossen ward in langen, wilden Kriegen, bis die alten Preußen gänz­lich ausgerottet, Kuren und Letten hingegen in eine Knecht­schaft gebracht wurden, unter deren Joch sie noch heute schmachten.

Vielleicht verfließen noch Jahrhunderte, ehe es von ihnen genommen wird, und man zum Ersatz der Abscheulichkeiten, mit welchen man diesen Völkern ihr Land und ihre Freiheit raubte, sie aus Menschlichkeit zum Genuß und eigenen Ge­brauch einer bessern Freiheit neubildet.

(Aus Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit.)

 

Im Buch:

Notizen von Preußen, verfaßt vom Geheimen Kriegsrat Gervais, Königsberg 1795, heißt es unter anderem Seite 26:

Der Litauer ist auch lange nicht so prozeßsüchtig wie der deutsche Bauer.

S. 27.

Niemand darf anstehen von der Gastfreiheit des Litauers Gebrauch zu machen, weil er mehr die Reinlichkeit als der Deutsche schätzt und liebt.

S. 29.

Der Litauer handelt vorsichtig und wird sich nicht leicht in Gefahr stürzen, als manchmal der Deutsche blindlings und ohne Überlegung tut.

 S. 55.

Man wird überhaupt selten bei den Litauern so viel von Ausschweifungen wider Zucht und Ehrbarkeit hören als bei den Deutschen und in ganz litauischen Gemeinden verhält sich die Zahl der unehelichen Kinder gegen die in den deut­schen, wie 1 zu 9 oder 10.

S. 183.

In Ansehung der Gutmütigkeit . . . jedem Unglückli­chen ohne Unterschied der Nation zu helfen, gegen jeden dienstfertig zu sein, übertrifft der Litauer den Salzburger. Wenn dieser mit dem Entschluß, einem Fremden aus Not zu helfen, noch lange nicht fertig ist, so hat der Litauer schon die Danksagungen für seine augenblickliche Hilfe geerntet, die er ohne viel Rücksichten, ohne viel Bedenken geleistet hat.

 

Kriegs- und Domänenrat Heilsberg

(Um 1800.)

„Der preußische Litauer ist im Durchschnitt gastfrei, edeldenkend, menschenfreundlich, tapfer.

Er zeichnet sich durch seine Zufriedenheit mit seiner augenblicklichen Lage aus, ist einheimisch und kein Freund von Zusammenkünften. —

Der Litauer ist von Natur dienstfertig: leiht ohne Zinsen und haßt den Geldwucher, Überdem ist er großmütig, nicht streitsüchtig, und ob er gleich für Beleidigungen sich auf der Stelle rächt, so läßt er sich doch auch leicht besänftigen und vergleichen      

Mit Unrecht wirft man ihm vor, daß er mißtrauisch und falsch sei. Eigentlich ist er bloß zurückhaltend gegen andere Nationen, besonders gegen die Deutschen, weil er in dem Wahn steht, daß er von ihnen nichts lernen, durch sie aber manches verlieren könne.

Zu den Angeburten des Litauers gehört die grenzenlose Verehrung des Königs . . . nächstdem die Vaterlandsliebe . . . Aus besonderer Anhänglichkeit an den angeerbten Boden geht der Litauer ungern in die Fremde . . . Diese Anhänglichkeit an seinen Grund und Boden wirkt in ihm einen Gemeinsinn, der sich überall äußert ... Dadurch wird der Litauer ein treuer Staatsbürger und sicherer Soldat.

Die Litauerinnen sind stärker gebaut, aber auch häus­licher, arbeitsamer, reinlicher als das deutsche Frauenzimmer. Sie werden später mannbar wie diese und können nur unter Vorspiegelung der Ehe verführt werden: geben sich auch nicht jedem preis. Venerische und andere Krankheiten sind daher seltener unter ihnen als unter andern Nationen. Die Vorliebe für die Sprache- ist bei den Litauern nicht Starrsinn, sondern Voraussetzung, daß er durch den Wechsel derselben an Sittlichkeit verliere.

Die Litauer sind Liebhaber des Gesanges. Sie singen und sind fröhlich vor und nach der Arbeit und ihre Lieder (Dainos) hauchen die zärtlichsten Gefühle der Liebe und Freundschaft. Ihr Scharfsinn in Beurteilung anderer und die Richtigkeit ihrer Urteile zeichnen sich aus. — —

Wer den' nachteiligen Einfluß der deutschen Sitten und Sprache auf die Litauer, die an der Grenze und nahe an den Städten wohnen, zu bemerken Gelegenheit gehabt hat, der wird überzeugt sein, daß der Litauer mit seiner Sprache seine Nationalität verliere.“          (In Mielkes Wörterbuch.)

 

Prediger Jenisch (Berlin)


(Um 1800.)

„Die vielen der litauischen Sprache eigentümlichen Wurzelwörter, von denen alle ihre Schwestern keine Ähnlichkeiten aufzuzeigen haben, scheinen Überbleibsel der Sprache des Urvolkes an der südlichen Küste der Ostsee zu sein, dessen wir schon in den allerältesten Geschichtsschreibern erwähnt finden, und welches seit der Einwanderung der Deutschen in Preußen, besonders durch die verwüstende Grausamkeit der letzteren verschwunden ist, ohne eine Spur von ihnen zurückzulassen . . .

Der Litauer hat alle Tugenden einfach und abgesondert lebender Völker, und wenige ihrer Fehler.

Schätzenswert ist insbesondere die Vertragsamkeit und Brüderlichkeit, in welcher sie miteinander leben, die tätige Teilnahme für die Unglücklichen, die edle Gastfreundschaft gegen den Fremden; höchst selten sind unter ihnen Beispiele von großen Verbrechen. Rühmlich zeichnen sie sich von ihren Östlichen Nachbarn, den Polen, durch ein an Stolz grenzendes Selbstgefühl aus.

Es verrät eine achtungswürdige, Selbständigkeit des litauischen Nationalcharakters, daß sich jener edle Zug selbstwährend der manche Jahrhunderte durch dauernden Herrschaft der Polen über die Nationen nicht verwischte.

Weiber und Mädchen der Litauer hatten von jeher ein vorzügliches Lob der Keuschheit und es gereicht ihnen zur Ehre, daß die Sprache für das Laster des Ehebruches kein eigentümliches Wort hat.

Nationalstolz, Hang zur Trunkenheit und Aberglauben sind vielleicht die einzigen Fehler, die man dem Litauer vorwerfen könnte.“



Asmus

(Um 1865.)

„Der Mann hat in seiner Jugend etwas Unternehmendes in seinem Äußern, den Greisen ist stets ein sehr ehrwürdiges Ansehen eigen. Das Weib hat zwar in der Jugend etwas Lockendes, Üppiges, verblaßt aber bald und wird dann zur grinsenden Fratze.“



Dr. Albert Zweck

(1898.)

„In ihrem Denken und Fühlen zeigen die Litauer eine bewundernswerte Zartheit und Feinfühligkeit.


Die Litauerinnen sind große Blumenfreundinnen. — —


Wie sich in Kleidung und Wohnung des Litauers eine große Bedürfnislosigkeit kund gibt, so auch in der Auswahl der Nahrungsmittel.


Fleisch kommt beim Litauer nach wie vor selten auf den Tisch.


Die Litauer sind freundlich,- gesellig, gastfrei und ehrerbietig.


Mit der Natur fühlt sich der Litauer innig verwachsen.


Urteile der Litauer über sie selber sind immer zu finden, wenn man sie nicht in sprichwörtlichen Gelegenheitswendungen sehen will wie etwa:

Seht, der Deutsche will schon so klug sein wie der Litauer.“    (Aus seinem Werk: Litauen.)

 

Wilhelm von Humboldt über die Kurische Nehrung:

"Die Kurische Nehrung ist so merkwürdig, daß man sie ebenso gut als Spanien und Italien gesehen haben muß, wenn einem nicht ein wunderbares Bild in der Seele fehlen soll".

 

Jacobus Piso von Transsylvanien, päpstlicher Gesandter in Vilnius schrieb 1514:

Am fünften Tag war schließlich „die glückliche Stunde gekommen“, als der gnädige König endlich dem ermüdeten Diplomaten erlaubte, die Stadt zu verlassen. „Was gibt es noch zu sagen?“ - Piso beendet das Gedicht mit einer Antwort auf seine eigene rhetorische Frage:
„Leb wohl, Land der Litauer, und sei stark, denn ich würde nicht gerne hier leben, selbst wenn man mich wie einen Gott behandelte.“ (Briedis, Vilnius, City of Strangers, S.35).

Wird fortgesetzt...

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