Antanas Sniečkus
Antanas Sniečkus (*25.12.1902-22.1.1974) war ein litauischer Politiker und Chef der Litauischen Kommunistischen Partei (LKP) von 1940 bis zu seinem Tode 1974.
Sniečkus und seine Familie waren zwischen Ost und West hin und her gerissen. So flüchtete seine Familie mit Beginn des I. Weltkrieges nach Russland und kehrte 1919 nach Litauen zurück. Sniečkus wurde mit 17 Jahren
Mitglied der Kommunistischen Partei und immer wieder wegen Untergrundaktivitäten verhaftet.
Von 1921-1925 emigrierte Sniečkus wieder nach Russland, wo er unter dem Namen Ivan Aleksandrovich Bogomolov lebte. Mit falschem litauischem Pass (mit den Namen Antanas Jankus und Antanas Skardzius) kehrte er nach Litauen zurück
Am 19. Oktober 1933 wurde Antanas Sniečkus mit 24 anderen Gefangenen gegen in Russland inhaftierte Priester, darunter der Erzbischof Matulenis, ausgetauscht.
Exkurs:
Die Hälfte der Ausgetauschten waren Litauer. Angenommen, die LKP (Litauische Kommunistische Partei) hatte 1933 (nach Angaben der litauischen Sicherheitsdienste) 600 bis 650 Mitglieder. Und geht man da auch von einem jüdischen Anteil von 50% aus, also 325, die angeblich alle Verbrechen gegen den litauischen Staat verübt haben, rechtfertigen diese 325 Juden den Tod der 200.000 litauischen Juden die durch die Nazis und ihre Helfer umgebracht worden sind. Es gibt immer noch Nationalisten, die den Holocaust so rechtfertigen. Man denke hier z.B. an das Massaker von Rainiai. Ein angeblich anwesender Jude (Duschanski) soll den Tod der Juden eines ganzen Dorfes rechtfertigen. Lächerlich.
Exkurs Ende. (Quelle: Bitter Legacy S.197)
Skulptur von Snieckus in Grutas Park
Nachdem die Sowjetunion Litauen 1940 (im Rahmen des Hitler-Stalin Paktes) besetzte, wurde Sniečkus aus dem Gefängnis entlassen und zum Chef für Nationale Sicherheit ernannt. Mit der offiziellen litauischen Delegation reiste er am 3. August 1940 nach Moskau, wo die Annexion Litauens besiegelt wurde. In Litauen begann, wie überall in der Sowjetunion unter Stalin, eine Zeit des Terrors und der Einschüchterung. Sniečkus war an der Organisation der ersten Massendeportationen von Litauern nach Sibirien ab Juni 1940 beteiligt.
Und hier zeigt sich wieder der Spalt in seiner Familie. Sniečkus liess nämlich seinen eigenen Bruder mit Familie nach Sibirien deportieren. Was dies für die Verbannten bedeutete, kann man in dem Buch von Dalia Grinkeviciute "Aber der Himmel wunderbar" anschaulich nachlesen.
Mit dem Einmarsch der Wehrmacht flüchtete Sniečkus nach Moskau und organisierte dort die "Litauische Partisanenbewegung" (LPJS), die den sowjetischen Partisanenkampf in Litauen und dem weißrussischem Grenzgebiet organisieren sollte.
Der Partisanenkampf wurde mit großer Härte geführt. Lebensmittel mussten die Partisanen bei den Bauern beschaffen. Als das von Polen bewohnte Dorf Koniuchy sich von den Nazis bewaffnen ließ und gegen die Plünderungen wehrte, kam es zu einer Strafaktion der kommunistischen Partisanen, bei der alle Einwohner starben.
Die Partisanen schrieben an Moskau, dass weder die Deutschen noch die litauische Polizei die gravierendsten Probleme für sie darstellten, sondern die rasch zunehmenden bewaffneten Bauerngruppen. (Zimanas an Sniečkus).
Im Herbst 1943 wies Sniečkus die regionalen Partisanenführer eindrücklich darauf hin, "... dass man die Unterstützung der Bauern Litauens gewinnen müsse. Angriffe müssten sich gegen deutsche Siedler und Kollaborateure mit den Deutschen richten, aber nicht gegen unbeteiligte Bauern."
Interessant wäre hier eine Untersuchung, ob mit andauerndem Kampf die litauischen Partisanen (Waldbrüder), die ja auch ihre Nahrung von den lokalen Bauern beschaffen mussten, den Bauern trotz Patriotismus als ähnliche Plage erschienen, wie hier die sowjetischen Partisanen.
So schrieb Yitzhak Arad in seinem Buch "Partisanen", dass die einheimische Bevölkerung zwischen dem deutschen Hammer und dem Amboss der Partisanen war.
1943 gab Sniečkus den Befehl über 300 Untergrundaktivisten nach Litauen zu verlegen. Die ethnische Zusammensetzung der Partisanen des LPJS (Bewegung der Litauischen Partisanen) wird von Dieckmann (Die Deutsche Besatzungspolitik in Litauen 1941-44) wie folgt angegeben:
Männer | Frauen | Litauer | Russen | Juden |
79,6% | 20,4 | 62,6 | 20,6 | 7,9 |
Die Angaben zur ethnischen Zusammensetzung schwanken: die sowjetische Seite hatte Interesse das litauische Engagement auf ihrer Seite zu betonen, die litauische Seite wollte wiederum das Gegenteil. Diese Infotafel im Grutas Park bezeichnet fast alle litauischen Partisanen als Juden.
Die Partisanen beschlossen einen Krieg gegen die Schienen zu führen (Schienenkrieg). Die Sabotage an der Eisenbahn und den Schienen war so erfolgreich, dass der Kommandant des Sicherungsgebietes Litauen erklärte das Gelände 50 Meter rund um die Eisenbahnschienen zu "toten Zonen" erklärte. Im letzten Quartal 1943 kam es zu durchschnittlich 3-5 Sprengungen jede Nacht. Die daraus resultierenden Ausfälle bedrohten die Frontversorgung. (Dieckmann "Besatzungspolitik").
Während nun in Stalins Reich die stalinistischen Schauprozesse wüteten, kam von den litauischen Kommunisten niemand um. Sniečkus setzte sich für seine Leute ein. Den nach Stalins Tod amnestierten Litauer im Exil verweigerte er die Erlaubnis, nach Litauen zurück zu kommen.
Alexandras Stulginskis, dem zweiten Präsidenten Litauens (1920-26) verweigerte er den Aufenthalt scheinbar nicht. So suchte Stulginskis, ebenso wie seine Frau durch den Gulag gezeichnet, bei Sniečkus um Erlaubnis nach, in Kaunas zu bleiben.
"Sniečkus received Stulginskis, promised to allow him to work in agriculture, and even told someone that it was indeed marvelous that 'a former president of the bourgeous republic would be serving the soviet power'." A. Eidintas "President of Lithuania"
Als der Krieg für die Nationalsozialisten in Litauen zu Ende ging, flüchtete Sniečkus in Litauen gebliebene Familie in den Westen.
Sniečkus kam dagegen mit seiner Frau Mira Bordonaite aus Moskau wieder zurück nach Litauen. Als Chef der LKP organisierte er die Zwangskollektivierung und weitere Deportationen.
Während nun in Stalins Reich die stalinistischen Schauprozesse wüteten, kam von den litauischen Kommunisten niemand um. Sniečkus setzte sich für seine Leute ein.
Mira Bordonaite war die Tochter eines Lehrers der hebräischen Schule von Kaunas. Sie war Jüdin. Das ist natürlich keine Erklärung für Sniečkus Beitritt zur LKP 1919. Es könnte aber eine Erklärung für sein Verhalten zu seiner eigenen Familie sein (Verbannung eines Bruders).
Ich weiss, dies ist reine Spekulation, aber ihm blieb keine andere Wahl als die Flucht nach Osten. Hätten die Deutschen ihn und seine Frau in die Hände bekommen, wäre das ihr Todesurteil gewesen.
Das Ehepaar hat zwei Kinder.
Sniečkus gelang es 1961, trotz ablehnender Haltung Nikita Chruschtschows, den Wiederaufbau der Wasserburg in Trakai durchzusetzen. (Makhotina: Litauen und der Zweite Weltkrieg).
Wird fortgesetzt.
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