Rokiškis
Rokiškis ist eine Stadt mit ca. 15.000 Einwohnern im nordöstlichen Litauen, nördlich des Aukstaitija Nationalparks und nicht weit von der lettischen Stadt Dünaburg (Daugavpils).
Das Tiesenhausen Palais ist das Aushängeschild Rokiskis und heute Heimatmuseum
Von Birzai ist Rokiškis etwa 63 km, von Vilnius 160 km entfernt. Bis zur lettischen Grenze sind es 27 km.
Der Name Rokiškis soll auf den Jäger Rokas zurückzuführen sein, der hier Hasen jagte (litauisch kiskis). Der Landsitz wurde 1499 erstmalig erwähnt. 1523 wurde er an die Fürstenfamilie Kroszinski verschenkt, die hier 200 Jahre waltete. Durch Heirat kam das Gut zur baltendeutschen Grafenfamilie Tyzenhaus (Tiesenhausen, aus Hannover stammend).
In der Zeit der Familie Tiesenhausen entstanden Bauwerke, die Rokiškis auch heute noch prägen. Besonders die von Gustav von Schacht geplante Mathäus Kirche (1868-1883 gebaut) und das Tiesenhausen Herrenhaus dominieren die Stadt. Die Mathäus Kirche gilt als wichtigstes neugotisches Bauwerk Litauens. Mir hat sie nicht so gut gefallen, die Litauer sind aber von ihr begeistert.
Kirche und Herrenhaus liegen sich in der Stadt gegenüber, getrennt durch den riesigen Marktplatz (heute der Unabhängigkeitsplatz), der mich mit seinen Häusern an die (jüdischen) Stetl des 19. Jahrhunderts erinnert.
Diesen Torbogen haben die Rokiskier zur 500 Jahr Feier der Stadt (1999) mitten auf dem Marktplatz errichtet. Er ist sehr hässlich!
Der Marktplatz ist der einzige in Litauen erhaltene Platz dieser Art aus der klassizistischen Zeit. Gebaut wurde er 1701 auch von den Tiesenhausens.
Auf dem Weg zum Palais kommt man hier vorbei
Ein schöner Weg (2012 im Bau) führt vom Marktplatz an zwei Seen vorbei zum Tiesenhausen Herrenhaus, welches heute ein (sehenswertes) Museum für Heimatkunde und litauische Zeitgeschichte beherbergt.
Eintrittskarte Museum Rokiskis
Außerdem kann man mehr über die Geschichte der Grafen Tiesenhausen erfahren und Kleider aus der damaligen Zeit sehen. Das schloßähnliche Herrenhaus sucht (den Dimensionen nach) seinesgleichen und wurde 1801 vollendet.
Blick vom Palais auf den Park und die Mathäus Kirche in der Ferne
Blick vom Eingang des Parkes zum Palais
Palais der Grafenfamilie Tiesenhausen, heute Heimatmuseum von Rokiskis
Durch den großen Park gelangt man zum Palais, das auf beiden Seiten von Gutshäusern umgeben ist, die heute verschiedene Ausstellungen beherbergen.
Gutsgebäude links
Gutshäuser rechts Dort befinden sich Ausstellungen, die Sie mit ihrer Museumseintrittskarte besuchen können.
Im Kreis Rokiskis wurde Anfang des 20. Jh. der berühmteste Holzschnitzer Litauens (Lionginas Šepka 1907-1985) geboren. Seine Kunstwerke sind im separaten Seitengebäude zu sehen. Die Ausstellung in sechs Räumen spiegelt das ganze Schaffen des Schnitzers wider (ca. 300 Kunstwerke, einige bestehen aus mehreren Dutzenden von Details). Die Ausstellung beginnt mit der ersten beeindruckenden, dem Bruder gewidmeten Komposition und endet mit seinem letzten unvollendeten Holzschnitzkunstwerk, an dem er kurz vor seinem Tod arbeitete.
Holzschnitzereien von Lionginas Šepka
Neben dem Gutshaus gibt es sehenswerte landwirtschaftliche Häuser und Stallungen aus Holz, sowie einen Spielplatz.
Alte Häuser und Stallungen wie im Freilichtmuseum Kaunas
Das Museum zeigt natürlich auch die in Litauen üblichen Stereotypen: Sowjetische Besatzung, Deportation nach Sibirien, Stalin, Hitler und die Waldbrüder.
Natürlich (siehe auch das Sela Museum in Birzai) wird die jüdische Vergangenheit nicht erwähnt. 1897 lebten in Rokiskis 2.067 Juden (1847 593), welches 75 % der Gesamtbevölkerung entspricht.
1939 lag der Bevölkerungsanteil bei 40 %. Am 15./16.8.1941 wurden 3.207 Juden (Männer, Frauen und Kinder) von den deutschen Besatzern mit Hilfe von litauischen Helfern ermordet. (Jäger Report).
Der verfallene (recht kleine) jüdische Friedhof, befindet sich am Rande der Stadt. Fotos vom Friedhof sind unten auf dieser Seite.
Denkmal zur Erinnerung an 10 Jahre Freiheit für Litauen
Zwischen Marktplatz und St. Mathäus Kirche steht die Birute, die Freiheitsstatue von Rokiškis. Die Deutschen müssen sich 1941 bei ihrem Einmarsch gefreut haben, denn die Dame reckt ihre Hände zu einem Hakenkreuz. Denkmal und Hakenkreuz haben die Zeiten überstanden und lassen wohl so manchen Touristen verwundern.
Während der sowjetischen Zeit wurde Datum und Hakenkreuz zugeschmiert.
Gebäude des TIC (Tourist Information Center) Rokiskis
Das TIC klärte mich auf: Das Denkmal wurde 1930 in dieser Form aufgestellt, und erinnert an 10 Jahre litauische Unabhängigkeit (1918-1928). Das Hakenkreuz ist ein litauisches Zeichen für die Sonne.
Solche Denkmäler hätten bei uns wohl auch einige gerne
Für mich interessant war die Ahnungs- (Interesselosigkeit) der jungen Helfer im Tiesenhausen Gutshof, angesprochen auf das Birute Denkmal.
Denkmal der Birute von hinten. Bedeutung der Personen ist unbekannt.
Rokiškis ist heute bekannt für seine Käsefabrik, die ganz Litauen mit ihrem Käse beliefert.
Der ehemalige Premierminister und Staatspräsident Algirdas Brazauskas wurde in Rokiškis geboren.
Neben der Mathäus Kirche ist ein kleines Restaurant mit einfacherer litauischer Küche. Das Essen war gut, der Kaffee hat geschmeckt.
Am Markt ist das TIC (Tourist Information Center)
Tel.:+370 458 510 44, +370 616 07156
LT-42115, Rokiškis