Götz Aly — Europa gegen die Juden

1880-1945
Europa gegen die Juden Rezension



Das vorliegende Buch ist eine Lizenzausgabe der Bundeszentrale für politische Bildung 2017


Götz Aly wurde 1947 geboren und ist ein deutscher Journalist und Historiker.
Er schrieb für die taz, Berliner Zeitung, FAZ, SZ, Die Zeit und den Spiegel. Seit 2006 ist er Mitglied des Stiftungsrats des "Berliner Jüdischen Museums".


"Juden sind Blutegel; Schlafende saugen sie aus und lassen sie ausgelutscht zurück" so Jonas Šliupas, einem Herausgeber der Zeitung Ausra. Šliupas ist heute eine Gedenkstätte in Palanga gewidmet.

"Sie hemmten das Projekt 'Litauen erwache!' "  Juden waren überall in Europa den "Einheimischen" ein Dorn im Auge.


Götz Aly beschreibt in seinem Buch "Europa gegen die Juden" die Situation der europäischen Juden in der Zeit bis zum Holocaust. Er schildert eindrucksvoll mit vielen Fakten, wie nahezu alle europäischen Staaten ihre jüdische Bevölkerung drangsalierte und deren gesellschaftlichen Erfolg zu mindern versuchte.

Tatsächlich waren zwar:
"Fast neun Zehntel der gesamten jüdischen Bevölkerung [sind] eine Masse, deren Dasein durch nichts gesichert ist, die tagein, tagaus im Elend unter schlechtesten Bedingungen lebt. Alle anderen Stände, alle anderen Klassen der Bevölkerung leben unter besseren Verhältnissen als die Juden", so berichtet eine Untersuchungskommission Zar Alexander III 1884.


Aber:
"... der Anteil jüdischer Studenten in St. Petersburg 11,7 Prozent betragen, in Moskau 10,1, in Charkow 28,4, in Dorpat 14,8, in Warschau 15,5, in Kiew 12,7 und in Odessa 29,8."

Viele Banken und Industrieunternehmen hatten jüdische Eigentümer. 35 % der Angestellten der nordwestlichen Gebiete Russlands waren Juden, 26 % Deutsche und nur 8 % Russen. S. 99

"Oft sprachen Juden sehr gut Polnisch, Russisch oder Deutsch, kaum jedoch das im städtischen Leben wenig gebräuchliche Litauisch." S. 232  Dagegen fehlte es vielen Litauern an formaler Bildung. S. 233



Die Ursachen waren vielfältig und sollen hier nur skizziert werden. So meinte der rumänische Wirtschaftsminister Graf Petre Carp 1893 in einer Rede vor dem Parlament (es ging um Maßnahmen zum Zurückdrängen des jüdischen Einflusses):

»Minister Carp: Sie beklagen sich heute, wie vor zehn Jahren, dass wir vom jüdischen Element niedergedrückt sind. Sie sagen, dass unsere Nation bedroht ist. Ich sage, die Nation wird in Gefahr sein, wenn Sie nicht so arbeiten wollen wie die Juden. Hier liegt die Lösung der Judenfrage. - Geben wir dem Rumänen alles, worauf er Anspruch besitzt. Dann sagen wir ihm: Du bist schön, bist groß, stark, aber wisse, all diese Vorzüge wirst Du verlieren, wenn Du durch Arbeit sie nicht erhalten willst. Das müssen wir dem rumänischen Volke sagen. Wenn wir ihm das sagen, und wenn es sich an die Arbeit gewöhnen wird, welche es nicht gewöhnt ist... (Protestrufe) ...«
Der ganze Text ist natürlich interessant, weil darüber diskutiert wird, wie man mit der vermeintlich jüdischen Bedrohung umgehen soll.

Kurz gesagt, Graf Carp empfiehlt den Rumänen nicht nur schön zu sein, sondern auch zu arbeiten. Dann wären sie auch gegenüber den Juden nicht im Nachteil.

Götz Aly Europa gegen die Juden Innenansicht

Wilna war niemals das ethnische Zentrum Litauens gewesen. In keiner der wenigen Städte lebte damals eine litauische Mehrheit. S.231

 



"Das ganze Unglück der Juden besteht darin ..., dass er unendlich besser, geweckter, brauchbarer, strebsamer und moralischer ist als der Russe". S.98


"Wer den nationalen und sozialen Fortschritt der litauischen Massen wolle, der müsse die wichtigste Blockade beim Namen nennen und mit dem Finger auf die Juden zeigen'", so der litauische Christdemokrat Antanas Staugaitis 1905.

Götz Aly hat mit seinem Buch einen Überblick über die Situation der Juden bis 1945 im sogenannten Ansiedlungsrayon geschaffen. Hier, im westlichen Grenzgebiet Russlands, waren die Juden angesiedelt worden und konkurrierten mit der einheimischen Bevölkerung.

Alys Buch schildert die Zustände drastisch. Das Buch ist sehr spannend und man bekommt viele neue Erkenntnisse.
Viele seiner Informationen sind in meinem Bericht über Juden in Litauen eingeflossen.


Auch wenn "Europa gegen die Juden" nicht nur das Leben (und den Tod) der litauischen Juden behandelt (es wird zum Beispiel auch die Zusammenarbeit der Holländer, Franzosen und Belgier mit den deutschen Nazis geschildert, gar nicht schön), so ist das Buch eine große Hilfe zum Verstehen der Litauischen-Jüdischen-Deutschen Geschichte.

Sehr zu empfehlen!

 

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