Vydunas  

 

Wilhelm Storost,

der sich selber Vydunas nannte, war ein preussisch-litauischer Lehrer, Dichter, Philosoph und Verleger. Er wurde 1868 im Kreis Heydekrug (Silute) geboren und starb 1953 in Detmold. Nach seiner Ausbildung zum Lehrer war Storost in Kintai (neben Silute am Kurischen Haff gelegen) angestellt, wo es heute das Vydunas Museum zu seinen Ehren gibt.

Wilhelm Storost Vydunas

Vydunas   Wikipedia

 

Ab 1892 war er 20 Jahre in Tilsit (heute Sowetsk) als Lehrer für Deutsch, Englisch, Litauisch und Sport. Im Alter von 44 Jahren schied er wegen Krankheit aus dem Schuldienst aus und war dann während des I. Weltkrieges Gasthörer an Universitäten in Greifswald, Halle, Leipzig und Berlin. Durch seine schwere Schwindsuchterkrankung widmete er sich vermehrt der Idee, dass Körper und Geist im Gleichgewicht sein sollten. Er trat 1900 der Leipziger theosophischen Gesellschaft bei und gab ab 1905 die theosophische Zeitung "Saltinis" heraus.

Vydunas Kintai Litauen

Vydunas Museum in Kintai

Seine heutige Bekanntheit in Litauen kommt aber eher von seinen Bemühungen, die litauische Kultur wieder zu beleben. Besonders die litauischen Volkslieder und die bäuerlichen Traditionen. Litauen war ja, bis zu seiner Unabhängigkeit 1918, durch die polnischen Teilungen an Russland gefallen und die litauische Schriftsprache war einige Zeit verboten. Deshalb gab es durch Deutsche und in Preußen lebende Litauer Versuche, die litauische Kultur zu bewahren. Berühmt sind die sogenannten Bücherträger, die heimlich litauische Bücher über die Grenze schmuggelten. Durch die litauisch-polnische Personalunion hat die dominantere polnische Kultur ab dem 14. Jahrhundert die litauische Sprache in die Dörfer verdrängt. Die gebildeten Schichten sprachen zunehmend polnisch. Litauische, nicht theologische Bücher, gab es erst mit "Metai" von Donelaitis, ebenfalls ein preußisch-litauischer Einwohner, von Beruf Pfarrer.

Zum Ende des 19. Jahrhunderts kam es zu einem Erstarken des litauischen Nationalbewusstseins.

Viele Litauer beherrschten ihre Muttersprache aber nicht mehr und so musste z.B. auch der litauische Nationalkomponist Ciurlionis beim Wiedererstehen Litauens erst wieder Litauisch lernen.

In Tilsit war Storost Leiter eines litauischen Chores, schrieb selber Lieder und Theaterstücke. Ab 1933 arbeitete er im damaligen Memel an der Musikschule. Sein 1932 herausgegebenes und heute nur noch sehr schwer zu bekommendes Buch "700 Jahre deutsch-litauischer Beziehungen" wurde von den Nazis wegen seiner propagierten Völkerverständigung verboten, fast die komplette Ausgabe konfisziert und Storost musste sogar für zwei Monate ins Gefängnis.

Man könnte "propagierte Völkerverständigung" natürlich auch anders umschreiben. Während sich Friedrich der Große noch wünschte, dass alle seiner Untertanen die Bibel in ihrer Muttersprache verstehen sollten, die Pfarrer in Ostpreußen also litauisch und deutsch können mussten, (zumindest theoretisch, siehe hier die kommende Buchbesprechung von "Metai") nahm der Assimiliationsdruck auf die litauisch stämmigen Menschen in Ostpreussen zu. Nach der Reichsgründung 1871 nahm die Toleranz ab und man erwartete von seinen Einwohnern Deutsch als Muttersprache. Vydunas versuchte dagegen zu steuern und rief zu Toleranz und Verständnis auf. Dazu später mehr...

 

Storost Familie war seit Generationen im Memelland ansässig und man kann sie wohl als preußisch-litauisch bezeichnen. Die Familie sang deutsche Lieder und seine Frau Klara Füllhase war Deutsche. (So schrieb auch Vytautas Mykunas in der zweiten Auflage von '700 Jahre' (Chicago 1982), dass er durch seine Bildung zweifelsfrei ein Mensch der deutschen Kultur sei). Vydunas schrieb sein Hauptwerk "700 Jahre Deutsch-Litauischer Beziehungen" auch auf Deutsch, im Gegensatz zu Christian Donelaitis, der sein Buch "Metai" auf Litauisch schrieb.

Die Wahl der Buchsprache hat wahrscheinlich etwas mit den Lesern zu tun, die Vydunas und Donelaitis erreichen wollten. (Mehr dazu später in einer Buchbesprechung).

Letztendlich ist die Nationalität auch ziemlich egal und befragen kann man die beiden auch nicht mehr. Ob Storost, Donelaitis oder Grigoleit, die Zugehörigkeit zum jeweils anderen Land war fließend.

Als 1944 die Bombenangriffe auf Tilsit stärker wurden, siedelte Storost zum Gut Powarben bei Königsberg um und unterrichtete dort die Kinder des Gutsbesitzers Paul Gerhard Goertz. Danach ging es in ein Flüchtlingslager bei Detmold.

Wilhelm Storost Künstlernamen 'Vydunas' soll das Gegenteil vom litauischen "pavydunas" (Neidhammel) sein. So schrieb Storost Großneffe Jürgen Storost 1987: „Viktor Falkenhahn, ein früher Freund, Schüler und Mitarbeiter von Vydunas, berichtet in einem Gespräch, dass er zu dieser Namensproblematik Vydunas einst direkt befragt habe. Vydunas habe daraufhin geantwortet, daß er in anthroposophischer Absicht das Gegenteil eines litauischen 'pavydunas', eines Neiders, Neidhammels, Mißgönners, einer eifersüchtigen Person sein wollte, also ein Mensch, 'der allen alles Gute gönnt'.

Auf Deutsch gibt es folgende Bücher, die allerdings nur schwer zu bekommen sind:

'Die Lebenswelt im Preussisch-Litauen' 

'700 Jahre Deutsch-Litauischer Beziehungen' Tilsit 1932 (Nachdruck USA 1982)

'Litauen in Vergangenheit und Gegenwart'

 

Ich hoffe in einiger Zeit die Bücher zu rezensieren. Hilfe erwünscht ;-)

 

Auch in seiner neuen Heimat Detmold war Vydunas aktiv und schrieb Bücher über Litauen und übersetzte indische Texte ins litauische. 

Er starb 1953 und lange Zeit war er in Detmold unbekannt, bis eine Anfrage aus Litauen kam und den Detmoldern die Bedeutung ihres ehemaligen Mitbürgers Wilhelm Storost bewusst wurde. 1991 wurde sein letzter Wille erfüllt: seine sterblichen Überreste wurden ins nun wieder unabhängige Litauen gebracht, nach Bitenai, nahe dem heiligen litauischen Berg Rombinus.

Storost Vydunas

 

Sein Bild war auf der 200 Litas Banknote zu sehen, die 2015 durch den Euro ersetzt wurde.

 

Zum 150. Geburtstag von Vydunas gab es eine Neuauflage seines Buches:

Sieben hundert Jahre deutsch-litauischer Beziehungen: Kulturhistorische Überlegungen. Zum 150. Geburtstages des Autors Gebundene Ausgabe – 5. April 2017

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